Hoch in den Apenninen | Arrecina, Rutger, Aristides

  • In einem strahlendblauen Himmel stand hell die Sonne im Zenit. Die Zikaden sangen ihr eintöniges Lied. Eine sanfte Brise strich Rutger durch das Haar. Er saß, den Rücken an einen Felsen gelehnt und ein Bein von sich gestreckt, hoch oben an einem steinigen Abhang, und blickte hinab in die sonnendurchfluteten Täler der Apenninen.



    An das große Unwetter, das tags zuvor so zerstörerisch hereingebrochen war, erinnerten noch ein paar Wasserlachen, verstreut liegende Äste, hin und wieder ein geknickter Baum. Sie hatten Glück gehabt, dass sie während des Gewitters eine Zuflucht gefunden hatten, dachte sich Rutger - und noch mehr Glück, dass sie die Nacht in dieser grauenvollen "Zuflucht" so einigermaßen heil überstanden hatten... aber daran wollte er lieber nicht zurückdenken.


    Er wandte den Kopf, und sah neben sich, auf Arrecina. Zugedeckt mit einer Pferdedecke lag sie da, auf dem vergilbten Gras, und schlief. Unter dem schmutzigen Kopfverband quoll ihr kastanienbraunes Haar hervor, schmiegte sich um ihr von der Erschöpfung gezeichnetes Gesicht, floss über ihre Schultern, und lag glatt ausgebreitet auf der groben Decke. Sachte strichen Rutgers Finger darüber hinweg, mit ein wenig Abstand, denn er wollte sie nicht wecken. Er spürte auch so, wie sonnenwarm ihr Haar war, sah die kleinen Lichtreflexe goldbraun in der dunklen Fülle schimmern, und er roch dessen Duft. Schön.
    Von einem aufwallenden Gefühl der Zärtlichkeit überwältigt, streckte er sich neben ihr aus, stützte das Kinn auf den Ellbogen, und betrachtete völlig versunken ihr Gesicht. Begierig, jede Einzelheit in sich aufzunehmen, ließ er seinen Blick darüber wandern. Wie fein geschwungen ihre Brauen waren. Wie zierlich wölbte sich ihre Ohrmuschel. Einen eigenwilligen Zug hatte sie um den Mund. Ein bisschen schelmisch auch, fand er. Ruhig strich der Hauch ihres Atems über ihre zarten Lippen, und... - sein Blick verharrte an einer Stelle, wo ihre Unterlippe von geronnenem Blut dunkel verkrustet war.


    Sein Lächeln erlosch, er wandte beschämt die Augen ab, stand auf, und ging hinkend ein paar Schritte weiter. Die beiden Ponys, die er aus der Villa Aspera gestohlen hatte, rupften gemächlich das trockene Gras. Er klopfte ihnen kurz auf den Hals, dankbar für ihre Genügsamkeit und Trittsicherheit, und fragte sich kurz, was wohl aus Phaidra geworden war.
    Mit seiner selbstgebauten Frame in der Hand setzte er sich schließlich auf einen flachen Stein, und streckte wieder das verletzte Bein lang aus. Unter sich sah er den schmalen Pfad, auf dem sie gekommen waren, wie er sich in Serpentinen, an Klüften und Geröllhalden vorbei, den Hang hinaufwand. Er zog dann weiter, einen felsigen Grat entlang; diesen Weg würden sie später nehmen, wenn Arrecina sich ein wenig ausgeruht hatte. Rutger hätte nach den zumeist schlaflosen letzten Nächten etwas Ruhe ebenfalls bitter nötig gehabt, doch er wußte, dass er sie sich nicht leisten konnte, und noch hielt ihn sein Wille aufrecht, in einem überwachen, angespannten Zustand. Ein Windhauch raschelte leise in den Blättern eines struppigen Dornbusches, und schon dieses verhaltene Geräusch ließ Rutger unruhig aufblicken, und die Frame fester fassen.


    Über sich selbst den Kopf schüttelnd, zog er das Messer aus dem Gürtel, und arbeitete weiter an seiner Waffe, zog hier eine Schnürung fester, glättete da eine Unebenheit, glich dort eine Unausgewogenheit aus. Dann legte er sie quer über seine Knie, atmete tief ein, und beschwor vor seinem inneren Auge die Formen der Runen des Kampfes und des Sieges. Leise kam der archaische Singsang über seine Lippen, der ihre Kräfte rief und band, während er ihre Formen mit der Klinge in den Schaft seiner Waffe ritzte. Zuletzt fügte er sich selbst einen kleinen Schnitt in den Handballen zu, und färbte die Runen mit seinem Blut rot.
    Gerade als er die Hand zum Mund führte, um sich das Blut abzulecken, ertönte laut und vernehmlich ein 'Klack', und ein Stein kullerte von oben, vom Grat her, den Berg hinunter. Sofort war Rutger auf den Beinen, starrte mit erhobener Waffe kampfbereit dorthin - und sah, gegen den blauen Himmel, eine Gemse, die, anmutig ihre Hufe setzend, da oben entlang spazierte. Vor Erleichterung leise auflachend ließ er die Waffe wieder sinken...

