Audienz für Germanicus Corvus



  • Callidus begleitete den aus Germanien abberufenen Soldaten persönlich zum Audienzsaal und führte ihn hinein. Er gab eine tabula einem Diener und verabschiedete sich dann von dem Germanicer.


    > Vale, Germanicus Corvus. Der Augustus wird in Kürze erscheinen und dich empfangen.




    Decius Germanicus Corvus


    venit dimissionis causa suae


    et accessionis


    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • “Hab’ nochmals vielen Dank. Vale.“
    Dann war Germanicus Corvus allein in dem großen Saal, natürlich abgesehen von den obligatorischen Wachen und den Dienern, die schweigend und in gewissem Abstand zu ihm herumstanden und ihn nicht weiter zu beachten schienen.
    Noch einmal ordnete er die Falten seiner Toga.

  • Der Kaiser betritt den Saal, was in den letzten Tagen deutlich seltener passiert ist. Der Audienzverkehr beschränkt sich in Vorbereitung der Abreise auf ein Minimum, zu dem allerdings selbstverständlich auch der Empfang eines Offiziers gehört, wenn dessen Ruf nach Rom vom Kaiser ausging.


    "Sei gegrüßt, Germanicus Corvus."


    Der Kaiser eröffnet das Gespräch mit einem militärischen Gruß.


    "Ich hoffe, der Brief auf Rom hat dich zu keiner allzu überhasteten Abreise aus Germania gezwungen und du konntest deine bisherige Dienststätte wohlgeordnet hinterlassen?"

  • “Salve Imperator!“, grüßte Germanicus Corvus den Kaiser ebenso militärisch, indem er ihn mit seinem Titel als siegreichen Feldherrn ansprach.


    “Ich folgte deinem Ruf natürlich unverzüglich. Das fiel mir leicht, denn ich weiß die Legio II Germanica wohl geordnet und voll einsatzbereit. Sie steht in gewohnter Treue zur dir und Rom ihre Wacht am germanischen Limes.“

  • "Das höre ich gerne, dass die Truppe zuverlässig ihren Dienst versieht."


    Der Kaiser nimmt Platz und bietet dem Gast ebenfalls einen an.


    "Doch lass uns über dich und nicht über die Legion sprechen. Mir wurde positiv über dich berichtet und deshalb habe ich dich nach Rom kommen lassen. Ist es richtig, dass du nicht nur Praefectus Castrorum warst, sondern zuvor auch Tribun und davor bei den Speculatores?"


    Der Kaiser zweifelt nicht an der Richtigkeit der Angaben, die man ihm übermittelt hat, aber solche Fragen erleichtern den Gesprächseinstieg.

  • “Das ist richtig.“, bestätigte Germanicus Corvus.
    “Ich begann meine militärische Laufbahn unter dem Kommando meines Vetters Germanicus Sedulus bei der Legio II und wurde dann zu den Cohortes Praetoria gerufen, wo ich unter dem damaligen Praefectus Praetoriae Vinicius Hungaricus bei den Speculatores diente, zum Schluss im Rang eines Trecenarius. Dann kehrte ich zur Zweiten zurück, wo ich unter dem Befehl von Purgitius Macer als Tribunus Angusticlavius dienen durfte. Decimus Meridius beförderte mich dann zum Praefectus Castrorum. In diesem Rang diente ich bis zuletzt auch unter dem neuen Befehlshaber Vinicius Lucianus.“

  • "Du dientest mit vielen verschiedenen Aufgabe unter vielen Kommandeuren und offenbar immer zu deren Zufriedenheit, wenn dein Weg immer aufwärts ging."


    Der es ganz auf die Sichtweise ankommt, ob der Wechsel vom Tribun zum Praefectus Castrorum ein Aufstieg ist, lässt der Kaiser gerne unter den Tisch fallen.


    "Nun steht es in Aussicht, dass du inmittelbar unter meinem Kommando dienen könntest. In den Legionen scheinst du dich bestens auszukennen. Wie steht es um deine Kenntnisse in der Verwaltung? Zum Beispiel um den Kontakt zu lokalen Amtsträgern oder den Umgang mit Gesetzen und Vorschriften? Und um deine Kenntnisse des Griechischen?"

  • Unmittelbar unter seinem Kommando, diese Bemerkung des Kaisers ließen Corvus aufhorchen. Also versuchte er, sich in einem guten Licht zu präsentieren und zählte brav und umfassend auf, was er glaubte, dass für ihn sprach:
    “Ich bin die letzten Jahre immer Soldat gewesen. Der Codex Militaris ist insofern das Gesetz, mit dem ich am intensivsten befasst war. Aber in meiner Zeit bei den Speculatores war es natürlich auch nötig, die Bestimmungen des Codex Iuridicialis gut zu kennen, vor allem die, welche Delikte gegen den Staat behandeln.


