[Theatrum Marcelli] Ein Theaterabend zu viert

  • Ein wenig hatte es gedauert, bis alle Vorbereitungen, alle Absprachen getroffen waren, aber nun war es so weit: Nigrina befand sich, in Begleitung ihres Bruders, auf dem Weg zum Theatrum Marcelli, wo sie beide gemeinsam mit Aurelia Prisca und einem weiteren Aurelier sich das Theaterstück ansehen würden, das derzeit gespielt wurde – Die Vögel von Aristophanes, eine Komödie, ganz wie Prisca gesagt hatte. Selbstverständlich waren die beiden Flavier in der obligatorischen Sänfte mit den flavischen Insignien unterwegs, begleitet von einigen zusätzlichen Sklaven, ohne die Nigrina ohnehin kaum vor die Tür ging, weil man ja nie so recht wusste, wann man Träger oder Laufburschen brauchte.


    Beim Theater angekommen, kümmerten sich die flavischen Sklaven darum, dass die Geschwister zu der Loge gebracht wurden, die Nigrina für diesen Abend hatte reservieren lassen. Und die Flavia war recht deutlich gewesen, was sie erwartete, auch wenn das für patrizische Ansprüche letztlich nichts besonderes war. Eine Loge für vier, die dennoch ein wenig Raum bot, immerhin konnte sie über Pisos und Priscas Verhältnis zueinander nur dann mehr herausfinden, wenn die zwei wenigstens den Eindruck von oberflächlicher Zweisamkeit gewinnen konnten, und wer wusste schon, vielleicht war ihr Begleiter ja so interessant, dass auch sie einer gewissen Zweisamkeit nicht abgeneigt war. Darüber hinaus waren Getränke und eine Zusammenstellung verschiedener kleinerer Häppchen bereit gestellt worden, so dass es den vier Patriziern an nichts mangeln würde während des Theaterstücks.


    Sim-Off:

    Reserviert

  • Piso saß in seiner Sänfte, die Finger in die in den kunstvoll dort hingelegten Kissen hineingekrallt, wieder loslassend, wieder hineinpackend. Stressgriffe. Er versuchte, nicht allzu sehr zu schwitzen, doch wie konnte man solcherlei körperliche Funktionen steuern? Er versuchte sein bestes, Nigrina so wenig wie möglich anzuschauen, damit sie nicht die Panik in seinen Augen sehen konnte. Sein herz war ihm klamm, es war, als ob jemand durch seinen Anus eine gigantische Hand eingeführt hätte und nun sein Herz umklammert hielt – angeblich war dies in Parthien eine beliebte Methode, um Leute auf so schmerzhafte Weise wie möglich umzubringen. Aber konnte man dem vertrauen? In Rom erzählte man sich ja allerlei Schaudergeschichten über diesen Erzfeind, um ihn in Disreputation zu bringen.
    Piso dachte also über Parthien nach. Hauptsache nicht über Prisca, denn das würde gar nichts bringen. Parthien, die weite Wüste, und die Kamele. Die Elefanten. Die Edelsteine, die edle Kleidung, die... ach, verdammt. Der parthische Händler, bei dem Piso mit Prisca seine Ringe und ihre Kleider gekauft hatte. Es war zum Mäuse melken.
    Er ging also, als sie angekommen waren, eher roboterhaft (wenn es sowas zu dieser Zeit schon gegeben hätte) zu der Loge hin, die Nigrina dankenswerterweise reserviert hatte. Eine Loge für 4. Er setzte sich sicherheitshalber gleich neben Nigrina hin und stupste sie vorsichtig an. “Sag mal... wann kommen die beiden denn? Das ist doch das richtige Theaterstück, oder“ Vorsichtig trank er ein bisschen vom servierten Wein – unverdünnt. Er brauchte einen Nervenberuhiger.

  • Wie lange hatte sie auf diesen Abend gewartet … und gehofft, dass es endlich so weit wäre. Und heute sollte es soweit sein! Endlich würde sie Piso wiedersehen (nach einer gefühlten Ewigkeit) seit er sie, mit einem einzigen Kuss, regelrecht verzaubert hatte. Mit oder ohne den Segen ihres Onkels, das war Prisca - an diesem Abend zumindest - völlig egal. Wozu hatte sie ihren Cousin als "Aufpasser" dabei, der jederzeit bezeugen könnte (und hoffentlich würde), dass dieser Theaterbesuch völlig harmlos verlaufen wäre, egal - was auch passieren würde.


    Doch was sollte schon großartig passieren? In einem Theater, mit Hunderten von Zuschauern. In einer Loge, ...noch dazu zu viert. Hauptsache, ich sehe ihn wieder und kann ein wenig ungestört mit ihm sein! Das genügte Prisca vollauf und dem Anlass entsprechend trug sie extra das gelb-schwarze Kleid, mit dem gewagten Ausschnitt, nur für ihn. in der Hoffnung, dass es ihm sofort auf- und (vor allem) gefallen würde. Nicht umsonst hatte die Aurelia heute den ganzen Tag dazu benötigt, bis sie endlich mit der Frisur, dem Sitz des Kleides und der Wahl des Schmuckes zufrieden gewesen war. Schließlich wollte sie heute nicht nur gut - oder sehr gut, sondern perfekt aussehen,… nur für ihn! Im übrigen sehr zum Leidwesen der Sklavinnen, die sich dementsprechend in besonderer Geduld üben mussten, um die Launen der Aurelia zu ertragen (doch das sei nur am Rande erwähnt).


    Spätestens am Abend war Priscas Laune dann wieder auf einem Hoch und so fanden auch die beiden Aurelier - trotz einer leichten Vespätung - schließlich doch noch den Weg ins Theater, wo sie sogleich zu der reservierten Loge geführt wurden. Was wird eigentlich gespielt? Den Titel des Stückes hatte Prisca glatt vergessen, da sie augenblicklich nur eins (bzw. den einen) im Kopf hatte. Irgendwas mit Tieren … , überlegte sie hin und her. Egal! Es wollte ihr gerade nicht einfallen und ihren Cousin konnte sie auch nicht um Rat fragen. Am Ende hätte sie noch etwas von ihrer inneren Aufregung verraten, wo sie sich doch solche Mühe gab, nach außen hin unnahbar und anmutig wie immer zu wirken.


    Ob ihr dies auf Dauer gelänge? Nun, das würde sich spätestens jetzt zeigen. … Da ist er!, sog Prisca leise seufzend die Luft ein und ihr Herz schlug augenblicklich höher, als sie und Sextus die Loge betraten: "Salvete! … Schön euch beide wieder zu sehen! Wie geht es euch?", schenkte sie den beiden Flaviern ein herzliches Lächeln und insbesondere Piso bedachte sie mit einem besonders langen und innigen Blick. Doch halt! Da war ja noch was - pardon - "Ehm, darf ich euch mit meinem Cousin, Sextus Aurelius Lupus bekannt machen, oder kennt ihr euch bereits" Mit einem Biss auf die Unterlippe und einem flüchtigen Seitenblick zu Sextus, stellte Prisca schließlich auch den Cousin offiziell vor, in der Hoffnung, die Flavia und er würden möglichst schnell miteinander ins Gespräch kommen. Dann könnte sie endlich ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem Liebsten schenken, nach dem sie sich innerlich völlig verzehrte....

  • Man konnte meinen, Frauen müssten sich jeden tag aufs Neue daran erinnern, wie man sich anzog. Auch wenn Sextus durchaus einen fulminanten Auftritt zu schätzen wurde und selbst nicht uneitel war, was Frauen da in ihren Zimmern fabrizierten war ihm ein Rätsel. Er hatte für seine durchaus feine Garderobe inklusive Frisur und sauberem Zurückstutzen seines Dreitagebartes nicht einmal eine Stunde gebraucht. Prisca hatte in dieser Zeit offenbar noch nicht einmal angefangen. Und so hatte er eine wahrhaft endlose Zeitspanne auf seine Begleiterin gewartet, ehe diese schließlich mit ihrem Spiegelbild soweit zufrieden war, dass sie sich unter Leute traute. Und nachdem er sie mit Komplimenten überschüttet hatte, konnten sie auch endlich losgehen. Auf dem Weg zum Theater hatte er ihr noch einmal schauspielerisch wertvoll zu verstehen gegeben, was für ein armer Tropf er doch war, sie in diesem bezaubernden Zustand einem anderen Mann an die Seite zu geben. Doch schien sie heute nicht ganz so empfänglich für seine Schmeicheleien zu sein.
    Sextus ließ es sich zwar nicht nehmen, sie noch ein wenig zu necken, aber er merkte schon, dass ihre Gedanken woanders waren. Innerlich konnte er nur den Kopf schütteln und den Göttern danken, dass sie ihn vor so peinlichen Gemütszuständen bewahrten. Liebe war etwas für Idioten und Träumer. Wer Macht hatte, brauchte keine. Seine Prioritäten waren ganz klar, und irgendein säuselndes Gefühl gehörte da nicht dazu.


    Als sie schließlich ankamen, half er seiner Cousine aus der Sänfte und begab sich mit ihr zu der gebuchten Loge. Dort warteten bereits die beiden Flavier, auf sie und Prisca begrüßte sie sehr vertraut. So vertraut, dass sie ihn dabei sogar ganz vergessen zu haben schien und seine Vorstellung erst später nachschob, ohne allerdings die beiden anderen vorzustellen.
    Sextus taxierte kurz Piso und kam nicht umhin, sich zu fragen, was Prisca an ihm fand. Sein Urteil stand nach 0,1 Sekunden fest und war von 'kerliger Kerl' weit entfernt. Dennoch nickte er einmal freundlich zur Begrüßung. “Flavius Piso. Nein, wir kennen uns nicht, aber ich habe schon einiges von dir gehört.“ Vor allem wenig schmeichelhaftes durch Corvinus. Sextus blickte kurz zu Prisca hinüber und schenkte ihr ein warmes Lächeln. Nunja, ein Lächeln, das warm aussah.
    Erst dann wandte er sich der Frau zu, die wohl als seine inoffizielle Begleitung dienen sollte. Oh ja, da fiel schmeicheln nicht schwer. “Und wer ist dieses wundervolle Wesen, dessen Name mir sträflich vorenthalten wurde?“ Ohne zu fragen oder auf die Reaktionen der anderen zu achten griff er nach Nigrinas Hand und führte sie zu seinen Lippen, nur um einen Kuss auf ihre Fingerspitzen zu hauchen, ohne sie wirklich zu berühren. Ihre Haut war mit irgendeinem Duftwasser eingerieben. Das wird ein Spaß.

  • Piso war nervös. Und Nigrina fand es ja fast ein wenig süß. Wie er immer wieder das Kissen packte, als ob er etwas zum Festhalten brauchte. Oder wie er ihrem Blick auswich. Oder einem möglichen Gespräch. Sie unterdrückte ein Grinsen und bemühte sich, normal dreinzuschauen, wann immer er sie doch ansah, aber sie wusste jetzt schon, dass dieser Abend amüsant werden würde – vorausgesetzt, der Begleiter, den Prisca für sie mitgebracht hatte, entpuppte sich nicht als völliger Idiot. Und selbst dann würde sie wohl zu ihrem Spaß kommen, irgendwie, und wenn sie sich damit begnügte, Piso und Prisca zuzusehen und den Trottel zu ignorieren. So er denn ein Trottel war, das musste sich erst noch herausstellen. Gemeinsam gingen ihr Bruder und sie zu der Loge und setzten sich, und diesmal musste Nigrina tatsächlich schmunzeln. „Keine Sorge, Bruderherz. Der richtige Tag, das richtige Theater. Sie wird kommen.“ Wenn nicht, bekam Prisca Ärger, so viel stand fest – und nicht etwa, weil sie damit Piso, sondern weil sie Nigrina versetzen würde. Und Nigrina ließ sich nicht versetzen. Aber sie ging auch nicht davon aus, dass das geschehen würde, hatte Prisca doch selbst deutlich gemacht, dass sie sich auf diesen Abend freute.


    Ein wenig mussten sie warten, und Nigrina vertrieb sich die Zeit damit, Piso zu beobachten. Gelegentlich schweiften ihre Blicke woanders hin, aber Piso war eindeutig lustiger, nervös wie er schien. Vielleicht sollte sie sogar hoffen, dass ihr Begleiter ein Idiot war, denn je idiotischer er war, desto mehr war Piso ihr dann schuldig, vorausgesetzt dieser Abend mit Prisca verlief so, wie ihr Bruder sich das vorstellte. Sie nippte an ihrem verdünnten Wein und strich sich dann eine der wenigen Haarsträhnen hinter das Ohr, die nicht in ihrer Frisur nach hinten gesteckt, sondern kunstvoll gelöst worden waren, um ihr Gesicht ein wenig zu umrahmen. „Beruhig dich… sieh nur, da ist Prisca!“ meinte Nigrina, als die Aurelia nun auftauchte, gemeinsam mit einem Mann, der ihr Verwandter sein musste. Prisca sah geradzu phänomenal aus, das musste Nigrina – fast – neidlos anerkennen. Sicher, sie selbst hatte sich auch hergerichtet, immerhin war sie eine Flavia und eine Flavia sah immer makellos aus, erst recht, wenn sie das Haus verließ, und noch etwas mehr, wenn sie ein Theaterstück besuchte. Aber Prisca setzte da noch ein Stück obendrauf, und Nigrina konnte den Göttern nur dafür danken, dass sie ohnehin einen recht hohen Anspruch an sich und ihr Aussehen hatte, sonst würde sie wohl an diesem Abend gegen die Aurelia verblassen. Was allerdings ein wenig verblasste, jedenfalls für Nigrina, war dann doch tatsächlich Prisca – gegen ihre Begleitung. Nigrinas Augenbraue zuckte ein wenig nach oben, eine Winzigkeit nur – das einzige äußerliche Anzeichen dafür, dass ihr gefiel, was sie sah. Natürlich, Prisca hatte gesagt, dass sie ein paar recht gut aussehende, junge Verwandte hatte. Aber das hätte Nigrina auch behauptet, selbst dann, wenn der ein oder andere ein Trottel war. Die Aurelia schien allerdings nicht zu viel versprochen zu haben… Nigrina erhob sich und begrüßte zunächst Prisca, die allerdings, das fiel ihr auf, deutlich mehr Augen für Piso hatte denn für sie. Also beruhte Pisos Schwärmerei tatsächlich nicht nur auf Einseitigkeit… doch, der Abend versprach tatsächlich interessant zu werden.