  • Was hatte die Gemse aufgescheucht? Es war Maia.


    [Blockierte Grafik: http://img238.imageshack.us/img238/3623/maiayi5.jpg]| Der lächzende Bluthund!


    Fröhlich kläffend sprang sie den Hang hinunter, hüpfte von einem großen Stein zum nächsten und trippelte mit ihren kleinen Beinen auf Rutger zu. Hechelnd sprang sie an ihm hoch und schien ihn wie einen alten Freund zu begrüßen. Ihre Knopfaugen sahen ihn vertrauensvoll an und sie schien auf ihre Belohnung zu warten. Halt, wir greifen vor! Ein wenig zurück...


    Die restliche Nacht hatte Marcus in dieser schrecklichen Taberna verbracht. Er war zu erschöpft gewesen, um überhaupt noch mal aufzustehen, sein Kopf war einfach auf die dreckige und krustenverklebte Tischplatte heruntergesunken, nach dem Verhandeln mit Mico. Niemand konnte ihn jetzt noch in seinem seligen leicht schnarchenden Schlaf wecken, eine Tugend aus seinem Legionsleben, aber so etwas lernte man, wenn man unter allen Widrigkeiten, ob in der Mannschaftsunterkunft oder reisend unterwegs, schlafen wollte und musste. Erst ein dünner Sonnenstrahl und ein Lebewesen hatte ihn geweckt.. Er spürte etwas Warmes, Weiches und Feuchtes auf seiner Wange und seinen Lippen.


    „Lucilla?“


    Ein seliges Lächeln stieg in sein Gesicht, er schlug die Augen auf in der Hoffnung der schönen Venus, die er doch nur kennen lernen durfte bei der Vinalia. Aber er hatte von ihr geträumt und sie mußte das erhört haben, war bestimmt ihrer Muschel entstiegen, um ihn wach zu küssen. Er sah in schwarze kleine Knopfaugen, nicht die atemberaubend berauschende, dunklen Augen seiner schönen Lucilla. Erschrocken wich Marcus von dem kleinen ‚Fährtenhund’ zurück, der auf dem Tisch stand, mit seinem kleinen Schwanz wedelte und Marcus treu und fidel ansah. Angewidert, ja in letzter Zeit war das Marcus oft, wischte er sich über die Lippen und die Wange. So ‚angenehm’ oder eher mit einem Schock geweckt, war Marcus bereit aufzubrechen. Und das taten er schließlich und im Morgengrauen auch, ausgeruht, gesättigt und etwas gewaschen stieg Marcus auf sein Roß und ließ seinen neuen Führer, Mico, und seinen angeblich phänomenalen Spur- und Jagdhund vor sich herlaufen.


    Stunden vergingen, der Morgen war schon in seiner älteren Phase, und sie hatten immer noch nichts und niemanden und erst recht keine Spur gefunden. Natürlich ließ sich Mico das nicht anmerken. Immer den Kunden bei Laune halten war seine Devise. Maia schien darin mehr einen Spaß zu sehen. Immer wieder verschwand sie im Gebüsch und tauchte mit toten Ratten, kleinen Vögeln oder sogar einmal einer Natter im Maul auf. Marcus Skepsis, die von den wohlgesetzten Worten Micos nicht beruhigt wurde, wuchs stetig. Als sie sich schließlich einer Schlucht näherten, schon vor einiger Zeit hatten sie den letzten Pfad aus den Augen verloren, zügelte Marcus sein Pferd.


    „Gibs zu, Du hast keine Ahnung wo wir überhaupt sind, oder?“


    Mico blieb stehen, drehte sich um.


    [Blockierte Grafik: http://img168.imageshack.us/img168/746/micoqz2.jpg]| Warum meint es das Schicksal bloss so hart mit ihm? Der freche Scheinführer!


    Schweißperlen glänzten im Sonnenlicht auf seiner Stirn und er sah schon fast sein letztes Stündlein geschlagen. Was tun, was sagen? Wie konnte er noch mal eine Gnadenfrist erreichen? Beim Teutates, es konnte doch nicht so schwer sein hier in diesen vermaledeiten Bergen zwei Leutchen zu finden. Mico hatte da mehr auf sein Glück als seine, praktisch nicht vorhandenen Kenntnisse, gehofft. Schließlich kam er urpsrünglich aus Gallien.


    „Ähm...aber Herr, der Weg beginnt gleich hinter der Schlucht. Wißt ihr...man nennt dies auch die Schlucht der Toten...ich ...ähm...“


    Maias aufgeregtes Kläffen und das Blöcken einer Gemse unterbrach Mico. Erleichtert um diese Ablenkung spähte er in die Richtung. Doch nichts zu sehen, außer einem Geröll- und Felssteilhang, der die Sicht versperrte. Maia mußte auf der anderen Seite sein.


