Cubiculum - Iunia Axilla

  • Das heillose Durcheinander an Kisten in ihrem neuen Cubiculum lenkte Axilla soweit ab, dass sie sich nicht schluchzend auf die nächstbeste Liege schmiss, sondern ganz geschäftig rumgestikulierte. „Nein, die Kiste nicht da hin, dort rüber. Und Vorsicht mit der da. Nein, nein, nicht einfach absetzen, die muss noch da rüber. War das eben ein Scheppern?
    Die armen Träger und die noch viel ärmeren Sklaven wurden mit den verschiedenen Kisten und Truhen durchs ganze Zimmer gehetzt, und als sie endlich alle an den gewünschten Positionen waren, noch einmal herumgescheucht, da Axilla es sich doch noch einmal anders überlegt hatte. Als sie schließlich zufrieden war, wurden die Träger vom Hafen etwas weniger herzlich aus dem Zimmer hinauskomplimentiert und von einem Sklaven aus dem Haus geleitet.
    Axilla machte sich sogleich daran, ihr Gepäck richtig zu sortieren. Die Truhen mit der Kleidung konnten so bleiben, wie und wo sie waren, aber die Kisten wurden nun geöffnet und ihr Inhalt schön säuberlich verteilt. Da waren schön gearbeitete Vasen und Schalen, von denen sie sich nicht hatte trennen können, das ein oder andere candelabrum, das bisschen Schmuck, das sie besaß. Und noch das wichtigste: Ihre Lares. Sie war sich zwar sicher, dass ihr Vetter eigene Lares hatte, aber sie konnte ihre ja nicht so einfach in Hispania zurücklassen. Wer würde den Schutzgeistern denn sonst die Anbetung zuteil werden lassen, die sie verdienten? Da wären die übrigen Geister sicher sehr böse mit ihr gewesen. Und Geister verärgerte man besser nicht.
    Vorsichtig nahm sie die Figurinen aus dem mit Stroh gefüllten Kasten und stellte sie auf den Tisch. Gründlich untersuchte sie sie, ob auch nichts kaputt gegangen war, aber sie waren noch ganz. Liebevoll strich sie einmal über den geschnitzten Körpers der Kriegerstatue. Er erinnerte sie immer an ihren Vater, und deshalb war sie Axilla die liebste von allen.

  • Vom Bad zu ihrem Zimmer war es zwar ein ganzes Stück, aber Axilla flog geradezu durch die Gänge. Sie hatte das dringende Bedürfnis, schnell in ihr Zimmer zu kommen und niemanden mehr zu sehen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, Lucius dieses letzte Angebot zu machen? War sie denn vollkommen wahnsinnig geworden? Hatte sie es nicht einfach so gut sein lassen können, wie es war?
    Sie stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf und schlüpfte atemlos hinein. Eine Sklavin, die wohl die ganze Zeit auf sie gewartet hatte, wachte verschlafen in einem der Sessel auf. „Verzeihung, Domina, ich bin wohl eingeschlafen.
    Schon gut…“ Axilla fiel der Name mal wieder nicht ein. „Aber geh jetzt. Ich möchte allein sein.
    Die Sklavin guckte einmal kurz verwirrt, machte sich dann aber daran, das Cubiculum zu verlassen. Axilla schloss hinter ihr die Tür und war daran, den Riegel vorzuschieben. Aber irgendetwas ließ sie einhalten. Sie wusste, sie sollte ihr Zimmer hinter sich am besten abschließen, um jegliche Dummheit zu verhindern. Eine verschlossene Tür wirkte diesbezüglich Wunder. Aber sie wollte nicht ganz.
    Sie stand da, das Holz in der Hand, und nur eine kleine Handbewegung hätte ihr Zimmer geschlossen. Aber diese kleine Illusion, dass Silanus sie vielleicht doch liebte und das nicht nur ein einmaliges Abenteuer war, war einfach so tröstlich, dass Axilla es nicht fertig brachte. Wenn sie die Tür verschloss, dann war es wirklich falsch, was sie getan hatte, auch wenn es noch so schön war. Aber dann war es falsch, und sie gestand das ein.
    Langsam ging wie rückwärts von der Türe weg, bis sie schließlich so weit zurückgewichen war, dass sie den Riegel loslassen musste. Immernoch rückwärts ging sie weiter bis zu ihrem Bett und setzte sich darauf. Die einzelne Kerze in ihrem Cubiculum, die noch brannte, tauchte alles in unwirkliches Licht, und Axilla saß wie in Trance eine Weile einfach da. Schließlich ging ein Zittern durch ihren Körper, als sie das Geschehene Revue passieren ließ.
    Sie griff unter ihr Bett, wo sie ihre Kinderpuppe versteckt hatte. Es war kindisch, aber es war ein tröstliches Gefühl, nicht vollständig allein jetzt zu sein. Sie zog sich schnell aus und legte sich ins Bett, die Puppe unter ihren Arm geklemmt. Der Schlaf wollte sich nicht gleich einstellen, also lag sie noch eine ganze Weile wach. Aber irgendwann, als die Kerze heruntergebrannt war, war auch Axilla eingeschlafen.

