Culina et pars ceterum villae | Io Saturnalia, das Goldene Zeitalter oder: Chaotische Vorbereitungen

  • Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger, morgens lag hin und wieder schon Raureif auf den Dächern von Roms, ehe die Sonne kam und den kalten Frost weg schmolz. Doch mit der Kälte, die auch Einzug in Rom erhielt, wenn auch nicht so grausam wie im Norden des Kontinents, mit jenem eisigen Hauch näherte sich auch einer der beliebtesten Feste: Die Saturnalien. Andenken an ein goldenes Zeitalter und eine Zeit, in der es sich auch die Sklaven der Römer gut gehen laßen konnten. Marcus Flavius Aristides liebte die Saturnalien normalerweise, doch in diesem Jahr war es ganz anders; denn zu dieser Jahreszeit war es an ihn gefallen, die Feierlichkeiten zu organisieren; vorletztes Jahr hatte es noch Gracchus und sein treuer Sklave getan, letztes Jahr fiel das Los auf Aquilius und dieses hatte Marcus keine Entschuldigung mehr, sich vor der Pflicht zu drücken: weder Feldzug, noch Militärzeit in Germania. Verbummelt und vertrödelt hatte Marcus die leidige Pflicht, denn er feierte lieber und ließ es sich gut gehen, statt selber dafür zu arbeiten, dass das Fest gelang. Die Hoffnung, Hannibal würde all die Arbeit tätigen, hatte sich in den letzten Wochen zerschlagen, denn der Sklave tätigte nur das Notwendigste und wirklich auf ihn verlassen konnte sich Marcus nicht mehr; daß dieser seine Bemühungen sogar noch sabotieren würde, um sich zu rächen, daran glaubte Marcus durchaus. Lange Rede, kurzer Sinn: Marcus hatte es auf die letzte Minute verschoben; es war vielleicht sogar mehr die Aufregung der Sklavenschaft, einige Tage vorher, die ihm wieder vor Augen führten, daß doch einiges zu tun war. Und herrje, es war viel zu tun: Von der Dekoration bis hin zum Essen, es musste geplant, eingekauft und all die guten Rohstoffe, aus denen herrliche Speisen werden konnten, in die villa geschafft werden. Immerhin kam es Marcus zu Gute, dass er als ehemaliger centurio und lang gedienter Soldat Erfahrungen im Organisieren hatte. Soldatischer Manier hatte er sich eine Liste geschaffen, bestimmend die Sklaven herum gescheucht- denn noch konnte er das!-, war mit ihnen auf die Märkte marschiert, hatte gekauft, gefeilscht und alles zusammen getragen.


    Im Flug war die Zeit vergangen, ein Punkt nach dem Anderen war auf der Liste abgehackt, sogar an manch ein Saturnaliengeschenk hatte Marcus gedacht, was ja schon ein Novum war, sonst pflegte er diese in Regelmäßigkeit zu vergeßen, darauf vertrauend, daß erneut sein Leibsklave sich um solche Angelegenheiten kümmerte, wie eben in all den Jahren sonst er es auch getan hatte. Und so brachen die Tag der Saturnalien an, an dem die Familie zusammen kommen würde, die Sklaven sich an dem Tisch versammeln und sie gemeinsam speisen würden. Gemeinsam? Nun denn, ein Problem tauchte dann doch auf…an jenem Morgen des Familienfestes.


    Die Sonne war noch nicht wirklich hinter den Horizont gekrochen, der Nebel hing noch über den sieben Hügeln von Rom und den sanft geschwungenen Tälern, die doch die große Hauptstadt ausmachten. Nur langsam würden die ersten Sonnenstrahlen dieses feuchte Grau auflösen und ins Nichts schicken. Marcus war schon früh wach, denn er war aufgeregt wie ein Junge früher bei den Saturnalien. Es galt noch einiges zu tun, ehe er das Haus auch verlaßen konnte und an den Zeremonien in der Stadt teilnehmen würde. In seinen Morgensandalen und einer einfachen Tunika, den pilleus schon in der Hand haltend, schlurfte er noch etwas müde von der kurzen Nacht durch die villa und direkt zur culina, um einen Blick auf die Vorbereitungen zu werfen. Verblüfft blinzelte er und blieb am Eingang stehen. Die Küche war dunkel, das Herdfeuer in der Nacht erloschen und nur noch einige letzte Kohlereste glühten dort, verwirrt kratzte sich Marcus am Nacken und sah auf die leeren Arbeitsflächen. Ein Sklave schlurfte durch den Gang und warf Marcus einen müden Blick zu, denn heute waren ja Saturnalien.
    „Warte mal…“
    , hielt Marcus ihn auf.
    „Ja?“
    Kein Ja, Herr! das bemerkte Marcus schon.
    „Sag’ mal, wo ist denn der Koch? Wo die Küchenmägde? Warum haben sie noch nicht angefangen?“
    Der Sklave glotzte halb irritiert, halb amüsiert.
    „Ähm, heute sind Saturnalien, wir müssen nicht arbeiten.“
    „Ach ja…und wer kocht dann?“
    Der Sklave zuckte mit der Schulter. Ihm war es egal, er wollte so schnell es ging zum Frühstück und danach in die Stadt, um die kostbare, freie Zeit zu nutzen.
    „Wer hat das denn sonst gemacht?“
    „Na, die Freien, die Deine Verwandten für die Saturnalien eingestellt haben.“
    „Ach…wirklich? So ist das, hätte mir ja auch einer sagen können. Dann lauf' und organisier' ein paar von Solchen!“
    „Ne, ne, ich hab schon anderes zu tun. Io Saturnalia!“
    Schwupps, schon war der Sklave von dannen und ließ einen empört- verdutzten Marcus zurück, der leise fluchte und sich abwandte.


    Eine hora später- Enttäusch, fassungslos und aus dem Konzept gebracht sank Marcus auf einen Holzschemel mitten in der culina, von Pontius zu Pilatus war er marschiert, auf der Suche nach diesen ominösen Freien, die sich an den Feiertagen anboten. Richtige Agenturen schien es zu geben, für die Vermittlung in reiche Haushalte, doch alle hatten nur müde mit dem Kopf geschüttelt, wenn man solche Bürger haben wollte, dann musste man schon Wochen vorher anfragen, Claudier, Cornelier, Tiberier, Aurelier, Aelier, Fabier, sie alle und aus noblen Hause schienen die Leute schon angeworben zu haben, zumindest hatte das ein älterer Mann ihm gegenüber behauptet. Die Sandkörner fielen einer nach dem Anderen in der nicht vorhandenen Sanduhr in das untere Stundenglas; Marcus schwieg und sah angestrengt auf den Steinboden, dachte nach, grübelte, verzweifelte schier, seine Vettern würden ihn lynchen, ganz sicher. Die Sonne hatte sich mittlerweile durch die Nebelschicht gefressen und warf helle Punkte durch die Fensterläden auf den Boden; Marcus dachte immer noch nach, aber man wusste ja, dafür brauchte er nun mal länger als andere; schließlich erhob er sich entschlossen und sah zu dem Klienten seines Vetters – Aquilius oder Gracchus, Marcus wusste es nicht mehr! – und nickte entschlossen.
    „Wir werden das selber in die Hand nehmen. Komm, Du kannst mir helfen. Lauf’ und trommel alle freien Bewohner dieses Hauses zusammen, egal ob Flavier, Klient oder Freigelassener. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren. Age!“
    Gewohnt befehlend klang die Stimme, aber es galt ein Fest zu organisieren, es musste gekocht, gearbeitet, geputzt und geschmückt werden, da blieb keine Zeit für zivile Umgangsformen. Marcus schob sich die nicht vorhandenen Hemdsärmel hoch und packte die ersten Holzscheite, um das Feuer wieder zu entfachen.

  • Seitdem ich Mutter geworden war, raste die Zeit. Woche für Woche verging und mit jeder Woche wuchs mein Kind ein Stück. Er entwickelte sich prächtig. Die ersten schlaflosen Nächte waren vorüber, in denen er weinend wach gelegen hatte und ich ihn bis zur Erschöpfung umher getragen hatte. Die Koliken waren überwunden. Jetzt begann er zu zahnen!
    Der Arme musste schlimme Schmerzen haben. Wimmernd hatte er die Nacht über in meinen Armen gelegen. Am Morgen war ich aufgestanden, hatte meinen kleinen Jungen auf den Arm genommen und war zu Küche gelaufen. Dort wollte ich um eine Möhre bitten, damit der Kleine darauf herum beißen konnte.
    Noch ehe ich in der Küche war, fiehl mir die seltsame Ruhe auf, die im Küchentrakt herrschte. An jedem Tag war um diese Zeit schon geschäftiges Treiben. Dann fiel es mir wieder ein! Heute war der erste Tag dieses komischen Festes, dessen wahren Sinn ich im letzten Jahr auch schon nicht verstanden hatte. An diesem Tag waren die Sklaven ihren Herrn gleichgestellt und die Herren bedienten ihre Sklaven oder sie stellten Freie ein, die das übernahmen, so wie die Flavier.


    Von den Nöten eines ganz bestimmten Flaviers, hatte ich noch nichts gehört. Ich hatte weitaus wichtigeres zu tun. Der Kleine auf meinem Arm wimmerte immer noch herzzerreißend, so dass es mir selbst Weh tat.
    Ich öffnete die Tür zur Küche. Beinahe wäre mir das Herz stehen geblieben. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dem Flavier, der dort zugange war und ungewohnterweise versuchte, das Feuer in Gang zu bringen.
    Auch das noch! Ich konnte nicht behaupten, dass ausgerechnet dieser Flavier zu meinen Lieblingen zählte. Er hatte mich vor noch gar nicht allzu langer Zeit zum Schwanenfleischessen gezwungen! Ein Vergehen, das in meiner Heimat schwer geahndet wurde!
    Ich versuchte, mich leise an ihm vorbei zu schleichen. Er war ja so beschäftigt und würde mich bestimmt nicht bemerken. Doch da begann wieder der Kleine zu jammern!

