Cubiculum | Aulus Flavius Piso

  • Dies hier sind die Raeumlichkeiten des Aulus Flavius Piso. Es war pompoes eingerichtet - an den Regalen an den Waenden stand allerlei Kitschkram und exotische Geschmacksverfehlungen. Einen Ehrenplatz, in einem Rahmen direkt an der Wand ueber dem Bett, nahm Pisos geliebte Lyra ein. Im Raum steht eine Bueste von Kaiser Titus. Ein paar kleine Gemaelde aus den Jahren, in denen die Flavier die Kaiser stellten, hingen im Raum herum - nirgendwo sonst hatte man Verwendung fuer sie gefunden. Am Schreibtisch nebenan stapelten sich Papyri, Dokumente und Tintenfaesser. Ihn flankieren zwei Statuen.


    Blick vom Bett hin zum Schreibtisch

  • Piso sass auf seinem Bett und summte vor sich hin. Es war ein guter Tag gewesen. Er hatte jetzt keinen Kater mehr, er hatte eine neue Sklavin, er hatte alles, was er brauchte. Das Leben war gut. Und wieso sollte es das nicht sein? Er war ja immerhin ein Sklavenhalter, und kein Sklave. Es war immer wieder so... befriedigend, daran zu denken. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie es war, ein Sklave zu sein. Tja, so war das Leben. Menschen waren ungleich, das war ein Fakt. Aristoteles hatte das gesagt.
    Er blickte herum. 30 Minuten waren jetzt sicher schon vorbei. Wieso kamen sie nicht?
    Ah, da! Ein Klopfen! Piso laechelte und rief: "Herein!", in der Erwartung von der alten Nike.
    Doch hinter der sich oeffnenden Tuere kam Phrima zum Vorschein, zusammen mit seiner neuen Sklavin. Hm, das war ja erstaunlich. Er nickte zu Phrima hin, sie war entlassen.
    Dann stand er auf und ging auf Semiramis zu. Mit einer Handbewegung deutete er auf zwei Stuehle, welche direkt neben ihnen standen. "Setz dich doch.", meinte er und laechelte. "Du hast also Nike abgeschuettelt. Keine schlechte Leistung, das muss ich wirklich sagen."

  • Das Unvermeidliche war geschehen. Sie waren dem Gang entlang gegangen und standen nun vor einer hölzernen Tür.
    Semiramis hörte ein Klopfen. Dann ging die Tür auf. In dem Raum war es hell. Die Syrerin konnte erst nichts erkennen, denn Phrima stand vor ihr. Dann drehte sie sich um und ging. Vorher schob sie aber Semiramis noch in das Zimmer hinein und schloß dann hinter sich die Tür.


    Wie verloren stand die Syrerin da. Es war ihre große Klappe, die sie unterwegs verloren haben mußte. So schien es jedenfalls.
    Er stand auf, kam ihr entgegen und bot ihr einen Stuhl an. Er war sogar richtig nett. Semiramis zweifelte einen Moment lang, daß diese unerwartete Freundlichkeit nicht echt sein konnte. Gleich würde er sein wahres Gesicht zeigen. Dann würde sich der Irre, der Brutale, der Grauenhafte zeigen, so wie es Phrima gesagt hatte. Oder besser gesagt, wie es Semiramis verstanden hatte.
    Die Syrerin setzte sich. "Danke!", meinte sie, leicht eingeschüchtert und blickte ihn dann mit ihren großen dunklen Augen an.

  • Die Kammerdienerin verzog sich, etwas verwundert ueber die Bestuerzung, die sie bei Semiramis ausgeloest hatte. Sie war wohl allergisch gegen schlechte Lyramusik, so wie Nike, das musste der Grund sein.
    Piso war ebenfalls verwundert. Er hatte sich schon auf eine Portion von Schimpfwoertern gewappnet. Seit seinem Gespraech mit Asny wusste er schon, dass Sklaven hie und da auch sehr gemein sein konnten, und Piso hatte die Zeit genuetzt, um sich ein paar defensive Sprueche zusammenzukleistern. Schien aber nicht so, als ob das von Noeten waere. Irgendwie fand er das seltsam. Wie auch die Angst, die er in Semiramis' Augen sehen konnte. Wieso denn das? Graute sie sich noch vor Nike? Die alte Hexe mit ihren billigen Tricks war doch nichts, vor dem man Angst haben musste, ausser man kam aus einem abgeschiedenen Tal, wo noch der Aberglaube regierte.
    Er blickte auf seine neue Sklavin, der Blick, welchen sie ihm aus ihren Augen zuwarf, war befremdlich und voller Unbehagen.
    Auch Piso setzte sich, rueckte seinen Stuhl zurecht und raeusperte sich. "Ich habe noch nicht die Moeglichkeit gehabt, das zu sagen, aber auf jeden Fall: Willkommen in der Villa Flavia. Ich hoffe doch, die Sklaven haben dich soweit gut behandelt?", fragte er. "Wie gefaellt es dir hier soweit?" Er behandelte sie jovial, wollte er sie doch nicht zu seiner Feindin machen.

