CURSUS: Truppen auf dem Marsch

  • Mit einer leichten Verspätung betrat Legat Macer das Auditorium der Academia und ließ einen Blick über die anwesenden Studentzen gleiten. Er kannte sie alle aus dem letzten Cursus, ihr Wissensdurst war offensichtlich noch nicht gestillt.
    Sein Adjutant hatte bereits die Anwesenheit überprüft und reichte ihm die Liste, auf die er nur einen kurzen Blick warf, bevor er das Wort ergriff.


    "Ich bitte Sie, meine leichte Verspätung zu entschuldigen; die Geschäfte der Legion haben mich aufgehalten. Nun möchte ich Sie aber ganz herzlich zum zweiten Cursus der Academia Militaris hier in der hauptstadt unseres geliebten Imperiums begrüßen.
    Bevor wir uns den Truppen auf dem Marsch zuwenden, möchte ich wieder einmal noch ein paar Worte zur Organisation des Cursus verlieren. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist dies hier ein mittlerer Cursus, der mit dem Examen Tertium abschließt. Ich werde Ihnen also zwei Wochen lang in (vermutlich sechs) Vorlesungseinheiten das Thema vorstellen und ihnen Gelegenheit geben, Fragen zu stellen. Danach werde ich eine Prüfung mit 12 Fragen stellen, von denen 10 richtig und vollständig zu beantworten sind. Dafür ist eine Woche Zeit. Ferner werde ich Sie mit einer Fragestellung konfrontieren, die sie gemeinsam als Kolloquium, d.h. als Gruppendiskussion, bearbeiten sollen. Ähnlichkeiten mit den Diskussionen, die während einer Stabsbesprechung entstehen können, sind dabei keineswegs Zufall, sondern Absicht.
    Das Ergennis der Prüfung und des Kolloquiums werde ich spätestens eine Woche nach Abgabeschluß bekannt geben. Wie beim Examen Secundum wird die Beantworten der Prüfungsfragen Sie nicht über den Umfang der Vorlesung hinaus beanspruchen - lediglich etwas mehr eigene Leistung wird diesmal von Ihnen erwartet. Dies gilt natürlich insbesondere auch für das Kolloquium."


    Er machte eine kurze Pause, um eventuelle Gegenfragen entgegen zu nehmen und setzte seinen Vortrag dann fort.


    "Kommen wir nun also zum Thema der Vorlesung. Nachdem sich der letzte Cursus mit dem Standlager als Heimstadt der Soldaten in Friedenszeiten beschäftigt hat, wollen wir nun einen Blick auf den Marsch der Soldaten legen. Wenngleich er nicht zum Alltag der Armee gehört ist er doch ein wichtiger Bestandteil des Militärlebens und eine große Mobilität der Truppen ist ein entscheidender Faktor ihres Erfolges.
    Es gibt grundsätzlich zwei Gründe, Soldaten auf den Marsch zu schicken: die Verlegung von Truppen oder Truppenteilen von einem Standlager in ein anderes und das Führen eines längeren Feldzuges. Zwar ist in der Regel auch die Bewegung kleiner Truppenabordnungen für besondere Aufgaben, z.B. Arbeitseinsätze etc. oder der lokal begrenzte Einsatz einer Einheit bei Aufständen u.ä. mit Marschaktivitäten verbunden, diese unterscheiden sich aber in einigen Punkten von den größeren Operationen und sollen daher hier nicht weiter betrachtet werden.
    Die Bewegung einer großen Zahl von Soldaten von einem Ort zum anderen erfordert eine sorgfältige Planung und ist insbesondere eine große logistische Herausforderung. Dementsprechend werden wir uns in diesem Cursus eingehender mit der Vorbereitung eines Marsches und der Zusammenstellung von Marschgepäck und Marschausrüstung befassen.
    Verläuft bei einer einfachen Truppenverlegung ein Marsch in der Regel auf befriedetem Gebiet und bekannten, gut vorbereiteten und befestigten Wegen, so kommen im Falle eines Feldzuges die umfangreichen Anforderungen der Erkundung und Sicherung des Marschweges hinzu. Hier ist auch das Geschick des Feldherren in der Wahl der richtigen Marschformation gefordert, um die Verletzbarkeit der Marschkolonne möglichst gering zu halten. Diesen wichtigen Punkt werden wir uns daher ebenfalls eingehend widmen.
    Insbesondere im Feindesland, aber auch auf eigenem Gebiet wird sich den Soldaten jeden Abend auf's neue die Aufgabe stellen, ein Marschlager als geschütztes Quartier für die Nacht zu errichten. Aufbau und Struktur entsprechen zwar in weiten Teilen den inzwischen hinreichend bekannten Standlagern, trotzdem werden wir uns in diesem Cursus noch einmal mit den Besonderheiten eines Marschlagers befassen müssen."