    Nigrina hielt sich zunächst zurück, wie es sich gehörte, ließ Prisca die erste Vorstellung übernehmen und begrüßte. „Schön dich zu sehen, Prisca.“ Dann erst lenkte sie ihren Blick zu dem Begleiter – der für den Verlauf des Theaterstücks der ihre sein würde –, als die Aurelia diesen vorstellte. Sextus Aurelius Lupus. Der Name sagte ihr nichts, aber der war ohnehin zweitrangig, fand sie. Wichtiger war, wie er reagierte, und das hatte durchaus etwas für sich. Nigrina, deren Augenbraue schon wieder ein Stückchen nach oben gewandert war, erkannte Schmeicheleien, wenn sie sie hörte – aber sie war ganz sicher keine Frau, die dafür unempfänglich war, schon gar nicht wenn sie so charmant vorgetragen wurden. Und dann gab er ihr auch noch einen Handkuss, das hieß, keinen richtigen, nur einen angedeuteten, gehaucht mehr auf ihre Fingerspitzen. Hatte sie gerade eben noch gedacht, dass es interessant zu werden versprach? Untertreibung. Wenn der Abend hielt, was der Anfang versprach, war ‚interessant’ ganz eindeutig eine Untertreibung. Nigrina ließ ihre Hand für einen Augenblick in seiner, genauer gesagt jenen Augenblick zu lang, der andeutete, dass ihr gefiel was er getan hatte, aber nicht zu lang, um nicht aufdringlich zu wirken – oder den Beobachtern der Szene Grund zum Anstoß zu geben. Dann zog sie ihre Hand zurück, langsam, so dass ihre Finger über seine Haut strichen. „Es interessiert den Wolf, wie seine Opfer sich nennen?“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Flavia Nigrina ist mein Name. Der Abend wird dich hoffentlich dafür entschädigen, dass du ihn erst jetzt erfahren hast.“

  • Die Worte Nigrinas drangen zu ihm durch, zäh wie Honig. Sie war sich offenbar sicher, dass die beiden kommen würden. Der Flavier rang sich ein Lächeln ab für seine Schwester, welche auch zu ihm herschmunzelte. Sie konnte wohl nur mühsam ihre Amüsiertheit im Zaume halten – und ihr konnte man das nicht verdenken. Schließlich nestelte Piso an seinen ringbestückten Fingern herum, dass es fast schon aussah wie eine Kunstform. Er zupfte sich seine Kleidung an verschiedensten Ecken und Enden sinnlos zurecht, räusperte sich übertrieben, und trank noch etwas vom Wein.
    Und, oh Schreck, da kamen auch schon die Aurelier. Piso hörte schlagartig auf, an seinen eigenen Händen herumzufummeln, und tastete sich insgeheim ab. Gab es nicht einen Knopf zum sich unsichtbar Machen, den er jahrelang übersehen hatte, oder der ihm durch einen Akt göttlicher Gnade über Nacht erwachsen war? Doch nein, es gab keinen. Er musste sich der Angelegenheit stellen. Er verstand sich eigentlich selber nicht. Da wollte er so lange wieder Prisca sehen, und nun war er so aufgerieben? Das konnte nicht sein. Er musste jetzt einmal ein Mann sein, ausnahmsweise. So schluckte er nur und zwängte wieder ein Lächeln hervor in die Richtung seiner Schwester.
    Anschließend blickte er doch in die Richtung, aus der die beiden Aurelier kamen. Ein Kerl in seinem Alter und davor... Prisca. Sie sah aus wie eine Göttin, wie eine Nymphe aus der Sagenwelt, wie eine Fee aus dem Bilderbuch, machte Piso seine etwas kitschigen Vergleiche in seinem Kopf und kam sich, sehr seltsam und untypisch für ihn, auf einmal richtiggehend unwürdig vor. Was wollte denn Prisca mit einem wie ihm, dachte er sich kurz, bevor er versuchte, seine alte Selbstsicherheit irgendwie zu finden.
    Sie hatte das Kleid an, welches Piso ihr einst spendiert hatte - zusammen mit einem anderen, welches aber im direkten Vergleich zu diesem hier verblasste. Das Gelb-Schwarze mit diesem fulminanten Ausschnitt, welches für Piso als Ästheten und Mann von A bis Z alle Punkte erfüllte. Sie hatte ihm gesagt, sie würde es einmal nur für ihn an einem passenden Anlass tragen. Und dies war nun. Auf einmal lächelte Piso und sah auf seine Finger herab, auf jene Accessoires, die er vorhin noch befummelt hatte. Es waren 7 an der Zahl, plus dem flavischen Siegelring. Sicher konnte sich Prisca noch an diese erinnern. Zusammen hatten sie sie für Piso herausgesucht.
    Nicht zittern, Aulus, befahl eine Stimme in seinem Hirn, und überlegte noch, was er sagen sollte, da sprach schon Prisca. Begrüßung, Frage nach dem Wohlbefinden, alles unverfänglich. Piso schenkte Prisca ein dezidiert verliebtes Lächeln – er war schon immer schlecht in der Zurückhaltung seiner Emotionen gewesen – und wunderte sich selber, dass er tatsächlich noch in der Lage war, etwas anderes von sich zu geben als sinnloses Gegackere (wie vorgeführt im aurelischen Garten).
    “Salvete! Mich... mich freut es auch, sehr. Mir geht es ausgezeichnet... jetzt, wo ich dch sehe, Prisca. Wundervoll schaust du aus.“ Sein Blick streifte ihr Kleid. “Das ist doch das Kleid vom Markt...“, machte er, als ob es ihm erst jetzt käme. Sein Lächeln, als Entgegnung auf ihren fast schon feurigen Blick, konnte man nur als strahlend bezeichnen. “Setz dich doch!“ Denn schließlich hatten die flavischen Geschwister ihren Aurelierclaim schon abgesteckt.
    Was... Aurelius Lupus? Ah, so hieß also der Begleiter. Wa es eine Manie von den Aureliern, ihre Kinder nach irgendwelchen Viechern zu benennen? Pff, dachte sich Piso, die Leute würden blöd schauen, wenn ich meine Kinder Feles, Canis und Elephantus nenne, ohne zu bedenken, dass er selber nach einem Gemüse benannt war (was ja auch nicht so schmeichelhaft war). Dass er schon von Lupus gehört hätte, konnte man nicht sagen. Aber gut, nehmen wir einmal eine objektive Warte ein, ein Septemvir und angehender Quaesturkandidat mochte bekannter sein als ein bloßer Patrizier, der im Ordo Senatorius geboren war und es sich nicht auf die harte Weise erarbeiten musste, wie Piso damals durch seine Arbeit in der Kanzlei.
    Dann wandte sich auch Lupus Nigrina zu, und Nigrina stellte sich ihm auch selber vor, bevor Piso es tun konnte. Nun gut. Die beiden fingen nun irgendein ausgeklügeltes Wortspielchen an, welches Nigrina sicherlich genießen würde, für Piso aber eine Welt war, in die er nicht gerne abtauchte. Er beschäftigte sich lieber mit Prisca, zu der er sich nun hinwandte. Am Liebsten wollte er sofort den Faden an die Sache im Garten anknüpfen, sie fragen, ob Corvinus ihr etwas im Anschluss angetan hatte, beziehungsweise, wie er die Sache aufgenommen hatte – aber Nigrina und Lupus schienen ihm noch zu wenig in ihre eigene Konversation vertieft, sodass er mit etwas Unverbindlicherem anfing. Doch womit nur?
    “Ich... ich bin so glücklich, dass du gekommen bist. Danke, Prisca.“ Der arme Piso musste tatsächlich spätestens nun über beide Ohren verliebt aussehen.

  • Ach herrje, wie peinlich! Hatte Prisca in ihrer Aufregung tatsächlich vergessen, ihrem Cousin die Namen der beiden Flavier in letzter Sekunde zu nennen? Oder kam ihm dieser Umstand nicht vielmehr gelegen, so wie er Nigrina auf seine ganz spezielle Art und Weise begrüßte? Galant wie immer, dazu dieser direkte und selbstsichere Blick, der Prisca schon bei den Spielen aufgefallen war und .. Oh! Sogar einen Handkuss haucht er ihr zu! , stellte Prisca in einem Anflug von Eifersucht fest obwohl dieses Gefühl, in Bezug auf ihren Cousin, natürlich völliger Unsinn war. Zudem konnte sie sich wirklich nicht beklagen, angesichts der fulminanten Komplimente, mit denen Lupus sie regelmäßig überschüttete. Und? Wie gefällt sie ihm nun - und er ihr?, versuchte Prisca nebenbei zu ergründen was in den Köpfen der Flavia und ihres Cousin gerade vorgehen mochte. Schwer zu sagen nach dieser kurzen Zeit, obwohl sie eigentlich ziemlich schnell miteinander ins Gespräch kamen. Nun ja, das warme Lächeln das Lupus ihr kurz zu warf, konnte bereits vieles bedeuten. Gut so! Jedenfalls müsste er mit Blindheit geschlagen sein, wenn ihm Nigrina nicht gefallen würde. … Sie sieht einfach wunderschön aus!, erkannte Prisca knapp aber neidlos an, was sie selten und überdies nur dann tat, wenn es der Wahrheit entsprach. Jedenfalls hätte sie sich nicht getraut darauf zu wetten, wer von ihnen nun der Anderen die Schau stehlen würde. Dieses Urteil oblag heute allein ihren Begleitern und somit würde es mit ziemlicher Sicherheit auf ein "unentschieden" hinaus laufen.


    Jedoch war es unwahrscheinlich, dass sich die beiden Männer darüber austauschen würden, so knapp und kühl wie deren Begrüßung ausfiel. Keiner von ihnen schien Interesse an einem "Männergespräch" zu haben und das war auch gut so!! Schließlich wollen wir heute voll und ganz auf unsere Kosten kommen und da sollen sich die Beiden ruhig anstrengen, uns zu hofieren und zu verwöhnen, nicht wahr Nigrina?, zwinkerte Prisca der Flavia mit einem vielsagenden Blick zu, ehe sie ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf Piso richtete .. .Hach! …


    Sogleich spürte Prisca ihr Herz schneller schlagen und sie hatte zu kämpfen, die Farbe ihrer Wangen unter Kontrolle zu halten. Ob ihr das gelänge? " … Wundervoll schaust du aus ...", hatte Piso soeben gesagt! Im direkten Vergleich mit den voluminösen Komplimenten ihres Cousins mochten diese Worte zwar verblassen, doch bedeuteten sie Prisca so viel mehr! Bei Piso klang es so ehrlich und von Herzen kommend, dass sie ihm einfach alles glauben wollte.


    "Danke. Wie lieb von dir! ... Ja, das ist das Kleid. Ich .. ich dachte, heute wäre die Gelegenheit um es für dich zu tragen", entgegnete Prisca leicht verlegen lächelnd und wie er bei ihr, streifte auch ihr Blick mit inngem Interesse die Erscheinung des Flaviers. Sofort fielen ihr die Ringe auf, die sie zusammen ausgesucht hatten und am liebsten hätte sie spontan seine Hand ergriffen. Die Aurelia widerstand allerdings Versuchung und beließ es bei einem anerkennenden Blick, den sie von seinen Händen langsam aufwärts wandern ließ. Er gefiel ihr und vor allem mochte sie seine Art und die Weise, wie er sie ansah. Richtig verliebt sah er dabei aus und dies bestärkte die Aurelia noch mehr in ihrer Überzeugung, dass er es aufrichtig mit ihr meinen würde ...


    ... und aus diesem Grund hätte sie Piso am liebsten von sich gleich alles erzählt: Von den Vorwürfen und den Bedenken ihres Onkels gegen ihn, dass er keinen Anstand und Manieren besaß und sie sich niemals wieder sehen dürften, weil er es ohnehin nicht ernst mit ihr meinen würde und er ja gar nicht die Absicht hätte, sie zu … Halt! Nein nein! So weit durfte sie weder denken - noch hoffen. Noch nicht! Nicht, so lange wie Piso nicht den ersten Schritt in diese Richtung tun würde. Schließlich haben wir uns nur gut verstanden und uns ein einziges Mal geküsst! Was bedeutet das schon?!, ermahnte sich Prica selbst, obwohl sie sich innerlich so sehr nach ihm verzehrte. Nein, ein zweites Mal wollte sie keine so große Enttäuschung erleben wie bei Aquilius, dessen Charme und Komplimenten sie damals völlig blindlings erlegen war. In diesem Punkt hatte Marcus durchaus recht wenn er ihr vorhielt, dass sie ihr Herz zu schnell verschenkte. Auch wenn es schmerzte, von ihm das unter die Nase gerieben zu bekommen, aber womöglich hatte er damit raht. Marcus eben der einzige Mann auf Erden, der wirklich nur ihr Bestes wollte und dem sie völlig vertrauen konnte … und das wusste Prisca in ihrem tiefsten Herzen, auch wenn sie es im Moment nicht wahr haben wollte.