  • Holzscheit um Holzscheit schichtete Marcus in der Kochstelle auf, worüber Pfannen und Topfe stehen konnten, in denen die Speisen gebrutzelt wurden, immerhin hatten die Sklaven genug an Holz bereit gelegt, daß es für ein zünftiges Feuer reichte. Mit einem kleinen Handbeil, das neben dem Binsenkorb lag, konnte Marcus auch einige kleine Holzspäne abspalten, die er unter das große Holz steckte, darunter schob er immer wieder kleine Kügelchen, die er aus Stroh formte, das trocken in seinen Fingern knisterte; er beugte sich vor und blies ganz vorsichtig gegen die noch glühende Kohle, die darauf hin einen intensiveren, roten Ton annahm, etwas an Rauch in die Höhe kräuseln und schließlich einen kleinen Funken nach oben steigen ließ; einige Strohhalme fingen Feuer, verbrannten schnell und verloschen wieder; seufzend blies Marcus weiter und schließlich gelang es, eine kleine Flamme loderte hoch, steckte einen kleinen Bollen an und flog von einem Strohhäuflein zum Anderen, um das Feuer auszubreiten. Schon knisterte das Holz und langsam näherte sich das Feuer nicht mehr nur von den trockenen Grashalmen, zufrieden lächelte Marcus. Ha, eine Hürde war doch schon mal geschafft und das mit dem Kochen, das würde schon klappen, gut, er hatte in seiner Zeit beim Militär nicht die Gourmetfähigkeiten des hiesigen Kochs gelernt, aber das würde doch schon was werden und vielleicht fand sich ja noch ein Bewohner der villa, der noch mehr Ahnung besaß als er, Fortuna konnte sich doch nicht ganz von ihm abgewandt haben für diese Tage. Seine Mütze, die er für die Saturnalien erworben hatte, lag unschuldig auf dem Herd, während er am Schüren war. Gerade wollte er sich erheben und nach einer gußeisernen Pfanne greifen, die an einer Holzstange über ihm hing als er ein leises Wimmern hinter sich vernahm.


    Verdutzt drehte sich Marcus um und erblickte auch sogleich die junge Frau, samt ihres kleinen Kindes. Einige Herzschläge lang stand pure Verwirrung auf Marcus’ Gesicht geschrieben, denn er konnte die junge Frau nicht ganz einordnen, er kannte sie, so viel war klar, somit war auch deutlich, daß sie wahrscheinlich in diese villa gehörte, doch woher war sie ihm bekannt? Grübelnd zog er seine beiden Augenbrauen zusammen und kam erstmal nicht darauf, wer sie war. Vielmehr vermochte das kleine Kind die Aufmerksamkeit von Marcus zu wecken, er hatte von je her schon ein Herz für Kinder gehabt, als er dann selber Vater wurde, hatte sich das noch deutlich potenziert.
    Salve und Io Saturnalia!“
    , grüßte Marcus die junge Mutter und trat auf sie zu, dabei ein Blick auf das Kind werfend. Wie alle Kinder – oder zumindest viele – hatte es große Augen, runde Backen und ein kleines Gesichtchen, sprich, es sprach die Urinstinkte im Menschen an.
    „Ah, wer bist denn Du?“
    , fragte er den Kleinen, er sah auf und direkt in das Gesicht der Frau, doch, langsam dämmerte es ihm.
    „Du bist doch Aquilius' Sklavin, oder? Britta, Brinda, oder so? Ist das Dein Kind?“
    War das vielleicht der Kleine von Caius? Hm, ganz schön gequält sah der Kleine aus und die Tränen standen noch in den kindlichen Augen, offensichtlich wurde es geplagt von etwas.
    „Ist das das Kind von meinem Vetter? Was hat er denn? Hat er Fieber?“
    Womit gleich ehrliche Besorgnis sich auf Marcus' Gesicht zeigte.
    „Darf ich mal?“
    , wobei er fragend eine Hand hob, eine Gestik, um das Kind selber mal zu nehmen.

  • Dicke Tränen kullerten an den Wangen des Kleinen herunter. Seine Bäckchen waren ganz Rot. Mit seinen kleinen Fingerchen, die er sich in den Mund geschoben hatte, versuchte er die Schmerzen zu lindern. Sein Jammern wollte gar nicht mehr aufhören.
    Der Flavier hatte sich zu mir umgewandt. Ich war ertappt! Genau aus diesem Grund blieb ich auch stehen. Ich konnte mich nicht weiter bewegen, starrte ihn nur an, während das Kind ohne Unterlass weinte. Dieses Angstgefühl war immer noch in mir drin. Es war nicht einfach so abstellbar, nur weil ich jetzt frei war.


    Salve, erwiderte ich schüchtern, während er schon auf mich zutrat. Mein Kind musste es ihm angetan haben. Er wirkte gleich viel freundlicher, als er mit dem Kleinen sprach. Ganz anders, wie ich ihn in Erinnerung hatte.


    Das ist… das… äh ja. Ich meine, nein. Bridhe, ich bin Bridhe äh, nein, ich war… Bridhe.


    So viele Fragen auf einmal! Ich wusste gar nicht wo ich anfangen sollte. Was dann aus meinem Mund kam, war nur ein einziges Gestammel. Es war einfach nur grauenhaft. Wie eine Irre musste ich auf ihn wirken. Das war mir so peinlich. Am liebsten wäre ich weg gerannt, was sein Urteil über mich noch bestätigt hätte. Aber mit dem heulenden Kind auf dem Arm, war an wegrennen erst gar nicht zu denken.


    Ich bin nicht mehr seine Sklavin. Er hat mich freigelassen, fügte ich an. In gewisser Weise konnte ich stolz darauf sein. Auf jeden Fall fühlte ich mich wohler in meiner Haut.


    Ja, es ist sein Kind. Der Kleine bekommt seinen ersten Zahn und weint schon die ganze Nacht. Ein bisschen Fieber hat er auch.


    Er war scheinbar richtig besorgt um mein Kind. Als er die Hände nach ihm austreckte und mich bat, ihn nehmen zu dürfen, zögerte ich nicht lange und gab ihm vorsichtig das Kind. Ungerührt von dem Ortswechsel wimmerte der Kleine weiter.


    Ich geh und hole eine Möhre!


    Kaum hatte ich das gesagt, war ich auch schon in Richtung Speisekammer verschwunden und kam wenig später mit einer Möhre heraus. Dann suchte ich mir ein Messer, schnitt das Grüne ab und wusch das Gemüse. Die noch tropfende Möhre gab ich dem Kleinen in die Hand, der sie auch gleich in sein Mündchen steckte und daran zu knabbern begann. Allmählich ließ sein Jammern nach, bis er irgendwann ganz ruhig, aber voller Leidenschaft an der Möhre nagte.


    Was machst du hier? Sind die Leute, die ihr engagiert habt, noch nicht da?


    Nein, offenbar noch nicht!


    Kann ich dir helfen?


    Ich konnte ja nicht ahnen, dass es dieses Jahr keine Freien gab, die über die Saturnalien eingestellt wurden, um die anfallenden Arbeiten zu verrichten.

  • Vorsichtig nahm Marcus den kleinen Jungen entgegen, der letztendlich – auch wenn Marcus das niemals wirklich eingestehen würde – sein kleiner Anverwandter war, selbst wenn er nur ein Bastardkind von seinem Vetter darstellte. Aber egal, er war im Moment ein drolliges – wenn auch sehr leidendes – kleines Wesen. Marcus musterte das kleine Gesicht des Kindes und lächelte breit, verfiel sofort in jene debile Ausdrucksweise, denen sich so manch ein Erwachsener zu Eigen machte, wenn er mit Säuglingen zu tun hatte. Marcus tupfte ihm auf die Nase und gab reichlich dämliche Geräusche von sich.
    „Aikutzikutz, was bist Du doch für ein strammer Kleiner, dudididu, na, Du wirst bestimmt mal ein ganz Starker weden…nadudududu, nur treib Dich nicht so rum wie Dein Vater, hm? Och, nicht weinen, mein Kleiner, das wird schon wieder.“
    Er sah auf und Bridhe an, ja, ihren Namen hatte er mit seinem schlechten Gedächtnis schon lange vergeßen gehabt, doch er nickte nun, so etwas ähnliches hatte er noch im Kopf gehabt, aber sich nicht mehr genau entsinnen können, zumal er ihn erfahren hatte als er wirklich schlechter Laune gewesen war, seines Beines wegen und auch nur haarscharf einige Wochen vorher dem Tode entkommen war. Und nun war sie freigelassen worden? Marcus’ Augenbraue wölbte sich nach oben, er war in dieser Hinsicht, wie auch die Meisten seiner Familie, sehr zögerlich, aber Aquilius hatte schon von je her sehr seltsame Ansichten gehegt.
    „Glückwunsch!“
    , erwiderte Marcus und sah dann hinunter wieder zu dem Kleinen.
    „Ohohohoh, die Zähne bekommst Du. Du armer Kleiner!“
    Das Theater bei seinen eigenen Kindern hatte Marcus sehr nahe mitbekommen, insbesondere bei seinem Sohn, der seine Mutter bei der Geburt verloren hatte. Als die Möhre in den Mund kam, richtete auch Marcus seine Aufmerksamkeit wieder auf die frühere Sklavin.
    „Es hilft auch, wenn Du ihm den Gaumen hin und wieder sanft massierst.“
    Vorsichtig reichte er ihr den Sohn seines Vetters zurück und seufzte schwer; seine Schultern sackten herunter, genauso wie seine Mundwinkel.
    „Freie? Du weißt auch davon? Herrje, nein, sie kommen nicht, weil es keine mehr gibt. Ich hab’s vermasselt!“
    , gestand Marcus geknickt ein, was er nicht getan hätte, wenn sie noch Sklavin gewesen wäre, aber sie war ja nun eine Freigelaßene. Verblüfft blinzelnd guckte er Bridhe an.
    „Das würdest Du tun? Oh ja, das wäre großartig, fabelhaft! Ich kann heute jede Hilfe gebrauchen, wir müßen nämlich selber den Kochlöffel schwingen für das Essen heute Abend. Kannst Du kochen? Oder backen? Oder beides?“

  • Ich hatte zuerst Bedenken, als ich mein Kind aus den Händen gab. Männer gingen zuweilen nicht so vorsichtig mit so zarten kleinen Wesen um. Bei dem Flavier war es aber ganz anders! Er hatte ja auch schon Erfahrung gesammelt, im Laufe seines Lebens. Es war richtig rührend, ihm zuzusehen, wie er den Kleinen für sich begeisterte. Diarmuids Weinen hatte aufgehört. Der Mann, der ihn an seiner Nase stupste, die lustigen Töne von sich gab und dabei auch noch so drollig aussah, war viel interessanter und machte die Zahnschmerzen für eine Weile vergessen. Sein kleines Mündchen formte sich sogar zu einem süßen, noch zahnlosen Lächeln.
    Aristides sah mich an. Er erinnerte sich an mich. So lange war es ja auch noch nicht her. Vielleicht erinnerte er ja auch noch an das gemeinsame Mahl, zu dem ich ihm damals Gesellschaft leisten musste. Ich hatte jedenfalls nichts davon vergessen.
    Seinem Gesichtsausdruck und dem darauffolgenden Glückwunsch nach zu urteilen, hielt er nicht viel von meiner Freilassung. Das machte aber nichts. Solange es deswegen meinem Kind gut ging, war es mir egal, was andere darüber dachten.