  • Meridius machte sich ausführlich seine Notizen. Zwar hatte er als Teilnehmer der meisten größeren Manöver der Legio I. und auch in seiner Zeit als Soldat schon unzählige Märsche mitgemacht, doch ein guter Vortrag begeisterte ihn immer wieder.


    Nur hin und wieder, wenn die Passage etwas zu ausführlich geriet, konnte es passieren, dass er sich an seinen Nebensitzer wandte, einen kleinen Witz riss, oder aus einem kleinen Fitzelchen Papyrus eine Kugel formte die wenig später in einem unbeobachteten Moment nach vorne flog und dem Streber Secundus aus der ersten Reihe in den käsbleichen germanischen Waldnacken klatschte. Als dieser sich dann umdrehte sah er nur in sonnengebräunte Gesichter, die sich ein Grinsen nicht verkneifen konnten. :D


    Auf einem Extrablatt indess formulierte Meridius eine der ersten Fragen, die er stellen würde, sollte sich einmal eine Fragepause ergeben. Als diese kam, streckte er vorschriftsmäßig und fragte:


    "Legatus Macer! Eine Frage noch, die passt vielleicht nicht hierher, doch, wie ist es mit den Seminarnachweisen. Gibt es Bescheinigungen, oder werden sie eventuell im Tabularium vermerkt?"

  • Macer griff die Frage seines Freundes aus der LEGIO IX zu Beginn der nächsten Vorlesung noch einmal auf. "Darüber, die bestandenen Cursi im Tabularium zu vermerken wurde einmal diskutiert, aber die Idee wurde nicht weiter verfolgt. Daher ist bisher die Academia selber für die Nachweise zuständig. Die Liste der eingeschriebenen und ehemaligen Studenten ist im Officium ersichtlich, ebenso für jeden das höchte absolvierte Examen.
    Die Einzelergebnisse bleiben in den jeweiligen Akten zum Cursus vermerkt. Auf Wunsch werden Bescheinigungen ausgestellt - allerdings nur für solche Studenten, die das teure Papyrus nicht zum herumschießen verwenden... :D
    Wer sich für die ballistischen Eigenschaften von kugelförmigen Objekten interessiert, dem sei eine Geschützausbildung in der LEGIO I empfohlen."
    Ohne auch nur einen Blick auf die Studenten zu werfen wandte er sich seinen Unterlagen zu - er wollte den Angesprochenen die Schande ersparen, beim Rotwerden auch noch beobachtet zu werden.


    "Nun denn, nachdem wir jetzt alle unseren Spass gehabt haben und ich durchaus einsehen, dass die Inhalte für einige nicht unbedingt neu sind, fahren wir dennoch mit dem Inhalt der Vorlesung fort und wenden wir uns dem zu transportierenden Gepäck zu.
    Die auf dem Marsch zu transportierende Ausrüstung lässt sich in vier Kategorien einteilen: die allgemeine Kampfausrüstung, die jeder Soldat trägt, das persönliche Gepäck incl. Nahrungsrationen, das auch jeder Soldat selber trägt, die Gruppenausrüstung wie Zelte, Werkzeuge und Schanzpfähle, für die die Tragtiere der Zeltgemeinschaften zur Verfügung stehen sowie die die zusätzliche Ausrüstung, die der Einheit insgesamt zuzuordnen ist, wie etwa mitgeführte Belagerungswaffen oder auch die größeren Zelte für Offiziere oder für ein Lazarett.


    Über die Kampfausrüstung brauche ich wohl kaum ein weiteres Wort zu verlieren, Ihnen allen dürfte bewusst sein, dass ich damit textile Kleidung, Schuhe, Körperpanzerung, Helm, Gürtel, Schwert, Schild und Speer meine. Für diejenigen Offiziere, die nicht selber in den Mannschaften dienten sei daran erinnert, dass sich dieses Material auf ein Gewicht von ca. 25 kg summiert.