    Piso war allerdings nicht allzu weit entfernt von diesem Status, den ihr Onkel inne hatte, nur durfte sie ihm das auf keinen Fall zeigen. Zumindest nicht so offen und deshalb setzt sie sich in einem gebührendem Abstand zu ihm auf eine der reservierten Klinen. Er sagte er sei glücklich, dass sie gekommen sei und Prisca schenkte ihm ein sanftes Lächeln dafür, während sie gleichzeitig einen tiefen Seufzer tat . "Ich bin auch glücklich heute hier zu sein, bei dir, mein lieber Aulus. Obwohl ich, … ich eigentlich gar nicht hier sein dürfte, nachdem, was neulich im Garten passiert ist. Zumindest nicht, wenn es nach dem Willen meines Onkels ginge!", entgegnete Prisca ihm keineswegs vorwurfsvoll, dafür aber mit einem umso erwartungsvolleren (und durchaus verliebten) Blick in seine Augen. Er würde sicher erahnen können, worauf sie hinaus wollte und hoffentlich würde er sich dessen und seiner Gefühle zu ihr bewusst sein ….

  • Götter, was fand Prisca nur an diesem Hanswurst? Zig lächerlich überladene Ringe protzten an seinen Fingern, und er bekam nichtmal vernünftig die Zähne auseinander. Das war kein Kerl, das war in Sextus Augen eine Witzfigur. Und wenn er sich das Gespräch zwischen ihm und Prisca so anhörte, stieg ein leichtes Übelkeitsgefühl in ihm auf. Wenn er schon hörte, wie Prisca betonte, dass sie das Kleid für ihn trug... Da wollte man fast mit den Augen rollen und den Kopf schütteln. Stümper, alle beide. Wobei Prisca noch die Ausrede hatte, eine Frau zu sein, und er sie ja auch noch anders kennengelernt hatte. Hätte sie sich ihm so präsentiert, wäre sein Interesse wohl nicht halb so groß gewesen. Das war, als ob sich ein Reh selbst erschoss und zum Abtransport schonmal aufs Pferd schnallte.
    Gut, aber wofür sich darüber aufregen? Sollten die beiden doch turteln. Solange der Flavier seine Finger bei sich behielt, sonst sähe sich Sextus trotz allem dazu berufen, sie ihm wenigstens zu brechen. So aber bekam er tiefe Einblicke in das genaue Ausmaß der Liebelei zwischen den beiden (und hoffentlich genug Ansatzpunkte, diese bei den Verlobungsverhandlungen nach strich und Faden auszuschlachten).


    Außerdem war seine Begleitung vielversprechend. Als hätte er absolut nicht auf die beiden anderen geachtet, sondern einzig und allein Augen für sie, blickte er sie durchdringend an. Flavia Nigrina. Ein wölfisches Lächeln schlich sich auf seine Züge. Heute meinte es Fortuna gut mit ihm. Seine künftige Frau war also keine Bucklige mit Pferdegebiss. Wenn man sie mit einem Pferd vergleichen wollte, war sie eher ein Rennpferd aus guter Zucht: Stolz, schön, und es wert, mehr als einmal geritten zu werden. Sein Lächeln wurde etwas breiter.
    “Opfer? Nein, du bist vieles, aber sicher kein Opfer. Eher bist du der Diana gleich, auf der Jagd mit dem Bogen. Deine Pfeile hab ich auch schon zu fühlen bekommen, große Jägerin, verkleidest du sie doch als Worte süßer Lippen. Vielleicht bin eher ich armer Wolf derjenige, der Angst haben muss.“
    Blick und Lächeln blieben auf sie gerichtet, dem Treiben der anderen beiden widmete er sich nur aus den Augenwinkeln. Aber scheinbar machten die keine Anstalten, sich setzen zu wollen. Gut, spielte Sextus eben gönnerhaft den Gastgeber. “Doch lasst uns uns setzen. Wir müssen hier ja nicht stehen, bis uns mehr Aufmerksamkeit zuteil wird als dem Geschehen auf der Bühne.“
    Er bot Nigrina galant einen Platz an und achtete dann darauf, dass er zwischen ihr und ihrem Bruder saß. Zwar konnte er so nicht mit Prisca reden, allerdings konnte er so den Flavier besser studieren und notfalls einschreiten, sollte dieser etwas tun, was der Familienehre der Aurelia abträglich war. Sextus war sicherlich nicht prüde, aber das hier war die Öffentlichkeit. Und so verliebt (oder nach seiner Definition 'blöde'), wie sich die beiden anschmachteten, war mit allem zu rechnen.

  • Ihr Bruder schien… hin und weg zu sein, als er Prisca sah, das bemerkte Nigrina durchaus. Nun, es war nicht schwer zu bemerken, so wie er anfing zu stottern. Und Prisca schien es nicht sonderlich anders zu gehen, so wie sie lächelte. Von ihrem Bruder war Nigrina ja nichts anderes gewohnt, als dass er, in ihren Augen wenigstens, häufig mehr als nur etwas seltsam war. Allein schon die Tatsache, dass er meinte verliebt zu sein, und dem auch noch nachzugehen, war ja schon Hinweis genug dafür. Gar nicht zu reden davon, dass er mal in eine Plebejerin verknallt gewesen war. Eine Plebejerin! Nigrina schob den Gedanken beiseite, sonst hätte sie sich nur wieder aufgeregt allein über diese Vorstellung, ihr Bruder, ein Flavier, könnte mit einer Plebejerin mehr anfangen als sie nur fürs Bett zu gebrauchen. Aber wer wusste schon, wozu ihr dieses Wissen noch nützlich sein konnte, ebenso wie das, das sie heute hoffentlich aufschnappen würde in den Gesprächen.


    Viel interessanter als das Geplänkel zwischen Piso und Prisca war allerdings der Aurelier, den Prisca für sie mitgebracht hatte. Nigrina erwiderte sein Lächeln, sie konnte gar nicht anders, erst recht, als sie seine Worte hörte. Im Grunde fehlte nur noch eine Schleife um den Kerl, und das Geschenk wäre perfekt gewesen. Nigrina genoss es, umschmeichelt zu werden. Und Lupus verstand sich eindeutig darauf. Der Diana gleich… sie hätte aufs Dreisteste gelogen, hätte sie nun gesagt, dieser Vergleich würde ihr nicht gefallen – oder würde ihn nicht passend finden für sich. „Das ist die Kunst einer wahrhaftigen Jägerin – ihre Waffen der Beute gemäß zu wählen.“ Ihr Lächeln wurde hintergründig, und sie musterte den Aurelier, der sie ebenso unverwandt ansah, bis er dann doch den Blick abwandte und vorschlug, sich zu setzen. Nigrina nahm den Platz ein, den er ihr anbot, und warf unterdessen Prisca einen kurzen Blick zu. Tatsächlich schien sie ganz auf Piso fixiert zu sein, so wie der umgekehrt auf die Aurelia. Nigrinas Nasenflügel weiteten sich etwas, und ihre Augenbraue zuckte ein wenig nach oben. Na immerhin war sie Patrizierin. Nigrina schätzte, dass sie lieber darüber froh sein sollte als sich Gedanken darum zu machen, warum ihr Bruder sich so sehr von Gefühlen dominieren ließ. Und sie konnte wohl froh darüber sein, dass es Prisca scheinbar genauso ging. In jedem Fall hatte Nigrina nicht den Eindruck, dass sie wusste, welche Macht gerade in ihren Händen lag, wie sie mit ihm hätte spielen können. Nicht dass Nigrina das prinzipiell schlecht gefunden hätte, aber in diesem konkreten Fall, wenn es um einen Flavier ging, hätte sie irgendwann etwas dagegen unternommen. Mit Flaviern wurde nicht gespielt – sie spielten.


    Die vier verteilten sich nun auf die Plätze, und obwohl Nigrina lieber in der Mitte gesessen hätte, vorzugsweise neben Prisca, kommentierte sie die Sitzordnung nicht. Zum einen hätte sie sich zwischendurch ganz gern auch mit der Aurelia unterhalten, ohne über zwei Köpfe hinweg zu reden, zum anderen hätte sie ganz simpel ihre Chance vergrößern wollen, etwas von dem mitzubekommen, was ihr Bruder und die Aurelia miteinander turtelten. Allerdings vermutete sie, dass sie ohnehin nicht allzu viel Sinn dafür haben würde, nicht auf Dauer, nicht wenn das so weiterging wie bisher. Da war ihr Lupus’ Gesellschaft doch fiel angenehmer, den Wortwechsel mit ihm genoss sie schon jetzt, und an eben diesen knüpfte sie nun an, indem sie auf ihren Namen anspielte: „Aber ich glaube nicht so ganz daran, dass ein Wolf Angst hat vor der Dunkelheit.“

  • Lupus. Hatte er diesen Namen nicht doch schon einmal gehört? Hmm. Aurelius Lupus. Woher kannte er diesen Namen? Er kam nicht drauf. Irgendwann einmal hatte man ihn wohl einmal erwähnt, Piso wusse aber nicht, in welchem Zusammenhang. Vielleicht war es ein anderer Aurelius Lupus gewesen.
    Einen kurzen Blick hin zu Lupus und Nigrina konnte er sich nun nicht verkneifen. Was faselten die da für einen Stuss? Seiner Schwester gefiel das sicherlich, aber du meine Güte, wie war denn dieser Lupus drauf? Opfer, Diana? Und dazu Wolf und Dunkelheit. Lupus, Wolf, Nigrina, die Schwarze. Haaaaach, was für ein brilliantes und überhaupt nicht von vorheinein ersichtliches Wortspiel, dachte sich Piso sarkastisch. Seine Geschwisterschaft - die Schwarze und die Erbse, und natürlich die Wahre, Vera. Und dann natürlich noch die Löwin, Leontia; die Erinnerung an sie verblasste jedoch von Woche und Woche mehr, und Piso vermisste diese Eingebildetheit auf zwei Beinen auch nicht gerade. Natürlich hatte es da immer wieder Namenwitze gehagelt. Die mittlerweile einen Bart hatten bis zum Boden und wieder zurück. Er fragte sich gerade, was Prisca tun würde, wenn er mit seinem erbsenhaften Cognomen ihr mit ihrem in seiner Bedeutung – uralt - auch nicht gerade schmeichelnden Namen kommen wollte. Ey Alte, ich will deine Erbse sein! Das kam nicht gut. Nein. Er musste also auf solche Namensspielchen vergessen. Sollten Lupus und Nigrina sich doch anbaggern, wie sie Lust hatten – denn das sie Gefallen aneinander fallen, war sichtlich, obwohl er ihnen nur ein paar kurze Blicke schenkte, war Prisca doch viel interessanter. Dem armen Flavier stand diser Weg nicht offen. Welch Wunder also, dass Lupus ihn als Hanswurst betrachtete, weil Piso sich solcher – in Pisos Gedanken – blatanten Schmähs nicht bemühte? Was Piso übrigens aufgeführt hätte, hätte er Lupus‘ Gedanken lesen können, wäre auf keine Kuhhaut gegangen. Aber da er das nicht konnte, war bislang alles Ponyhof. Bislang.
    Innerlich dachte er sich trotzdem, dass mal auch beizeiten etwas Intelligenteres als sein bisheriges Gestammel aus seinem Mund dringen könnte. Handkuss, hmm. Er hätte das auch machen können. Obwohl, wer wusste, wie dieser Aurelier reagiert hätte? Vielleicht war er genauso verrückt – nicht auf eine gute, sondern auf eine gemeingefährliche Art und Weise – wie Corvinus. Piso hingegen war es sowas von Blunzen, ob die beiden miteinander turtelten. Nur war es so, dass dies hier nicht privat war. Jeder, der wollte, konnte sie sehen, dies war kein Hortus. Und so nahm sich auch Piso vor, sich etwas zurückzunehmen, auch wenn ihn schon der Anblick von dieser süßen, goldigen Aurelia in Wallungen versetzte.
    Ja, nur für ihn hatte sie das Kleid angezogen! Glückselig lächelte der Flavier. Und er bemerkte auch, dass sie ihr Augenmerk auch auf seine Ringe richtete. Sie hat es bemerkt, dachte er sich, was nun? “Nun, ich denke, diese Ringe und dein Gewand passen hervorragend zusammen.“ Was er natürlich damit sagen wollte: Piso und Prisca passten hervorragend zusammen! Aber die Inferenz würde wohl ein wenig weit hergeholt sein. “Prisca, du schaust so umwerfend aus, ich komme mir richtig unwürdig vor! Bei der Sache muss doch ein Haken dran sein. Sicher bist du nicht nur eine Frau, nein, ein numinöses Wesen aus überirdischen Sphären, herabgestiegen, um uns Menschen zu verwirren! Venus könnte ja neidisch werden!“ Sowie jeder Mann, der sähe, dass ich mit ihr zusammensitze, dachte er sich selbstzufrieden.
    Dann sprach sie auch schon davon, dass sie auch glücklich sei. Glücklich! Piso strahlte, besonders, als sie ihn Aulus nannte. Aulus! So nannten ihn nur wenige, nicht einmal alle aus seiner Familie, und kaum jemand außerhalb. Doch Prisca tat es. Der Drang in Piso, sich vor Freude juchzend auf sie zu werfen, wurde nur im Zaum gehalten durch den Gedanken, dass halb Rom auf sie schaute. Denk dran, du hast Publikum, trichterte er seinem Gehirn ein.
    Und dann, tja, kramte sie die Geschichte im Garten hervor. Piso blickte sich verstohlen um zu Lupus – hatte sich der doch glatt neben ihn gesetzt, als ob er sein Kumpel wäre – und beugte sich nach vorne. “Er... er war sehr wütend, oder?“ Er shcluckte. “Er... er hat das doch nicht etwa an... an dich ausgelassen... oder“ Der reine Gedanke daran machte schon, dass sein Gesicht etwas blasser wurde. “Es... es hat mich so plötzlich überfallen. Es tut mir wirklich Leid. Was passiert ist.“ Nicht der Kuss selbst. Der war genial gewesen. “Ich glaube, ich muss mich bei Corvinus entschuldigen. Dass es so plötzlich gekommen ist, er musste doch einen komplett falschen Eindruck haben! Aber... nun ja, ich hätte es schon längst gemacht. Für dich, für uns. Aber ich habe immer die Befürchtung, er würde mich gar nicht an ihn ranlassen. Er wird mich doch rausschmeißen, wenn ich zu ihm komme!“ Es regte ihn wahnsinnig auf. Ein Flavier – man muss das wiederholen – ein Flavier hofierte eine Verwandte, und der Kerl behandelte ihn so, als ob er ein Peregrinus wäre, der sich an Prisca herangeschmissen hätte. “Allerdings muss ich ihm einfach erklären, was ich für dich empfinde.“