  • Semiramis sah sich argwöhnisch um. Der Römer wohnte nicht schlecht! Dafür dieSklaven umsoschlechter. Im Grunde war sie vorher noch nie in einem so edlen Zimmer gewesen. Seine Familie musste tatsächlich irgendwie wichtig sein und er wahrscheinlich auch. Aber mal ganz ehrlich, dieser eigebildete Fatzke war auch nur aus Fleisch und Blut auch wenn er aus unerfindlichen Gründen plötzlich fürchterlich nett war. Außerdem fragte sie sich allmählich, ob sie Phrima vielleicht doch falsch verstanden hatte. Das Kauderwelsch der Raeterin konnte ja niemand verstehen. Höchstwahrscheinlich hatte sie etwas da etwas in ihre Worte hineininterpretiert, was völlig daneben war. Natürlich, sie konnte sich doch nicht so geirrt haben!


    Der Flavier hatte sich indessen zu ihr gesetzt und begann Süßholz zu raspeln. Semiramis Augenlied wanderte langsam nach oben. Dieser Widerling! Der wollte sich doch nur über sie lustig machen! Da war er aber bei ihr an der falschen Adresse!
    "Dein blödes Gesülze kannst du dir sonst wohin stecken! Du hast mir doch die alte Hexe auf den Hals gejagt! Also frag nicht so dämlich, ob man mich gut behandelt hat!" Da war sie wieder, die gute alte Semiramis, der man kein X für ein U verkaufen konnte! Ihre Augen funkelten vor Zorn bei seiner nächsten Frage. Semiramis hatte noch nicht allzu viel von der Villa gesehen. Nur dieses erbärmliche Bad, in dem man nicht einmal schwimmen konnte. "Du hat mich angelogen! Du bist ein erbärmlicher Lügner! In dem Bad konnte man gar nicht schwimmen. Man hätte es auch nicht gekonnt, wenn das Wasser nicht so schweinekalt gewesen wäre! Ich will hier nicht bleiben! Nein, will ich nicht!" Wenn er etwas von ihr wollte, dann mußte er sich etwas besseres einfallen lassen.

  • Den Unmut konnte Piso nicht so schnell aus Semiramis vertreiben. im Gegenteil, er wurde mit jedem Wort, welches er sprach, staerker. Dabei wollte er doch nur zuvorkommend sein. Aber es war wohl wirklich so, wie es ihm diese germanin damals gesagt hatte. Sklaven waren nie Freunde der Roemer. Sie taten nur so.
    "Das stimmt, ich habe die alte Hexe genommen, weil sonst niemand herum war. Du bist anscheinend mit ihr fertig geworden. Ist ja auch nicht sonderlich schwer. Eine alte, aberglaeubische Frau mit ein paar schaebigen Tricks, die sich wirklich fuer eine Hexe haelt. Sicher hat sie dir einiges an Mummpitz verzapft, und diese Raeterin auch noch dazu." Er verschraenkte die Arme und seufzte. Da hatte er sich ja was eingehandelt. War dies eigentlich sein Lebenszweck, sich mit aufsaessigen Sklaven herumzuschlagen? Aber eines musste man Semiramis lassen: Sie hatte Mumm. Ob er sich so mit einem Herrn quergestellt haette, waere er Sklave gewesen?
    "Immer mit der Ruhe.", meinte er und laechelte. "Natuerlich kann man im Bad schwimmen. Auch im kalten Wasser, wenn man keine Memme ist. Hie und da ist die Heizung einfach abgedreht. Probier es noch einmal am Abend aus, dann werde ich dir noch mehr Zeit fuers Baden geben. Geht das in Ordnung, hm?" Am ersten Tag konnte man schon ein paar Konzessionen machen. Spaeter konnte man die Sklaven ja noch immer haerter anpacken. Er musste noch viel mehr grinsen wie vorher. "Eines muss ich dir lassen. Am ersten Tag... und schon so forsch, Maedel, das ist einsame Spitze. Ich denke, du hast Unrecht. Du wirst in die Villa Flavia passen wie die Faust aufs Auge. Du hast sie ja noch ueberhaupt nicht gesehen. Ich koennte dich ja einmal herumfuehren. Vielleicht aenderst du ja deine Meinung?", schlug er vor.
    "Apropos! Eines, was ich fragen wollte.", fuegte er schnell hinzu. "Kannst du lesen und schreiben?"