    “Ich glaube, meine Kleine hat was entdeckt...“


    Mico merkte das etwas kleinlaut an, seufzte jedoch erleichtert als Marcus gönnerhaft nickte. Schnell setzte er den Weg fort und bog um den Felshang herum, kletterte ein wenig den Hang herunter und sah auf seine Hündin, der freudig um Rutger herumhüpfte und hechelnd zu Arrecina eilte, um auch diese mit ihrer kleinen Zunge zu begrüßen. Einige Steine polterten herunter. Marcus ritt dicht hinter Mico und spähte auch hinunter. Die Sonne strahlte auf seine Rüstung und reflektierte das Metall. Angespannt kniff Marcus die Augen zusammen. War das nicht der kleine Germane? Wo war seine Tochter? Marcus konnte sie nicht ausmachen, doch noch während er sein Pferd herunter steuerte und in den Trab fiel, zog er schon sein Gladius aus der Schwertscheide am Sattel. Mico fiel auf die Knie, dankte allen gnädigen Göttern, denn scheinbar war Fortuna mit ihm Hold gewesen.

  • Zwischen den Felsen sah Rutger hell Metall aufblitzen, und dann sprang auch schon das kleine Hündchen wie ein Irrwisch um ihn herum. Er schluckte, und schob das possierliche Tier mit dem Fuß zur Seite. Die Frame in der Hand wiegend fixierte er mit schmalen Augen den Reiter, der den Hang hinunter auf ihn zukam, und erkannte in ihm - Flavius Aristides!
    Tief atmete er ein, schmeckte die frische Bergluft, und sah mit einem wehmütigen Lächeln zu Arrecina. Das war doch seltsam, schoß es ihm durch den Kopf, wie er ihr eben noch so nah gewesen war, den Duft ihres Haares gerochen hatte, und nun, so plötzlich, lief wieder alles darauf hinaus zu töten oder getötet zu werden, sich zu rächen oder selbst zu sterben...- ja, seltsam, aber wohl der Lauf der Dinge.


    Verbissen ging er seinem Feind entgegen. Bei jedem Schritt schmerzte sein Bein. Der Römer kam schnell näher. Wollte der ihn niederreiten? Wenn er ihn doch irgendwie vom Pferd holen könnte... Auf einem flachen Felsen, inmitten eines steinigen Steilhanges, blieb Rutger stehen, und erwartete ihn.
    "Wodan von Asgard..."
    Wie von alleine kamen die Worte über seine Lippen. Der Hufschlag dröhnte immer lauter in seinen Ohren.
    "Höre in Huld mich..."
    Rutger konnte göttlichen Beistand gerade wirklich gut gebrauchen. Der Römer kam immer näher. Losgetretene Steine rollten polternd den Abhang hinunter.
    "Ich weihe mich Dir, gewaltiger Ase..."
    Er umschloss den rauhen Schaft seiner Waffe fest, und fühlte die eingeritzten Runen unter seinen Fingern. Der Römer war schon fast bei ihm.
    "Sende, Wallvater, mir Sieg !"
    Oder lass mich mein Leben wenigstens teuer verkaufen!


    Mit grimmigem Lächeln hob Rutger die Frame, fasste den Feind genau ins Auge, und wartete kaltblütig bis zum letzten Moment, um dann blitzschnell das untere Ende des Schaftes fest mit dem Fuß am Felsen abzustützen, und zugleich die Spitze direkt auf die Leibesmitte des anstürmenden Gegners zu richten.... bevor er sich vor den Hufen und dem Gladius zur Seite warf.

  • Die Sorge der letzten Tage, die Angst um seine Tochter verwandelte sich in dem Moment, wo er den Germanen auf der Anhöhe ausmachen konnte, in Wut und kaltem Haß. Wie sehr es Marcus doch bereute, ihm damals in Germania nicht umgebracht zu haben. Was machte schon ein Germane und ein Feind weniger auf der Welt? Die Hufen klapperten laut als er über den Hang herunterritt, sein Hengst rutschte ein paar Mal ein Stückchen ehe er sich fing. Den provisorischen Speer sah Marcus durchaus, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. So mit einer hasta gegen berittene Angreifer vorzugehen, war schließlich auch eine Spezialität der römischen Infanterie und somit auch seiner Einheit. Weitere Steine polterten hinter ihm herunter. Mico hatte sich nach seinem Dankesgebet wieder erhoben und folgte seinem Auftraggeber langsam, aber nicht zu schnell. Schließlich war der zwar seine Geldquelle und außerdem wollte er schnell Maia aus dem Gefahrengebiet bringen, aber nicht zwischen die gefährlichen Waffen geraten.