  • Tja, wo die Liebe hinfällt, da gedeiht sie eben prächtig, hätte Prisca ihrem Cousin Lupus eventuell schnippisch zur Antwort gegeben, wenn sie denn von seinen Gedanken gewusst hätte. Mochte seine hohe Meinung von ihr auch darunter gelitten haben, sie nun wie verwandelt zu sehen, so suchte Prisca eben nach einem Mann fürs Leben und keinen Kerl, mit dem sie nur flirten und spielen wollte. Zwar fand sie Männer wie ihn durchaus reizvoll, doch musste ihr Zukünftiger durchaus mehr zu bieten haben als: Geld, ein gutes und maskulines Aussehen, die Gabe, mit schönen (und scheinheiligen) Komplimenten zu schmeicheln, ein starkes Selbstbewusstsein und nicht zuletzt die Aussicht auf, mmmh heißen und hemmungslosen …


    … und zumindest letzteres würde Sex tus ihr ohnehin niemals bieten können, war er doch ein Verwandter von ihr. Und wie wäre es mit Piso? Nun vielleicht mochte seine Erscheinung nicht ganz mit dem Bild von einem Mann kongruieren, welches Prisca so manches Mal vor schwebte, doch war er - ohne Zweifel - ebenfalls ein sehr attraktiver Mann. Er war gebildet und er wusste auf sein Äußeres zu achten. Er schätzte die musischen Künste und er … kann so herrliche Gedichte schreiben!. Er sieht gut aus! Er … hatte (sicher) viel Geld, -war Patrizier, -hatte Charme, -war ehrgeizig, -konnte Gefühle zeigen, und und und … Prisca hätte die Liste an positiven Eigenschaften ins Endlose fortführen können, die ihr an Piso aufgefallen waren und dafür dankte sie den Göttern! Offensichtlich hatte sie das Glück den Mann gefunden zu haben, der sie wirklich liebte und den auch sie liebte.


    Lediglich sein Selbstwertgefühl schien nicht ganz so ausgeprägt zu sein, wie das eines Aurelius Lupus, oder das eines Alexanders. hm?! Er kommt sich richtig unwürdig vor?! Wie bescheiden klang das denn! Aber gut, hier könnte und würde Prisca ihr möglichstes tun, um Piso dahingehend zu stärken.


    "Du schmeichelst mir heute aber besonders, lieber Aulus. Womit habe ich das nur verdient?", stellte Prisca mit leicht geröteten Wangen (wie auf Bestellung) in Frage, was ihm wiederum so selbstverständlich erschien. Sie blickte ihm tief in die Augen und ließ ihn auf diese Weise wissen, dass sie ihm nichts vorspielen wollte " Ich sehe da keinen Haken, so wie du", meinte sie schließlich mit einem vielsagenden Lächeln. "Wie sollte Venus auch nicht neidisch sein auf mich, hab ich doch das Glück und die Ehre, an diesem heutigen Abend Amor höchstpersönlich meinen Begleiter nennen zu dürfen. … Oder wärst du lieber mein Apollon? …", fragte sie ihn mit einem schmachtenden Augenaufschlag. Diese beiden Götter verehrte Prisca gleichermaßen und mit diesem Kompliment gab sie ihm hoffentlich das nötige Selbstvertrauen und den Mut, den er zweifellos brauchen würde, um ihren Onkel von seinen ernten Absichten zu überzeugen.


    Apropos überzeugen. Mit einem kurzen Seitenblick zu Nigrina wollte sich die Aurelia davon überzeugen, dass auch sie ihren Spaß an dem heutigen Abend haben würde. Und?! Ja, so wie es aussah genoss die Flavia die Art und Weise sehr, wie sie von ihrem Cousin Lupus hofiert wurde. Leider konnte Prisca ihre neue Bekannte, oder besser gesagt ihre angehende neue Freundin, nicht fragen was sie von Lupus genau hielt, da sich die beiden Männer anscheinend stumm miteinander abgesprochen hatten, die beiden Klinen in der Mitte zu belegen. Na gut, dann muss ich sie eben in der Pause fragen was sie von meinem Cousin hält, wenn wir uns kurz zurück ziehen, vertröstete Prisca ihre eigene Neugier auf ein wenig später.


    Stichwort "Pause". Das Theaterstück hatte ja noch nicht einmal begonnen. So langsam kehrte allerdings Ruhe auf den Rängen ein, da sich unten auf der Bühne anscheinend der Beginn der Vorführung abzeichnete. Prisca nahm also schnell auf der äußeren Kline, neben Piso Platz und senkte ihre Stimme so weit, um sich weiterhin ungestört mit dem Flavier zu unterhalten und seine Fragen und Bedenken, so gut wie möglich, zu zerstreuen.


    "Nein, natürlich hat sich mein Onkel nicht an mir ausgelassen …", schließlich gab Marcus dem Flavier alle Schuld. " und es muss dir auch nichts leid tun."", schließlich hatte sie den Kuss ebenso wie er genossen. Nur …"Ja ich glaube auch, dass du das tun solltest!" für mich, für uns bekräftigte Prisca ihren Liebsten, mit einem zustimmenden Nicken in seiner Absicht, sich sozusagen in die Höhle des Löwen zu begeben und um ihre Hand anzuhalten.


    So hatte das Piso doch gemeint, oder? Als er eben sagte, dass er sich "erklären müsste" für das, was er für sie empfand. Prisca war hin und weg bei diesen Worten und dementsprechend sah sie ihn mit einem verliebten Lächeln an. "Oh Aulus, egal was mein Onkel mit dir anstellen wird. Ich werde immer zu dir stehen, weil … weil ich liebe", gestand Prisca mit hauchender Stimme (und ohne es zu bereuen) ihre tiefsten Gefühle für Piso. Sie war zu allem bereit. Notfalls würde sie mit dem Flavier einfach auf und davon laufen, wenn er es von ihr verlangen würde. Einfach alles wegwerfen für die Liebe! Hatte ihr Onkel sie nicht davor gewarnt, ihr Herz erneut zu verlieren wie sie es schon einmal getan hatte? Gut möglich ...


    Wie hieß es so schön: Liebe macht blind. Vielleicht war etwas wahres daran, nur, … wäre es trotzdem nicht besser, blind auf seine Gefühle zu vertrauen, als sehenden Auges durch einen Welt zu laufen, die völlig ohne Gefühle und Liebe wäre? ...

  • “Dann also bin ich nun deine Beute?“ feixte Sextus, als sie sich setzten, und schenkte Nigrina diese bestimmte Art von Lächeln, die erahnen ließen, woher sie rührten. Er erlaubte sich einen kleinen Vorstoß und ließ seinen Blick einmal an ihrem Körper hinabgleiten, und dann, viel langsamer, wieder hinauf. “Nun, wenn dem so ist, sollte ich wohl auf der Hut sein. Mir scheint, meine Jägerin hat einige allzu verlockend tückische Fallen dabei, in die zu tappen mich meinen Kopf kosten könnte.“ Er lächelte ihr vielsagend zu und lauschte dann unauffällig ein wenig dem Geplänkel zwischen Piso und Prisca. Als dieser anbrachte, sie sei eine Gottheit, hätte er sich am liebsten jovial rübergelehnt und den Mann darüber aufgeklärt, dass dieser Vergleich schon vergeben war. Sextus hatte Prisca bereits bei den Megalesia zu seiner Göttin des Lichts erhoben und ihr Anbetung versprochen. Von daher kam der Flavier etwas zu spät, wie Sextus mit Genugtuung feststellte. Außerdem verklausulierte man Komplimente nicht so, am Ende verstanden Frauen noch nicht einmal, dass man es positiv meinte. Zu logischem Denken waren sie nur begrenzt fähig. Nur Prisca schien es trotz allem zu gefallen, und damit verpasste sie Sextus selbstzufriedener Laune einen kleinen Dämpfer. Vor allem, da sie diesen Pfau einem Amor gleichstellte, rüttelte stark an Sextus Selbstbeherrschung.
    Doch der Aurelier wäre nicht er selbst gewesen, wenn er sich davon etwas hätte anmerken lassen. Zumal sein Pferdchen hier genügend Anreiz bot, um sich abzulenken. Sofern er sich nicht zu sehr ablenken ließ, immerhin hatte er vor, jegliche hier gesammelte Information später gewinnbringend einzusetzen. Völlige Fokussierung auf die Kurzweil, die Frau, die ohnehin keine Wahl haben würde, ihn zu heiraten, um den Finger zu wickeln, fiel somit aus.


    Aber ein wenig spielen blieb amüsant genug, vor allem wenn die Flavia ihm so meisterlich die Worte bereit legte und er nicht lang nach Komplimenten suchen musste. Eine Weile konnte er sie noch bedienen und sehen, wie sehr sie sich davon beeinflussen ließ. Einzig den Zeitpunkt der Forderung galt es geschickt abzupassen und dann nötigenfalls zu intervenieren.
    “Dunkelheit? Welche Dunkelheit? Ich sehe das sanfte Licht des Mondes und die Schönheit der tausend Sterne. Nacht, süße, wundersame Nacht sehe ich, doch keine Finsternis. Da fragt man sich, wie noch ein Narr der eitlen Sonne huldigen mag.“ In ein paar hundert Jahren würde ein kleiner Schreiberling im fernen Britannia die Genialität dieses Vergleiches wohl noch einmal aufgreifen, wenngleich er es in einer endlosen Liebeselegie verschwenden würde. Aber das konnte Sextus nicht ahnen, als er Nigrina mit einem Blick bedachte, der von dem anhimmelnden Schmachten, dass seine beiden Sitznachbarn füreinander übrig hatten, weit entfernt war, aber dennoch nicht weniger aufmerksam.


    Doch dann sagte Prisca etwas, was ihn kurz aus dem Konzept brachte. Sie hauchte ihrem frisch gekürten Amor eine Liebeserklärung zu. Das hab ich jetzt nicht gehört.... Sextus drehte sich kurz in die Richtung der beiden, die wie hypnotisierte Kaninchen einander in die Augen schauten. Ich fürchte, das hab ich gehört... Einen Moment der Fassungslosigkeit später war sich Sextus gar nicht mehr so sicher, ob es nicht sogar gut war, dass er es gehört hatte. Wenn Prisca diesem Kerl so zugetan war, machte sie das angreifbar. Wenn er ihr auch so zugetan war und das ganze jetzt ausdrücklich erwidern würde, war er erpressbar. Alles in allem eine vielversprechende Position um in eine Verhandlung zu starten. Sextus hoffte nur, dass der Mann neben ihm genug verstand hatte, sich auf Worte gleich zu beschränken und nicht auf Körperkontakt übergehen würde. Wenn Sextus ihn der Leute wegen zurückziehen und zur Rede stellen musste – immerhin war man hier im Theater nicht allein und es ging immernoch um den Ruf der Familien – wäre das wohl eine schwierige Ausgangslage für Verlobungsgespräche.



    Unterdessen traten auch schon die beiden Protagonisten auf die Bühne, jeder mit einem ausgestopften Vogel auf der Hand.


    EUELPIDES zu der Dohle, die er auf der Hand trägt.
    “Gradaus, dort nach dem Baum zu weist du mich?“
    PISTHETAIROS zu seiner Krähe.
    “Ei, berste du! – Die krächzt uns nun zurück.“
    EUELPIDES.
    “Verdammt! Da stolpern wir nun auf und ab
    Und laufen kreuz und quer hinein ins Blaue!“

    PISTHETAIROS.
    “Ich Tor! – zu folgen einer Kräh', und mehr
    Als tausend Stadien Wegs herumzuirren!“
    *
    ….