  • Silanus kam nicht, und Axilla hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Am nächsten Tag wichen sie sich beide ein wenig aus, wie es Axilla schien. Zumindest sah sie ihn am ganzen Tag nicht mehr als fünf Minuten, und auch da waren sie nicht allein. Ganz unrecht war es Axilla nicht, sie traute sich selbst noch nicht soweit wieder, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholen würde.
    Aber er durfte sich nicht wiederholen. Das wusste sie, zumindest ihr Kopf wusste das. Ihr Herz schmerzte von Minute zu Minute mehr, auch wenn es nur ein Tag war, der sie jetzt trennte. Aber jede Sekunde, die sie sich zu beschäftigen suchte, dehnte sich wie eine Stunde, und jede Stunde war eine halbe Ewigkeit. Sie musste immer wieder an ihn denken, was er tat, wie er sich jetzt fühlte, ob er es bereute…
    Die nächste Nacht war unruhig, weil ihr soviel im Kopf herumging. Sie fing an, zu überlegen, wie man diese Situation ändern könnte. Was sie tun könnte, um wieder bei ihm sein zu können. Nicht einmal unbedingt auf diese Weise, sondern einfach nur in seiner Nähe. Diese Abgeschiedenheit tat ihr fast noch mehr weh wie die Erkenntnis um die Falschheit ihrer Tat. Wenn er sie nicht lieben konnte, damit konnte sie leben. Aber nicht damit, ihn deswegen jetzt nie wieder zu sehen.
    Sie überlegte, was passiert wäre, wenn man sie erwischt hätte. Sie wusste, dass schwere Strafen darauf standen, aber was genau, das wusste sie nicht. In ihrem elterlichen Haushalt gehörte so etwas nicht unbedingt zu den täglichen Gesprächen. Aber irgendwo musste es doch etwas geben, wo man sich darüber unauffällig informieren konnte? Es gab doch sicher Gesetze, die es ganz genau regelten?
    Axilla wälzte sich herum und überlegte. Einen der Sklaven fragen konnte sie nicht, das wäre zu auffällig. Vor allem, wie sollte sie ihn fragen? Nach einigen weiteren unruhigen Drehungen im Bett fiel ihr ein, dass es hier in Alexandria ja eine Bibliothek gab. Die hatte doch bestimmt auch römische Gesetzestexte. Eine gut sortierte Bibliothek in einer römischen Provinz musste einfach auch römische Gesetzestexte haben, egal wie griechisch die Stadt sonst war.
    Mit dem Plan, da gleich am nächsten Morgen hinzugehen, schlief Axilla schließlich doch irgendwann ein.


  • Weinend lag Axilla auf ihrem Bett. Schließlich hatte sie doch die Bücher in der Bibliotheke gelesen. Sie hatte gelesen, wie Kaiser Augustus seine Tochter Iulia auf die Insel Pandateria verbannt hatte, wo sie schließlich verhungert war. Ihre Liebhaber wurden ebenfalls verbannt, Iullus Antonius und Sempronius Gracchus gingen ihretwegen sogar in den Tod.
    Sie hatte gelesen, dass Eheschließungen bis zum sechsten Verwandschaftsgrad ebenso wie Ehebruch bestraft wurden. Sie und Silanus waren im fünften miteinander verwandt. Wurde man Rom in flagranti beim Inzest erwischt, konnte man sogar direkt zum tarpejischen Felsen gezerrt und dort zu Tode gestürzt werden, um die Götter wieder zu beruhigen. Neben der Verbannung gab es noch weitere Strafen, je nach Schwere des Vergehens. Man konnte verbrannt, lebendig begraben, ersäuft werden. Wenn man Glück hatte, durfte man sich ehrenvoll selbst umbringen. Es soll sogar Blendungen gegeben haben.


