An einer Kreuz(ig)ung ...

  • ~ irgendwo nördlich von Rom - um die Mittagszeit herum ~


    Das monotone Geschaukel des Reisewagens war - trotz der guten Straßenverhältnisse für damalige Zeit - doch sehr einschläfernd, ab und zu nervig und manchmal kaum zum aushalten. Zumindest empfand dies eine junge Patrizierin so, die sich eigentlich geschworen hatte niemals wieder in einen solchen Reisewagen zu steigen. Trotzdem hatte sie es getan und sich auf diese Rundreise durch das 'nördliche Italien' begeben. Eine Reise, die sie unbedingt antreten wollte und auch musste und die sie am Ende sogar sehr genossen hatte. Doch wie alles im Leben, ging auch diese Reise einmal zu Ende und die Adelige begab sich - zusammen mit ihrem Tross aus Sklaven und Leibwächtern - zurück nach Rom.



    "Sind wir bald da?", erklang es nun schon zum x-ten Male an diesem Morgen aus dem Inneren des Wagens und der Kutscher verfluchte den Tag, an dem die Götter ihm Ohren verliehen hatten.


    "Ja domina, sicher doch … so in etwa fünf Tagen … bei den Göttern, [SIZE=7]du wirst es wohl noch erwarten könnten bis wir da sind[/SIZE]", ratterte der Kutscher - zum Ende hin stark nuschelnd - seine x-te Antwort herunter und blickte dabei genervt vor sich auf die Straße. Besser gesagt starrte er auf eine Weggabelung, an deren Stelle (warum auch immer) die Beschilderung fehlte.


    Der Kutscher blickte etwas verstört nach links und dann nach rechts - wieder nach links und er war sich nicht sicher, welchen Weg er nun nehmen sollte. "Merda, das fehlte mir gerade noch. Warum steht da kein Schild?…" Er hob die Hand zum Zeichen, dass alle mal kurz warten sollten. Der Sklavin neben sich auf dem Kutschbock puffte er in die Seite und mit einem Kopfnicken deutete er an, dass sie schleunigst nach hinten in den Wagen steigen und die Herrin bei Laune halten sollte, bis er die Orientierung wieder gefunden hatte.


    Er selbst stieg ebenfalls vom Wagen herunter und ging ein paar Schritte nach vorne auf die Kreuzung zu. Welchen von den beiden Wegen führte nun nach Rom? … Da fiel ihm ein Kreuz auf, welches am Straßenrand errichtet worden war und an dem - warum auch immer - ein Gekreuzigter hing. Ob er schon tot war? Sicher war er das, so ausgemergelt und blass wie der Kerl aussah … Oh nein da! Genau in dem Moment als der Kutscher ganz nah heran getreten war, hob der Gekreuzigte langsam den Kopf, öffnete die müden Lider und sein glasiger Blick traf den Kutscher in Mark und Bein.


    Erschrocken torkelte dieser ein paar Schritte zurück, doch da kam ihm eine Idee und ließ ihn - allen Mut zusammen nehmend - wieder einen Schritt nach vorne treten.
    "Salve, ehm … Guter Mann, ehm … könntest du mir vielleichte einen kleinen Gefallen tun?", tastete der Kutscher sich ganz vorsichtig an den Mann heran.


    Der Gekreuzigte hob daraufhin erstaunt die Augenbrauen und blickte etwas verdattert umher. Dann verfinsterte sich sein Blick etwas: "Guter Mann? Wen nennst du hier guter Mann? …Was glaubst du warum man mich hier aufgehängt hat - weil ich ein guter Mann bin? Dass ich nicht lache", spottete er mit dünner Stimme vom Kreuz herunter bevor ihn doch die Neugier packte: "Ein Gefallen sagt du? Hm, wobei soll ich dir denn helfen, … wie du nämlich unschwer erkennen kannst, sind mir ein wenig die Hände gebunden. Aber wenn ich helfen kann - gerne."