    Der eine der beiden war etwas zögerlich in seiner Ausdrucksweise, er schien recht nervös zu sein. Insgesamt kein guter Anfang, zumindest nicht nach den Ansprüchen, die der Aurelier gemeinhin stellte. Allerdings war das Schauspiel hier in der Loge auch interessanter.




    Sim-Off:

    Ich möchte bitte darauf hinweisen, dass die Gedanken dieses Charakters weder inhaltliche noch sachliche Kritik des Schreibers eben jenen Chars an anderer Leute Schreibe ist, sondern lediglich die unausgesprochen Gedanken einer nicht sehr netten Figur.

  • Sie sein Opfer, er ihre Beute. Doch, damit konnte Nigrina leben. Mit dem Lächeln, mit dem er sie bedachte, erst recht. Und bei dem Blick, der ihren Körper zu langsam und betont entlang wanderte, um noch Zufall zu sein, begann sich ein warmes Kribbeln in ihrem Bauch breitzumachen. Das hier war einfach etwas völlig anderes, als mit einer Frau zu spielen. Von ihrer Sklavin wollte sie gar nicht anfangen, die zählte ohnehin nicht, aber auch beispielsweise die letzte Gespielin ihres Vaters – womöglich inzwischen die vorletzte – konnte da nicht mithalten. Sie war ein Spielzeug für Nigrina gewesen, mehr nicht. Mit dem Aurelier schien es sich auch gut spielen zu lassen… aber er war bei weitem nicht so langweilig, würde bei weitem nicht so schnell uninteressant werden für sie, jedenfalls wenn er sich weiterhin so verhielt. Das Ding ihres Vaters hatte ihr nicht das Wasser reichen können. Bei dem Aurelier hatte sie den Eindruck, dass er ihr ebenbürtig war, was das Spiel mit den Worten betraf, und das allein schon machte die Sache hochinteressant für sie. Dazu kam, dass er ein Mann war, was ihre Unterhaltung allein schon auf eine ganz andere Ebene hob. Und nicht zuletzt war er ein Aurelier… Ein Mann aus der Familie, in die sie einheiraten würde, wenn denn alles klappte. Vielleicht sogar ihr Zukünftiger, dieser Gedanke kam Nigrina durchaus – was hatte Prisca gesagt, wie viele junge Aurelier momentan in Rom weilten? Drei, vier? Entsprechend standen die Chancen, es sei denn, ihr Zukünftiger hatte seinen Allerwertesten noch nicht in die Ewige Stadt bewegt, eine Option, die Nigrina allerdings nicht sonderlich erfreute. Der Kerl würde eine Flavia bekommen, das Mindeste, was man da erwarten konnte war, dass er inzwischen ebenfalls bereits in Rom war. Sich auf die Verhandlungen vorbereitete. Und seine Karriere in Gang brachte. Wenn sie schon einen Mann heiraten sollte, der nicht aus einer Familie altehrwürdigen patrizischen Ursprungs stammte, dann hatte der sich wenigstens anzustrengen, fand sie. Aber immerhin, die Aurelier hatten derzeit drei Senatoren in der Familie und befanden sich deutlich auf dem aufsteigenden Ast, was auch einer der Gründe war, warum ihr Vater sich für diese Gens entschieden hatte. In jedem Fall galt: dass Lupus Aurelier war, machte diesen Abend für Nigrina nur noch interessanter. Ob er nun tatsächlich ihres Vaters Auserwählter war oder nicht, sie würde ihm wohl in Zukunft häufiger begegnen. Er kannte ihren Zukünftigen. Er könnte dem wer wusste schon was über sie erzählen, je nachdem wie der Abend lief, könnte ihr damit vielleicht gar die Hochzeit versauen, wenn er ihrem Zukünftigen erzählte, auf sie sei kein Verlass. Er könnte ihm gar nichts erzählen und stattdessen Zeit mit ihr verbringen… Nigrinas Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, teils aufgrund ihrer Gedanken, teils in Erwiderung seines Lächelns und seines Blicks, leicht verschmitzt, ein wenig in freudiger Erwartung dessen, was noch kommen mochte, und ein klitzekleines bisschen verschlagen. Das hier war ein Spiel mit Nervenkitzel der besonderen Art. Und Nigrina liebte es schon jetzt.


    Sie neigte sich ein wenig nach vorn, dichter an Lupus vorbei als nötig gewesen wäre, und holte sich eine Traube von dem bereit gestellten Teller, bevor sie sich wieder zurücklehnte und dabei wie zufällig seinen Arm streifte. „Dann stellt sich mir die Frage: willst du deinen Kopf denn verlieren? Die ein oder andere Falle könnte es wert sein.“ Genussvoll steckte sie die Traube in den Mund. Ihr Bruder und Prisca indes schienen sich auch prächtig zu unterhalten. Von ihrem Platz bekam Nigrina nicht alles mit, was sie sprachen, selbst in den Phasen zwischendurch, in denen sie sich darauf konzentrierte, was sie dann doch ein wenig ärgerte. Aber sie verstand genug um zu wissen, dass auch sie Komplimente auf die ein oder andere Art austauschten – und dass es dann darum ging, dass Priscas Onkel etwas gegen Piso hatte. Ihren Bruder regte das auf, und sie selbst regte das auch auf. Flavier. Flavier! Wie konnte dem Aurelier ein Flavier nicht gut genug sein? Aber Piso ging das Ganze auch irgendwie falsch an, fand sie. Er hätte sich nicht verscheuchen lassen dürfen bei diesem Treffen im Garten, sondern gleich die Karten auf den Tisch legen müssen, mit dem Selbstbewusstsein, das einem Flavier gebührte. Aber da war ihm wohl seine Verliebtheit in den Weg gekommen, so wie Nigrina das beurteilte. Wenn er Prisca wirklich wollte, tat er besser daran, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht verunsichern zu lassen, fand sie, gerade in Gegenwart des Mannes, der entschied. „So süß und wundersam die Nacht auch sein mag, so gefährlich kann sie sein.“ Nigrina warf ihm von der Seite einen Blick zu, der sowohl prüfend wie herausfordernd war. „Mond und Sterne täuschen doch nur darüber hinweg, dass letztlich Dunkelheit vorherrscht, und so schön ihr Licht ist, es strahlt bei weitem nicht hell genug, um die Geheimnisse der Nacht auf den ersten Blick zu enthüllen.“ Sie machte eine kleine Kunstpause und nutzte diese für ein weiteres feines Lächeln, bevor sie fortfuhr. „Einer der Gründe, warum mir persönlich die Nacht mehr zusagt.“


    Und dann, plötzlich, war der Aurelier abgelenkt. Was Nigrina aus zweierlei Gründen gar nicht gefiel. Zum einen hatte er ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken, ganz ohne jeden Zweifel, nichts anderes hatte sie verdient, nichts anderes stand ihr zu. Zum anderen sah Lupus zu Piso und Prisca hinüber, und das ließ Nigrina zu mutmaßen, dass einer der beiden irgendetwas gesagt hatte, was Lupus abgelenkt hatte. Und sie hatte es nicht verstanden. Sie hätte sich die Haare raufen mögen, aber sie hatte beim besten Willen nicht verstanden, was gesagt worden war, weil es zu leise gewesen war für sie auf ihrem Platz. So unauffällig wie möglich lehnte sie sich ein wenig näher zu dem Aurelier, um wenigstens die weiteren Worte besser zu verstehen – und, das war nur ein weiterer Vorteil, ein wenig näher bei ihm zu sein und ihn vielleicht ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Das Theaterstück hatte unterdessen begonnen, aber dafür hatte Nigrina nun nicht allzu viel Aufmerksamkeit übrig, nicht zuletzt weil der Auftakt nun, nicht gerade mitreißend war, um es mal so auszudrücken. „Welch faszinierender Einstieg“, kommentierte sie den Beginn mit einem Hauch von Spott in der Stimme. So lange sie sich eher auf Piso und Prisca konzentrierte, war es besser, das Gespräch mit Lupus zwischenzeitlich auf eine andere Ebene zu bringen, und sie schätzte dass es auch ganz allgemein besser war.

  • Beute? Irgendwelche Wortfetzen drangen zu Piso von Lupus und Nigrina her. Die beiden schienen wohl von ihrem seichten Einstieg in ein bisschen tiefere Gewässer vorzudringen. Vielleicht würde irgendwas Poetisches mal kommen, dann würde Piso wieder hinblicken. Nun gut, wie gesagt, jeder nach seinem Geschmack. Piso gefiel sich selber als Liberaler, auch wenn er im Grunde auch so konservativ war, wie jeder x-beliebige andere junge Patrizier auch. Tückische Fallen, hörte er so nebenbei. Lupus war das. Aurelius Lupus, verflucht, woher kannte er diesen Namen? Es war ja unglaublich, den hatte er schon gehört! In irgendeinem wichtigen Zusammenhang! Nur in welchem? Wurscht! Prisca war wichtiger!
    Dass Prisca schon zuvor mit einer Gottheit verglichen worden war, hätte Piso nicht erstaunt, sie sah so aus wie eine solche. Er dachte an das zurück, was der Parther über Prisca gesagt hatte. Ohhh, Hugel! Nun, Piso selber hatte den dreisten Orientalen da zurecht gewiesen. Aber ganz tief drinnen, dort, wo jeder einzelne Mann halt einfach auch nur ein Mann war, musste er dem Parther recht geben. Die „Hugeln“ waren absolut fantastisch bei Prisca, und der Ausschnitt gab auch eine hervorragende Sicht in die Hügellandschaft. Wiewohl Piso sich davon erstmal zurückhalten konnte, jene genauer zu examinieren. Vor allem die Gewissheit, dass er es mit einer genaueren Inspektion sehr wohl vermasseln könnte, und die Aussicht, die nächsten 50 Jahre unbeschränkten Ausblick auf diese Wunder der Natur haben zu können, veranlassten ihn dazu, in ihre Augen zu blicken, welche in ihrer blauen Farbe übrigens einen interessanten Anblick boten. Prisca hatte wohl ein bisschen norditalienisches Blut, dort sah man einige Blauäugige. Was ganz nett wäre, schließlich war Piso selber Norditaliener.
    Ihre keck zurückgestellte Frage veranlasste Piso zu einem Lächeln. Hmm, vielleicht waren solche Wortspielchen, wie die Aurelier sie mochten, wohl nicht ganz so uninteressant. “Womit? Meine Antwort ist simpel: wenn du meine Worte bezweifelst, stellst du eine Tatsache in Frage. Doch es freut mich, dass kein Haken in Sichtweite ist.“ Konnte er das auch schriftlich, mit Unterschrift und Siegel haben, fragte sich innerlich Piso. Doch zu kontraktieren war wohl etwas unromantisch. So nahm er den Faden Priscas auf. Wofür sollte er sich entscheiden? Ein kleiner, pummeliger Nackiputz, der rumflatterte und mit Waffen hantierte? Oder aber der große Gott der Musik, der Ästhetik, der Erfinder der Lyra, das Sinnbild des gut aussehenden Mannes, und Gott von noch ganz anderen recht handlichen Sachen, wie zum Beispiel der Heilkunst und der Sonne? Keine Frage. “Wenn du willst, dass ich dein Apoll bin, dann bin ich es gerne.“ Selbstbewusstsein zeigen, Aulus, ermahnte er sich. Sonst ist das doch auch nicht deine Schwäche! Was würde Vater sagen? Wenn dir eine Frau so einen Augenaufschlag gibt, dann hast du sie schon in der Tasche. “Doch nun hast du die Barriere hoch gesetzt. Mit der selben Leichtigkeit, mit der du die Göttin der Liebe übertrumpft hast, muss ich den Schutzherrn der Ästhetik überbieten?“ Da war doch mal ein Satyr, der deswegen von Apoll getötet worden war? Schädel eingeschlagen oder so. Ja, eine klebrige Situation war das gewesen. So klebrig wie die, in der sich Piso nun befand, wobei er das gar nicht bemerkte, da er auf jener Wolke schwebte, die man zwischen Nummer 6 und 8 anzutreffen pflegte.
    Ein kurzer Blick von ihm ging ins Publikum, wo das Publikum gebannt auf das sich eröffnende Spektakel, von dem Piso aber kaum etwas mitbekam richtig. Ein Kerl aber stach ihm in den Blick. Es war ein runder, feister Mann mit rotem Gesicht und dickem Backenbart. Er hatte einen gigantischen Löffel in seiner Hand und einen Riesenpott Schweineschmalz, aus dem er voller Appetit herausaß. Schmalz, wie eine Metapher, dachte Piso. Aber nein, auf diesem Niveau war man nicht, noch nicht. Nicht mit Prisca. Was Lupus und Nigrina noch machen würden, war ihm gleich, solange sie sich nicht begannen, vor aller Welt abzuknutschen. Er war schon ein Hypokrit, dachte er sich. Aber zwischen dem, was er und Prisca getan hatten, und so etwas, lag ein weiter Unterschied.
    Piso atmete auf aufgrund ihrer Versicherung. “Das ist gut, ich hätte mir es nie verzeihen können, wäre so etwas passiert“, mauschelte er zurück, ebenfalls nicht zu laut. Dann nickte er. Er dachte an das, was Celerina ihm gesagt hatte. Er konnte jederzeit zu ihr kommen, und zu ihr hieß in die Villa Aurelia. Die Puzzlestücke kamen langsam zusammen, alles fügte sich zusammen... in einem immer rasanteren Tempo.
    Doch so rasant hätte er es sich nicht gedacht. Sie würde immer bei ihm stehen, weil sie... er hörte das Wort Liebe, und etwas in ihm machte Ding.
    Aulus, Aulus, mein lieber Aulus. Du liegst hier neben einer Frau, nach denen sich alle die Finger abschlecken können. In einem wunderschönen Kleid, dass sie nur für dich trägt. Und sie sagt dir, dass sie dich liebt. Sie gesteht dir ihre Liebe zu dir. Und da gübelst du über ein paar kleinere Adversitäten nach? Aulus, du verfluchter Glückspilz!
    Piso machte seinen Mund auf, und brachte erst einmal keinen Ton hervor. Dann linste er kurz nach hinten. Lupus und Nigrina blickten her. Das absolut passende Publikum für diesen auspiziösen Moment. Ein Aurelier, eine Flavierin, ein Flavier, eine Aurelierin. So musste es sein, und Piso wurde mit der unerschütterlichen gewissheit erfüllt, dass diesen Moment in seinem Schicksal die Parzen bestimmt hatten. Es galt, in zu ergreifen. Flucht nach vorne nannte man das, und noch nie hatte Piso lustvoller die Flucht ergriffen.
    So holte er tief Luft, um das zu sagen, was er schon immer, sein ganzes Leben lang, hatte sagen wollen. “Prisca, ich liebe dich auch. Ich liebe dich so sehr, wie ich noch nie geliebt habe. Und ich werde dich immer lieben, bis ich tot bin.“
    Euelpides erklärte gerade sein Huphup, und es entstand eine Pause, als irgendein Federvieh oder sonst etwas über die Bühne geschlurft kam. Ein Zaunkönig oder sonst was, Piso hatte nicht aufgepasst, wie denn auch? Piso hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit von Prisca, und auch ziemlich sicher wohl von Lupus und Nigrina, und wollte nicht einmal dran denken, was passieren konnte, wenn das in die Tunika ging. Aber das, jetzt und hier, war der geeignete Moment. Er schob seine Hand zu der ihren hin. “Prisca, willst du meine Frau werden?“