    “Herr, der hat einen Speer, paß’ auf!“


    Marcus ignorierte diese doch offensichtliche Beobachtung und trat mit seinen Fersen erneut gegen die Flanken seines Pferdes. Dabei bewegte er sich etwas nach rechts, um dem Speer auszuweichen, hob sein gladius und ließ ihn aus seinem Handgelenk kreisen. In dem Moment scheute sein Hengst, wollte nicht gegen den Germanen laufen und machte einen unberechenbaren Satz zur Seite. Da stieß der Speer, dem Marcus so nicht mehr ausweichen konnte- der Mätzchen seines Pferd lenkten ihn ab- wuchtig gegen seine lorica segmentata. Der Aufprall presste ihm die Luft aus seinen Lungen, den Schmerz spürte er nicht, dafür jedoch daß er nicht wirklich ein eques oder bei der Kavallerie war, denn er rutschte durch den Speerhieb halb vom Sattel herunter und kam nicht mehr zu seinem Schlag mit dem gladius. Schon war das Pferd an Rutger vorbei und schlitterte wiehernd weiter runter. Ohne passendem oder überhaupt einem Steigbügel- wie auch- und mit dem nervösen Hengst unter sich hatte Marcus nicht wirklich eine Chance. Gerade noch im Fallen schaffte er es noch, sein Schild herunterzureißen ehe er hart und unsanft auf den Steinabhang donnerte. Wieder presste es ihm die Luft aus den Lungen, japsend rollte er sich ab und kam auf die Beine, das Schildes gerade noch mit zwei Fingern am Rand rettend. Als er sich schnell herumdrehte, hatte er das Schild schon in seiner Hand und sein gladius in der Anderen.


    „Du kleiner Bastard, das wirst Du schon noch bereuen...“


    Die Worte kamen wie ein Knurren aus Marcus Kehle und mit zwei Schritten sprang er wieder den Hang hinauf und wirbelte sein gladius durch die Luft, um es Rutger in die Kehle zu stoßen. Haß, kalte Wut und Mordlust standen in seine dunkle Augen geschrieben.

  • Unruhig schlief sie zusammengekauert auf dem Boden und war froh endlich etwas Schlaf gefunden zu haben. Wirre Träume hatten sie die ganze Zeit eingehüllt und nicht losgelassen. Sie konnte sich noch kaum an den vorhertigen Tag erinnern und schon gar nicht an die anderen Tage davor, aber das war nun wohl auch nicht mehr von Nöten. Etwas feuchtes und ziemlich ekeliges ließ sie erwachen und im ersten Moment erschreckte sie ziemlich, als sie das Gesicht eines Hundes vor sich sah. Zwar kein gefährliches Tier und nur etwas kleines, aber doch zum erschrecken wenn man nichts ahnend die Augen öffnet und es ansehen muss. Mit einem Stechen im Kopf saß sie auf einmal und suchte Rutger. Sie wusste sofort, dass etwas geschehen war, aber nicht was, bis sie diese Steine hörte, seine Worte und noch andere Dinge. Rasch stand sie auf auch wenn sie sich wackelig fühlte und ihre Lippe schmerzte. Warum tat sie es eigentlich? Sie wusste es nicht mehr. Eiligst lief sie zu Rutger und sah in diesem Moment den Mann zu Pferde, den sie nicht kannte und ging bevor sie bei Rutger war wieder einige Schritte nach hinten zurück, aus Furcht, es könnten vielleicht welche aus diesem Haus sein.


    Sie musste mit ansehen was Rutger tat, wie er kämpfen wollte und wusste nicht was sie machen sollte. Sie hatte Angst, dass der Mann ihm etwas tun könnte, denn es hatte den Anschein, dass es so war. Ihre Augen wurden immer größer und die nackte Panik stand in ihnen. Langsam schlug sie ihre Hände vor den Mund weil sie einen Schrei unterdrücken musste. Wer war dieser Mann und der andere und überhaupt, sie war kurz vorm durchdrehen.


    "NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!!!!!!!!!!" schrie sie so laut sie konnte und rannte nun doch wieder zu den beiden kämpfenden dazu um abzuhalten was kommen musste.

  • Klirrend traf die Speerspitze gegen den eisengepanzerten Torso des Römers. Die Wucht des Aufpralles riss Rutger beinahe den Schaft aus den Händen, das Holz krümmte sich - es war doch nur frisch geschlagenes Kastanienholz - und brach. Die Splitter flogen ihm um die Ohren, die Bruchstücke rutschten den Hang hinunter, und Rutger stand ohne Waffe da.
    "Garms Grimm!" fluchte er wütend, sah wie der Römer vom Pferd stürzte, und hoffte sehr, daß der sich dabei den Hals brechen würde. Aber schon war sein Gegner wieder auf den Beinen.
    "Neiding, dreckiger Mörder..." grollte Rutger haßerfüllt zurück, und zog das Messer aus dem Gürtel - immer noch das selbe, mit dem Arrecina am Vortag - eine Ewigkeit schien es her - auf ihn eingestochen hatte. Kräftig trat er gegen ein paar große Steine, stieß sie den Hang hinunter, dem Römer entgegen. Rumpelnd rissen sie Geröll mit sich, ein Steinschlag polterte ins Tal - knapp an Aristides vorbei -, Staub wirbelte hoch, und der Hang geriet - allmählich - ins Rutschen...