    Bleich wie ein Geist war Axilla nach ihrer Lektüre heimgekommen und direkt in ihrem Zimmer verschwunden. Vor Angst wie erstarrt saß sie erst nur auf ihrem Bett, unfähig etwas zu tun. Sie starrte einfach nur vor sich hin, bis ihre Sklavin Angst bekam und sie vorsichtig an der Schulter berührte. Wie von Sinnen schlug Axilla nach der armen Sklavin, jagte sie schimpfend aus dem Zimmer und verriegelte ihre Tür. Danach warf sie sich aufs Bett, weinte, schluchzte, bis keine Tränen mehr da waren. Sie hielt sich den Bauch, weil er schmerzte, und lag zusammengekrümmt und zitternd da. Sie wollte niemanden mehr sehen.
    Sie hatte einfach nur Angst. Nicht um sich, aber um Silanus. Er konnte nichts für ihre Liebe, ihren Wahn. Sie durfte ihm das nicht antun. Sie wollte nicht, dass er für sie in die Verbannung ging, oder gar in den Tod. Sein Blut an ihren Händen wäre mehr, als sie ertragen könnte. Sie liebte ihn so unendlich, wie man seine erste Liebe nur lieben konnte. Und weil sie ihn so liebte, musste sie sich unbedingt von ihm fernhalten. Es zerriss sie bei dem Gedanken, aber noch viel mehr fürchtete sie um sein Leben. Sie hatte nicht das Recht, ihm das anzutun. Das konnte sie nicht.
    Axilla wusste nicht, was sie tun sollte. Sie beschloss, sich erstmal in ihrem Zimmer einzusperren, bis ihr etwas eingefallen wäre.


    Hätte sie noch ein wenig weiter gelesen und sich nicht von den alten Texten einschüchtern lassen, hätte sie keine Angst haben brauchen. Claudius ließ vom Senat das betreffende Gesetz abändern, so dass es Eheschließungen ab dem dritten Grad der Verwandtschaft erlaubte, um seine Nichte Agrippina zu heiraten. Außer gesellschaftlicher Missachtung hätte sie keine Strafe zu fürchten brauchen.

  • Sein erster Weg nach der Rückkehr aus Nikopolis führte Silanus zum Cubiculum seines Mündels. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen sich umzuziehen oder sich frisch zu machen. Seine genagelten Caligae hallten durch die mamornen Hallen des Domus, bis sie schließlich direkt vor Axillas Zimmertüre verstummten. Silanus klopfte an und wartete auf ein Zeichen hinter der Türe.

  • Komm schon rein, Leander.
    Axilla war der festen Überzeugung, dass es niemand als ihr Sklave Leander sein könnte, der da an die Türe klopfte. Silanus war schließlich in Nikopolis und Urgulania bei der Arbeit, und ihre anderen Familienmitglieder irgendwo in der Provinz unterwegs.
    Sie selber saß gerade am Fenster über einem Gedichtband und war in gedanken ganz woanders.

  • Er war zwar nicht Leander, aber dennoch folgte Silanus der Aufforderung seines Mündels und trat ein. Als er sie erblickte schloss er die Türe hinter sich und sprach sie sofort an.


    "Axilla! Ich muss dich kurz sprechen."

  • Das war aber nicht Leander! Vor Schreck ließ Axilla das Buch so ungeschickt fallen, das es aus dem Fenster fiel und unten im Atrium landete. Missmutig schaute sie dem Ding hinterher.
    Erst danach drehte sie sich in aller Ruhe zu Silanus herum. Was konnte er wollen? Und warum trug er seine Rüstung? Ihr Blick wanderte kurz zu der Truhe, in der die Rüstung und das Schwert ihres Vaters lagen. Dann sah sie ihn wieder fragend an.
    Ja?

  • "Es tut mir leid, dass ich dich so überfalle, aber ich muss dir etwas mitteilen, dass nicht wirklich warten kann. Ich muss leider für einige Zeit verreisen."


    Er hielt kurz inne und sah sie kurz an bevor er weitersprach. Vielleicht wollte er ihre Reaktion sehen oder einfach nur abwarten, bis sie diese erste Ankündigung verdauen konnte. Dann sprach er weiter.


    "Ich werde nach Rom reisen, um dort das Examen Tertium an der Academia Militaris abzulegen. Der Praefectus hat mich vom Dienst freigestellt und ich werde die nächst beste Gelegenheit ergreifen um in See zu stechen."

  • Axilla hatte ihm die Sache in seinem Officium immer noch nicht verziehen. Zurückweisungen verkraftete sie nur äußerst schwer, und so war sie in diesem Moment auch nicht so herzlich und kindlich wie sonst, sondern ruhig, gefasst und fast ein wenig abweisend.
    Aha. Verstehe. Dann sehen wir uns wohl eine Weile nicht?
    Sie stand auf und richtete dabei ihr Haar, obwohl es eigentlich noch tadellos saß.
    Dann wünsche ich dir eine ruhige Fahrt. Im September soll das Meer ja sehr tückisch sein. Und natürlich viel Erfolg.