    Sim-Off:

    Zur Bequemlichkeit der Leser werde ich wie hier an einigen Stellen auf Gewichtsangaben in römischen Pfund verzichten. :D


    Seit der Heeresreform des marius tragen die Soldaten darüberhinaus auch das persönliche Gepäck und einen großen Teil der Verpflegung selbst, anstatt es auf Wagen oder Lasttieren im Tross transportieren zu lassen. Dies macht Sinn, um den Tross klein und die Truppe beweglich zu halten, wie wir im weiteren Verlauf der Vorlesung sehen werden. Das Gepäckbündel der Soldaten (die "Sarcina") ist aus vielen kleinen Komponenten zusammengesetzt und stellt im Prinzip den gesamten Besitzstand eines Soldaten dar! Was er hier nicht mitnimmt, das bringt ihm nichts. Zur Sarcina gehört ein großer Stoffsacke für textile Kleidung, in dem sich mindestens ein Mantel (Paenula) und eine oder zwei Reserve-Tuniken befinden. Auch der Helmbusch, den die Soldaten nur zur parade tragen lässt sich in diesem Sack gut transportieren. Ferner finden wir an der Sarcina allerlei Kochgeschirr, insbesondere die Patera als universelles Ess- und Trinkgefäß sowie entwerder einen Eimer, eine Klapppfanne oder vergleichbares Gerät. Nicht fehlen darf natürlich die Trinkflasche sowie zuweilen eine Flasche mit Öl zum Kochen, zur Ausrüstungspflege und für die Lampen. In einem Netz trägt der Soldat einen Beutel mit Getreide für mindestens drei Tage sowie sonstigen nahrungsmitteln, z.B. getrockneten Früchten, trockenem Soldatenbrot oder Fleisch, sofern vorhanden. Dadurch, dass diese Nahrungsmittel in einem Netz und nicht in einem geschlossenen Lederbeutel transportiert werden bleiben sie vor Staunässe geschützt und sind so länger haltbar.
    Weiterhin trägt der Soldat in der Regel eine Decke oder ein Fell mit sich, um sich sein Nachtlager etwas bequemer gestalten zu können. Außerdem finden wir an der Sarcina noch eine Ledertasche für die kleineren Gegenstände. Dazu zählen z.B. Kamm und Rasiermesser, Essbesteck, eine Öllampe, Feuerstein und Schlageisen, Ersatznägel für die Schuhe, der Geldbeutel usw. Viele Soldaten tragen auch eine kleine Götterstatue oder ein Amulett mit sich. Bei dieser doch recht umfangreichen Ausstattung bleibt auf den Gepäckbündeln nur noch wenig Platz für zusätzliche Kleinwerkzeuge wie Haumesser, Hämmer, Seile etc.
    Alles zusammen beläuft sich das Gewicht der Sarcina auf 20 kg bei normalen Rationen, bei zusätzlicher Verpflegung entsprechend mehr. Mit ca. 45 kg Marschbelastung ist damit die Grenze des Machbaren für den eizelnen Legionär erreicht.


    Die weitere Ausrüstung, die den Soldaten zur Verfügung steht, muss daher auf die Tragtiere der Contubernien verladen werden. Dazu zählen neben dem Zelt selber eine Steinmühle und ein umfassender Satz Schanzwerkzeug mit Spaten, Hacke, Rasenstecher, Säge, Schanzkorb und Seilen, sowie eine Anzahl von Valli zur Befestigung des Lagers. Zusammen beläuft sich diese Ausrüstung auch schon wieder auf 150 kg und erreicht (insbesondere wenn sich das lederne Zelt bei Regeln mit Wasser vollgesogen hat) damit rasch die Lastgrenze für ein Maultier. Das Umladen von persönlicher Ausrüstung der Soldaten auf die Tragtiere ist daher in jedem Fall zu unterbinden!
    Für den Transport der Ausrüstung, die über die Grenzen eines Contuberniums hinaus benötigt werden, stehen zusätzliche Tragtiere zur Verfügung. Pro Centurie darf man mit zwei bis drei zusätzlichen Tieren rechnen, auf denen Zelt und Ausrüstung des Centurio, Teile der Ausrüstung der Unteroffiziere, administrative Dinge (Akten etc.) sowie evtl. ein von der Einheit mitgeführtes leichtes Pfeilgeschütz incl. Munition transportiert werden. Auf ähnliche Art und Weise kann für die höheren Offiziere mit zwei Tragtieren für Ausrüstung, Zelt und das spezifische Zubehör ihrer Aufgabe gerechnet werden.
    Den Pioniereinheiten stehen weitere Tragtiere für zusätzliches Gerät zur Vorbereitung des Weges und zur Einmessung des Lagerplatzes zur Verfügung. Noch einmal werden einige weitere Tiere für den Transport der Einrichtung von Feldlazaretten und - werkstätten benötigt und schließlich darf der Transport von Belagerungswaffen ebenfalls noch einmal zusätzlicher Tiere.