    Danke!


    Er hatte sich wieder dem Kind zugetan, das fleißig an der Möhre herum knabberte. Das tat dem Kleinen gut und vertrieb die Schmerzen.
    Der Flavier war ganz vernarrt in den Kleinen. So hatte ich ihn oder einen anderen aus seiner Familie noch nie erlebt. Ich hatte immer geglaubt, diese Patrizier würden sich niemals mit ihren eigenen Kindern abgeben, weil sie dafür ja auch Sklaven hatten. Bei ihm musste das aber schätzungsweise ganz anders gewesen sein, als seine Kinder noch klein waren. Dann verblüffte er mich mit der Empfehlung, die er mir gab, ich solle den Gaumen meines Kindes leicht massieren, das würde helfen!


    Ach, ja? Oh, danke für den Tipp!


    Mit der Vorsicht, die er hatte walten lassen, als er ihn an sich genommen hatte, gab er mir den kleinen Diarmuid wieder zurück und sah richtig geknickt aus, nachdem ich die Freien erwähnt hatte, die für gewöhnlich immer für die Saturnalien eingestellt wurden. Ich verstand nicht recht, bis er schließlich mit seinem Geständnis herausrückte. Vermasselt? Jetzt hatte er mich wirklich verblüfft! Vor allem, dass er das so freimütig zugab, dass er es war, der es verbummelt hatte und nicht einer der unzähligen Sklaven, die in der Villa lebten und arbeiteten. Ein bisschen tat er mir sogar leid, ihn so in dieser misslichen Lage zu sehen. Da kam für ihn mein Angebot, zu helfen, wie gerufen! Ich wusste, worauf ich mich einließ. Das war kein Essen für zwei oder drei hungrige Mäuler. Hier ging es um ein Festmahl für eine Gesellschaft von gut zwanzig Personen, die sich nicht nur mit einer einfachen Suppe oder einem Topf Puls abspeisen ließen! Aber als Aristides mich so nett fragte, konnte ich nicht anders.


    Ja, das würde ich! Aber nur unter einer Bedingung, sagte ich mit ernster Miene. Es gibt kein Schwanenfleisch!


    Jetzt begann ich zu schmunzeln. Hoffentlich würde er mir solche Äußerungen nicht übel nehmen. Aber nein, konnte er ja gar nicht. Er hatte ja gar keine andere Wahl!


    Das, was ich kann, habe ich von meiner Mutter gelernt. Ich hoffe, es wird ausreichend sein. Was sollen wir denn Kochen oder besser gesagt, was ist denn zum Kochen und Backen da?


    Ich sah mich um, ob schon einige Zutaten bereit lagen. Wenn ich schon mal voller Tatendrang war, wollte ich auch durch nichts gebremst werden. Aber bevor ich auch nur eine Möhre schälen oder eine Zwiebel schneiden konnte, musste ich erst einen Platz finden, wo ich meinen Kleinen lassen konnte. Vielleicht war es geschickt, ihm eine Decke auf den Boden zu legen, damit ich ihn dort ablegen konnte und er dort spielen konnte. Das war im Augenblick die beste Möglichkeit. Dann hatte ich freie Hand.
    Ich hielt mich nicht lange, holte eine weiche Decke um mein Kind darauf zu legen. Der kleine Diarmuid verweilte sich noch ein wenig mit der Möhre und ich band mir eine Schürze um.


    So! Womit fangen wir an?

  • In seiner Funktion als Pontifex hatte Gracchus der öffentlichen Zeremonie zu den Saturnalia am Forum beigewohnt, bei welcher stets die gesamte Priesterschaft Roms die traditionellen Saturnalienplätzchen verteilte, und war noch ehe der städtische Saturnalienfürst war bestimmt - wohlweislich hatte Gracchus selbst eines der Gebäckstücke aus jenem Korb für die Priesterschaft gewählt, in welchen die Münze in keinem Falle war eingebacken - zu Fuß zurück zur Villa Flavia gegangen, denn auch die Sänftenträger hatten an diesen Tagen frei. Sein Umhang lag auf Acanthus' Hocker neben der Türe, wo er vermutlich so lange würde liegen bleiben, bis der Wächter der Pforte seine Pflicht in einigen Tagen würde wieder aufnehmen, und Gracchus rieb seine Hände aneinander, um die Kälte des Winters aus seinen Fingern zu vertreiben. Es war ruhig in der Villa Flavia, zu ruhig geradezu, nicht das leiseste Treiben war zu vernehmen. Die meisten der Sklaven genossen augenscheinlich noch das offizielle Fest in der Stadt, ehedem sich einige von ihnen zum Feiern in die Villa würden zurück begeben, um am Abend dem traditionelle Festmahl gemeinsam mit der flavischen Familie beizuwohnen. Doch obgleich die übrigen Arbeiter dieser Tage frei hatten, sollte dennoch irgendjemand für den üblichen Ablauf des Lebens Sorge tragen, denn alljährlich wurden für die Saturnalientage Freie eingestellt, welche sich um die notwendigsten Aufgaben kümmerten - doch auch von diesen war weder etwas zu sehen oder zu hören. Wie ein Eindringling fühlte sich Gracchus, welcher in eine schmucklose, helle, blaufarbene Tunika war gekleidet und den traditionellen pilleus auf dem Kopfe trug, gleichsam auch in diesem Gewand nichts von seiner natürlichen patrizischen Ausstrahlung verlor - dem aufrechten Gang, den fließenden Bewegungen und dem Bewusstsein, dass alles Haushaltsbezogene um ihn herum stets seinen rechten Gang nahm.
    "Ist schon jemand zuhause?"
    rief er fragend in die Villa hinein, denn er hatte seine Gemahlin und seinen Sohn schon früh im städtischen Saturnalientrubel aus den Augen verloren, wohingegen er von seinen Vettern nicht einmal wusste, ob sie sich zum Tempel des Saturn ans Forum hatten begeben. Stille schlug ihm entgegen, weshalb er sich schlussendlich aufmachte, im Sklaventrakt nach dem Rechten zu sehen. Zwar war es in diesem Jahr Aristides' Aufgabe, die Organisation des Festes zu übernehmen, den Freien ihre Aufgaben zuzuweisen und sie im Auge zu behalten, doch die gänzliche Abwesenheit jeglichen Treibens besorgte Gracchus doch ein wenig. Da er kaum je in diesen Trakt des Anwesens sich verirrte, musste Gracchus jede Türe öffnen, um nachzusehen, welche Art Raum dahinter sich verbarg - und auch dabei entdeckte er einzig zwei in ihrer Kammer noch tief schlafende Sklaven, welche sein Räuspern entweder nicht hörten oder aber es an diesem Tage ignorierten. Alsbald jedoch fand Gracchus, wen er suchte, wenn auch nicht ganz was er suchte oder vorzufinden hoffte, doch zumindest erst einmal seinen Vetter Aristides, welcher augenscheinlich in der Küche sich befand.
    "Oh, Marcus ... i'h habe ob der Stille schon befür'htet, dass ... etwas ..."
    Seine Worten stockten, als sein Blick den Raum durchwanderte, über die einzig weitere Person glitt, eine Frau, mit welcher Gracchus nichts konnte anfangen, über die fein säuberlich aufgeräumten Gegenstände und unbenutzten Gerätschaften, welche sogar Gracchus zweifelsfrei einer Küche konnte zuordnen.
    "... passiert ... ist, und ... "
    Das Ende seines Satzes verflüchtigte sich in seinen Sinnen, verlor sich in der Leere des Raumes.
    "Wo sind ... die anderen?"
    Er lehnte sich weiter in den Raum hinein, jede Ecke von ihm zu blicken, ob Aristides dort die restliche Saturnalienbelegschaft hatte versteckt.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Auch wenn er letztendlich ein lausiger Vater war, war er dennoch immer seinen Kindern sehr zugetan gewesen, auch und gerade in ihren ersten Jahren, womöglich die Zeit, die er am längsten mit ihnen verbracht hatte, auf die späteren Probleme mit Kindern, die heran wuchsen, war und würde Marcus gewiß nicht gefaßt sein. Dem Sohn seines Vetters schenkte er jedoch noch mal ein von Herzen aufrichtiges Lächeln – es war sowieso Marcus' Ader mehr fröhlicher und freundlich gesinnter Natur zu sein, wenn man mal von jenen Momenten absah, wo auch bei ihm der flavische Zorn geweckt wurde.
    „Gerne!“
    , erwiderte Marcus nicht minder freundlich zu der Mutter von seinem – wenn man es wohl annäherungsweise bezeichnen wollte! - Neffen. Unendlich erleichtert erhellte sich das Gesicht von Marcus als er das Angebot von Bridhe vernahm, denn zwei Hände – und zwar Hände, die auch sich nicht für Kocharbeiten zu schade waren oder vielleicht ein wenig praktische Erfahrung schon besaßen – waren an einem solchen Tag wirklich immer willkommen.


    Schwanenfleisch? Verdutzt sah Marcus die junge Frau an und hatte keinen blaßen Schimmer, worauf die Andeutung beruhte, jener Tag vor einigen Wochen – oder Monaten? - war schon längst hinter dem Nebel des Vergeßens bei ihm verschwunden.
    „Schwanenfleisch? Ähm, nein, ich habe einige Enten und Gänse gestern kaufen laßen, ich hoffe, das ist kein Problem?!“
    Das es mehr humorvoll gemeint war, entging Marcus völlig, da er sich – immer noch übertölpelt und überfordert, plötzlich mit der Organisation alleine da zu stehen! - ratlos in der völlig leeren Küche umsah. Zerstreut nickte er.
    „Dann werden Deine Kochkünste bestimmt meine bei weitem übertreffen, ich hab es lediglich auf die Legionsküche gebracht, in der Zeit als ich noch einfacher Soldat war. Da haben wir imcontubernium unsere Sachen selber zubereitet.“
    Marcus grinste schief, irgendwie begann er jetzt schon in seinen Gedanken diese Zeit zu verklären und fand, daß es eigentlich keine schlechte Zeit gewesen war – dabei völlig verdrängend, wie erleichtert er war, als er centurio wurde und ab da an wieder seine Sklavenschaft hatte, zudem eine eigene Unterkunft, die deutlich großzügiger war.