  • Nachdem er sich von der gefühlsduseligen Liebeserklärung seiner Cousine erholt hatte, kam auch schon direkt die erwartete Antwort, genauso schwülstig, wie er sich das gedacht hatte. Sollten jemals solche Worte über seine Lippen kommen und diese Worte auch noch so gemeint sein, hoffte er, dass Iuppiter ihn in seiner Gnade gleich mit einem Blitz erschlagen würde.
    Seine bezaubernde Begleitung lenkte kurz nochmal seine Aufmerksamkeit auf sich. Typisch Frau aber auch, wehe, man sah irgendwo anders hin, und wenn es um etwas wichtiges wie Politik ging. Hauptsache Prinzessin fühlte sich genügend beachtet. Sextus drehte sich ihr charmant zu und blickte kurz runter zur Bühne, wo König Wiedehopf gerade aufmarschierte und mit den beiden Stotterern ein seichtes Geplänkel startete. Eine Sekunde später wünschte er, er hätte sich nicht ablenken lassen, dann hätte er den Flavier noch rechtzeitig unterbrechen können, ehe der die mos maiorum mal eben im Vorbeigehen mit Füßen trat. Um seine pietas auf jeden Fall schien es nicht weit bestellt, wenn er an einem öffentlichen Platz ohne Gegenwart von Priscas Tutor so eine Frage stellte. Auch noch an die betreffende Frau selber! Wo käme man denn hin, wenn jeder aus schwülstigem Gefühl heraus die Frauen selbst nach ihrem Willen fragte? Als ob die das entscheiden könnten!
    “Piso, Freund!“ fing Sextus laut genug an, um auf jeden Fall gehört zu werden. Sogleich legte er den Arm um seinen Sitznachbarn und zog diesen zu sich her und von Prisca weg, noch ehe diese Gelegenheit hatte, zu antworten. Als Piso zu ihm herschaute, nutzt Sextus die Gelegenheit, mit der Hand Prisca ungesehen ein Zeichen zu machen. Er hob nur den Zeigefinger, aber so bestimmt, dass er auch 'Halt jetzt ja den Mund und sag gar nichts!' hätte schreien können. “Herrlich, diese Komödien, nicht. Sie machen einem den Geist genauso leicht wie ein guter Wein. Und scheinbar die Zungen genauso losgelöst.“
    So leise, dass die beiden Damen es nicht mitbekamen, raunte er ihm in weit weniger brüderlichem Tonfall, aber nach außen einem Lächeln auf den Lippen, etwas zu. “Ich denke zwar, dass es ein äußerst schlechtes Omen wäre, meinem zukünftigen Schwager etwas zu brechen, aber wenn du mich noch einmal so beleidigst wie durch diesen kleinen Ausbruch eben, werde ich mich dazu gezwungen fühlen. Wenn du sie heiraten willst, schön, aber besprich das wie ein Mann mit dem dafür zuständigen Mann. Ich werde nicht zulassen, dass du meine Cousine vor aller Augen lächerlich machst.“ Um es zu unterstreichen ruckte er einmal mit seinem Arm den Flavier näher zu sich. Dabei lachte er laut und irritierte kurz die Schauspieler auf der Bühne, die noch mehr ins stottern fielen und ihre Sätze wiederholen mussten.
    Charmant wandte er seinen Kopf in Richtung Nigrina und schenkte ihr seinen gewinnendsten Blick. “Nun, meine Jägerin der Nacht, ich fürchte, ich muss mich deiner Gegenwart kurz entziehen, so verlockend und lohnend der Preis der Fallen auch sein mag. Aber du weißt, die Stärke des Wolfs ist sein Rudel, und das verlangt gerade meine Aufmerksamkeit. Aber ich denke, dein Bruder wird dich auch kurz gut unterhalten, bis wir unsere philosophischen Betrachtungen vertiefen können.“
    Erst jetzt ließ er Piso wieder los und stand auch sogleich auf, um zu Prisca hinüberzugehen. Lächelnd beugte er sich zu ihrem Ohr hin hinunter. “Du kannst dir den Ärger nicht vorstellen, in dem du steckst, sollte ich herausfinden, dass du mich dafür benutzt hast. Ich sähe mich nur äußerst ungern dazu gezwungen, Corvinus davon zu berichten. Ich hoffe, dein Galan beherrscht sich ab jetzt.“
    Auch wenn Sextus sich locker gab und nach außen hin lächelte, in ihm kochte es. Er hatte einen schönen Plan gehabt, Nigrinas Mitgift zu seinen Gunsten in die Höhe zu treiben. Ja, er hätte sich vielleicht angeboten, dem Flavier dabei zu helfen, Corvinus zu überzeugen. Hätte ihm klar gemacht, dass er ebenso mit Corvinus reden konnte, um Prisca seinem Einfluss gänzlich zu entziehen, wenn er nicht auf seine Forderungen einginge. Aber wenn dieses Weib von einem Mann sich noch nicht einmal in einem öffentlichen Theater für fünf Minuten beherrschen sollte, war dieser schöne Plan für die Katz. Und Sextus hasste es, wenn ein Plan nicht funktionierte.

  • Die Vorstellung hatte begonnen! Wie auf der Bühne, so auch auf den Rängen - zumindest in der flavisch-aurelischen Loge. Prisca hatte jedenfalls keinerlei Blicke übrig für die komischen Vögel, die da unten auf der Bühne herum schlurften und -hupten. Auch ihrem Cousin und Nigrina schenkte sie nur hin und wieder einen flüchtigen Blick, ohne sich weiter für deren Gespräch zu interessieren. Die beiden schienen ihre Wortspiele zu genießen und ebenso genoss Prisca jedes Wort, das sie ungestört mit Piso wechseln konnte. Ihrem Apoll, der er - wie er sagte - sein wolle und den sie liebend gern haben wollte. In ihrem Herzen hatte der Flavier ohnehin längst einen festen Platz gefunden, auch wenn sich Prisca von ihrem Onkel sagen lassen musste, dass sie ihr Herz zu voreilig verschenke.


    Die Stimmung schien jedenfalls allgemein gelöst und das war gut so. Genau so hatte sich Prisca den Ablauf dieses gemeinsamen Abends vorgestellt, um endlich in Ruhe mit ihrem Liebsten reden zu können. Doch was dann geschah! Damit hatte Prisca nie und nimmer gerechnet. Zuerst im positiven und dann im negativen Sinne. “Prisca, ich liebe dich auch. Ich liebe dich so sehr, wie ich noch nie geliebt habe. Und ich werde dich immer lieben, bis ich tot bin.“ Dies waren mit Abstand die schönsten Worte, die Prisca je vernommen hatte. Sie sah Piso einfach nur an, während es ihr gleichzeitig heiß und kalt über den Rücken lief. In dieser Sekunde hätte Piso wahrhaftig alles mit ihr anstellen dürfen, egal, was auch immer er hätte mit ihr tun wollen. Doch der Flavier überraschte sie noch mehr! So sehr sie auch darauf gewartet, gehofft und dafür gebetet hatte, doch ... "Prisca, willst du meine Frau werden? Nein! Damit hatte sie in dem Moment nicht gerechnet.


    Ja ich will! Priscas Blick in Pisos Augen mochte die Worte bereits vorweg nehmen, noch ehe sie diese laut aussprechen konnte. Gedanklich legte sie ihre Hand bereits in die Seine, vertrauensvoll, die Finger vereinend zu einem Bund fürs Leben und für die Liebe. Prisca fühlte sich glücklich wie noch nie. Endlich hatte sie ihn gefunden, den Mann, der sie ihretwegen heiraten wollte, weil er sie liebte und nicht, weil diese Verbindung von Vorteil für ihre Familien wäre. Sicher war es das auch, doch das zählte für Prisca nicht. Gab es etwas schöneres? Nein! Es war ein wundervolles Gefühl der Wärme und der Verbundenheit das Prisca in dieser Sekunde erfüllte …


    … und dieses schöne Gefühl sollte so plötzlich zerplatzen, wie eine Seifenblase.


    Was tut Lupus denn da? Prisca verstand zunächst nicht, was Lupus dazu bewog, Piso so plötzlich und freundschaftlich in die Arme zu schließen. Fragend wanderte Priscas Blick zu Nigrina und dann wieder zu Lupus, ehe sie zu ahnen begann was das sollte. Dieser erhobene Zeigefinger! Er wird doch nicht etwa? ... Nein das würde Lupus nicht wagen, nicht, nach dem was sie bei den Gladiatorenkämpfen besprochen hatten. … Hatten sie doch, oder? Zumindest bildete sich Prisca immer noch ein, dass ihr Cousin verstanden hätte, um was es hier ging und wie viel ihr dieser Abend bedeutete. Männer! Sie begriffen die einfachsten Dinge nicht. Prisca war sprachlos und völlig perplex. Eigentlich hätte sie es besser wissen müssen, doch nun war es zu spät. Hilflos musste sie mit ansehen, wie ihr Cousin, … dieser … Schwachkopf, dieser völlig verblödete und begriffsstutzige Kerl … wie er Piso festhielt und ihm irgend eine Drohung ins Ohr flüsterte. Oh wie peinlich!!!! Was soll das denn? , schrie Prisca ihm mit aufgerissenen Augen entgegen - doch vergebens!


    Erst nachdem Lupus ihren Liebsten wieder losgelassen hatte und er sich nun auch noch erdreistete, zu ihr zu kommen und ihr drohen zu wollen. Da platzte Prisca endgültig der Kragen! Egal was Lupus von ihr in Zukunft halten mochte und wie sehr sie auch seine maskuline Art bislang zu schätzen wusste. Er disqualifizierte sich als der lebende Beweis dafür, dass solche Kerle wie er zu nichts taugten und am wenigsten zum heiraten. Ganz im Gegensatz zu solchen Männern wie Piso, dem Prisca einen verliebten Blick zu warf, ehe sie ihrem Cousin wieder mit der Absicht in die Augen sah, ihn töten zu wollen. So so, welchen Ärger soll ich mir denn vorstellen? Viel schlimmer konnte es doch gar nicht mehr kommen. Marcus hatte ihr bereits verboten Piso wieder zu sehen, sollte er es nochmal tun? "Du verdammter Trottel! Was sollte das eben? Ich dachte ich hätte mich klar ausgedrückt, als ich dich darum gebeten habe mich heute zu begleiten", zischte Prisca Lupus in einem Ton an, bei dem sie sonst selbst zusammen gezuckt wäre.


    Du willst mir tatsächlich drohen? Oh nein! Auch wenn sie auf ihn einen völlig falschen Eindruck gemacht haben sollte, so einfach würde sie sich von ihm ganz sicher nicht erpressen lassen. "Ach was? Was willst du denn meinem Onkel großartig berichten, was er nicht längst schon weiß? Du …du Spatzenhirn!" Kamen Spatzen überhaupt vor in diesem Stück? "Glaubst du wirklich , ich lasse mich von einem wie dir erpressen? Und überhaupt, … wofür soll ich dich denn benutzt haben? Pah! Ich habe dich lediglich darum gebeten, mich heute Abend zu begleiten! Nicht mehr und nicht weniger. … Warum kannst du nicht einfach den Abend genießen und dich an die Flavia halten, anstatt dich hier aufzuspielen wie … wie ein völliger Idiot! ", hielt Prisca ihm mit funkelnden Augen entgegen, wobei spätestens jetzt einer von den Schauspielern, unten auf der Bühne, völlig den Faden verlor angesichts des Stimmengewirrs, welches von den Rängen herab regnete. Fast konnte man spüren, wie sich daraufhin die Augen aller anwesenden Zuschauer auf einen ganz bestimmten Punkt hin konzentrierten.