  • Wenn das nicht dreist war! Er gab es auch noch zu, die alte Hexe auf sie angesetzt zu haben. Mit seiner Raffinesse hätte er gut zu der Gauklertruppe gepasst, mit der Semiramis und der alte Aziz herumgezogen war. "Natürlich bin ich mit ihr fertig geworden. Aber dieses alte Waschweib hat mich mit einem Fluch beladen. Sie hat mir versprochen, ihn wieder zurückzunehmen. Aber was, wenn sie es nur gesagt hat und es dann doch nicht macht, he? Dann hast du schuld, wenn mir etwas Schlimmes geschieht!" So! Ein wenig schlechtes Gewissen konnte nicht schaden! Was aber Semiramis am meisten störte, war dieses dämliche grinsen in seinem Gesicht, das er zu jeder Gelegenheit zur Schau trug. Semiramis Faust juckte, sie wollte in das Gesicht des Römers. Aber Semiramis´ Faust durfte nicht. Es war wirklich ein Jammer!
    Schließlich schoß der Römer den Vogel ab, indem er steif und fest behauptete, man könne im Sklavenbad schwimmen. Und dann nannte er sie auch noch indirekt eine Memme! "Eine Memme? Du nennst mich eine Memme? Das glaub ich jetzt nicht! Hör zu, ich bin keine Memme! Klar?! Ja ja, am Abend baden gehen. Mit dir wahrscheinlich, du Lustmolch!" Semiramis hatte schon oft diese Geschichten gehört. Dieser Knilch! Er glaubte wohl, nur weil er einen Haufen Geld für sie hingeblättert hatte, konnte er sich nun alles erlauben. Schon wieder grinste er! Ahhh, das war ja nicht zum aushalten!
    "Hör zu, ich habe schon genug von diesem Laden gesehen. Mir reichts! Aber bitte, du kannst mich ja gerne noch vom Gegenteil überzeugen." Das schaffte er nie! Semiramis Meinung war bereits vorgefaßt und man konnte sie nur schwer davon abbringen.
    "Du fragst mich ob ich lesen und schreiben kann? Na, hör mal, was denkst du denn? Ich bin Geschichtenerzählerin. Der alte Aziz hat es mir beigebracht, als ich noch kein war. Du fragst vielleicht blöde!"

  • Er lachte. "Na siehst du? Und, war es schwer, sie loszuwerden?", fragte er und zwinkerte ihr zu. "Ich kann dir versichern, dass der Fluch Mummpitz ist. Ich versichere es dir persoenlich.", schmunzelte er. Diese Sklavin war aber auch mit einem ordentlichen Schuss Aberglauben ausgetattet. Wenn er aber selber gesehen haette, was Semiramis gesehen hatte, waere er auch ein bisschen vorsichtiger gewesen mit solchen Garantien. So aber trug Semiramis' Anschuldigung erheblich zu seinem Amusement - eines seiner Lieblingsworte, weil es so viel aesthetischer als zum Beispiel "Heiterkeit" klang - bei.
    Wenn Semiramis ihn schon bei seinem Grinsen - jenes Grinsen, welches so klar Aufgeblasenheit und Besserwisserei widerspiegelte - schlagen wollte, dann hatte sie wohl noch nicht sein albernes, irgendwie maedchenhaftes Kichern gehoert. Wie dem auch sei, sie wuerde frueh genug in den zweifelhaften Genuss kommen.
    "Ich kann Memme nennen, wen ich will.", blockte er ab. "Aber weil ich unsere Beziehung..." Wieder dieses breite, unmoegliche Grinsen! "...nicht so beginnen lassen will, nehme ich dies natuerlich zurueck und biete dir meine Entschuldigung an. Ich weiss ja nicht, wie ihr es in Syrien haltet, aber wir Roemer baden getrennt. Obwohl dein Vorschlag ganz reizend ist.", laechelte er.
    "Ah, gut, dass zu hoeren.", meinte er auf Semiramis' Antwort bezueglich ihrer Schreibkenntnisse hin, ganz sicher, einen guten Kauf gemacht zu haben.
    "Und ja, gut, dann... weisst du was?" Er beugte sich vornueber, griff auf ein bisher unbemerkten kleinen Regal und holte die Karaffe, die dort stand, sowie zwei Becher herunter. Er goss aus der Karaffe eine Fluessigkeit in den einen Becher, man konnte deutlich sehen, dass es Rotwein war. "Wein?", fragte Piso die Syrerin.