    "... du räudiger Hund hast Gytha auf dem Gewissen!" brüllte Rutger in heiß aufloderndem Zorn. Seine Stimme hallte durch das Tal, und von den Bergen kam das Echo zurück. Voll blankem Hass starrte er dem Römer in die Augen, versuchte seine Schläge vorauszuahnen, sprang vor dem Gladius zurück, wich zur Seite hin aus, entging einigen Hieben, doch dann trat er auf losen Grund, und verlor den festen Stand. Der Römer drang auf ihn ein, Rutger stieß mit dem Messer nach ihm und traf bloß das Schild, dann konnte er nur noch den Unterarm hochreißen, um seine Kehle vor dem Gladius zu schützen. Heftig traf ihn das Schwert.
    Zuerst hörte er das Knirschen, als der Knochen brach, als nächstes sah er das Blut hervorströmen, glaubte einen panischen Augenblick lang, der Römer hätte ihm den Arm abgetrennt, dann erst kam der heiße Schmerz.
    Benommen rollte Rutger sich zur Seite, kam keuchend wieder hoch. Der verletzte Arm hing ihm nutzlos an der Seite. Er sah den Römer, seine Rüstung so hell in der Sonne blitzend, sein Schwert vom Blut gerötet. Er sah auch Arrecina herbei eilen, wie sie die Hände vor den Mund schlug, und er wünschte, sie müßte das alles nicht sehen...


    Wallvater, lass mich mein Leben teuer verkaufen! Rutger duckte sich, und sprang wie ein in die Ecke getriebenes Raubtier mit Todesverachtung auf den Römer los, wand sich tollkühn an dessen Schwert vorbei, und stieß mit dem Messer erbittert über dessen Schild hinweg. Der Boden unter ihren Füßen rutschte jetzt unaufhaltsam talabwärts. Mit ohrenbetäubendem Kreischen fuhr die kleine Klinge über die Lorica Segmentata, Rutger stieß nach, zielte mit aller Macht auf den Hals, auf ungedecktes Fleisch - da gellte Arrecinas Schrei....


    Und genau in diesem Moment drang ihm die Spitze des Gladius wie ein glühendes Eisen zwischen die Rippen.
    Der Schmerz war unbeschreiblich. Das Messer entfiel Rutgers Hand, das Blut wich aus seinem Gesicht, einen kurzen Augenblick lang stand er noch aufrecht, und sah, bestürzt, und auch ein wenig überrascht, an sich hinunter, auf seine rechte Flanke, wo die Klinge eingedrungen war. Dann - das Echo von Arrecinas Ruf hallte noch nach - brach er in die Knie, mit einem erstickten Schrei, der in einem rasselnden Aufkeuchen endete. Alles verschwamm um ihn herum, die Steine waren plötzlich ganz nah vor seinen Augen, er rang verzweifelt nach Luft, bäumte sich auf... die Sonne war ein verwischter Fleck vor seinen Augen, und salzig stieg ihm das Blut in der Kehle auf. Er krümmte sich am Boden, hustete, versuchte krampfhaft Luft zu schöpfen. Das Blut lief ihm schaumig über das Kinn. Von dem rutschenden Geröll mitgerissen glitt er noch ein Stück den Hang hinab, und blieb reglos liegen.

  • Schwer atmend stand Marcus auf dem Hang und sah auf Rutger herunter. Gerade wollte er das gladius noch einmal herunter stoßen und den Germanen entgültig töten, als der Schrei an sein Bewußtsein drang, einige Herzschläge später als Arrecina ihn ausgestoßen hatte. Während des Kampfes hatte Marcus geschwiegen, seinem Atem nicht für gegenseitige Anschuldigungen verschwenden wollen. Nun wandte er sich um- der Germane schien nicht mehr eine große Bedrohung zu sein, vielleicht starb er auch von selber. Seine Augen weiteten sich als er seine Tochter sah, schnell steckte er sein blutiges gladius in seine Schwertscheide an seiner rechten Seite und ging auf sie zu. Unendlich erleichtert, immer noch tief besorgt und doch voll der Freude, seine Tochter wiederzuhaben, schloß er Arrecina in seine Arme, dabei einerseits liebevoll und sie etwas vom Boden hochhebend- wie er das gerne macht-, aber auch sanft, als ob sie ein Küken oder ein rohes Ei wäre.


    „Cinilla, mein Sonnenschein, mein Ein und Alles!“


    Marcus löste sich nur widerwillig von seiner Tochter und umgriff sanft und mit seinen etwas schwieligen Händen ihr zartes Gesicht. Aufmerksam und sorgenvoll sah er sie an. Es schockierte ihn, was er sah. Wie schlimm sie zugerichtet war, so blaß und mit tiefen Augenrändern, dem Verband und der blutigen Stelle an ihren Lippen. Haß gegen den Germanen stieg in Marcus wieder auf, aber auch gleichzeitig ein Vorwurf an sich selber. Weil er so schlecht auf seine Tochter aufgepaßt hat, sie zu oft alleine gelassen hat. Aber das würde nie, nie wieder passieren. Niemals würde er seine kleine Arrecina aus seiner Nähe entlaßen- niemals. Aber stand nicht Angst in ihren Augen?