    Prisca war das völlig egal. Sie fixierte weiterhin ihren Cousin mit einem hasserfülltem Blick und sollte er sich tatsächlich mit ihr anlegen wollen, so würde er früher oder später schon noch merken, zu was seine Cousine so alles fähig wäre. Von wegen: "Das Reh das sich quasi selbst erschoss" … Soviel dazu. Zur Not würde Prisca sogar das ganze Theater zusammenschreien. Jawohl! ...

  • Nigrina indes saß auf ihrem Platz und traute ihren Ohren nicht. Priscas Liebeserklärung hatte sie nicht verstehen können, die ihres Bruders hingegen sehr wohl. Sie starrte ihn an. Und starrte ihn an. Sie hätte ihm viel zugetraut, sie kannte ihn ja, wusste wie sehr er all diesen romantischen und poetischen und weiß der Geier was sonst noch für Verflechtungen erlegen war, wie sehr er diese Dinge liebte. Aber das hier hätte sie ihm dann doch nicht zugetraut. Die Liebeserklärung, das wäre ja noch gegangen, aber ein Heiratsantrag? Ein HEIRATSANTRAG?!? Mitten im Theater, in der Öffentlichkeit also, obwohl er selbst ihr noch vor kurzem gesagt hatte, dass er Priscas Tutor noch nicht einmal über seine Heiratsabsichten INFORMIERT, geschweige denn ihn um Einverständnis gefragt hatte? Piso war Flavier, bei allen Göttern, ganz davon abgesehen dass das hier jeder Tradition und jeder gesellschaftlichen Konvention spottete – er sollte es nicht nötig haben, den aurelischen Wachhund so zu umgehen! Das war feige! Piso hätte zu ihm hingehen und ihm sagen sollen, dass er Prisca zu heiraten gedachte, dass es daran nichts zu rütteln gab, und dann mit ihm verhandeln, aber doch nicht das hier!


    Und ganz nebenbei war es auch für den Aurelier neben ihr nicht tragbar. Er neigte sich zu Piso und sagte etwas, und Nigrina, die auf seiner anderen Seite saß, sah das Zeichen, dass er Prisca mit der Hand machte. Was für ein Drama. Nigrina hätte ja nie geglaubt, dass der Abend diesen Verlauf nehmen würde. Obwohl sie Piso kannte, und obwohl er in ihrem Gespräch vor kurzem mehr als deutlich klar gemacht hatte, wie sehr er Prisca verfallen schien. Mit einem Seitenblick zu eben jener stellte Nigrina fest, dass die Aurelia ebenso fassungslos schien wie sie selbst, nur auf eine andere Art und Weise. Eine, die nichts Gutes verhieß. Oh nein… Aber hatte Prisca nicht bereits bei den Wagenrennen erwähnt, dass sie Unkonventionelles mochte? Sie hatte die Hochzeitsfeier ihres Wachhunds mit Nigrinas Verwandter gut geheißen, die auf einem Schiff stattgefunden hatte – unabhängig von Nigrinas Einschränkung, dass es in Ordnung war, weil Celerina bereits zum zweiten Mal heiratete. Aber sie konnte doch nicht wirklich einen solchen Heiratsantrag… Himmel, was wenn Piso vorhatte sie gleich mitzunehmen? Da war immer noch Priscas Tutor, aber ein Skandal ohnegleichen wäre das trotzdem!


    Der Aurelier hatte unterdessen sein Intermezzo mit Piso beendet und wandte sich kurz ihr zu, so charmant, als wäre gerade nichts gewesen. Nigrinas Lächeln fiel da doch etwas starrer aus – sie konnte bei weitem nicht so gut verbergen, dass es in ihr brodelte. Vor allem ihre blitzenden Augen verrieten sie, und dennoch reagierte sie auf seinen Blick, seine Worte, und ihre Stimme klang ebenso charmant wie seine. „Das Rudel geht vor, selbstverständlich.“ Selbstverständlich. Sie schoss ihrem Bruder einen weiteren Blick zu, während Lupus sich nun erhob und zu Prisca ging. Und Nigrina neigte sich zu Piso. „Hast du noch alle Amphoren im Regal?“ zischte sie. „Du hast doch erzählt du hättest ihrem Wachhund noch nicht mal gesagt, dass du sie heiraten willst! Was sollte das denn jetzt? Damit versaust du nur alles!“ Und dann sah Nigrina hoch, abgelenkt, weil Prisca nicht bei jedem Wort so leise blieb wie ihr Cousin. Das hätte sie nun nicht erwartet. Sie kannten sich nicht sonderlich lange, das stimmte, aber dass die Aurelia dermaßen die Fassung verlieren und anfangen würde, mitten in der Öffentlichkeit eine Szene zu machen, so hätte Nigrina sie dennoch nicht eingeschätzt. Sie hatte eigentlich eher gedacht, die Aurelia wäre kühl und beherrscht, beherrschter als sie selbst. Und nun das hier… ein Teil von Nigrina, ein winziger, abgesonderter Teil, war sogar versucht zu lachen. Das hier… bei allen Göttern, das schlug die Komödie auf der Bühne doch um Längen, kein Wunder dass inzwischen alle zu ihnen sahen – sogar die Schauspieler, wenn auch nur kurz. Und ein weiterer Teil von Nigrina genoss tatsächlich die Aufmerksamkeit, und kalkulierte auch bereits die Steigerung des Bekanntheitsgrads. Aber sie wusste auch, was die Eskalation gerade für die beiden Familien bedeutete, und sie flehte zu den Göttern, dass Piso nun Vernunft bewies, wenn schon Prisca es so offenkundig nicht tat, und unwillkürlich legte sie ihm eine Hand auf den Arm, in dem Versuch beruhigend zu wirken.

  • Piso war erstaunt über sich. Ganz anders, als es Nigrina sah, kam er sich nicht feige vor. Im Gegenteil. So etwas zu fragen hatte all seine Courage abgenötigt. Natürlich hatte er es nicht so laut gefragt, dass jemand anderes als Prisca, Lupus und Nigrina seinen Heiratsantrag hätte hören können, so bescheuert war er auch nicht. Die Loge war ja auch schließlich abgeschirmt von der Öffentlichkeit, und man hätte ja ordentlich rumbrüllen müssen, dass jemand sonst noch etwas mitbekam von dem, was dort ablief.
    Und der Flavier blickte in ihre Augen, ihre blauen Augen, so blau wie die Adria bei Ravenna, fast schon unwirklich. Er sah es in ihren Augen – ja. Sie wollte. Er spürte es. Er wusste es. Es hatte geklappt. Es hatte funktioniert! Er hatte Prisca herumgekriegt. Sie würde ihn heiraten, er sie, alle würden glücklich werden, die von Weichspülern auch Hochglanz gebrachten Heiratskleider würden strahlen, ebenso wie die Gesichter, die sie beglückwünschen würden. Eine neue Ära in den Beziehungen zwischen Aureliern und Flaviern würde anbrechen. Eine neue Ära in seinem Leben, als Ehemann, als Familienvater, und das ganze als Senator. Ja, Piso wähnte sich an jenem Punkt, wo seine Träume in Erfüllung gingen.
    Doch bevor Prisca noch die Gelegenheit hatte, etwas zu sagen, brachte sich ungefragt dieses Subjekt von einem Aurelier da ein. Piso, Freund? Ich bin nicht dein Freund, wollte Piso protestieren, aber nichts kam über seine Lippen. Komplett baff starrte er den Aurelier an, als dieser ihm etwas sagte von wegen Wein und Zungen. Was zum Henker sollte das werden? Und dann flüsterte er ihm etwas ins Ohr, das Piso ganz bleich machte – nicht vor Schrecken, vielmehr vor Ärger. Doch das wandelte sich in Entsetzen, als er das Gesagte sich noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Schwager? Schwager! Verflucht, Piso wusste jetzt, woher er den Namen kannte. Aurelius Lupus, so sollte der Mann heißen, den er mit Nigrina verheiraten sollte. Nie und nimmer, kam ihm in den Sinn. Irrationalerweise kam ihm eine Liste patrizischer Jungesellen in den Sinn – zum Beispiel Menenius Rufus, ein amtierender Vigintivir, Sempronius Valens, Luperkalienmitglied, oder Cornelius Falto, Quaesturkandidat wie Piso selber. Er wollte schon was Trotziges erwidern. Doch bevor er noch weiter etwas erwidern konnte, wandte sich Lupus schon an Prisca und flüsterte ihr auch etwas zu, was Piso nicht hörte, wohl, weil er von Nigrina abgelenkt wurde, die ihm ihrerseits etwas ins Ohr mauschelte. Amphoren im Schrank? Der Flavier sah Nigrina mit dem Blick eines Mannes an, dessen Träumen man ungerechtfertigterweise einfach nur so zerstört hatte. Ich hatte es vor, zu machen, wenn sie ihr Einverständnis gegeben hat! Und das hätte sie auch getan, wenn nicht dieser Scheißkerl reingefahren wäre! Du hast ja nicht mitgekriegt, was er mir zugeflüstert hat! Er spuckt auf die Flavier! Es war alles durchdacht - ich wäre schon längst mit Prisca auf dem Weg zu den Aureliern, wenn nicht dieser Sack hier wäre! Er hätte sich noch lange weiter erbosen können! Doch genau in diesem Augenblick fing Prisca an, Lupus anzubrüllen. Piso konnte nicht alles hören, da zwischenzeitlich alles in einem Zischen unterging, aber was er hörte, zauberte ihm ein Lächeln auf die Lippen. Prisca stellte sich gegen Lupus. Trottel, Spatzenhirn, ziemlich adäquat, die Worte. Er war stolz auf sie. Sie ließ sich diesen Scheiß nicht bieten. Piso würde das auch nicht tun. Auf einmal spürte er, wie Nigrina sein Handgelenk umfasste. Seine Schwester, sie war wohl auch nicht allzu erbaut über den Lauf der Ereignisse. Er legte ihr kurz seine linke Hand auf ihre Hände, und stand dann auf.
    “Lupus, Freund“, echote er die Worte, welche Lupus gerade zu Piso gesagt hatte. Zu Prisca hin machte er einen Blick. Prisca, wollte dieser Blick ausdrücken, nur ruhig, keine Sorge, ich regle das. Hoffentlich missverstand sie den Blick nicht. Er beugte sich zum Aurelier hin. “So eine Komödie lockert nicht die Zungen, sondern stimuliert auch die Emotionen, sowohl die positiven wie auch die negativen.“ Er senkte seine Stimme, als er seine Worte ihm ins Ohr flüsterte. Erstens: drohe mir bloß nicht noch einmal. Nie wieder. Zweitens: um dich zu beruhigen, niemand außer uns vier hat mich gehört. Drittens: was du mir gesagt hast, werde ich auch tun. Danke, ich weiß, wie das funktioniert. Und zwar mache ich das jetzt gleich. Und viertens: ich finde es nicht gut, wie du dich gegenüber Damen verhaltest. Dann erhob er seine Stimme wieder, sodass auch Prisca und Nigrina ihn wieder hören können.
    “Ich schätze, nun ist die Zeit gekommen, dass ich meinen Worten Taten folgen lasse. Es ist beschlossen. Mich hält nichts mehr bei diesem Theaterstück. Ich gehe jetzt zur Villa Aurelia, um das Hausherrenpaar zu sprechen und Aurelius Corvinus um Priscas Hand zu bitten.“ Er lächelte zu Prisca hin, die Lupus so unbeherrscht Paroli geboten hatte, was Piso sehr gefallen hatte, auch wenn es ein bisschen kontraproduktiv gewesen sein mochte. Was Lupus jetzt tun würde, interessierte Piso eigentlich nicht wirklich. Nun, denn wer war Piso? Septemvir, und Quaesturkandidat. Und wer war Lupus? Ein Niemand. Ein Würstchen mit einem bombastischen Familiennamen. Nun gut, er würde Corvinus anheulen können. Böser Flavier, und so weiter. Aber erstens würde er sich damit als Karriere und als Heiratsverhandlung einen sehr unangenehmen Weg einhandeln. Und zweitens kannte Piso, als typischer Flavier, gute Stellen, um Attentäter anzuheuern, die sich Lupus, wenn er ein falsches Wort sagte, annehmen konnten. Piso äußerte diese Gedanken nicht, denn Lupus würde wohl auf eine Erpressung ebenso ungehalten reagieren, wie Piso selber, würde Lupus ihm gegenüber eine aussprechen. Und ohnehin – Piso betrachtete Lupus, nun ja, als keine ernsthafte Gefahr. Er würde gegenüber Corvinus einfach mit offenen Karten spielen, dann würde Lupus der Wind aus den Segeln genommen werden. Und selbst wenn irgendwas kommen würde, dann würde er Celerina als Jolly Joker spielen. Wenn der versagte, dann gab es Konsequenzen vielleicht, die bewirkten, dass die Beziehung zwischen Flaviern und Aureliern schon zu zerrüttet wäre, als dass eine Heirat zwischen Piso und Prisca ohne Einwilligung des Tutors die Beziehung noch mehr einbröckeln lassen könnte. Lupus konnte nur verlieren, wenn er sich aufspielte, und nur gewinnen, wenn er folgte – zum Beispiel eine großzügige Mitgift, und natürlich eine großartige Ehefrau, nach der sich alle die Finger abschlecken konnten (ja, Pisos Meinung über Nigrina hatte sich ungemein gebessert in den letzten Wochen).
    “Prisca, kommst du mit? Ich denke, es gibt Wichtigeres zu tun, als hier sich das Spektakel hier noch weiter zu betrachten. Nigrina, Lupus, ihr seid eingeladen, mitzukommen zur Villa Aurelia", bot Piso an mit einem freundlichen Lächeln. Was er an Lupus‘ Stelle nicht einmal tun würde. Denn sonst würde rauskommen, dass Lupus beim Treffen zwischen Piso und Prisca mitgewirkt, mitgeholfen und sich das ganze angesehen hatte. Corvinus wäre wenig erbaut.