  • Sie seufzte. "Na ja, es ging so. Aber was, wenn doch was an ihrem Fluch war? Die Alte hat übersinnliche Kräfte! Bei den Göttern, ich schwöre es!", bestätigte sie ihm eindringlich. Doch da war schon wieder dieses dämliche Grinsen. Hoffentlich bekam er nicht irgendwann eine Gesichtslähmung. Das wäre dann kaum auszuhalten gewesen. Ohnehin hätte sie es nicht lange aushalten müssen, denn sie wollte ja sobald als möglich türmen. Dann würde dem Affen sein blödes Grinsen schon vergehen. Der alte Aziz würde stolz auf sie sein!
    "Was für eine Beziehung? Ich hab keine Beziehung mit dir. Das kannst du dir gleich abschminken! Und natürlich baden wir in Syrien. Auch getrennt. Glaube ich." Sie hatte nie das Vergnügen gehabt, eine der öffentlichen Badeanstalten aufzusuchen. Aber das mußte sie ihm ja nicht gleich auf die Nase zu binden. Überhaupt, Semiramis kochte langsam vor Wut und sie wußte nicht, wohin damit. Sie sah sich noch einmal um, ob es nicht doch noch einen Schlupfwinkel für sie gab. Das war allerdings aussichtslos, wenn sie nicht gerade aus dem Fenster springen wollte. Wieder seufzte sie und auch seine Freude über ihre Fähigkeiten, ließ nichts Gutes vermuten.
    "Nein, ich weiß nicht was!", antwortete sie gereizt. Daran änderte sich auch nichts, als er, wie aus dem Nichts Wein herzauberte. "Wenn du nichts anderes hast!", gab sie patzig zurück. Wenn er glaubte, er könne sie jetzt mit Wein gefügig machen, dann sollte er noch sein blaues Wunder erleben!

  • Er schraubte sein Grinsen hinunter. Seine Lippen nahmen wieder normale Dimensionen an, doch seine Augen strahlten noch immer Heiterkeit aus. Da hatte er sich einen wirklich lustigen Knopf zugelegt. Er dachte sich noch, er wuerde sicher noch viel Freude an der Sklavin haben. Wie das zu interpretieren war, das wuerde Piso vermutlich nicht einmal selber richtig zu beantworten wissen.
    "Dann weisst du ja... glaube ich...", er wiederholte ihre Formulierung, "wie das funktioniert. Ich werde dich ungestoert lassen. Und zu den Thermen werde ich dich sicher auch einmal nehmen. Und wer redet von so einer Beziehung? Dafuer ist es noch ein bisschen zu frueh. Aber gute Ideen hast du." Er verkniff sich ein Grinsen, wusste er doch, dass dies ein Gesundheitsrisiko darstellen koennte - welches sich durch eine wohl gezielte syrische Ohrfeige manifestieren koennte.
    "Schoenes Zimmer, oder?", meinte Piso freundlich, als Semiramis sich umsah. "Habe ich selber eingerichtet." Aus altem Krempel in der Dachkammer, die sonst kein Flavier mehr brauchte, doch dies wollte er ihr nicht unter die Nase reiben.
    Er freute sich wirklich ausgesprochen ueber ihre Faehigkeiten. Da ist Potential. Vielleicht wuerde er sie einmal zu seinem Vilicius... beziehungsweise seiner Vilicia ernennen. Die Gruetze dafuer schien sie zu haben.
    Sie schien zwar noch immer veraergert zu sein, aber immerhin akzeptierte sie das Angebot von Piso. Er fuellte den zweiten Becher und laechelte leicht in sich hinein.
    "Hier.", meinte er, haendigte ihr den zweiten Becher aus und hob seinen in die Hoehe. "Auf die Gens Flavia.", rief er aus.