    Als Tribunus Angusticlavius und mehr noch als Praefectus Castrorum war ich für alle Beschaffungen der Legion verantwortlich und musste viele Verhandlungen mit zivilen Lieferanten führen. Wegen Baumaßnahmen, die wir in Mogontiacum oder in der näheren Umgebung durchgeführt haben, hatte ich auch Umgang mit den örtlichen Magistraten, ebenso als es darum ging, in Raetia Hilfslieferungen durchzuführen.
    Ich war zudem eine Zeit lang Mitglied der Curia Provincialis Germania.


    Mein Vater war ein Offizier der Classis und einen Teil meiner Jugend habe ich bei meinem Onkel verbracht, der ein einfacher Steuerpächter war. Meine Familie war nicht wohlhabend. Doch es hat gereicht, mir eine bescheidene Ausbildung zu ermöglichen. Ich habe mehrere Kurse an der Schola Atheniensis belegt und das Examen Quartum an der Academia Militaris Ulpia Divina absolviert. Vor meinem Eintritt in die Legion hatte ich als junger Mann außerdem die Gelegenheit Alexandria und das dortige Museion zu besuchen und war auch auf Rhodos. Mein Griechisch ist… es könnte besser sein, wie ich einräumen muss.“

  • In der ausführlichen Antwort verbirgt sich jenes Stichwort, auf das der Kaiser hinaus möchte.


    "Du hast in deiner Antwort jenen ort genannt, auf dem das Interesse liegt. Dein Griechisch kannst du gleich an jenem Werk hier testen."


    Damit überreicht der Kaiser eine griechische Abschrift der Lex Provinciae Alexandriae et Aegypti.

  • Germanicus Corvus nahm das Schriftstück und entrollte es. Er begann zu lesen, was ihm gar nicht so leicht fiel, denn das war nun tatsächlich auf Griechisch geschrieben. Ihm wurde ziemlich warm unter seiner Toga, obwohl es in der Aula Regia für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl war. Lag es daran, dass er sich schwer damit tat, oder daran, weil er dann doch erfasste was er da in Händen hielt?
    “Das Gesetz über die Provinz Alexandria et Aegyptus.“, stellte er fest.

  • "Korrekt. Du hast es in Germania vielleicht nicht mitbekommen, aber die Getreideversorgung aus Aegyptus hat uns zuletzt einige Sorgen bereitet. Nichts ernstes, aber auf diesem Gebiet ist Rom schon immer sehr sensibel gewesen. Die Angelegenheit hat sich kürzlich zum Glück ohne nenneswerte Schäden für Rom geklärt."


    Einige abgebrannte Getreidespeicher in Alexandria sind dagegen schon als nennenswerte Schäden zu bezeichnen, aber der Kaiser spricht nicht nur vom Materiellen.


    "Die Angelegenheit ist somit zwar kein Grund, aber dennoch ein Anlass, über einige personelle Änderungen in der Verwaltung dieser Provinz nachzudenken. Ich stehe hier in einer besonderen Verantwortung. Dabei stehen grundsätzlich alle Ämter zur Disposition, auch jenes des Praefectus Aegypti."

  • Praefectus Aegypti, Corvus wurde noch ein wenig wärmer.


    “Ich verstehe. Die Aufrechterhaltung der ägyptischen Getreidelieferungen ist natürlich von elementarer Bedeutung für die Versorgung Roms.“
    Das war eine Binsenweisheit, aber etwas Besseres fiel im als Entgegnung nicht ein.

  • "Und deshalb möchte ich auf dem Posten des Praefectus Aegypti einen Mann einsetzen, der mir genau das sicherstellen kann. Jemanden, der sich mit den nötigen zivilen belangen der Provinz auskennt, der verwaltungstechnisches und organisatorisches Geschick besitzt, der durchsetzungsfähig ist und der gleichzeitig auch das Kommando über einer der Legionen vor Ort führen kann."


    Der Kaiser blickt den ehemaligen Tribun direkt an.


    "Siehst du dich dazu in der Lage?"

  • Corvus war die ganze Audienz über nervös gewesen. Er war mit großen Hoffnungen in den Palast gekommen. Aber auch mit der Befürchtung, unter den Augen des Kaisers vielleicht nicht bestehen zu können oder letztlich mit einem Posten bedacht zu werden, auf dem er sich nicht würde hervortun können. Diese Furcht erwies sich nun als unbegründet, denn was Ulpius Iulianus im da antrug, war die Spitze dessen, was ein Mann wie Corvus überhaupt nur erreichen konnte. Statthalter von Ägypten – es gab im ganzen Imperium kein ritterliches Amt, das ähnlich herausgehoben war, vom dem des Praefectus Praetorio vielleicht abgesehen.


    Dieses war die Stunde, die seiner Karriere die entscheidende Wendung geben würde. Das war der Moment, den er ersehnt hatte. Es war einer dieser Augenblicke, in dem es kein Zweifeln und kein Zögern mehr gab und wo die Gedanken mit ungeahnter Klarheit auf ein Ziel fokussiert waren, wie in einer Schlacht, wenn man dem Feind Aug in Aug gegenüber stand.