    Eine große Hilfe wäre er sicher nicht, wie auch? - egal. Der Kutscher sah kurz betreten zu Boden und meinte dann etwas unsicher: "Könntest du mir netter Weise sagen, welcher von den beiden Wegen nach Rom führt?"


    Wieder blickte der Gekreuzigte verwundert herunter und schnaubte belustigt durch die Nase. Das hätte er sich auch nicht träumen lassen, so kurz vor seinem Tod. "Weißt du denn nicht, dass alle Wege nach Rom führen?", belehrte er kopfschüttelnd den Mann unter seinen Füssen.


    "Natürlich weiß ich das, aber ich such den Schnellsten und … den Sichersten!", erwiderte der Kutscher rasch während er ungeduldig auf der Stelle trat und immer wieder gehetzt zum Reisewagen hinüber blickte. Das könnte er der Herrin nie und nimmer erklären, warum er hier stand und sich mit einem Gekreuzigten unterhielt ...


    "Ja was nun? Den Schnellsten oder den Sichersten? …Entscheide dich mal.", meldete sich da wieder der Mann von oben wieder zu Wort. "Man kann schließlich nicht alles im Leben haben. Sieh mich an! Wie bescheiden ich geworden bin. Ein stabiles Kreuz im Kreuz, frische Luft, Sonne und das Gezwitscher der Vögel. Mehr brauche ich nicht mehr in meinem Leben", philosophierte der Sterbende mit geschwollener Stimme und atmete so tief ein und aus, als wäre es sein letzter Atemzug gewesen. War er aber nicht! ... und so folgte ein heftiger Hustenanfall, der den armenTropf derat durchschüttelte, dass er das ganze Kreuz zum schwanken brachte.


    "Kutscher sind wir bald da? ... Was machst du da draussen eigentlich so lange? Wenn du nicht sofort weiter fährst, peitsche ich dich eigenhändig nach Rom!", unterbrach eine sehr energisch klingende Frauenstimme das Husten des Mannes und sowohl er, als auch der Kutscher zuckten erschrocken zusammen.


    " arrgh… Bei den Göttern was war das denn? ...", röchelte der Mann und wurde noch ein Stückchen bleicher da ihm fast das Herz stehen geblieben wäre bei dem plötzlichem Gezeter.


    "DAS war meine Herrin. Eine junge Patrizierin aus Rom und sie hat es sehr eilig, wie du bemerkt haben wirst!", keuchte der Kutscher leise und ein wenig gehetzt klingend zur Antwort und wischt sich den Schweiß von der Stirn. [SIZE=7]"Das war´s ... ich bin tot ..."[/SIZE]


    "Oha, eine Patrizierin … Die hat mir hier gerade noch gefehlt. … Nicht mal in Ruhe sterben kann man", seufzte der Verurteilte resigniert, streckte aber schnell den Finger der rechten angenagelten Hand aus und deutete auf die Stelle vor sich. Er legte quasi all seine verbliebene Kraft in einen letzten sinnfreien Satz: "Nimm den rechten Weg, denn der Rechte ist stets der Richtige!" sprachs und sackte leblos zusammen.


    Der Kutscher nickte zum Dank - er hatte soweit verstanden - und eben wollte er sich abwenden, da fiel sein Blick noch einmal auf das vermeintliche Kreuz an dem der Gekreuzigte sein Ende gefunden hatte. Das war doch? … genau! … "Das Straßenschild!" Es hatte die ganze Zeit über einfach da gestanden und den rechten Weg nach Rom angezeigt.


    "Doch der Linke? … pfff - und beinah hätte ich dem da geglaubt, stultissimus*!", jedenfalls hatte der Kutscher endlich die ersehnte Bestätigung und damit die Patrizierin den sicheren Weg nach Rom gefunden ...



    Ob sich diese Szene in Wahrheit so zugetragen haben könnte ist eher zu bezweifeln. Zweifellos könnte es sich aber um eine kleine amüsante Lektüre handeln, welche die junge Patrizierin auf ihrer Reise gelesen hatte, um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben ....



    [SIZE=7]*Blödmann[/SIZE]

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