    „Es ist jetzt alles vorbei, Cinilla, Kind. Du mußt keine Angst mehr haben. Ich paß auf Dich auf...“


    Sanft strich er über ihre Wange und sah dann zu Rutger. Das sah übel aus, die gladiuswunde nicht unbedeutend. Aber Marcus wollte den Sklaven sowieso tot sehen, ob er jetzt hier starb oder in Rom würde keinen Unterschied machen. Er könnte ihn ja dann hier für die wilden Tiere zurück lassen. Seine Worte in Germania kamen Marcus in den Sinn. Hatte er nicht dem Germanen sein Leben versprochen? Aber Rutger hatte das verwirkt in dem Moment als er seine kleine Tochter entführt hatte.


    „Mico, fessele den Germanen und fang mein Pferd wieder ein.“


    Sein Führer, der inzwischen Maia auf seinen Arm genommen hatte, sah von Arrecina zu Marcus und dann zu Rutger. Nickend machte er sich ans Werk und konnte schnell den Hengst wieder an den Zügeln packen und zu dem jungen Germanen führen, wo er mit den Stricken vom Sattel sich um das Fesseln kümmerte. Marcus seufzte schwer und sah Arrecina mit einem müden Versuch sie aufzumuntern an, doch als er wieder die blutige Stelle in ihrem Gesicht sah, verlosch das Lächeln. Betrübt strich er sanft über ihre Nase.


    “Was hat er bloß mit Dir gemacht, dieser kleiner Drecks...? Komm, Cinilla, ich bring Dich jetzt nach Hause, meine Kleine!“

  • Arrecina hatte das Gefühl, als sie das alles sehen musste ihr würde das Herz aus der Brust gerissen. Der Mund stan ihr offen und sie nahm sehr langsam ihre Hände aus dem Gesicht und starrte zu dem Mann, der Ruter eben das Gladii zwischen die Rippen gestoßen hatte. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie diese Szene an und wollte schreien aber kein Ton wollte aus ihrem Mund dringen. Nichts, sogar ihr Herzschlag schien einfach zu schweigen und nicht mehr zu existieren. Die Farben verblassten und alles um sie herum begann sich einfach aufzulösen. Hart schluckte sie und ein Zittern ging durch ihren Körper, als wäre dieser von irgendetwas erfasst worden und nun würde sie sich auch noch in Luft auflösen. Doch die Zeit war nicht stehen geblieben, auch wenn es für sie den Anschein hatte. Sie lief weiter und doch fehlte ihr so viel. Sie wollte zu Rutger, sie wollte zu dem Menschen, der ihr beigestanden hatte nach all dem was geschehen war, nach all dem wo sie sich nicht weiter erinnern wollte. Ihre Lippe war wieder etwas aufgesprungen und begann zu bluten.


    Noch bevor sie reagieren konnte, noch bevor sie zu ihm rennen konnte, da ihre Füße es nicht zuließen stand sie immer noch wie angewurzelt stehen, kam dieser Mann auf sie zu und fasste sie an, nahm sie in die Arme und sie wusste nicht warum. In ihrem Kopf schien alles explodieren zu wollen. Tausend Bilder waren da, tausend Gesichter, tausend Gefühle und Neigungen und doch alles unbrauchbar. Wie eine Puppe so schlaff, hing sie in den Armen ihres Vaters, der für sie ein Fremder und dazu ein Feind war. Ungläubig war ihr Blick als sie diesen Namen hörte, ungläubig war ihr Blick als seine Hände sich um ihr Gesicht schlossen und noch ungläubiger wurder er als er zu sprechen begann.


    Hass glomm in ihren Augen auf, Hass und dann noch Angst davor was kommen würde. Wenn sie eine Waffe gehabt hätte sie hätte dem Mann diese in den Bauch gerammt wie er es eben getan hatte. Nicht einmal eine Träne konnte das junge Mädchen weinen so stand sie noch unter einem Schock der gar nicht mehr gehen wollte. Langsam schloß sie ihre Augen und es schien fast als würde sie jeden Moment zusammenbrechen,aber sie versuchte sich zu sammeln und atmete tief ein und aus. So viel war geschehen und sie würde auch das hier überstehen.


    "Du verdammter Bastard. Verdammter Mistkerl ..............." Schwach begann sie mit ihren Fäusten auf ihren Vater einzuschlagen und war ausser sich, bis sie schließlich auf ihre Knie sank und in Tränen ausbrach.

  • „Soll ich den Mann auch verbinden, Herr?“


    Ganz starr und schockiert sah Marcus auf seine Tochter herunter als sie mit ihren Fäusten gegen seine Rüstung schlug, was er regunglos und ohne sie zu hindern hinnahm, und dann weinend zusammenbrach. Die Worte trafen wirksamer als jeder Dolch, als jedes gladius. Unfähig zu sprechen, nickte Marcus nur, ignorierte dann jedoch Mico und seine Hündin. Die Wut, die vorher noch gegen den Germanen in ihm geglommen hatte, war jetzt völlig verdrängt von den Selbstvorwürfen und der tiefen Sorge um seine Tochter. Marcus ging auf ein Knie herunter, damit er etwas mehr in Arrecinas Augenhöhe war. Sanft griff er sie an einer Schulter und strich ihr eine Haarsträhne zurück, mit der Anderen wischte er den Blutstropfen an ihre Lippe weg. In seine Augen stand die Sorge geschrieben, die Angst um seine Tochter und all die zärtlichen Gefühle, die er für Arrecina empfand.