    Darum konnte er die Antwort mit tiefer Überzeugung geben, denn nun war alle Unsicherheit von ihm abgefallen:
    “Ja, Imperator, dazu sehe ich mich imstande. Es wäre mir eine große Ehre.“

  • Die Geschwindigkeit, mit dem der Gast seine Entscheidung trifft, beeindruckt den Kaiser und besträkt ihnd arin, die richtige Wahl getroffen zu haben.


    "Sehr gut, eine rasche Entscheidung. Ich hätte dir durchaus auch etwas Bedenkzeit eingeräumt. Die Classis wird deinen Transport nach Alexandria vornehmen können. Da diese zuletzt sehr beschäftig war und die wohl auch bleiben wird, erfolgt die Bereitstellung eines Schiffes erst in einigen Tagen. Bis dahin hast du noch Zeit, deine Angelegenheiten in Rom zu regeln."

  • "Nein, bezüglich des Kommandos ergeben sich keine besonderen Befehle. Dir untersteht diejenige der beiden Alexandrinischen Legionen, die nicht für den Krieg im Osten vorgesehen ist. Dementsprechend fallen für euch die üblichen Aufgaben vor Ort an, die ihr nun alleine schultern müsst. Du wirst den einen oder anderen neuen Offizier für diese Einheit bekommen. Aus Germania wird ein Centurio anreisen und dich von hier aus nach Alexandria begleiten."

  • Der Kaiser blickt einen winzigen Augenblick fragend, dann fällt ihm ein, dass der neue Praefectus noch gar nicht alle diesbezüglichen Pläne kennt.


    "Die Legio XXII Deiotariana wird es sein. Ihr jüngere Vergangenheit ist ein wenig zwiespältig. So gesehen kommt es ganz gelegen, dass in dieser kritischen Situation in der Nachbarprovinz auch in Alexandria nochmal ein Kommandowechsel stattfindet. Ihrer Partnerlegion und deren Kommandeur vertraue ich dagegen ausreichend, um sie in den Krieg schicken zu können."

  • Corvus wusste ganz genau, worüber der Kaiser da sprach.
    Die XXII. Legion hatte sich damals, vor rund 2 ½ Jahren, dem Aufstand des Usurpators Appius Porcius Laeca angeschlossen. Sie war gemeinsam mit der Legio XXXII Adiutrix in Italia gelandet und auf Rom zu marschiert. Zuvor hatte ein verräterischer Tribun, sein Name war Agnus Pilerius Valus gewesen, den damaligen Kommandeur ermorden lassen und die Befehlsgewalt an sich gerissen. Die vereinte Armee der Aufständischen war dann schließlich in Campania von einem kaisertreuen Heer gestellt und geschlagen worden.
    Pilerius Valus hatte man bereits vor der Schlacht ergriffen. Es war ein gezielter Hinterhalt gewesen, ermöglicht durch die Informationen einiger mutiger Informanten und durchgeführt – ja, durchgeführt von ihm selbst. Corvus erinnerte sich noch gut an die Falle bei der Brücke und an den blutigen Kampf, Mann gegen Mann. Er konnte sich an die Gesichter der Männer erinnern, die er damals getötet hatte, Männer der XXII., deren Kommandeur er nun werden würde. Welch eine Ironie!
    Pilerius Valus starb schließlich, halb wahnsinnig, im Kerker der Prätorianer. Laeca floh nach Parthia, wo er von König Oroes wenig freundlich empfangen wurde und seinen Kopf verlor. Ulpius Iulianus zeigte sich nach seinem Sieg milde – gar zu nachsichtig, wie einige damals meinten – denn er bestrafte nur einige wenige Stabsoffiziere, verschonte aber die einfachen Soldaten und fast alle Truppenoffiziere. Den aufständischen Legionen erlaubte er, in ihre alten Stammlager zurückzukehren. Aber an der XXII. Legion haftete seit dem natürlich die Schande des Verrats. Ihre Ehre war ramponiert und es war nur zu verständlich, dass der Kaiser sich bei seinem Feldzug nicht auf ihre Treue verlassen wollt, denn die hatte sich als höchst brüchig erwiesen.


    Kurz gesagt, er würde eine unzuverlässige Legion mit angeschlagener Moral übernehmen und musste außerdem für längere Zeit auf die Hälfte der normalerweise in Ägypten stationierten römischen Streitkräfte verzichten.


    Doch er wollte auf keinen Fall Zweifel an seiner Tatkraft aufkommen lassen und darum sagte er: “Die XXII., ich verstehe. Ich bin über ihre besondere Situation im Bilde. Sei unbesorgt, Imperator, sie wird unter meinem Kommando treu zu Rom und treu zu dir stehen. Sollten sich noch immer Spuren von Aufsässigkeit im Truppenkörper befinden, werde ich nicht zögern, sie mit harter Hand zu beseitigen.“

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