    Wie sie an dieser durchaus recht flüchtigen Auflistung schon abelesen können, ist eine sorgfältige Planung der Lastverteilung, ein ausreichender Bestand an gesunden Tragtieren und absolute Disziplin und Selbstbeschränkung zur Reduzierung des Gewichtes unabdingbar, um Truppen effektiv auf den Marsch schicken zu können. Unnötiges Gepäck ist für eine Truppe genauso eine ärgerliche Mehrbelastung, wie unzureichende Ausrüstung oder ein zu kleiner Tross die Truppe gefährlich schwächen kann.


    Wie man einige der Probleme, die sich insbesondere bei der Planung der mitzuführenden Verpflegung durch sorgfältige Vorbereitung der Route umgehen kann, werden wir in der nächsten Vorlesungsstunde besprechen."

  • Sichtlich gut gelaunt betrat Macer zur nächsten Vorlesung das Auditorium. "Angesichts des schönen Wetters und des morgen bevorstehenden Triumphzuges sollten wir heute nicht zu lange machen" - zustimmendes Nicken von allen Plätzen - "werden uns aber trotzdem einmal gründlich mit der Vorbereitung eines Marsches befassen müssen. Hier treffen wir wieder einmal auf die grundlegende Unterscheidung zwischen einem Marsch in bekanntem Gebiet zur Verlegung von Truppen und den Marsch in unbekanntem, möglicherweise feindlichem Territorium.
    Für heimisches Gebiet sind die Vorbereitungen schnell erklärt: benötigt wird eine Karte des gesamten zu durchquerenden Gebietes, auf der die Länge der Etappen und mögliche Plätze für die Nachtlager von Anfang an exakt geplant werden können. In der Regel werden hier unsere gut ausgebauten Straßen oder schiffbare Flüsse gute Dienste leisten und den Vormarsch erheblich beschleunigen.
    Zur Unterstützung der Versorgung der Truppe mit Nahrungsmitteln kann ferner auf die Lagerbestände von Posten und Städten zurückgegriffen werden, die auf dem Weg liegen. Hier sind also keine Probleme zu erwarten, wenn man vorher alle nötigen Stellen informiert hat.


    Ganz anders sieht es aus, wenn wir uns in feindlichem Gebiet bewegen. In der Regel verfügen wir über keine Karten der Gegend und sind daher auf eine ausführliche Erkundung angewiesen. Den Idealfall stellt es sicherlich dar, wenn der komplette Marschweg vorher von Reitern erkundet und beschrieben wird. Insbesondere ist dabei auf die Lage von Ansiedlungen und natürlichen Hindernissen wie dichten Wäldern, Schluchten, Bergen und Flüssen zu achten. Engstellen oder Furten, die die Überquerung von Flüssen ermöglichen müssen vor der Planung ebenso bekannt sein wie Pfade und Schneisen, die im durchquerten Gebiet auf natürliche Weise existieren oder von den dortigen Einwohnener angelegt wurden. Ebenfalls sehr nützlich sind Informationen über den Bestand an Wiesen und Äckern sowie Bächen und Quellen, die die Versorgung der Truppe ermöglichen und somit gute Plätze für Nachtlager darstellen.
    Je nach Situation kann es sogar hilfreich sein, vor dem eigentlichen Marsch der Haupttruppe Vorauseinheiten loszuschicken, die auf dem geplanten Marschweg Versorgungposten einrichten und dort Vorräte einlagern.
    Wir brauchen aber gar nicht zu glauben, dass eine derartige optimale Vorbereitung immer möglich wäre. Plötzliche Aufstände, die Strategie des Gegners, das Wetter oder auch Fehlinformationen können dazu führen, dass die Truppe einen Weg nehmen muss, der nicht vorbereitet wurde. Dann ist es von noch höherer Wichtigkeit, dass die Truppe von gut ausgebildetene Kundschaftern und Meldereitern begleitet wird, die der Marschkolonne mindestens eine Tagesetappe vorausreiten und den Feldherrn über die Geländegegebenheiten, mögliche Lagerplätze und natürliche Hindernisse informieren. Es darf unter keinen Umständen passieren, dass eine Truppe aufgrund mangelnder Erkundung beim Abmarsch am Morgen noch nicht das Ziel für den Abend weiss oder dass sie dieses Ziel nicht erreichen kann, weil ihr ein Fluss, ein Sumpf oder was auch immer den Weg versperrt. Selbstverständlich gehört es weiterhin gerade in ungeplanten Situationen zur vordringlichsten Aufgabe der Kundschafter, den Feldherrn über die Bewegungen des Feindes zu informieren und mögliche Hinterhalte und gefährliche Stellen rechtzeitig zu erkennen sowie dem Feldherrn Hinweise auf günstiges Gelände für eine Schlacht zu geben.
    Die Informationen der Kundschafter ermöglichen es dem Feldherrn also, die jeweiligen Tagesetappen zu improvisieren, die Verfügbarkeit der Verpflegung abzuschätzen und trotzdem die grundlegende Richtung des Marsches zu halten.


    Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass ein Marsch umso besser verläuft, je besser die Planung war und über je mehr Ortskenntnis der Kommandierende verfügt."

  • Nachdem die Academia einige Tage Pause eingelegt hatte, um allen Studenten eine unbeschwerte Feier des Triumphzuges zu ermöglichen, setzte Macer die Vorlesung nun wieder fort.


    "Nachdem wir nun schon wissen, wie ein Marsch vorzubereiten ist und was im allgemeinen an Gepäck mitgeführt wird, so wollen wir uns nun einem konkreten Problem auf dem Marsch widmen, das vom Kommandierenden jeden Tag neu überdacht werden muss: der Frage der Marschordnung.
    Wie bereits merhfach angeklungen, können wir verschiedene Teil der Marschkolonne voneinander abgrenzen: Erkunder, die Soldaten und ihre direkten Vorgesetzten, die Stabsoffiziere mit ihrer Eskorte, die Tragtiere und Lastkarren und evtl. weitere berittene Einheiten. Ebenfalls bereits mehrfach angesprochen sind die unterschiedlichen Bedingungen unter freidlichen oder kriegerischen Umständen. Wir wollen dies nun noch einmal systematisch durchgehen.


    In friedlichem Gebiet stellt sich die Aufstellung recht einfach dar. Die Soldaten marschieren üblicherweise in Vierer- oder Sechserreihen, so dass wir auf einen Block von 14-20 Reihen pro Centurie kommen. Üblicherweise halten sich die Offiziere mit ihrer Leibwache im ersten Drittel oder in der Mitte der Kolonne auf, der Tross läuft am Ende mit. Auf einen Flankenschutz kann verzichtet werden, die Reiterei kann als Vorhut, Nachhut oder in der Nähe der Offiziere eingesetzt werden.
    Primäres Ziel dieser Aufstellung sollte es sein, ein schnelles und bequemes Vorwärtskommen zu ermöglichen.