  • Im ersten Moment sah Silanus die junge Frau sichtlich verwirrt an. Er hatte erwartet, dass sie fragte oder vielmehr ihn anflehte sie mit nach Rom zu nehmen. Stattdessen nichts. Sie wünschte ihm alles Gute und schien nicht besonders traurig darüber zu sein, dass sie sich nun länger nicht sahen. Er hatte wusste nun gar nicht, was er sagen sollte. Sie war sein Mündel. War es wirklich gut sie hier allein in Alexandria zu lassen? Urgulania würde sich zwar bestimmt um sie kümmern, aber dennoch war er ihr Tutor. Sollte sie nicht an seiner Seite sein?


    "Du…. Du möchtest hier bleiben?"

  • Kurz bebte ihr Kinn und ihre Augen blitzten beleidigt, als sie zu Silanus hinüber sah, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
    Ja, ich möchte hierbleiben. Ich habe hier Freunde gefunden, und Urgulania macht sich die Mühe, eine angemessene Arbeitsstelle für mich ausfindig zu machen. Außerdem habe ich Aelius Archias schon zugesagt, ihn und seine Verlobte zu den Pyramiden zu begleiten.


    Die Sätze, dass sie ihn in seinem Officium schon verstanden hatte und sie deshalb seine Nähe grade nicht haben wollte, verkniff sie sich.

  • Silanus atmete tief durch und machte einen sehr nachdenklichen Eindruck.


    "Ich verstehe. Nun gut. Ich denke es wird für dich auch irgendwann andere Möglichkeiten geben Rom kennen zu lernen."


    Während seinem Ritt nach Alexandria hatte er sich einige Gedanken über seine Zukunft gemacht. Vor allem an seine Karriere, die er nach einem bestandenen Examen weiter fördern konnte und auch Überlegungen sich einen Posten in Rom zu suchen. Doch es war der falsche Zeitpunkt nun darüber zu reden. Vielleicht würde ihnen dieser Abstand gut tun. Sollte sich in Rom etwas ergeben, dann konnte er Axilla immer noch nachholen. Vorerst sollte sie ihren Willen bekommen und hier in Alexandria bleiben.


    "Ich danke dir für deine Wünsche. Sobald ich etwas über meine Rückkehr weiß, werde ich euch eine Nachricht zukommen lassen."

  • Ein liebes Wort, nur ein Wort! Nein, Axilla würde nicht wieder schwach werden. Sie sah stur gerade aus und nicht in Silanus Augen, damit er es nicht sehen konnte. Sie würde stark bleiben und sich nicht dazu erniedrigen, ihm irgendwas zu sagen. Sie würde ihn auch nicht vermissen. Gar nicht. Sie würde hier in Alexandria ihr Leben genießen und Feste feiern und alles tun, woran man sich als junger Mensch eben so erfreute. Sie hatte keinen Liebeskummer mehr, ganz bestimmt nicht, und erst recht nicht, wenn er in ihrer Nähe war. Und schon dreimal nicht, wenn er die Rüstung anhatte.
    Gut. Ich werde dir dann regelmäßig Schreiben, falls es länger dauern sollte mit deiner Rückkehr.
    Zur Sicherheit verschränkte Axilla ihre Arme vor der Brust, damit sie nicht doch noch schwach wurde. Was musste er auch die Rüstung tragen?

  • Das war dann wohl der Zeitpunkt um zu gehen. Silanus spürte, dass sich irgendetwas in ihm sträubte. Ein Unbehagen überkam ihn und er machte Anstallten einen Schritt auf Axilla zugehen zu wollen. Sogar sein Arm schwenkte in ihre Richtung, doch dann besann er sich, zog ihn zurück und blieb wie angewurzelt stehen.


    "Ich wünsche dir auch alles Gute Axilla. Ich werde dich ……."


    Er vollendete den Satz jedoch nicht sondern drehte sich um und öffnete die Türe.


    "Pass auf dich auf!"


    Das waren die letzten Worte die er sagte, obwohl er nicht mehr in ihre Richtung sah und die sie noch leise hören konnte, ehe er die Türe hinter sich schloss und in seine Gemächer ging, um alle Vorbereitungen für die Abreise zu treffen.