    „Cinilla, es tut mir so leid. Du hast ja Recht, ich hätte besser auf Dich aufpassen müssen. Aber ich schwöre Dir, bei Mars und bei Iuppiter, das wird niemals wieder geschehen. Niemand wird Dir je wieder so Angst einjagen. Und dieser kleine Germane wird das noch bereuen, ich schwöre es Dir. Er wird seine Strafe bekommen, dafür, daß er es gewagt hat Dir so weh zu tun. Cinilla, meine Kleine!“


    Mico warf den Beiden nur einen mäßig mitfühlenden Blick zu und widmete sich um den „Gefangenen“. Mit seinen etwas schmutzigen Händen riß er Stoffstreifen herunter und presste sie auf die Wunde. Mit einem Ledergürtel band er diese an dem Oberkörper fest und besah sich noch die anderen Wunden, sie schienen seinen laienhaften Augen nicht sonderlich schlimm zu sein. So zuckte er nur mit der Schulter und befand, daß der Mann vor ihm genug verbunden worden war. So stand er wieder auf und setzte die kleine Maia auf dem Boden ab. Diese hüpfte freudig bellend um Rutger herum und dann auf Arrecina zu. Fröhlich sprang sie an der weinenden Arrecina hoch und leckte ihr an der Wange. Ärgerlich schob Marcus den Hund etwas zur Seite.


    „Arrecina, wein doch nicht mehr...!“


    Marcus sah sie hilflos an, hatte wieder den Impuls sie in seine Arme zu schließen. Doch etwas hielt ihn davon ab, vielleicht der Haß in ihren Augen. Ja, war es nicht Haß gewesen? Nein, er mußte sich getäuscht haben. Völlig verwirrt und sogar verzweifelt strich Marcus durch Arrecinas Haare. Mico schüttelte den Kopf und widmete sich dem Fesseln des Gefangenen.

  • Eiseskälte kroch lähmend in Rutgers Glieder. Sein Herzschlag pochte rasendschnell in seinen Ohren. Verzweifelt rang er nach Luft, jeder Atemzug ließ den vernichtenden Schmerz durch seinen Körper jagen, frisches Blut über seine Lippen fließen. Er hörte ein gräuliches Röcheln, begriff benebelt, dass es seiner eigenen Kehle entstammte, und fragte sich, schon sehr weit weg, "Ist das mein Tod? War das etwa ... alles?", denn es schien ihm, dass auf dieser Welt noch viel mehr auf ihn wartete - und nun vergeblich warten würde. Abgrundtiefer Hass auf den Römer, der ihm alles genommen hatte, war in ihm, und hätte er nur genug Atem aufbringen können, er hätte bestimmt einen zerstörerischen Fluch über ihn gesprochen.


    Micos Bemühungen nahm er nicht war, nur die neuen Qualen, in die sie ihn stürzten. Kraftlos hob er eine Hand und versuchte unkoordiniert, ihn von sich zu stoßen, streifte aber lediglich seinen Arm und hinterließ dort eine nasse rote Spur. Bitterkalte Schwärze rückte von allen Seiten an ihn heran. Noch einmal bäumte er sich wild dagegen auf, riss die Augen auf... Arrecina, er konnte sie weinen hören, wo war sie... er sah nur tanzende rote Flecken, die Sonne ein verwischtes Glühen...
    "Ar...re...cina........" kam es ersterbend über seine Lippen, dann verschlang ihn die Schwärze. Blutüberströmt und leichenblass lag sein Körper auf dem Geröll, schlaff wie eine Marionette deren Fäden zerrissen waren. Nur das Rasseln seines Atems zeigte an, dass er noch nicht tot war.

  • Er machte sie wahnsinnig, wie er sie anfasste, wie er sie nannte, wie er zu ihr war. Er war doch der Fein, der ihren Liebsten getötet hatte oder fast. Wer war dieser Kerl und warum war er hinter ihnen beiden her? Ihr Herz schmerzte immer schlimmer und sie meinte es müsse gleich zerbersten. Sie fühlte wie es sich langsam immer schlimmer ausdehnte und gleich zerspringen würde wie ein sterbender Stern am Himmel. Sie wollte wieder mit Rutger wo anders sein, wo niemand sie beide finden würde. Nur sie alleine, ganz weit weg von allen Leuten. Arrecina schüttelte so gut es ihr möglich war die Hände des fremden Mannes immer wieder von sich und wollte sicher von ihm keinen Trost haben. Dann sprang sie so schnell es ihr möglich war auf die Beine und versetzte ihrem Vater einen Stoß.


    "Elender Mistkerl. Du hast doch keine Ahnung was du getan hast. Wer bist du, dass du es wagst uns zu folgen und ihn anzugreifen? Ihn der mir die ganze Zeit das Leben rettete? Wer hat dich geschickt? Warum lasst ihr mich nicht zufrieden??"