    Ungleich schwerer ist die Aufstellung bei möglichem Feindkontakt. Eine optimale Aufstellung für diesen Fall müsste mehrere Dinge leisten:
    1. Schutz gegen Angriffe von allen Seiten;
    2. schneller Wechsel in eine Schlachtaufstellung
    3. Kompaktheit, d.h. keine dünne langgezogenen Kolonne
    4. keine deutliche verminderte Marschgeschwindigkeit.
    Wie Sie sich denken können, ist es nahezu unmöglich, alle Ziele gleichermaßen zu erreichen. Dementsprechend muss es zur Fähigkeit eines guten Kommandanten gehören, diese Ziele angemessen zu berücksichtigen und die Aufstellung an der Erreichung des wichitgsten Zieles zu orientieren.
    Schutz gegen Angriffe von allen Seiten erreicht man dadurch, dass man an der Spitze und am Ende der Kolonne die erfahrendsten und tapfersten Einheiten der Truppe einsetzt, unterstützt durch Reiterei. Weitere Teile der Reiterei bilden einen Flankenschutz. Der Tross wird auf viele kleine Gruppen zwischen den Soldaten verteilt, um zu verhindern, dass eine lange, schlecht verteidigte Passage im Zug entsteht. Eine andere Alternative besteht darin, Soldaten als Flankenschutz links und recht neben dem Tross marschieren zu lassen - auf die daraus entstehenden Probleme werde ich gleich zu sprechen kommen.
    Die gerade vorgestellte Ordnung ermöglicht in gewisser Weise auch einen raschen Wechsel in die Schlachtaufstellung. Wirklich schnell ist ein Wechsel nur, wenn sich die Soldaten praktisch nur nach Links oder Rechts wenden müssen und dann durch das vor- oder zurückziehen von einzelnen Einheiten bereits eine geschlosssene breite Schlachtreihe steht. War die Kavallerie am Anfang und Ende der Kolonne postiert, so befindet sie sich nun bereits an ihrem optimalen Standort auf den Flügeln. Ein verteilter Tross sowie die der Offiziersstab kann sich ebenfalls schnell hinter die Linie zurückziehen, während die Legionäre vorrücken und die Lücken schließen.
    Weniger gut gelingt der Wechsel, wenn die Kolonne auf einen massiven Schutz gegen Frontalangriffe gesetzt und nur eine schwache Nachhut eingesetzt hat. Dann ergbit sich beim Schwenk in die Schlachtformation ein Ungleichgewicht der Flügel, das erst durch das Verschieben von Truppenteilen ausgeglichen werden muss.
    Dem Wunsch nach einer kompakten Marschkolonne stehen die bisherigen Ergebnisse nicht unbedingt entgegen, da eine kompakte Gruppe grundsätzlich immer besser in alle richtungen geschützt ist und eine Schlachtreihe ja ebenfalls nicht zu lang und dünn sein sollte. Große probleme bekommen wir dann aber mit die Ziel der schnellen Fortbewegung. Eine breite Kolonne braucht einen breiten Weg, welcher in der Regel nur auf freiem Feld zu finden ist. Sobald das Gelände bewaldet oder stark hügelig wird, ist es praktisch unmöglich, neben einer Viererreihe von Soldaten noch auf beiden Seiten einen sinnvollen Flankeschutz durch Reiterei unterzubringen. Das Gelände zwingt uns als möglicherweise dazu, die Kolonne länger anzulegen als es uns lieb ist. In diesem Fall muss überlegt werden, ob es Sinn macht, die Kolonne in zwei parallele Züge aufzuteilen. Bei geeigneter Koordination bilden diese gegenseitig den Flankenschutz für eine Seite, so dass sowohl in der Breite pro Kolonne als auch in der Gesamtlänge des Zuges gespart werden kann. Gleichwohl ermöglicht eine derartige Aufstellung natürlich keinen schnellen Wechsel in eine Schlachtordnung!


    Diese Betrachtungen sind natürlich noch nicht umfassend und abschließend, aber ich möchte nun zuerst noch ein wenig beim Punkt der Kolonnenlänge bleiben. Nehmen wir an, die Soldaten marschieren in Viererreihen, so bekommen wir auf der gleichen Breite drei Reiter untergebracht. Logischerweise liegt der Platzbedarf der hintereinander marschierenden Soldaten bei etwas mehr als einem halben Schitt, für die Kavallerie bzw. ein Tragtier des Trosses bei etwa zwei Schritt. Für eine Legion kommen wir damit zu folgende Ergebnissen:
    - Legionäre: 64 * 20 * 1/2 = 640 Schritt
    - Tragtiere mit Gepäck der Contubernien: 64 * 4 * 2 = 512 Schritt
    - Legionsreiterei: 40 * 2 = 80 Schritt
    - Offiziere incl. Gepäck: etwa 40 Schritt
    - sonstiger Tross (Artillerie, medizin. Versorung, Nahrung): etwa 200 Schritt
    Addiert ergibt das eine Länge von 1972 Schritt, zu denen wir gerne noch einmal ein wenig Abstand zwischen den Teilen hinzuaddieren dürfen und so auf etwas mehr als 2000 Schritt, als über 2 Meilen kommen.

    Sim-Off:

    = etwa 3 km.


    Gehen wir ferner also davon aus, dass sich bei einem größeren Feldzug mehrere Legionen in Begleitung von Hilfstruppeninfatrie und -reiterei bewegt, so kommen wir schnell auf Kolonnenlängen von weit über 10 Meilen und erreichen damit Bereich, die dem Tagespensum einer Marschetappe beachtlich nahe kommen! Zu der Betrachtung dieser besonderen Situation kommen wir, wenn sich noch die Zeit dazu ergibt."


    Sim-Off:

    Kolloquium verschiebt sich wohl etwas nach hinten - evtl. erst ab Anfang August...

  • Sim-Off:

    Ich bitte, die Pause in der Vorlesung zu entschuldigen - eine Hausarbeit für die Uni ging vor...


    "Nachdem wir nun erarbeitet haben, wie ein Marsch vorzubereiten ist und wie die Kolonne zusammen zu stellen ist, müssen wir uns nun noch über das Nachtlager der marschierenden Truppe Gedanken machen. Es sollte unmittelbar klar sein, dass man den Soldaten am Ende des Tages nicht einfach erlaubt, nach Gutdünken ihre Zelte aufzuschlagen und sich zur nachtruhe zu begeben. Dies würde sofort zu einem großen Chaos führen. Ein planvolles Vorgehen ist also in jedem Fall unabdingbar.