    „Also, wir haben Wintergemüse, wir haben natürlich Mehl, Eier, allerlei Geflügel, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, frische Kräuter - Basilikum, Dill und solche Dinge – Eier in Maßen, Geflügel – ach, das sagte ich ja schon – also eigentlich alles, was man für ein gutes Essen braucht. Nur den paßenden Koch leider nicht.“
    Vier Hände waren doch schon deutlich beßer als nur zwei Hände, Marcus nickte zufrieden, dachte kurz nach und trat zu dem großen Arbeitstisch in der Mitte, er hob eine der Enten hoch an ihrem noch vorhandenen Hals, so daß der Kopf über seinen Fingerknöchel heraus ragte, der gelbe Schnabel nach oben. Die Federn steckten noch am Tier, wie auch am anderen Geflügel.
    „Mit dem Rupf...ähm...“
    Schnell ließ Marcus die Hand wieder sinken, er wollte ja seinen einzigen Freiwilligen nicht vertreiben.
    „Wie wäre es, wenn Du den Teig für das Brot anmischst und ich rupfe die Vögel?“
    , sprach er und wollte sich schon auf den hölzernen Schemel am Fenster setzen, um mit seinen kräftigen Händen das widerspenstige Federkleid aus dem Tier zu reißen.


    Eine Handvoll von dem prächtigen Federkleid der toten Ente hatte Marcus bereits in der Hand – und wie schwer waren die aus der Haut zu rupfen, das hätte Marcus nicht gedacht! - als er eine vertraut bekannte Stimme vernahm, erleichtert, daß wohl sein Hilferuf noch andere Bewohner der villa erreicht hatte, hob Marcus seinen Kopf von der Arbeit und sah zu seinem Vetter – nicht ohne freudig zu lächeln.
    „Manius, ach, wie schön, ich wußte doch, daß man sich auf Dich verlaßen kann. Ähm...die Anderen? Ich glaube, die Meisten wollen sich wohl drücken!“
    , erwiderte Marcus mit einem resignierten Schulterzucken, im festen Glauben, daß Gracchus nur damit die anderen Familienmitglieder meinen konnte. Wahrscheinlich war wohl jedoch, daß eben selbige sich in der Stadt herum trieben und das fröhliche Feiern dort genoßen.
    „Nur Bridhe hat sich in ihrer Freundlichkeit bereit erklärt zu helfen...ähm...ajemine, entschuldigt, ich vergaß euch vorzustellen. Bridhe, das ist Flavius Gracchus, Du kennst ihn sicherlich, Manius, das ist Bridhe, sie ist eine Freigelaßene, die Klientin von Aquilius und Mutter von unserem Neffen...ähm...ach herrje, Bridhe, wie heißt Dein Kind?“
    Fragenden Blickes wandte Marcus den Kopf zu der Keltin, aber nur kurz, denn die Zeit drängte ja.
    „Ah, übrigens, leg' doch ruhig Deine Kopfbedeckung ab, Manius, Du kannst mit dem Gemüse waschen anfangen. Dort, in dem Steinbecken.“

  • Langsam doch stetig tröpfelten mit jedem Worte seines Vetters die Tropfen der Erkenntnis in Gracchus' Bewusstsein hinab, dem Schmelzwasser eines Eiszapfens gleich, welches am schlanken, schimmernden, gefrorenen Rumpfe entlang sich abwärts schmiegte bis zur eisigen Spitze, einen Augenblick dort zu verharren, und schlussendlich durch die kalte Luft hinab zu fallen, auf das trübe Wasser der längst angesammelten Pfütze am Boden aufzuschlagen und die Oberfläche derer in sich ruhelos kräuselnde Wellen versetzend, welche die Erkenntnis über das gesamte Bewusstsein hinweg ausbreiteten. Dennoch spiegelte die glitzernde Oberfläche nicht die Realität in ihrem tatsächlichen Ausmaße wider, sondern leicht verzerrt wie so oft bezüglich seiner Vettern, denn in keinem Augenblicke glaubte Gracchus daran, dass Aristides die Organisation der Freien konnte vergessen haben, und da er sich des Gedankens wurde gewahr, dass sein Vetter ein äußerst archaisches Saturnalienfest hatte angesetzt, befand er dies als überaus extravagante und originelle Idee. Er war bereits im Begriff, den Mund zu öffnen, um Aristides für dessen Einfall eine Gratulation auszusprechen, als er sich dessen wurde bewusst, dass seine diesbezügliche Unkenntnis - sowohl der genauen Art der Feierlichkeit, als auch über die augenscheinlich von der Familie eingeforderten Beteiligung - nicht recht wollte in dieses Bild passen, und sich nur dadurch ließ erklären, dass er darauf hatte vergessen. Noch immer wurde er nicht nur des ausgesprochenen chs verlustig, sondern ebenfalls ab und an manchen Gedankens oder Vorhabens, so dass er keinen Augenblick daran Zweifel hegte, dass diese Unkenntnis sein eigenes Versäumnis und nicht etwa dasjenige seines Vetters war.
    "Natürli'h kannst du di'h auf mi'h verlassen"
    , überspielte er seine Unwissenheit und trat in die Küche hinein, um bereits bei den nächsten Worten seines Vetters einige Herzschläge lang - allfällig zu lange, um unbemerkt zu bleiben - zu stocken. Bridhe - Freigelassene, Klientin von Aquilius und Mutter seines Neffen - Gracchus wusste nicht, was daran, von ihrem Namen abgesehen, die blamabelste Tatsache war. Stets war Caius in diesen Belangen viel zu nachgiebig und weich gewesen, doch dass er einer Sklavin, welche ein Kind von ihm erwartete, nicht nur gestattete, dieses auszutragen, sondern ihr gleichsam zudem die Freiheit schenkte und sie hernach auch noch in der flavischen Villa in Rom ließ residieren, dies war für Gracchus unbegreiflich - Aquilius' Haltung zu seinen Sklaven war eine der überaus seltenen Angelegenheiten, in welcher er seinem Geliebten gar konnte zürnen und welche er im Stillen stets ihm nachtrug. Indes, Caius' Fehlentscheidungen waren nicht Bridhes Schuld, so dass Gracchus schlussendlich ein leichtes Lächeln seine Lippen kräuseln und ihn ob des Feiertages wegen, welcher ihn stets in überschwängliche Laune und geradezu kindliche Freude versetzte, vor der Freigelassenen sich verneigen ließ.
    "Bona Saturnalia, Bridhe!"
    Er nahm die Filzkappe von seinem Kopfe und legte sie auf einen freien Platz in einem Regal neben der Türe, tat einige unsichere Schritte zu dem Gemüse hin. Niemals zuvor in seinem Leben hatte Gracchus eine Küche zur Nahrungszubereitung betreten, geschweige denn je sich selbst etwas gekocht. Dennoch, Gemüse waschen konnte kaum wohl schwieriger sein denn die Kultstatuen im Tempel rituell zu reinigen. So füllte Gracchus das Steinbecken mit ein wenig Wasser aus einem daneben bereit stehenden hölzernen Eimer und nahm eine Rübe aus dem Gemüsehaufen. Zuerst tunkte er das grüne Blattkraut in die kalte Flüssigkeit, zog es mehrmals hin und her und fuhr mit seiner Hand hindurch, um sich hernach mit Hilfe eines Tuches, welches sich neben dem Steinbecken fand, dem orangefarbenen Wurzelrumpf des Gemüses ausgiebig zu widmen, es regelrecht mit dem nassen Lappen zu polieren.
    "Wird das Gemüse nur mit Wasser abgewaschen, oder kommt herna'h ein Öl oder ähnli'hes auf die Oberflä'he?"
    Völlig unbedarft stellte Gracchus seine Frage in den Raum hinein, denn er war nicht im Geringsten sich dessen bewusst, dass ein wenig merkwürdig sie musste anmuten für jemanden, welcher schon viel Gemüse in seinem Leben hatte geputzt, und im Falle der Götterstatuen lag immerhin auf der Salbung mit Ölen das Hauptaugenmerk des Reinigungsritus.

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  • Vermutlich mussten erst Tage wie die der Saturnalien heran brechen, um die wahren Menschen, die hinter den Flaviern steckten, hervorzubringen. Ich hatte Arisitides bisher nur in seiner Rolle als despotischen Herrn wahrgenommen, hinter dessen scheinbarer Freundlichkeit sich seine ganze Gefährlichkeit versteckt hatte. Jetzt erlebte ich ihn ganz anders, als freundlich netten Mann, der mich ohne Hintergedanken in seiner Nähe duldete. Dass er es damals, als ich ihm bei seinem Mahl Gesellschaft leisten musste, auch anders gewesen sein konnte, war aus meinem damaligen Blickwinkel nicht ersichtlich gewesen. Dieser ganzen Familie ging ein gewisser Ruf voraus und wenn man ihnen auch noch rechtlos ausgeliefert war, dann lebte man in ständiger Sorge um sein eigenes Wohlergehen.
    An seiner Reaktion war es leicht, festzustellen, wie unbedeutend für ihn dieser Vorfall vor einigen Monaten gewesen sein musste. Er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern. Das war für mich Anlass, einen Schlussstrich darunter zu ziehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Unmerklich fiel die Furcht, die ich zu Beginn in Gegenwart dieses Mannes gefühlt hatte, ab. Er war ein ganz normaler Mensch und allem Anschein nach, heilfroh, mich getroffen zu haben, denn mit seiner Kochkunst schien es nicht weit her zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wovon sich einfache Soldaten ernährten. Mit Sicherheit waren es keine Gänse und Enten, die sie tagtäglich in ihren Kochtöpfen versenkten.


    Nein, mit Enten und Gänsen habe ich keine Probleme, gab ich grinsend und weitaus gelöster, zu. Sah man einmal davon ab, wie selten solche Vögel auf meinem heimischen Speiseplan gestanden hatten und ich wenig Erfahrung mit ihrer Zubereitung mitbrachte. Wenn man ein Leben nah am Wasser gewohnt war, dann bestand das Hauptnahrungsmittel aus Fisch und Meeresfrüchten.
    Nun begann er aufzuzählen, was alles vorrätig war. Im Grunde fehlte wirklich nichts, was nicht auch an einem anderen, gewöhnlichen Tag da war. Das waren doch ganz gute Voraussetzungen, auch wenn der Profi in der Küche am heutigen Tage Ausgang hatte.


    Ach das macht nichts! Das schaffen wir schon!