  • Der Römer sprach in Rätseln oder Semiramis stand gerade auf dem Schlauch, eine Option, die gelegentlich auch zutraf. "Hä?! Wie was funktioniert? Das verfluchen oder das baden, oder beides?" Aber die Syrerin verstand noch einiges nicht, von dem was der Flavier ihr erzählte. Er machte sich doch tatsächlich Hoffnungen, sie könnte nun auf immer und ewig bei ihm bleiben. Na, das würde der noch früh genug mitbekommen, dass das reines Wunschdenken war.
    "Hör mal zu, dafür wir es immer zu spät sein, Klar?! Wenn du mich auch nur anrührst, dann knallt´s! Also, laß deine blöden Finger bei dir." Sie hoffte für ihn, ihre Warnung richtig verstanden zu haben. Denn eines hatte ihr der alte Aziz auch beigebracht – er hatte ihr gezeigt, wo es den Kerlen am meisten weh tat!
    Es war wirklich ein Jammer! Auf den ersten Blick gab es nichts, was ihr erlaubt hätte, sich zu verdünnisieren. Da kam seine Bemerkung über sein Zimmer.
    "Ja, das sieht man!" Eigentlich war Semiramis noch niemals bei so betuchten Leuten im Haus gewesen, aber das Zimmer hatte mehr Ähnlichkeit mit Baruchs altem Trödelladen in Aziz´ Nachbarschaft. Sie ließ ihn spüren, dass sie ihn nicht mochte. Schließlich hatte er sich ja auch strikt geweigert, in ihr Geschäft einzuwilligen, was ihn gleich noch viel unsympathischer gemacht hatte.
    Semiramis nahm mit gespielter Langeweile den Becher.
    "Auf wen? Achso, ja, na dann!" Sie nippte vorsichtig daran. "Äääh, was ist das denn? Igit, das schmeckt ja scheußlich!" Um ehrlich zu sein, war Semiramis keine Weinkennerin. Sie hatte bisher nur ein einziges Mal Wein getrunken. Einen süßen Tropfen vom Golan, oder besser gesagt, der billige Fusel, den Aziz immer getrunken hatte.

  • "Das Baden funktioniert. Ganz im Gegensatz zur Hexerei.", lehrmeisterte Piso ganz im Geiste der Aufklaerung. "Nike macht immer einen gewaltigen Eindruck beim ersten Mal. Du wirst lange genug bei uns bleiben, um sie zu durchschauen.", meinte er freundlich.
    Er hoerte ihren Drohungen wieder zu. Jetzt habe ich aber Angst, dachte er sich, doch er wollte den zivilisierten Anschein aufrecht erhalten. "Ich tue gaaar nichts." Er betonte das "gar" und liess demonstrativ die linke Hand hinter seinem Stuhl verschwinden, waehrend er in der rechten den Becher hielt.
    Stolz betrachtete auch er sein Zimmer. Liebevoll verharrte sein Blick auf dem Regal, auf einem kleinen grauenvollen Porzellanelefanten von einer verwaschenen Beigefarbe, welche er einmal zum Sonderpreis gekauft hatte - ein Schnaeppchen, dachte er, als er zurueckdenken musste, ohne zu realisieren, dass der niedrige Preis sehr gerechtfertigt war, wahrscheinlich noch immer zu hoch.
    Sie akzeptierte seinen Trunkspruch ohne Widerstand, doch er Wein schien nicht zu munden. Piso raeusperte sich. "Das hier ist erlesener Caecuber aus Sardinien. Uebertroffen wird dieser Tropfen nur noch vom weltberuehmten Falerner aus Kampanien!", den sich ohnehin keine Sau leisten konnte, am allerwenigsten Piso. Er roch kurz am Becher. Hmm, wie gut das war. Er kippte eine ordentliche Portion vom Wein hinunter und blickte dann wieder Semiramis an. "Was hast du denn gegen mich? Konstruktive Kritik ist immer gern gesehen. Konstruktive." Wie er "konstruktiv" interpretierte, enthuellte er nicht.