    Wie für ein Standlager muss auch für ein Marschlager ein geeigneter Standort gefunden werden. Eine möglichst ebene Fläche und Zugang zu Frischwasser sind hier die beiden entscheidenden Bedingungen; ferner ist es von Vorteil, wenn das Lager taktisch günstig liegt und schon von der Örtlichkeit her leicht zu verteidigen ist.
    Wie bereits erwähnt sollten die Kundschafter einen geeigneten Platz bereits einen Tag im voraus ausmachen. Vor der Marschkolonne zieht dann noch eine Vorauseinheit aus Pionieren und Vermessern, die den geplanten Platz frühzetig vor den anderen Soldaten erreicht und geeignet herrichten kann. Dazu zählt das Entfernen von grobem Buschwerk sowie das Einmessen des Geländes mit Hilfe der Groma. Diese wird zuerst am geplanten Mittelpunkt des Lagers aufgestellt und von dort werden die beiden Lagerhauptstraßen markiert. Weitere Messungen erfolgen an den Toren und an den Lagerecken, bis der Grundriss abgesteckt ist. Daraufhin werden geplante Lagergassen markiert und die Standorte der wichtigen Gebäude ausgewiesen. Die marschierende Truppe trifft dann bei ihrer Ankuft auf ein immer nach dem gleichen Schema vorbereitetes Feld - egal, wo die Soldaten sind, sie kommen immer in eine gewohnte Umgebung. Jeder Soldat weiss dann sofort, wo er sein Zelt aufzustellen hat und wie er sich im Lager orientieren kann.


    Bevor aber mit dem Aufstellen der Zelte begonnen wird, sollte jeder gute Truppenkommandeur dafür sorgen, dass der Lagerplatz durch eine geeignete Verschanzung gesichert wird. Die wichtigsten Hilfsmittel dafür sind die mitgeführten Schanzwerkzeuge und die Valli. In friedlichem Gebiet ist es ausreichend, jeweils drei dieser Schanzpfähle in der Mitte so zusammen zu binden, dass die Enden in alle Richtungen nach außen stehen. Das Lager wird dann mit einer dichten Linie aus diesen Stachelsperren umgeben.
    Bei befürchtetem Feindkontakt müssen weitaus größere Maßnahmen getroffen werden. Mit den Werkzeugen sollte ein Spitzgraben von mindestens 5 Fuß Tiefe ausgehoben werden und der Aushub zu einem Wall aufgeschüttet werden. Bevor mit dem Graben begonnen wir, werden Rasenziegel ausgestochen, die anschließend auf die Außenseite des Walles gelegt werden. Ein heranstürmender Feind, der den Graben überspringt, landet dann auf diesem losen Belag und rutscht mit ihm in den Graben hinunter. Die Spitze des Walles wird abgeflacht, so dass sich auf ihnen die Wachen sicher bewegen können. An der Außenkante werden die Valli in einem leichten Abstand von etwa einem halben Fuß in den Wall gerammt und an der dünnen Stelle in der Mitte mit Seilen untereinander verbunden. Die auf diese Weise schnell errichtete Palisade ist äußerst stabil, da es einem Angreifer nicht möglich ist, einzelne Teile heraus zu ziehen oder auseinander zu drücken.
    Sollten es die Geländegegebenheiten nicht zulassen, einen tiefen Graben auszuheben oder einen Walll mit Pallisade zu errichten, so muss der Feldherr auf eine geeignete Mischung aus verschiedenen Methoden zurückgreifen. Die beschriebenen Stachelsperren sind in diesem Fall ein gutes Mittel. Ein Lager aufgrund der Geländegegebenheiten oder der Erschöpfung der Soldaten nicht ausreichend zu sichern ist höchst fahrlässig und zeugt von der Unfähigkeit des Kommandeurs!
    Möglicherweise müssen weitere Verschanzungen angelegt werden, um z.B. den Zugang zu einem nahen Fluß oder Bach zu sichern oder strategisch günstig Aussichtspunkte mit in die Befestigung mit einzubeziehen.