    Ich zögerte nicht lange und band mir eine Schürze um, bereit für alles, was auf mich zukam. Da lagen sie schon, die leblosen Körper der Enten und Gänse. Wenigstens waren sie schon tot. Allerdings waren sie noch ungerupft und nicht ausgenommen. Beides waren Tätigkeiten, denen ich zwar nachgekommen wäre, wenn er mich dazu aufgefordert hätte, die allerdings nicht wirklich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörten. Umso erstaunter war ich, als er mir vorschlug, mit dem Backen zu beginnen. Er selbst wollte die Aufgabe übernehmen, den Tieren an die Federn zu gehen. Ich war erleichtert. Vielleicht konnte man mir das auch ansehen, denn Backen lag mir wesentlich mehr.
    Ich schritt sofort zur Tat und besorgte mir eine große Schüssel, holte das Mehl und ein wenig Wasser und Olivenöl herbei und wollte schon mit dem Mischen der Zutaten beginnen, als auch ich die nahende Stimme hörte. Ich wusste, zu wem sie gehörte und genau das ließ mich auch wieder versteifen. Dem Hausherrn war ich in der ganzen Zeit als Sklavin nie direkt begegnet. Immer hatte ich ihn nur von weitem gesehen und das, so glaubte ich jedenfalls, war auch gut so. Ich ließ von meiner Tätigkeit ab und wagte es nicht, ihn anzusehen, als Aristides uns vorstellte. Meinen Blick hob ich erst an, als mich Aristides nach dem Namen meines Kindes fragte. Ich war verwirrt und wäre beinahe mit dem Namen herausgerückt, dem ich ihm selbst gegeben hatte.

    Diarm.., ähm nein. Er heißt Caius, so wie sein Vater.

    Ich sah und spürte, wie Gracchus´ Blicke auf mir lasteten und ich glaubte auch zu wissen, was er dachte. Ich kam mir vor, wie ein Insekt, über dessen Schicksal noch entschieden wurde, ob man es zertreten sollte oder hinaus in den Garten setzte.
    Als schließlich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erschien, das dann auch noch von einem freundlichen Bona Saturnalia gefolgt wurde, brach meine Starre auf.


    Salve, dominus! Das wünsche ich dir auch, antwortete ich lächelnd und um einiges erleichtert.


    Der kritische Punkt, so schien es, war überschritten. Geschäftigkeit trat wieder ein. Auch ich ging wieder an meine Arbeit. Aristides verteilte sogleich die Arbeit an seinen Vetter, der sich die größte Mühe gab, darin nicht zu überfordert zu wirken.
    Aus meinem Blickwinkel beobachtete ich ihn, wie ehrerbietig er mit jedem einzelnen Gemüse umging, so als wären es wertvolle Kultgegenstände, die er seinen Göttern anschließend opfern wollte. Er wusch die Rüben, polierte sie, ließ aber das überflüssige Grünzeug daran stehen. Das beruhigte mich wieder, denn es zeigte mir, er war ein gewöhnlicher Sterblicher, der auch nur mit Wasser kochte, wenn er denn überhaupt kochen konnte, was ich stark bezweifelte.
    Eine innere Kraft drängte mich dazu, einzuschreiten und ihn auf den richtigen Weg zu bringen, denn so wurde das nichts!


    Ähm, dominus, bitte verzeih mir, aber das Grünzeug muss ab! Das muss man nicht mitwaschen. Und extra abtrocknen ist auch nicht notwendig. Dann wird das Gemüse geschält.


    Ohne vorher gefragt worden zu sein, griff ich nach einer polierten Rübe und enthauptete sie mit einem ordinären Küchenmesser, dann begann ich sie mit demselben auch noch zu schälen und legte die nun splitternackte Rübe beiseite. Ein weitere Rübe zu ergreifen, wagte ich nicht, denn im gleichen Moment kam es mir in seiner Nähe so vor, ein schreckliches Sakrileg begangen zu haben, das mich für alle Zeit in Verdammnis stürzte. So ich ließ von den übrigen Rüben ab.

  • Etwas mochte nicht gänzlich passen an Bridhes erklärenden Worten, und da Gracchus keinerlei Ahnung hatte von korrekter Gemüsewaschung, so konnte es nurmehr die Titulierung seiner selbst sein.
    "Ni'ht dominus, Gracchus rei'ht heute völlig"
    , korrigierte er Bridhe, denn was im alltäglichen Leben gänzlich undenkbar war, dies wurde zur Normalität an den Saturnalientagen, und Gracchus liebte dieses Fest gerade ob der Karnevalisierung wegen, der - mehr oder minder - bedingungslosen Aufgabe jeden Standes, der Aufgabe von Herkunft und Hintergrund, gar der Aufgabe der eigenen Persönlichkeit. Es war ganz als wäre er Teil eines Theaterstückes, als würde er nurmehr eine Rolle spielen, dabei eine viel einfachere Rolle denn jene des Patriziers Manius Flavius Gracchus, welche er üblicherweise hatte auszufüllen. Gracchus liebte das Theaterspiel, nicht nur es zu blicken, sondern viel mehr noch selbst Teil des Bühnenstückes zu sein, es war sein Kindheitstraum gewesen, einer Schauspieltruppe sich anzuschließen, und da selbstredend dies niemals war eine Option für ihn gewesen, erfreute er sich um so mehr an der jährlichen Gelegenheit, zumindest ein wenig dieser mimischen Luft in seine Lungen einatmen zu können. Aufmerksam folgte er den Erläuterungen der Freigelassenen, beobachtete jede ihrer Bewegungen und kommentierte ihr Tun nur mit einem stillen Heben der linken Braue, welche ob der Faszination wegen ein wenig auf seiner Stirne empor wanderte.
    "Hmm"
    , brummte Gracchus schlussendlich, als er mit ernster Mine die fertige Rübe betrachtete. Zumindest sah die Arbeit nicht sonderlich kompliziert aus.
    "Danke, Bridhe."
    Er nahm eine neue Rübe auf und wusch sie - noch immer überaus sorgsam - in dem kalten Wasser, ehedem er zu dem Küchenmesser griff und das Kraut vom Rumpfe trennte, was tatsächlich noch sehr simpel war. Das Schälen indes stellte sich als nicht gar so einfach heraus, einmal rutschte das Messer ab, dann wiederum schnitt es zu tief und eine solch wohlgeformte Enthäutung wie Bridhe hatte vorgeführt, wollte und wollte Gracchus auch an den nachfolgenden Gemüsestücken nicht gelingen. Ein wenig beschämt schielte er immer wieder einmal zur Seite hin, wo Bridhe sich dem Brot widmete, ob nicht etwa sie ihn in seinem Misserfolg beobachtete, doch alsbald konzentrierte er sich wieder auf sein Tun, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, jeder Rübe ihre Schale abringend. Die ungewohnte Haltung machte zum Ende der Rübenmenge in seinem Rücken allmählich sich bemerkbar, denn obgleich Gracchus durchaus gewohnt war, lange Zeit zu stehen oder zu gehen, so hielt sich das über eine Arbeitsfläche gebeugt sein doch stets in Grenzen. Er drückte seinen Rücken durch und achtete einen Augenblick lang nicht auf das Tun seiner Hände, als unvermittelt das Messer ihm ausrutschte, er einen scharfen Stich an seinem linken Daumen verspürte und ob dessen erschrocken das in der zugehörigen Hand befindliche Gemüse fallen ließ. Entsetzt blickte er auf seinen Daumen, welchen eine schmale Wunde zierte, kaum einen digitus lang, doch von rotfarbenem Blute bereits überzogen, welches unermüdlich aus dem Schnitt hervor quoll. Augenblicklich beschleunigte Gracchus' Atem sich, mühsam blinzelte er, suchte die aufkommende Panik zu unterdrücken. Dunkles, rotfarbenes Blut. Sein Blut. Sein Blut.
    "Marcus ... "
    , keuchte er heißer und es wurde ihm blümerant vor Augen, während noch immer er auf den rotfarbenen Flecken starrte, der allmählich von seinem Daumen herab rann und in winzigen Tropfen auf den Boden der Küche hinab fiel. Dunkles, rotfarbenes Blut, welches von jeglicher Umgebung schien losgelöst, einzig nurmehr seine Sinne umfasste als Sturzfluten eines Okeanos, jeglichen klaren Gedanken in einem Kosmos aus zähflüssiger Verzerrung verschlang und unter der Schwere rotfarbener, bleierner Partikel erdrückte.

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  • Immerhin einer, der an diesem heutigen Tage noch Optimismus beweisen konnte, aber Bridhes' Zuversicht wirkte sich bereits auf Marcus aus und zeigte einen blaßen Schimmer am düsteren Horizont der Peinlichkeit gegenüber seiner Familie; dann war da noch Gracchus, der richtiggehend entzückt zu sein schien davon, den ganzen Tag in der Küche zu stehen und für die Familie zu kochen, was wiederum den leidig gequälten Ausdruck von seinem eigenen Gesicht vertrieb und von einem verhaltenen Grinsen ersetzt wurde; sein Vetter war in mancher Hinsicht wirklich mehr als weltfremd, und dann wieder so klug und weise; Marcus' Augen wanderten spontan zu den Füßen von Gracchus, denn er fragte sich, ob Gracchus wenigstens jene selber zu binden vermochte, oder ob er deßen auch Sklaven benötigte, die er an solchen Tagen wie heute nicht zur Verfügung hatte, doch die Schuhe waren zu, somit sein Vetter nicht ganz in den Sphären religiöser Weisheiten gefangen, die keinen Platz für säkulare Kleinigkeiten besaßen -oder doch? Marcus, der immer noch auf dem Hocker saß und deßen Finger sich in das Federkleid des Geflügels gruben, bemerkte durchaus erleichtert, daß er wohl Bridhe nicht wieder verscheucht hatte, im Gegenteil, sie ging Gracchus auch noch zu Hilfe, deßen zaghafte Bewegungen im Wasser schon zum Schreien komisch wirkte; Marcus konnte auch nicht umhin mit einem breiten Grinsen das Geplansche im Becken zu beobachten, ehe Bridhe seinem Vetter hilfreich zur Seite schritt; Marcus sah wieder auf den Vogel und schaute auf die mickrige Hand voll Federn, irgendwie war das schwerer als er gedacht hatte; im contubernium hatte er aber auch kein Huhn bisher rupfen müßen, aber vage entsann er sich, daß sein Soldatenkollege, der sich öfters darum gekümmert hatte, wenn sie mal eines sich gekauft hatten, irgendeinen Trick parat hatte, doch was, das wußte er nicht mehr, so blieb ihm also nichts anderes übrig als an den Federn zu zerren und zu ziehen, bis die Haut diese endlich frei gab.