  • "Ahso! Na, hoff ich doch mal, wenn das Wasser nicht wieder so saukalt ist!", meinte sie nur ganz trocken. Ob du dich da mal nicht geschnitten hast, dachte sie, als er sagte, sie würde lange genug in der Villa bleiben. Natürlich verriet sie ihm nicht, was sie vorhatte, Sie war ja nicht blöd! Schade nur, daß sie sein dummes Gesicht nicht mehr sehen konnte, wenn sie erst einmal weg war. Aber man konnte eben nicht alles haben!
    Seine Beteuerung, ihr kein Haar krümmen zu wollen, klang nicht besonders überzeugend und warum ließ er auf einmal seine linke Hand nach hinten gleiten? "Na klar und es schneit bei euch im Sommer!" Für wie blöd hielt er sie eigentlich?Semiramis schüttelte nur noch den Kopf. Wo war sie hier nur gelandet? Ein Haus in dem es Hexen und Spinner gab, ach ja und den widerlichen häßlichen Kerl, den der Spinner dabei hatte, nicht zu vergessen.
    Wie er nur den Ramsch, den er hier überall herum stehen hatte, beäugte. "He, ich kenn einen, der kauft dir das ganze Zeug bestimmt ab. Baruch, der Trödelhändler. Der steht auf römischen Kram, den keiner mehr will. Ich schwör´s! Der hat einen ganzen Laden davon! Du müßtest mich nur gehen lassen!" Wobei sie wieder beim Thema war.
    Semiramis rührte den Wein nicht noch einmal an. Der war ihr viel zu sauer. Auch nicht als er ihn als einen erlesenen Wein bezeichnete. "Na und, davon wird er auch nicht besser!"Ja, trink du mal alleine deinen Fusel. Wenn du erst mal besoffen bist, mach ich die Mücke, dachte die Syrerin bei sich. Dummerweise hatte der Wein eine ganz andere Wirkung bei dem Flavier. Statt besoffen und müde zu werden, wurde er noch redseliger und schmiß mit verdammten Fremdwörtern um sich. "Hä? Was? Ich geb dir gleich konstrudings! Was ich gegen dich habe? Na hör mal! Du schleppst mich halb gefesselt durch die Stadt und behauptest allen Ernstes, ich sei deine Sklavin. Außerdem hast du mich eine Memme genannt und dann grinst du mich ständig so blöde an. Ach ja, und du willst mich nicht wieder nach Hause gehen lassen. Mhh, hab ich noch was vergessen? Nein ich glaube, das war´s!" So das mußte doch als Erklärung genügen.

  • "Ich werde persoenlich dafuer sorgen.", meinte Piso. War es doch schoen, wenn man es in der Hand hatte, ob das Wasser warm oder kalt war. Das konnte man doch prima als Druckmittel einsetzen, dachte er sich. Er musste Aristides von dieser genialen Idee erzaehlen.
    Er konnte sich sogar vorstellen, was in ihrem Kopf vorging. Sie hatte ihm ihre Intentionen ja schon klar gemacht. Sehr, sehr schlechter Schachzug, meine Liebe, dachte er sich. Auf Neue pflegte man besonders gut zu schauen. Insbesondere, wenn es solche waren, die sich damit bruesteten, wie superschnell und ratzfatz ihr Verschwinden ueber die Buehne gehen wuerde.
    "Ja, in den Apeninnen.", meinte er kurz angebunden auf ihre Ansage mit dem Schnee. "Oft ganz ordentlich. Hast du schon einmal Schnee gesehen? Wirst du noch.", meinte er und lehnte sich zurueck, seine linke Hand wieder auf seinen Schoss gleiten lassend.
    "Dein Baruch scheint ein vermoegender Kerl zu sein." Wieder ein Schluck vom Wein. "Es stehen wertvolle Stuecke hier in meinem Zimmer. Nimm doch einmal die Lyra hier. Brandneu." Er zeigte auf sie. "Habe ich dir schon erzaehlt, dass ich... entschuldige meine fehlende Bescheidenheit, doch ich spreche die Wahrheit... ein ziemlich guter und auch bedeutender Lyraspieler bin? Dementsprechend exquisit ist meine Lyra.", meinte er mit hoch erhobenen Kopf.
    Auf ihren Kommentar zum Wein hin zuckte Piso mit den Schultern. "Rotwein ist nicht jedermanns Sache." Er leerte seinen Becher und stellte ihn ab. Bloederweise, fuer Semiramis, war Piso schon realtiv erfahren in punkto Wein, so schnell wuerde er nicht von nur einem Becher betrunken.
    Er hoerte sich ihre Punkte an und meinte nachher salbungsvoll: "Danke. Das war durchaus lehrreich. Nur muss ich dir sagen, dass ich dich am Markt von deinen Fesseln befreit habe, obwohl es wenig Gruende gibt, wieso ich es machen haette sollen. Dass du meine Sklavin bist, das stimmt, wieso sollte ich es abstreiten? Ich habe mich fuer die Memme entschuldigt. Das Laecheln ist ein Zeichen von Freundschaft und Abwesenheit von Agression. Das mit dem nicht nach Hause gehen lassen hat mit der Sklaverei zu tun." Seine Litanei beendete er mit einem irgendwie gekuenstelt wirkenden Zuschlagen seiner Lider.
    "Du wolltest die Villa anschauen. Sollen wir gehen? Weder der Wein noch mein Zimmer scheinen dir zu gefallen."