    Sim-Off:

    EDIT: Habe ein bisschen piano gemacht mit Pisos Worten. ;)

  • Er hatte vorgehabt, den Wachhund zu fragen, wenn Prisca ihr Einverständnis gegeben hatte. Für einen winzigen Moment perplex, starrte Nigrina ihren Bruder an. Das war doch… warum um alles in der Welt hatte er sie dann auf diese Weise gefragt? Und so? Und hier? „Du…“ Nigrina fehlten die Worte. Was der Aurelier geflüstert hatte. Um Himmels Willen… Piso hatte in seinem Heiratsantrag nichts davon verlauten lassen, dass er überhaupt daran dachte den Wachhund zu fragen, was wunderte er sich da, dass Lupus nicht erfreut reagierte? Wie hätte Piso denn reagiert, hätte irgendjemand das bei ihr, Nigrina, getan, ohne dass er auch nur irgendetwas davon wusste? Aber bevor sie etwas sagen konnte, wandte Piso sich schon ab von ihr, nicht ohne vorher kurz ihre Hand zu drücken. Er antwortete laut, flüsterte dann dem Aurelier etwas zu, sprach erneut laut weiter. Und Nigrina war versucht, kurz die Augen zu schließen. Er wollte jetzt, jetzt, zum Wachhund. Um die Uhrzeit. Nach dieser Szene. Sie konnte nur ahnen, was der Aurelier denken mochte, aber nach dem Antrag ohne sein Wissen und Priscas Beleidigungen konnte Nigrina sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er begeistert sein würde. Nicht begeistert war hierfür vermutlich eher die Untertreibung des Jahres. Und sie konnte es verstehen. So sehr sie auch ausflippen konnte, letztlich wusste sie, was sich gehörte. Sie konnte ihren Bruder und jeden anderen aufs übelste beschimpfen, wenn sie wollte, aber sie tat das zu Hause. Sie beherrschte sich in der Öffentlichkeit. Frauen standen in diesen Dingen nun mal hinter Männern zurück, dafür hatten sie aber auch ganz klar andere Vorteile.


    In diesem Moment jedenfalls hatte Nigrina das Gefühl, dass die Situation auf eine Eskalation zusteuerte, mehr noch als bisher schon. Der Aurelier konnte sich das gar nicht gefallen lassen, und Piso wirkte auch nicht so, als ob er gedachte nachzugeben. Und Prisca schon gar nicht, wenn Nigrina sich in Erinnerung rief, was sie ihrem Cousin an den Kopf geworfen hatte. Blieb also nur noch sie – und so sehr sie Aufmerksamkeit genoss, wenn sich die beiden Kerle nun an die Gurgel gehen würden, wäre das ein handfester Skandal von solchen Ausmaßen, der einfach keinerlei positive Wirkung mehr nach sich ziehen konnte. Was für ein Licht würde das denn auf die Familie werfen, auf beide Familien? Ganz davon abgesehen, dass dann eine weitere eheliche Verbindung kaum zustande kommen würde, ganz gleich, was ihr Vater auch wollte. Nein, das hier durfte nicht eskalieren, und da sonst keiner irgendwie beruhigen wollte, nahm Nigrina eben das Heft in die Hand. Sie erhob sich mit einer fließenden Bewegung nun ebenfalls und machte einen Schritt nach vorne, bis sie, fast beiläufig, zwischen den beiden Männern stand. „Aurelius.“ Sie schenkte Lupus ihr charmantestes Lächeln, das darüber hinaus etwas enthielt, was sie ihm selten verlieh: eine entschuldigende Note. Ihr Tonfall jedoch war locker, leicht, beinahe scherzend. „Brüder ziehen selten die Unterhaltung ihrer Schwestern vor, wie du siehst.“ Dann wandte sie sich an Piso und legte ihm erneut eine Hand auf den Arm. „Aulus, mein Lieber. Du kannst mich hier doch nicht einfach alleine lassen, während du die Villa Aurelia stürmst. Noch dazu mit einem Fremden. Was würde Papá dazu sagen?“ Auch ihm lächelte sie zu, aber bei ihm war ihr Lächeln zugleich warnend wie bittend – nur ihr Tonfall blieb annähernd gleich, blieb locker, suchte die Spannung zu überspielen und zu entschärfen, die in der Luft lag. „Und vergiss nicht, wie spät es schon ist. Der Hausherr der Villa Aurelia wird kaum begeistert sein, wenn du jetzt bei ihm hereinplatzt. Warte doch bis morgen nach der Salutatio, um ihn aufzusuchen.“

  • Das Lächeln, das sich auf Sextus' Gesicht zeigte, mochte über seine Gedanken bei Priscas Worten hinwegtäuschen. Trottel, Schwachkopf, soso. Wer von ihnen beiden hatte denn nicht genug Weitblick, um die Folgen abzuschätzen? Vor allem diejenigen, die es für Sextus selber hätte. Auch wenn er so etwas wie Ehrgefühl für seine Gens verspürte (irgendwo ganz tief in ihm, gut verschlossen und eingesperrt) und es daher ganz und gar nicht goutieren konnte, wenn Piso sich derart unkonventionell verhielt, in erster Linie ging es ihm um sich selber. Und wie sollte er denn noch diese Verliebtheit und das alles für sich ausnutzen, wenn diese beiden liebestollen Vögel gleich mal munter zu Corvinus flattern und alles verderben würden? Und dieser, da war er sich nun sicher, würde von diesem Antrag vieles sein, aber nicht begeistert.
    “Wie wäre es mit der Wahrheit? Dass du dich über seinen Willen hinweggesetzt hast und ihn getroffen hast, obwohl du wusstest, dass er deinen Verehrer nicht goutiert? Ich bin sicher, er wird begeistert sein, davon zu hören, dass er dir einen Antrag in der Öffentlichkeit gemacht hat, ohne sich vorher seines Einverständnisses zu versichern.“
    Sextus wusste zwar nichts von dem expliziten Verbot, aber er konnte sich denken, dass es ein solches gab. Anders war Priscas Verhaltensweise und Corvinus Kommentar nicht zu deuten. Und er war sich sehr sicher, dass Corvinus ihm in dieser Sache Rückendeckung geben würde, selbst wenn er etwas übertrieb.
    “Aber du, teure Cousine, solltest dir lieber überlegen, was ich ihm stattdessen hätte erzählen können. Dass ich mit ihm hätte reden können und ihm erklären können, welch positiven Eindruck ich von meinem künftigen Schwager doch hätte. Welch redlicher Mann er ist, abgesehen von seiner weibischen Art, seine Gefühle zur Schau zu tragen. Wie ehrbar seine Absichten wären, und wie vorteilhaft eine tiefere Bindung zu den Flaviern. Denn meine Liebe, egal, was du auch dazu sagen magst, er wird dir nicht glauben. Du bist verliebt. Egal was er sagt, er wird ihm nicht glauben, denn er ist in dich verliebt.“ Sextus wechselte zu ihrem anderen Ohr, um weiter zu flüstern. “Ich hingegen... welche Interesse sollte ich haben, ihm etwas derartiges zu sagen, wenn es nicht die Wahrheit wäre?“Auch wenn sie nichts davon halten würde, ließ er seine Hände kurz einmal auf ihren Schultern ruhen und über ihren Nacken streichen. Zu gern hätte er ihr für ihre Worte den Hals umgedreht.
    “Aber nein, Helena glaubt in ihrer blinden Liebe an ihren Paris und will gleich mit ihm gehen. Meinst du, die Trojaner werden es dir danken, wenn du dich über den Willen Spartas hinwegsetzt? So viele Bindungen, so viel politischer Einfluss. Meinst du, wie werden dich aufnehmen als Tochter?“
    Sextus Hände waren bereits wieder verschwunden. Sein Lächeln hatte nur noch auf den ersten Blick etwas freundliches an sich und glich fast mehr einem leichten Zähnefletschen. “Wer zahlt doch gleich deine Mitgift? Der Mann, den du vor den Kopf zu stoßen gedenkst? Wahrscheinlich stürmt dein Paris gleich dessen Zitadelle, um dich zu fordern und mitzunehmen. Was meinst du, wie erfreut wird er wohl sein um diese Uhrzeit?“
    Sextus schnaubte einmal, aber es klang eher bitter als verächtlich. Langsam richtete er sich wieder auf. Er hatte keine Lust auf eine Szene, aber notfalls würde er auch eine zeternde Prisca hinausschleifen, wenn die beiden sich nicht beherrschen konnten.
    “Aber bitte, gehe hin und verbrenne Troja. Vergiss deinen Apfel nicht.“
    Und Sextus meinte seine Worte sogar einigermaßen ehrlich. Die Flavier würden sicher nicht begeistert sein, wegen so einer Sache einen Familienstreit mit den Aureliern vom Zaun zu brechen. Wenn Prisca nicht Corvinus Einverständnis hatte und auf ihr Recht klagen würde, wäre der Bruch sehr tief. Den Einfluss von drei Senatoren in der Curia, dazu den ganzen, die ihnen in der Meinung folgten... nein, die Flavier wären sicher nicht begeistert, wenn all dies aus einem so läppischen Grund wie der Liebe verlustig ging. Und Sextus würde sich wohl einen anderen Fürsprecher suchen müssen für das angestrebte Amt des Haruspex. Von seiner Stelle beim Consul ganz zu schweigen.


    Doch dieser verdammte Flavier konnte sich offenbar nicht beherrschen. Echote er da etwa seine Worte nach? Aber es kam noch besser. Oh, es kann bis vier zählen? Sextus lächelte belustigt. Drohte dieser eingebildete Pfau ihm doch tatsächlich, weil er derjenige war, der sich den Damen gegenüber falsch verhielt? Soweit noch ignorierbar, auch wenn Sextus Faust zu gern Bekanntschaft mit Pisos Gesicht gemacht hätte. Doch das danach war nicht mehr tolerierbar.
    “Beschlossen?“ fragte Sextus gerade noch einmal, als hätte er sich verhört. Er musste sich auch verhört haben, wenn dieser Kerl sich einbildete, er habe hier irgendeine Gewalt, etwas zu beschließen. Er konnte beschließen, heim zu gehen und seine Schwester mitzunehmen, aber alles, was Prisca betraf, lag momentan in Sextus Entscheidungsgewalt. Er war sehr sicher, dass Corvinus, der ihr Tutor war, jegliche seiner Entscheidungen unterstützen würde. Gut, vielleicht sollte er um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden den Flavier nicht unbedingt aus der Loge schmeißen und so das letzte bisschen Aufmerksamkeit von der Bühne ablenken. Aber dass er nun Prisca mit sich nehmen würde, egal wohin, das war gänzlich ausgeschlossen. Sollte sie zetern und schreien, aber das war beschlossene Sache. Wenn sie meinte, dass es ihren Marktwert noch weiter steigerte, wenn sie sich total lächerlich machte und morgen jeder in der Acta über ihr Fehlverhalten lesen würde, konnte er sie nicht davon abhalten. Dann war es auch gleichgültig, wenn er sie daraufhin nach Hause zerrte. Aber der Flavier würde definitiv nicht daran beteiligt sein.


    Sextus machte einen bedrohlichen Schritt auf den Mann zu, als ihm Einhalt geboten wurde. Nicht etwa von einem überraschenden Anflug an Männlichkeit seitens Piso, nein, von einem einfachen Lächeln seiner Schwester. Geschickt hatte sie sich zwischen sie beide geschoben und verhinderte so effektiv jede mögliche Bekanntschaft von Fäusten und Nasen (wenngleich Sextus sich beherrscht genug fühlte, damit bis draußen auf der Straße zu warten).
    Sextus senkte ganz leicht den Kopf und schenkte ihr einen anerkennenden Blick. “Wäre es kein Verbrechen, dich von der Jägerin zur Sklavin zu degradieren, ich würde dich, werte Flavia, der Briseis gleichsetzen. Solch sanftes Wort nötigte selten soviel Gehorsam ab.“
    Dass er sich damit mit Achill gleichsetzte, störte ihn nicht sonderlich. Auch wenn man es so hätte verstehen können, dass er Agamemnon sei und der Flavier der König von Pthia, aber nach Sextus Meinung taugte der noch nichtmal zum Patroklos.
    Er hoffte nur, dass auch seine Cousine zur Einsicht gelangt war. Mochte sie ihm auf der Straße weitere Beschimpfungen an den Kopf werfen, aber das hier würde nach seinen Bedingungen enden.

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