    Federn stoben in die Luft, feines Daunenkleid, das sich unter den groben Kielen verbarg, die sonst Wasser und sonstige Umwelt von der zarten Haut des Vogels abhielten und dafür sorgten, daß jene Ente immer trocken blieb. Doch nun wehten die flauschig weichen Federn, die einer wollenen Untertunika ähnlich waren, durch die Luft; wie braune und welke Blätter, die vom herbstlichen Baum geweht wurden und langsam gen Erde sanken, wie braune Boote auf dem Kamm der Wellen segelten sie hin und her und landeten zu den Füßen von Marcus, der sie nicht beachtete, sondern beharrlich eine Hand nach der Anderen an Federn aus der Haut riß und in einen Korb neben sich fallen ließ, damit die Sauerei und der Federnflug in der Küche sich doch in Grenzen hielt. Zwischendrin seufzte Marcus und hob die Hand, um einige Schweißtropfen von der Stirn zu wischen – denn die ganze Rupferei war doch anstrengender als er gemeint hätte – einige braungrüne Federn blieben dabei an Marcus Stirn und seiner Schläfe haften, was selbiger nicht bemerkte. Gerade als er se inen Namen hörte, mit einem seltsamen Unterton, mehr einem Hauchen ausgesprochen; Marcus hob seine Augen von dem Tier und spähte zu Gracchus mit fragendem Ausdruck als er schon mit einem Blick erkennen konnte, wie bleich sein Vetter geworden war und seltsam zu schwanken schien.


    Hastig sprang Marcus auf, das Tier fiel von seinem Schoß herunter und landete mitten in den Federn; mit drei schnellen Schritten war er an Gracchus heran geeilt und auch gerade zum rechten Zeitpunkt, denn justament sah er schon das Zusammensacken von seinem Vetter, der sich wie eine Marionette zusammen falten wollte, die gerade ihre Fäden verloren hatte und bar jeder Standhaftigkeit war; hastig griff Marcus nach einem Arm von seinem Vetter und schlang seinen Anderen unter dessen Achsel, als das Gewicht sich gen Erde verlagern wollte, sein Vetter war gewiß kein leichter Brocken, nicht so wie eine Dame, die man leichthin auffangen konnte, doch Marcus war, selbst wenn schon seit einigen Wochen nicht mehr im Militär, immer noch kräftig genug, um ihn sicher auffangen zu können.
    „Potzteufel, Manius!“
    , keuchte Marcus jedoch und griff auch noch mit dem anderen Arm unter Gracchus Achseln, um ihn vorsichtig zur nächsten Sitzgelegenheit zu bringen. Behutsam, als ob er wirklich eine verletzliche junge Frau aufgefangen hätte- aber mindestens so kostbar war ihm sein Vetter!-, ließ Marcus Gracchus auf eine hölzerne Bank sinken, auf der sonst die Mägde zu sitzen pflegten, wenn sie das Gemüse schälten. Leichenblaß, so war sein Vetter; Marcus hatte das oft genug im Felde gesehen, wenn die Männer einiges an Blut verloren hatten und hatte er nicht Blutspuren eben kurz gesehen?
    „Bridhe? Hast Du gesehen, was paßiert ist?“
    , fragte Marcus und sah suchend an seinem Vetter hoch und runter, wo sich Gracchus wohl verletzt haben könnte, doch irgendwie...tja, da war nichts, ehe Marcus' Augen sich auf die Hand richteten und dem Blut, das dort zu sehen war; schnell griff Marcus nach dieser und erkannte den Schnitt am Daumen. Vom Schnitt, deßen Blutung langsam aber doch deutlich am Versiegen war, sah Marcus auf das bleiche Gesicht seines Vetters; das konnte doch unmöglich die Verletzung sein, die seinen Vetter aus den Sandalen kippen ließ...oder doch? Verdutzt musterte er Gracchus und schüttelte verwirrt den Kopf, nein, da mußte noch etwas anderes sein und besorgt, höchst von Sorge erfüllt betrachtete er seinen Vetter und wedelte ihm mit der Hand etwas frische Luft zu; hoffentlich hatte das nicht mit seiner Krankheit zu tun, die ihn so schwer geschlagen hatte und fast die Sprache geraubt hätte.
    „Manius? Manius, hörst Du mich?“
    Suchend sah er sich um und dann zu Bridhe.
    „Weißt Du wo etwas Scharfes zum Riechen ist...oder besser noch: kennst Du Dich mit Krankheiten aus, Bridhe?“

  • Ich versuchte zu lächeln, wenn das überhaupt ging, denn mein Blick war eher ehrfürchtig. Es war gar nicht so einfach, zwanghaft die Mundwinkel nach oben zu schieben. Nicht etwa, weil ich mich über die eigenartige Aussprache lustig machen wollte. Mir war ja bewusst, woran das lag. Meine Aussprache und mein Tonfall mussten auch ungewohnt für römische Ohren klingen.


    Gracchus, sagte ich schließlich schüchtern und wartete ab, was daraufhin passierte. Es passierte gar nichts! Das waren die Saturnalien und mein Gegenüber war ein Anhänger dieses Festes. Ob er es auch noch wenn er selbst aktiv werden musste, denn dieses Fest konnte auch sehr leicht unangenehme Formen annehmen, sollte sich am heutigen Tag noch zeigen.
    Der Flavier betrachtete andächtig die Rübe, die von mir geschält worden war. Dann nahm er sich ein Herz und versuchte es selbst einmal. Mir war es nicht entgangen, wie unangenehm es ihm sein musste, wenn ich ihm dabei zu sah. Artig nickte ich ihm zu und verdrückte mich wieder zu meinem Brotteig.
    Einstweilen knetete ich den Teig gut durch und formte kleine Leiber daraus. Immer wieder warf ich kurze unauffällige Blicke zu Gracchus und Aristides hinüber. Der eine schälte die Rüben, bis fast nichts mehr von der Rübe übrig war und der andere quälte das Huhn, das zu seinem Glück eh schon tot war. Ein wahres Küchenidyll! Ich musste schmunzeln. Das hätte ich niemals gedacht, den heutigen Tag mit Gracchus und Aristides gemeinsam in der Küche zu verbringen.
    Dann aber geschah etwas, was mich ganz schnell wieder in die Realität zurück brachte. Ich hörte nur ein gestöhntes "Marcus" und schon kippte der Pontifex aus den Sandalen. Ich ließ ab von meinem Brot und rannte zu Gracchus. Auch Aristides war sofort zur Stelle und hatte seinen Verwandten aufgefangen. War das etwas, was mit seiner Krankheit zu tun hatte? Einfach so wurde man doch nicht ohnmächtig!


    Ich weiß nicht! Eben hat er noch die Rüben geschält und jetzt. Oh sieh nur, da ist Blut!


    Ich deutete auf einige rote Flecke am Boden und fand auch schnell heraus, woher sie stammten. Er hatte sich in den Finger geschnitten. Einfach nur geschnitten und fiel dann in Ohnmacht? Jetzt begriff ich, Gracchus entstammte einer anderen Welt, fernab jeder Realität.
    Ich stand ziemlich hilflos daneben, während Aristides versuchte, seinen Vetter anzusprechen. Aber das alleine nützte nichts. Was konnte ich nur tun? Das Fest stand auf dem Spiel! Etwas scharfes zum riechen! Ja! Aber was denn? Was gab es da? Ich strengte mein Hirn an und versuchte krampfhaft zu überlegen, was in diesem Fall half.


    Ähm, wie heisst das noch gleich?


    Mir fiel nur das hibernische Wort dafür ein. So etwas gab es doch in jeder Küche, in der auch gebacken wurde. Erst kürzlich hatte ich doch das Früchtebrot gebacken. Da hatte ich es auch gebraucht. Ich sah bei den Backzutaten in der Speisekammer nach und wurde dort auch schnell fündig.Ich rannte wieder zurück zu dem Bewusstlosen. Etwas von dem weißen Pulver hatte ich in ein Schälchen gefüllt.


    Hier, das hilft! Das ist, ähm Salz vom Horn eines Hirsches.

  • Versunken in einem tiefen Okeanos aus dunklem, rotfarbenen Blute, dahintreibend in der zähflüssigen Masse, umhüllt aus einem Kokon des Lebenssaftes dämmerte Gracchus zwischen Außen und Innen, suchte dem Strome zu entkommen, kämpfte dagegen an gänzlich verschlungen zu werden. Seit jeher konnte er den Anblick menschlichen Blutes nicht ertragen - es war dies einer der Hauptgründe, weshalb er stets sich vor einer Laufbahn im Militär hatte gefürchtet -, insbesondere nicht seines eigenen, von welchem eine geringe Menge bereits dazu gereichte, ihm die Sinne zu rauben, gleichsam brachte stets dieser Anblick die Erinnerung an den Tod - an Sciurus den ersten mit einem Messer im Rücken, an Gracchus' Mutter mit einem Dolch im Herzen, an Agrippinas Leichnam umgeben von einem See aus Blut auf den Stufen des vestalischen Tempels, an Minervina mit dem Dolch im Herz -, und ließ mit der Erinnerung die Furcht über ihn hinweg schwappen. Wie aus der Ferne, von weitem Land hinter dem Ozean her drang leise der Ruf seines Vetters, wies die Richtung zurück in das Wachen, ein seidener Faden, an welchem entlang zu hangeln Gracchus versuchte. Mit einem Mal jedoch wurde ein dickes Seil aus dem Faden, ein Greifarm aus Hanf, welcher ihn unsanft packte und mit jähem Ruck zurück in die Küche zog. Gracchus' Nasenflügel bebten, der Nasenrücken kräuselte sich gleich der Stirne, blinzelnd kehrte der klare Blick zurück in seine Augen und mit einem tiefen Atemzug die Luft in seine Lungen.
    "Marcus ..."
    , erkannte er das besorgte Antlitz seines Vetters vor sich und entsann sich sodann an die Küche, die Rüben, das Messer, das Blut.
    "Was ...? Hat es ... aufgehört?"
    Vorsichtig brachte er den verletzten Daumen in seinen Blick, nurmehr ein schmaler, dunkelrotfarbener Streifen kündete von dem Schnitt, der - ohnehin sehr geringe - Blutfluss war längstens versiegt. Wie ein gewaltiger Makel prangerte der winzige Schnitt auf Gracchus' Haut, nicht etwa ob der Verletzung wegen, sondern der Tatsache, dass eine solch marginale, geradezu lächerliche Wunde bereits dazu gereichte, ihm die Sinne zu rauben. Langsam wanderte Gracchus' Blick zu Aristides und Bridhe hin, jedoch ohne wirklich in die Augen ihnen zu sehen - allfällig hatte noch keiner von ihnen bemerkt, was überhaupt war geschehen. Es reichte ihm bereits, dass alle Welt sein verlorenes ch konnte hören, darob suchte er mehr noch als sonstig diesen weiteren Makel seiner Persönlichkeit zu überdecken, vorwiegend Bridhes wegen, denn in Aristides' Fall war er nicht gänzlich sich sicher, ob nicht jener aus ihrer gemeinsamen Zeit in Achaia darob wusste - Caius und seine früheren Gefährten hatten sich manches mal einen Spaß daraus gemacht, sich in den Finger zu schneiden und Gracchus dies unter die Nase zu halten, ein mal gar hatten sie ihn hernach in einer noblen Taberna zurück gelassen, auf dass er die Zeche hatte zu zahlen gehabt. Er hob die unverletzte Hand und schob die noch immer vor seiner Nase schwebende Schale von sich.
    "Es ... geht schon wieder. I'h ... vermutli'h habe i'h nur zu wenig gegessen. Ni'ht mehr als den Saturnalienkeks am Forum ..."
    Obgleich dies die Wahrheit war, so blieb die Ausrede dennoch Schwindelei, aß er doch auch an anderen Tagen kein Frühstück, sondern begnügte sich zumeist mit einem Glas kalte Milch zum wach werden, welche er auch an diesem Tage hatte erhalten. Sciurus ließ den Beginn der Saturnalien erst mit dem öffentlichen Opfer gelten und hatte darob seinen Herrn am Morgen des ersten Feiertages noch versorgt - andernfalls hätte Gracchus zweifelsohne auch nur ein halb so passables Bildnis abgegeben, war er doch nicht einmal dazu in der Lage, seine Schuhe ordentlich zu schnüren, gelang ihm zwar ein zu Beginn passables Ergebnis, dessen Knoten sich jedoch bald nach den ersten Schritten zu lösen begann, was darin endete, dass er mehrere Knoten aufeinander folgen ließ, welche am Ende des Tages er nicht mehr zu lösen vermochte.
    "Wir sollten fortfahren, sonst werden wir ni'ht zeitig fertig"
    , suchte er die Aufmerksamkeit gänzlich zurück auf die Arbeit zu lenken und erhob sich langsam, um den beiden Küchenleidensgenossen zu zeigen, dass er sich tatsächlich wohl befand. Obgleich sein Blick geradezu magisch davon angezogen zu werden schien, ignorierte er standhaft die blutigen Tropfen am Boden und blinzelte einzelne dunkle Flecken vor seinen Augen hinfort.