    Trotz aller Sorgfalt sollten die Arbeiten zügig ausgeführt werden und nicht mehr als zwei Stunden in Anspruch nehmen. So bleibt den Soldaten noch genug Zeit, die Zelte im Inneren zu errichten und sich um ihre Ausrüstung und das Abendessen zu kümmern. Ist während der Arbeiten mit unmittelbarem Feindkontakt zu rechnen, muss der Lagerplatz während der Arbeiten von einem Teil der Truppe bewacht werden, was bei der benötigten Zeit zu berücksichtigen ist.


    Am Morgen des Abmarsches werden zuerst die Zelte abgebaut und verladen, dann kann sich der Voraustrupp zur Verbereitung des nächsten Nachtlagers bereits in Bewegung setzen. Die anderen Soldaten entfernen die Palisaden oder Stachelsperren und verladen das Material. Auf eine aufwändige Einebnung der Wälle kann in der Regel verzichtet werden.


    Selbstverständlich konnten diese kurzen Ausführungen nur einen kleinen Einblick in Aufbau und Funktion von Marschlagern geben. Je nach Situation ergeben sich immer wieder wechselnde Anforderungen, sei es im Bezug auf die taktische Lage, bei einer möglichen Versorgung der Truppen über eien Fluß, im felsigen Gebirge, in Wald- oder Sumpfgebieten usw. Um Truppen und Offizere immer wieder im Umgang mit diesen Situationen zu schulen, die Abläufe zu trainieren und die Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu erhöhen empfiehlt es sich, regelmäßige Manöver unter verschiedenen Bedingung auch mit kleinen Truppenteilen auszuführen. Häufig ergeben sich in der Praxis interessante Lösungen für einmalige Probleme."

  • "Wie vor einiger Zeit versprochen, möchte ich zum Abschluß noch kurz auf die besondere Situation eingehen, die entsteht, wenn die Länge der Marschkolonne die Länge einer Tagesetappe erreicht. Rein praktisch bedeutet dies zunächst einmal, dass die Spitze der Kolonne das Tagesziel schon erreicht hat, bevor das Ende das Lager der letzten Nacht verlassen hat. Häufig kann dies dazu führen, dass die letzten Einheiten erst in der Abenddämmerung das Ziel erreichen. Die Situation stellt insbesondere eine moralisch Herausforderung für die Soldaten dar, da die Soldaten entweder am Morgen möglicherweise stundenlang auf ihren Abmarsch warten müssen, ihnen abends aber kaum Zeit für die Zubereitung des Abendessens bleibt oder sie morgens das Lager verlassen und nachmittags ein neues errichten, während ihre später eintreffenden Kameraden nicht an den Schanzarbeiten beteiligt sind. Auf eine gerechte Verteilung der Belastung ist hier also insbesondere zu achten.
    Im übrigen soll es auch schon vorgekommen sein, dass die Soldaten im neu errichteten Lager die immer weiter herbeiströmenden eigenen Truppen nach einer kurzen Lücke in der Kolonne für feindliche Kräfte gehalten haben und es so zu einer großen Verwirrung im Lager kam!



    Ein weiterer Punkt blieb bisher unbeachtet, ist aber ebenfalls von großer Bedeutung: neben dem eventuellen Anlegen von Vorratsdepots im Voraus, dem Zugriff auf vorhandene Lager und natürliche Nahrungsvorkommen sowie der Ausgabe von Tagesrationen gehört selbstverständlich auch die Planung des Nachschubs zu den Aufgaben bei einem Marsch. Für nachfolgende kleine Einheiten, die im Pendeldienst von Versorgungsstützpunkten aus große Mengen an Nahrungsmitteln herbei schaffen, muss die Route der Truppe bekannt oder zumindest leicht erkennbar sein. Diese Versurgungseinheiten sollten über den geplanten weiteren Vormarsch informiert sein, um ihre eigenen Routen optimal planen zu können. Im Gegenzug sollte auch der Feldherr über ihre Planungen Bescheid wissen, um die Marschroute der Truppe ggf. anzupassen.



    Fassen wir also noch einmal zusammen: eine Marschkolonne ist wesentlich mehr als ein Mittel, um Soldaten von einem ort zum anderen zu bekommen. Eine wohl geordnete Kolonne, die durch erkundetes Gebiet zieht bietet Schutz gegen feindliche Angriffe und kann sich schnell zur Marschordnung wenden. Nachts bietet das Marschlager den Soldaten ebenfalls Schutz und eine vertraute Umgebung. Der Erkundung der Route im Voraus, der Sicherung des Weges durch Vorauseinheiten und der sorgfältigen Planung des Nachschubes kommen entscheidende Bedeutung zu, um einen Marsch erfolgreich durchführen zu können."

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