  • Nachdem Axilla schon vorgegangen war, hatte sie sich flugs nach Hause aufgemacht. Die Porta war mal wieder nur vom alten Leucos besetzt, dem sie auch gleich Anweisungen gab, Timos zu ihr hoch zu schicken. Der Alte schaute sie zwar kurz komisch an, nickte dann aber. Er machte sich schon lange keine Gedanken mehr über die sonderbaren Einfälle seiner Herrschaften.
    Also war Axilla schnell durch die Gänge gehuscht und hoch in ihr Cubiculum. Sie hoffte, Leander war auch irgendwo dort unterwegs. Er war ja ihr Sklave, aber das hieß ja nicht, dass er den ganzen Tag wie ein Hund auf sie wartete. Und natürlich hatte sie kein Glück, er war nicht da. Warum auch? Er hatte ja eigentlich nichts in ihrem Cubiculum zu suchen, wenn sie nicht da war und ihm dort nichts aufgetragen hatte.
    Axilla streckte den Kopf zur Tür ihres Zimmers heraus und rief einen Sklaven, er solle ihr Leander herholen.


    Während sie sowohl auf den Sklaven als auch auf Timos wartete, wurde Axilla sehr unruhig. Ungeduldig schritt sie in ihrem Zimmer auf und ab. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, irgendwas musste sie tun. Sie öffnete also die Truhe mit der Rüstung und dem Schwert ihres Vaters und nahm das Gladius heraus. Sie setzte sich ans Fenster, nahm einen Wetzstein und machte etwas eigentlich total unnützes, das sie aber doch beruhigte: Sie schärfte die Klinge.

  • Timos hatte am Tor der Basileia seinen Namen genannt und, dass er Grammateos der Eutheniarcha war. Die Wache nickte nur, als er sagte er würde bei seiner Arbeitgeberin zuhause erwartet und geleitete ihn somit ohne Zwischenfälle dorthin. Am Domus Iunia angekommen, klopfte er, woraufhin ein alter Sklave ihm öffnete und auf Nachfrage zu dessen junger Herrin führte.
    Erstaunlicherweise wies der Sklave den Weg ins Obergeschoß der Villa. War das nicht gewöhnlich der private Bereich der Hausbewohner? Wortlos folgte Timos dem Mann. Augenblicke später standen sie vor der Tür zu Axillas Cubiculum. Der Sklave klopfte laut an und betätigte einfach die Türklinke, dann verschwand er.


    Vorsichtig trat Timos ein. Er nahm ein merkwürdiges Geräusch wahr, das ihn an die Schmiede auf dem Gut seines Vaters erinnerte. Das konnte doch nicht?
    Huch!
    "Axilla? Was zum Kerberos machst du da mit diesem Schwert?"
    Verblüfft stand er in der Tür und starrte die junge Rhomäerin an, die ein Gladius an einem Schleifstein schärfte.

  • Axilla war so vertieft in die gleichmäßige Bewegung, dass sie das sanfte Klopfen und das Öffnen der Tür gar nicht richtig mitbekam. Timos kam herein und seine fragende Stimme ließ sie kurz aufschauen.
    Ich schleife die Klinge.
    Sie fuhr mit dem Stein noch einmal bis zum Ende, genau so, wie sie es gelernt hatte, und steckte das Gladius dann wieder in die Scheide zurück. Sie stand auf und lächelte Timos entschuldigend zu.
    Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich brauchte nur irgendwas, um meine Hände zu beschäftigen. Und das beruhigt mich immer.
    Sie ging zu der Truhe, in der auch die Rüstung ihres Vaters lag, und legte das Schwert vorsichtig hinein. Erst danach wandte sie sich richtig an Timos und lächelte ihm schüchtern zu.
    Ja, ich hab nach Leander schon schicken lassen. Er müsste jeden Moment kommen. Hoffe ich.
    Sie war sich durchaus bewusst, dass es wahrscheinlich sehr ungewöhnlich war, einen Gast in ihrem Cubiculum zu empfangen und nicht in einem der Räume unten im Haus. Hoffentlich bildete Timos sich darauf nun nichts ein. Sie wollte nur sicher sein, dass nicht gleich jemand hereinplatzte, wenn sie Leander ausfragte, und das ging hier nun mal am besten. Abgesehen davon, dass ohnehin nur Sklaven momentan im Haus waren, aber dieses Zimmer war halt doch ihr sicherer Hafen.

  • Die Verblüffung hatte sich in eine breites Grinsen gewandelt und mit gespielter Empörung sagte Timos:
    "Gib's zu, du willst mich gleich abstechen und von deinem Sklaven in der Cloaca verschwinden lassen."
    Dann sah er sich ein wenig um. Dort standen Lares, die üblichen Kleider- und Schmucktruhen. Die Rüstung hatte er kurz aufblitzen sehen, als Axilla das Schwert zurücklegte.
    "Sag, warum empfängst du mich in deinem Cubiculum?"

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