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  • SimOff: Tomaten? Das waren Riesenkürbiße auf meinen Augen! Eine riesengroße Entschuldigung an Euch Beiden :(




    Grenzenlose Irritation, das weckte Gracchus' Schwächeanfall bei Marcus, aber nicht mindere Sorge, die er für seinen Vetter empfand, der doch so oft stark und unerschütterlich wirkte im Treiben der römischen Großstadt, wenn es um übernatürliche Dinge ging, dann schien Gracchus immer derart ruhig und bewandt zu sein, wie konnte man da wegen einer Bagatelle aus den Sandalen schier fliegen? Marcus wedelte noch etwas vor Gracchus' Gesicht herum, um ihm etwas frische Luft zu zufächern, was freilich nicht viel half, er sah jedoch auf als Bridhe herankam, das Salz eines Hirschen? Wozu war denn soetwas gut? Marcus wußte es nicht ganz einzuschätzen, aber Frauen hatten doch immer ihre Mittelchen, die eben auch oft wirkten, und darin konnten sich die römischen Frauen von den Sklaven oder Freigelassenen kaum unterscheiden, im Gegenteil, schon in seiner Kindheit hatte Marcus die Erfahrung gemacht, daß eine Sklavin ihm eher weiter helfen konnte, wenn er sich mal wieder das Knie aufgeschlagen oder einer der Nachbarsjungen sich zu heftig mit ihm geprügelt hatte.
    „Wozu ist das gut?“
    , fragte er darum Bridhe.
    „Und muß er das Essen oder Trinken?“
    Ratlos sah er das Hausmittelchen von Bridhe an und dann sogleich zu seinem Vetter, der sich wieder zu rühren schien und langsam seine Sinne wieder zusammen bekam; Marcus betrachtete immer noch betulich seinen Vetter und starrte auf deßen Daumen, an dem er erst mit einem zweiten Blick den Schnitt feststellen konnte; hm...war es doch das Blut?, fragte sich Marcus und runzelte die Stirn, um gleich darauf zu nicken.
    „Es hat aufgehört, Manius, Du wirst gleich davon nichts mehr spüren!“
    Noch mal wedelte Marcus unsinnigerweise mit seiner Hand vor Gracchus' Gesicht und suchte schon nach einem Palmwedel, natürlich gab es sowas nicht in der Küche, außerdem schaffte er es sogar einige der Federn, die noch an seiner Hand klebte, durch die Luft zu schleudern, sie segelten munter in der Luft herum und setzten sich jetzt sowohl auf Marcus' dunkles Haarhaupt, als auch das von Gracchus. Als dieser dann noch aufstand und - sichtlich bleich noch – schon wieder tapfer ans Werk gehen wollte, schüttelte Marcus energisch den Kopf.
    „Nein, Manius, setz' Dich erst wieder hin! Nicht, daß Du gleich wieder...ähm...ja...ähm...Dich sofort wieder setzten mußt, weil Du noch zu wenig...ähm...gegeßen hast!“
    Stammelnd versuchte Marcus noch etwas von der Würde seines Vetters zu retten, wenn Marcus auch kein sonderlich guter Lügner war und sowieso in solchen Dingen sehr schlecht, er selber erhob sich wieder und sah sich suchend um, er fand auch sogleich ein wenig Brot, das er auf einen Holzteller legte, schnitt etwas Käse dazu und brachte alles Gracchus.
    „Hier, iß dann erst ein bißchen, und etwas Wein bekommst Du auch gleich, und wenn es Dir beßer geht, kannst Du uns ja wieder helfen, ja?“
    Er lächelte Gracchus aufmunternd zu und trat einen Schritt von ihr weg, um zu Bridhe zu gehen und sie sachte am Arm zu berühren.
    „Bridhe, bitte, sag' niemandem davon, ich glaube, das wäre Man...Gracchus nicht Recht...peinlich, um genau zu sein, hm?“
    Er sah Bridhe treuherzig dabei an und hätte wohl auch noch es mit Bestechungen versucht, damit Bridhe dicht hielt, aber er fand, das schuldete er Gracchus mindestens.

  • Sim-Off:

    Fadhb ar bith! wie Bridhe sagen würde. Oder einfach, kein Problem! :)


    Nein! Nur nicht essen! Das ist gefährlich! Das ist nur zum Riechen, wenn man ohnmächtig geworden ist. Man muss es unter die Nase halten.


    Normalerweise benutzte man Hirschhornsalz als Triebmittel für verschiene Gebäckarten. Wahrscheinlich hatte jemand einmal einem Bäcker dieses Pulver unter die Nase gehalten, als dieser in Ohnmacht gefallen war, weil sein Brot verbrannt war. So oder so ähnlich hatte es sich vielleicht zugetragen, als man die Wirkung dieses Mittels herausgefunden hatte.


    Doch Gracchus kam auch so wieder zu sich, ohne in den Genuss des Hirschhornsalzes gekommen zu sein. Die Ursache seines Ohnmachtzustandes war auch sehr bald herausgefunden. Es lag einfach nur an dem Schnitt an seinem Finger und dem Blut, das aus der kleinen Wunde herausgelaufen war.
    Ich vermied es, auch nur einen Kommentar dazu abzugeben, denn für jemanden der mitten im Leben stand, sollte das kein Grund für eine Ohnmacht sein.
    Aristides versuchte die Situation zu retten, indem er vorschob, es sei der Mangel an Essen und Trinken, der diese Ohnmacht verursacht haben könnte.
    Während Aristides den darniederliegenden Gracchus mit einem Käsebrot versorgte, spielte ich das Spiel mit und holte ihm einen Becher mit verdünntem Wein, damit er wieder zu Kräften kommen konnte.
    Es verstand sich von selbst, dass ich über diesen Vorfall Stillschweigen behalten würde. Das machte diesen Römer, vor dem ich so ungeheueren Respekt hatte, ein wenig menschlicher.


    Nein ich werde nichts erzählen. Ganz bestimmt nicht.