  • "Na dann!", murmelte sie kaum hörbar und verrollte die Augen dabei. Wenn das Wasser eben kalt blieb, gab es auch keinen triftigen Grund, sich der Körperpflege hinzugeben. Ab einem bestimmten Grad konnte übler Körpergeruch sehr unangenehm sein und Semiramis war da sehr hart im nehmen.
    Dieser Angeber! Der hatte doch wirklich für jede dumme Frage eine Antwort. Das trug nur bedingt dazu bei, daß Semiramis ihn jemals etwas wie Sympathie entgegenbringen konnte. "Apenwas? Das ist ein Gebirge, nicht?! Pah, Kunststück! Auf dem Hermon liegt auch im Sommer Schnee. Und na logisch hab ich schon mal Schnee gesehen. Ab und zu mal im Winter. Dann sind alle ganz hysterisch und trauen sich nicht mehr auf die Straße, weil sie Angst haben, sie würden sich dann auf die Kinnleiste legen.", meinte Semiramis kichernd. Die weiße Pracht hielt meist nicht lange, höchstens einige Tage und dann war der Spuk wieder vorbei. "Ach da fällt mir noch ein Grund ein, weswegen ich dich nicht mag: Du bist ein verdammter Klugscheißer!" fügtesie noch trocken hinzu.
    "Baruch ist ein Halsabschneider! Der läßt von seinen Leuten alten Tand im Müll sammeln, richtet in wieder her und verkauft das Zeug dann für viel Geld!" Semiramis warf einen Blick auf die Lyra, die angeblich neu sein sollte. Mit Musikinstrumenten kannte sie sich zufällig ein wenig aus, auch wenn sie nicht des Lyraspielens mächtig war. Doch so konnte sie sehr gut erkennen, daß die Lyra schon einiges auf dem Buckel haben mußte. Neu war sie jedenfalls nicht. "Wenn die neu ist, fresseich einen Besen! Oder du mußt sie schon ganz schön viel gequält haben, wenn die neu sein soll. Wasauch noch sein kann, der, bei dem du sie gekauft hast, hat dich übers Ohr gehauen!" Beides war möglich, denn sie nahm ihm das nicht ab, daß ausgerechnet einer wie er ein begnadeter Musiker sein sollte. "Na klar mindestens so gut wie der Kerl der eure Stadt beinahe ganz abgefackelt hätte. Wie heißt der noch mal, ach scheiß drauf! Ist ja auch egal!"
    Dummerweise zeigte der Wein noch nicht die gewünschte Wirkung. Einfach noch ein Weilchen abwarten, meint Semiramis zu sich selbst. Sie hatte ja Zeit und musste nicht das nächste Schiff nach Syrien erreichen. Um überhaupt ein Schiff zu besteigen, brauchte sie zunächst einmal Geld und das mußte erst mal verdient werden. Außerdem tickten die Uhren im Orient sowieso etwas anders, als im Westen. Das war einfach so und das würde sich so schnell auch nicht ändern.
    "Na siehst du! Jetzt klugscheißerst du schon wieder! Und ich hab dir gesagt, das mit der Sklavin ist ein Irrtum. Das war nur blödes Zeug. Wirklich! Das mußt du mir glauben. Und außerdem machst du mir einen stinkreichen Eindruck. Dir machen die paar Kröten doch gar nichts aus, die du dem Scheißkerl von Händler für mich gegeben hast. Also laß mich einfach gehen, ich besorg mir eine Schiffsfahrkarte nach Sidon oder Tyros, du bist mich los und mußt dich nicht mehr über mich ärgern und die Sache ist für mich geritzt."
    Warum hatte sie nur das dumpfe Gefühl, daß er auf ihren genialen Vorschlag nicht eingehen würde? Es war zum Haare raufen!
    "Na schön, wenn´s dich irgendwie glücklich macht, dann zeig mir halt die Villa. Du willst ja doch nur angeben! Stimmt’s?!" Mal ganz ehrlich, herum laufen war doch besser, als hier sitzen zu müssen.