    Wieder kullerte eine Träne ihr die Wange hinunter und dann eilte sie zu der Stelle wo der Körper von Rutger schon gefesselt lag und ließ sich neben ihn auf die Steine sinken. Sanft fassten ihre Hände nach seinem Gesicht und eine weitere Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. "Es tut mir so leid." Ihre Worte waren mehr ein Flüstern als alles andere und dann beugte sie sich nach vorne und küsste seine Stirn und strich ihm die Haarsträhnen aus seinem Gesicht. Danach fuhren ihre Finger an seinem Gesicht entlang und immer mehr Tränen versperrten ihr die Sicht und ihre Finger verfärbten sich langsam rot von seinem Blut.

  • Sprachlos sah Marcus Arrecina an. Hatte gerade seine eigene Tochter ihn derart beschimpft? Was hatte sie da gesagt...? Marcus war wie erstarrt, so daß er sich nicht rührte als seine Tochter seine Hände abschüttelte und zu Rutger lief. Verwunderung und Ratlosigkeit mischte sich mit völligem Nichtverstehen. Als Arrecina dann jedoch Rutger auf die Stirn küsste und ihre Tränen auf ihn herabfielen, sich mit seinem Blut mischte, erwachte Marcus aus seiner Starre. Seine Lippen pressten sich fest aufeinander, Wut mit Unglauben mischte sich in ihm, eine Ader an seiner Schläfe fing an zu pochen. Das ging zu weit! Mit drei Schritten war er an Arrecina und Rutger heran, griff nach Arrecinas Arm und zog sie hoch, weg von dem Germanen.


    „Wer ich bin, daß ich Dich verfolge? Bei den Göttern, Arrecina, wenn das ein perfider Scherz ist, dann laß dieses Spiel.“


    Sehr verwirrt und aufgebracht brachte Marcus sogar das kleine Fremdwort in den Satz passend unter. Doch seine Augen sahen Arrecina wütend an. Denn in ihm keimte ein ungeheurer Verdacht auf, etwas was ihn schockierte und sehr zornig machte.


    „Junge Dame, ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Zu Deinen Gunsten nehm ich mal an, daß Du mit dem Sklaven nicht aus freien Stücken weggelaufen bist. Daß Dein Geist im Moment ein wenig verwirrt ist. Aber das kannst Du mir später noch erklären oder vielleicht eher Deiner Großmutter. Vielleicht ist es besser, Dich zurück nach Baiae zu schicken.“


    Marcus hielt seine Tochter fest am Arm und sah sie einen Moment nur verwirrt an. Mit einem leisen Schnauben wandte er den Blick ab. Prüfend sah er auf den Germanen herunter. Der lebte allen Anschein immer noch. Aber Unkraut vergeht nicht, bekannterweise! Töten? Hier liegen lassen? Unschlüssig schüttelte Marcus den Kopf. Genau genommen war er nicht mehr sein Sklave, sondern der von Aquilius. Aber trotzdem hatte der Germane seine- seine- kleine Tochter entführt, sie gar mit irgendeinen germanischen Zauber belegt.


    „Leg ihn über mein Pferd, Mico! Und Du kommst mit, mein Kind!“


    Marcus zog seine Tochter mit den Abhang herunter und neben das Pferd, das friedlich an den mageren Grashalmen zupfte. Mico bügte sich und hob ächzend den Germanen auf seine Schulter. Angewidert verzog er sein Gesicht als ein wenig Blut auf seine eh schon schmutzige Tunika tropfte. Leise Schimpfwörter über die lausigen Germanen im Allgemeinen murmelnd folgte er seinem Auftraggeber an die Seite des Pferdes. Als Mico Rutger auf den Hengst gehieft hatte, packte Marcus ungnädig die Zügel und hob Arrecina auf den Sattel vor den schlaffen Körper von Rutger, den Mico gerade dort festband. Marcus sah zu seiner Tochter hoch. Inzwischen stand weniger Wut in sein Gesicht geschrieben, sondern mehr Enttäuschung und Trübsinn.


    Müde von den letzten Tagen drehte sich Marcus von Arrecina weg und zog an den Zügeln seines Pferdes. Die Hufen klappterten laut auf dem steinigen Grund, so strebte Marcus mit Kind, Sklave und kleinem Gefolge (Hund und Gallier) wieder aus der Schlucht heraus. Ratlos über das Ganze und ob er mit Arrecina erstmal nach Rom zurück kehren sollte, sah Marcus auf die Steine herunter. Als die Schlucht wieder verlassen von jeglicher Menschenseele unter dem Firmament lag, waren nur ein wenig Blut und der zerbrochene Speer die letzten Zeugnisse dieses Eklat. Eine kleine Eidechse spähte nun unter einem Stein hervor, erblickte, daß die Luft wieder rein war und legte sich auf ihren Lieblingssonnenplatz, den Kopf Richtung des blauen Himmels und Sols Scheibe gestreckt.

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