  • Ein wenig widerwillig ließ Gracchus sich mit einem zustimmenden Brummen auf die Worte seines Vetters hin zurück auf den Stuhl sinken, barg jedoch ohnehin kaum noch die Hoffnung, seine Unzulänglichkeit im Verborgenen zu halten, weder vor dem stets ihm unerschütterlich scheinenden Aristides, noch vor der Freigelassenen, bezüglich derer Person er sich nicht gänzlich sicher, wo diese einzuordnen war - einzuordnen würde sein nach den Saturnalia. Dennoch biss er ein Stück des Brotes ab, kaute nachdenklich darauf herum und getraute sich schlussendlich gar, einen schnellen Blick auf des Malheurs Ursprung zu werfen, hielt den Schnitt jedoch nicht allzu lange vor seinen Augen, brachte dies doch nur eine leise Reminiszenz an all das Blut mit sich - er würde den Medicus Kosmas später noch einen Blick darauf werfen lassen, denn sicher war sicher, und Kosmas immerhin kein Sklave, so dass er auch zu den Saturnalia in der Schuld der Flavia stand. Wie Gracchus seinen Blick durch die Küche schweifen ließ - jenes ihm so unvertraute und darob durchaus faszinierende Territorium -, barg er allmählich die Befürchtung, dies könne für die Flavier ein Abend des Scheiterns werden. Schlussendlich waren sie nicht für solcherlei geboren, waren gezeugt, die Geschicke eines Staates zu bestimmen, für ein Volk Gedanken zu fassen zu dessen Wohl, Menschen wie Ressourcen zu führen, zu lenken, zu organisieren, nicht jedoch sich mit solcherlei Trivialitäten wie der Nahrungszubereitung zu widmen. Er hob den Becher mit Wein, leerte ihn in einem Zug, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und verzog das Gesicht.
    "Wel'h ungustiöser Tropfen!"
    Er erhob sich und wandte sich an Brigantica und Aristides, wies erklärend auf den Wein.
    "Dieser hier ist augenscheinli'h nur zum Ko'hen bestimmt. I'h werde uns einen adäquateren Rebensaft aus Felix' Restbeständen aus dem Keller holen."
    Wenn schon das marode Schiff ihrer Kochkünste sang- und klanglos am Riff des Scheiterns würde untergehen, so wenigstens mit dem gebotenen Stil und dem Stolz des flavischen Geschlechtes! Gracchus verließ den Raum und suchte sich seinen Weg zum Keller - welchen gegenteilig zur Küche er überaus genau kannte, nicht etwa, da er ein übermäßiger Weingenießer war, reichte sein Gespür diesbezüglich doch gerade aus, einen guten von einem sehr guten Wein zu unterscheiden, sondern da ihn mit Kellern eine merkwürdige Affinität verband.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Sodenn schritten die Kochbemühungen voran, die Ente wurde gerupft – ihr stand kein sonderlich glückliches Schicksal bevor, eher ein trauriges und sehr...schwarzes Ende! - und es ging weiter im emsigen Treiben bis in den Abend, mehr eher den Nachmittag hinein, an dem sich schon die Familienmitglieder versammelten – die sich erfolgreich um die Rekrutierungsmaßnahme gedrückt hatten, sehr zum Mißfallen von Marcus! - und auch die Sklaven, die jedes Recht dazu hatten, diesen Tag als ihren Tag zu feiern, der Erinnerung an das Zeitalter wegen, wo es allen Menschen gleich gut ging und die Knute der Knechtschaft noch versteckt und unerfunden war; so ging jedoch die Plakerei weiter, die Malheure heuften sich, die cena nahm immer katatstrophaler – oder für manche wohl amüsante – Züge an und hatte dann – den Göttern sei Dank – auch irgendwann ein Ende. Völlig am Ende, völlig fix und fertig und erschlagen schlurfte Marcus mit einer verwüsteten, leeren Platte zurück in die Kuche und ließ sich auf die Holzbank plumpsen. Aiai und herrje, wie hielten die Sklaven das nur tagtäglich aus, Marcus würde das keine Woche überleben und er beschloß, die Sklaven in nächster Zeit zu schonen – einen Vorsatz, den er einige Tage später schon wieder vergeßen haben sollte! Der Wein, den er heute Abend zu sich genommen hatte, tat seinen Anteil und gab ihm zudem den Rest, immerhin würde Epicharis wohl heute auch keinen Wert mehr auf seine Gesellschaft legen, sie hatte sich – wie schon manche anderen – auch bereits zurück gezogen, vor einiger Zeit schon, Marcus überlegte einen Augenblick lang – während er das Schlachtfeld in der Küche, namentlich die ganzen dreckigen Töpfe, die Reste von den Vorarbeiten, etc. betrachtete – also währenddeßen sann er darüber nach, ob er nicht doch noch ein Bad nehmen sollte, um sich im heißen Wasser zu erholen, aber es würde wohl daran scheitern, daß Marcus nicht wußte, wie man ein Bad mit heißem Wasser füllte, er kannte diese Mechanik nicht, die unter dem Boden installiert war und wo man das Feuerholz entzünden mußte, wußte er ebensowenig. Er hörte Schritte, die sich der Küche näherte und sah mehr Schemenhaft die Gestalt einer Frau – da es in der Küche nur noch das Glimmen des Ofens gab und sonst nur der Flur den Türrahmen beleuchtete.
    „Ich glaube, es war eine Katastrophe, oder? Oder meinst Du, sie haben nichts gemerkt von dem Desaster, den ich angestellt habe?“
    , fragte Marcus gähnend und sich den Nacken reibend.

  • Der Abend war schon weit voran geschritten, die cena längst zu Ende. Das triclinium war wie leer gefegt. Nur schmutziges Geschirr erinnerte noch an das recht ungewöhnliche Mahl. Selbst die Korridore waren in der Zwischenzeit verwaist und durch einige wenige Öllampen beleuchtet. Der Rest der Villa war in die Dunkelheit der Nacht getaucht. Es war wieder Ruhe eingekehrt.


    Irgendwann am Abend hatte auch ich die Gelegenheit gefunden, einen Happen zu essen. Es war noch ein wenig von den Vorspeisen übrig geblieben und von Gracchus Eintopf und die Muscheln natürlich. Danach war ich satt. Vom Wein hatte ich nur wenig gekostet. Nach all den Jahren hatte ich mich immer noch nicht mit dessen Geschmack anfreunden können. Wahrscheinlich würde ich dies auch niemals.


    Ich hatte den Kleinen zu Bett gebracht. Am liebsten hätte ich mich auch schlafen gelegt, meine Beine und Arme schmerzten. Der Geruch von Essen und Schweiß hang mir noch an. Hinter mir lag ein Tag voller Arbeit. Ein Tag, wie jeder andere und doch war die Arbeit eine ganz andere gewesen, als das, was ich sonst gewohnt war. Doch die Zeit, um sich jetzt nieder zu legen, war noch lange nicht gekommen! Vorher musste erst noch das Trümmerfeld in der Küche beseitigt werden.
    Ich unterdrückte ein Gähnen und schlurfte den Gang entlang.
    Die Küche lag unbeleuchtet vor mir. Nur das Glimmen des Ofens leuchtete ein wenig auf, doch dies war bei Weitem nicht ausreichend. Für einen Moment glaubte ich, alleine das Vergnügen zu haben. Dann vernahm ich eine vertraute Stimme. Ich kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit auszumachen, woher sie kam. Da, auf der Holzbank saß Aristides. Wie mir schien, war auch er vollkommen ermattet von der ungewohnten Tätigkeit. Mit einem kleinen Abstand ließ ich seufzend neben ihm auf der Holzbank nieder.


    Nein, finde ich gar nicht. Wir haben getan, was wir konnten. Mehr ging eben nicht. Ich glaube, den meisten hat es auch so geschmeckt.


    Von Katastrophe konnte doch keine Rede sein! Wir hatten uns wacker geschlagen, auch wenn es einige Rückschläge gegeben hatte. Auf eine gewisse Weise hatte es sogar Spaß gemacht. Dieser Tag würde mir ewig in Erinnerung, das wusste ich!


    Meine Augen hatten sich nach einer Weile an die dunkleren Lichtverhältnisse in der Küche gewöhnt. Das wahre Ausmaß des Desasters wurde durch die Unmenge an schmutzigem Geschirr sichtbar, das nur darauf wartete, gereinigt zu werden.


    Ich befürchte, wir müssen das da noch in Ordnung bringen. Oder du musst die Villa verkaufen.


    Da Letzteres eher unwahrscheinlich war, blieb nur noch meine Befürchtung übrig. Keine besonders vergnüglichen Aussichten für einen gemütlichen Ausklang des Abends.

  • Es knisterte leise im Ofen, als die letzten Holzscheite vom Feuer verzehrt wurden, von Feuer konnte man schon nicht mehr sprechen, es waren nur noch die letzten Überlebenden eines Herdfeuers, immer wieder leckten kleine und verzweifelte Zungen über die rotglühenden Holzreste, tanzten auf der schwarzen Kohle und vergingen in der weißen Asche, die um die rote Glut sich ausgebreitet hatte. Dennoch gab das Feuer einen warmen und mysteriösen Schein, vermochte die wirklich ganzen Ausmaße des Fiaskos in der Küche zu überspielen, selbst wenn es genug offenbart wurde. Aber für den Moment hatte Marcus nur vor, erstmal seine Füße hochzulegen, er hangelte mit der Ferse nach einer Holzkiste und zog sie näher, um daraufhin stöhnend seine schmerzenden Latschen darauf abzulegen, er kam sich vor wie am ersten Tag beim Militär, den er mit einem ausgiebigen Tagesmarsch, samt all des Gepäcks, hatte absolvieren müßen – oh, wie hatte Marcus an diesem Tag gelitten, und der Zustand seiner Füße weckten Erinnerungen an diesen Tag. Die gut gemeinten Worte von Bridhe ließen ihn hinwieder lächeln, sie schien wirklich ihr Herz am rechten Fleck zu haben – das hatte Markus erst heute gemerkt, aber manche Menschen konnte man eben nur in ihrem wahren Kern erkennen, wenn man sich von Gleich und Gleich mit ihnen zu unterhalten vermochte und nicht nur Sklaven in ihnen sah, die einen bestimmten Sinn und Zweck zu erfüllen hatten. Immer noch war jedoch ein wenig Zweifel in Marcus, denn er hatte durchaus noch vor Augen, wie seine Vettern es organisiert hatten, eben bravurös und mit den üblichen Freien, insbesondere an das Fest - bevor Marcus in den Krieg - aufgebrochen war, blieb ihm dabei gut in Erinnerung, - war das nicht noch Leontia dabei gewesen? - und natürlich war der Sklave von Gracchus für die Organisation zuständig gewesen, und auf Sciurus war nun mal Verlaß – im Gegensatz auf ihn – Marcus Flavius Aristides; weswegen Marcus leise in sich hinein seufzte.


    „Vielleicht hast Du Recht! Nun ja, auf jeden Fall haben wir keine Verluste und die Familie wird es auch überleben, daß wir...ähm...mal wieder etwas ursprünglicher gefeiert haben.“


    Den Göttern sei Dank hatten sie dieses Jahr keine Gäste gehabt, wie letztens mit den Aureliern und Claudiern, bzw. deren Sklavenschaft, denn dann hätte es sich noch ehe die Sonne wieder sich zeigte, in ganz Rom herum gesprochen. Bei Bridhes letzten Worten mußte Marcus breit grinsen.
    „Die villa verkaufen! Keine schlechte Idee, nur würde sich wohl mein Vater im Grabe herum drehen, und mein Bruder würde seine Schlägertruppe auf mich hetzten, selbst von Sardinien aus kann er ganz schön nachtragend sein.“
    Das Grinsen auf den Zügen, die nur vage beleuchtet waren und mehr von den Schatten der Nacht beherrscht wurden, hätte natürlich verraten, daß er nichts dergleichen von seinem Bruder glaubte – oder etwa doch?
    „Aber wir können uns noch eine kleine Pause gönnen, denke ich, und sowieso, Du hast schon mehr als genug heute getan, trotz Deines Kindes, ich möchte Dich nicht noch mehr belasten mit all der übrigen Arbeit.“
    Zudem überlegte sich Marcus sowieso, ob er die Schlachtreste nicht doch für den nächsten Tag stehen ließ; Marcus gähnte bei dem Gedanken nochmal herzhaft und spähte zu Bridhe.
    „Wegen der Bürgerlisten, ich stehe dafür natürlich selbstredend auch als Zeuge zur Verfügung, damit Dein Sohn zu seinem Recht kommt.“
    , setzte er noch die Angelegenheit von vor ein paar Stunden fort.

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