  • Immerhin schien sie zu glauben, dass er es ernst meinte, auch wenn das Verdrehen ihrer Augen alles andere als zukunftsweisend in eine friedliche Koexistenz war.
    Piso hoerte den Erzaehlungen seiner Sklavin zu, und auch er musste kichern. Nun, immerhin war ihr das Kichern nicht vergangen, obwohl - genausogut konnte das ein Zeichen von Hysterie sein. Oder davon, dass der Wein seine Wirkung zu zeigen beging. Irgendwie kam ihm die Schneesituation bekannt vor - so etwas geschah haeufig in Rom. Aber auch auf den britischen Inseln hatte er dies gesehen, in einem Dorf namens Castra Didii [Cardiff :D].
    Doch der gemeinsame Heiterkeitsausbruch wurde jaeh unterbrochen, als sie ihm absolut unbegruendete und haltlose Vorwuerfe an den Kopf schmiss. "Ich? Ein Klugscheisser? Niiiiiiemals!" Ganz und gar deplorabel, wie Sklaven heutzutage ihre Herren behandelten. "Ich bin einfach ein gescheiter Mann. Waerst du lieber an einen Bloedmann geraten, oder was?", fragte er Semiramis.
    "Natuerlich ist die neu... ganz sicher.", meinte Piso und linste zu seiner Lyra. Hm, er hatte durchaus Verdachtsmomente gehabt, dass sie schon ihre besten Zeiten hinter sich gehabt hatte... wieso haette er sonst so einen guensteigen Preis heraushandeln koennen? Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war sie echt gut, solche Sachen festzustellen... er sollte sie auf Einkaeufe schicken. Die laesst sich nicht so leicht etwas vormachen.
    "Du musst Kaiser Nero meinen. Der hat natuerlich nicht die Stadt abgebrannt. Das waren diese verruchten Christen!", meinte er und ballte die linke Hand zur Faust. "Wenn wir die erwischen, grrr...", grummelte er und lockerte die linke Hand wieder.
    "Ich lugscheissere nicht, wie du es so eloquent ausdrueckst, ich biete dir nur wasserdichte Fakten. Wieviel Geld ich habe, geht dich nichts an." Er hatte zu jener Zeit noch keine Arbeit, nur die Eintraege aus seinem Grundstueck in Norditalien. Also war es um seine Boerse uebel bestellt.
    "Nein, ich lasse dich nicht gehen. Ich denke, du warst dein Geld absolut wert, das lasse ich mir nicht nehmen." Er schuettelte den Kopf. "Ich aergere mich nicht, ich bin hochgradigst amuesiert. Aber weisst du was? Gehen wir!" Er packte sie... vielleicht etwas unverfrorenerweise... an der Hand und zog sie mit sich in den Hortus.

  • Semiramis Kichern verging ihr gleich wieder, nämlich in dem Augenblick, als auch er zu kichern begann. Abrupt verzog sie das Gesicht, so als wäre ihr etwas auf den Magen geschlagen und sie sich gleich deswegen übergeben mußte. Tatsächlich fühlte sie einen Brechreiz, was allerdings mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht von ihrem Weinkonsum herrührte, der sich doch auf ein Minimum beschränkt hatte. Die sich ausbreitende Blässe in ihrem Gesicht war bedenklich und alles was sie ihm in diesem Moment antworten konnte war: "Ich glaub, mir ist schlecht." Gern hätte sie ihm noch mitgeteilt, dass sie kaum einen Unterschied sah, zwischen ihm und dem Besagten Blödmann. Das wäre aber wahrscheinlich ein zu starker Tobak gewesen. Deshalb ließ sie es. Eigentlich wollte sie nur noch hinaus. Raus aus dem Zimmer, Raus aus dem Gebäude und am liebsten auch runter von dem flavischen Anwesen. Aber diesen Gefallen würde er ihr sicherlich nicht tun, was er ihr schließlich klipp und klar ins Gesicht sagte.
    "Ähm… könnten wir nicht endlich… ich glaub ich muß…." Zu der Blässe in ihrem Gesicht hatte begonnen, sich ein dezentes Grün dazuzugesellen, was dem Flavier aber entweder entgangen war oder schnurzpiepegal war. Er griff nach ihrem Arm und zog sie hinaus. Sie konnte ihm kaum folgen, diesem Irren. Wenn ihr nicht so verdammt schlecht gewesen wäre, hätte sie aufs schärfste protestiert. So ließ sie sich mitreißen.

  • Ich war noch jung und unerfahren, was das Erraten von Gefühlslagen betraf, daher ging ich völlig unvorbereitet ins Zimmer. "Ich grüß dich Piso und störe hoffentlich nicht?" Meine Hände rangen zueinander verformt danach den richtigen Anfang zu finden. "Wollt nur mal hören ob du was im Palast erreicht hast." Unbewußt kratzte ich mich an der Stirn und blickte Piso dabei an.

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