Officium | Die Götter sind allmächtig, doch wir sind es nicht

  • Leise umplätscherten die Klänge der Lyra nicht nur Gracchus' Gehör, sondern gleichsam sein Gemüt, hoben ihn fort in endlos weite Gefilde, wiegten ihn wie in einer nussschalenförmigen Schaukel aus Wolkenessenz, dass jede Sorge, ja jeder bloße Gedanke an irdisches Tun und Geschehen ihm fremd war, als wäre er kein Mensch mehr mit menschlichem Leben, sondern dem enthoben in epiphanes Sein. Er vernahm nicht die Türe, die geräuschlos sich öffnete, nicht die Schritte seines Vilicus Sciurus, welcher den Raum betrat und mit einer abrupten Geste den Lyraspieler zum Schweigen brachte, doch diese Absenz von Tönen, diese plötzlich eintretende Stille riss ihn unbarmherzig zurück in die Realität.
    "Was?"
    donnerte er missgelaunt zu seinem Sklaven hin, welcher den Lyraspieler aus dem Raum hatte geschickt und die Türe geschlossen. Sciurus indes ließ sich von der Laune seines Herrn weder aus der Ruhe bringen, noch beeindrucken. "Herr, Vescularius Salinator hat den Notstand über die Stadt ausgerufen."
    "Wie bitte?! Dieser wahnsinnige Kretin! Was hat er jetzt vor?!"
    Alle Ruhe und Entspannung wich aus Gracchus' Geiste als er sich aufrichtete und mit einem Hauch von Entgeisterung seinen Vilicus musterte, fern jedoch noch von allem Verständnis der Situation. "Es gibt Gerüchte, der Kaiser wäre tot."
    "Was? Aber ... "
    Augenblicklich versteifte alles sich in Gracchus' Innerstem. Waren die Parzen ihnen zuvorgekommen und hatten Aelianus' Lebensfaden durchtrennt, ehedem der Plan der Konspiranten konnte aufgehen? Oder hatte die Nachricht sie nicht rechtzeitig erreicht.
    "Ist es schon so weit?"
    "Es ist durchaus möglich, Herr, wir halten uns seit zwei Tagen bereit." Ein exaktes Datum hatte es natürlich nicht gegeben, doch hatten sie den Tag festgelegt, ab welchem die Ermordung des Imperators möglich war und ab welchem sie sich auf Eintreffen der Nachricht aus Misenum bereit halten sollten.
    "Ich muss sofort zu Durus!"
    Energisch stand Gracchus auf, doch Sciurus trat ihm in den Weg. "Es ist zu gefährlich, Herr. Die Straßen vor dem Haus sind wie leergefegt, niemand darf nach draußen. Alle Bürger sind angewiesen, in den Häusern und Wohnungen zu verharren, nur Patrouillen sind unterwegs."
    "Aber ..."
    Gracchus sank mutlos zurück auf seinen Stuhl. Er war nicht vorbereitet auf ein Scheitern ihres Planes, hatte nicht einen Augenblick an ihrem Erfolg gezweifelt, nicht daran zweifeln wollen. Doch irgendetwas war schief gegangen - dies war nicht vorgesehen in ihrem Plan. Wenn Salinator den Notstand über die Stadt hatte verhängen lassen, so bedeutete dies, dass er Furcht hatte - Furcht um seine Macht. Es gab kaum etwas schlimmeres, kaum etwas unberechenbareres als ein Wahnsinniger in Furcht, und zudem hatten die Flavier alle Gründe, seine Furcht zu fürchten. Ein leises Zittern nahm Besitz von Gracchus' Körper, nervös fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen.
    "Lasse eine Reisekiste packen für meine Gemahlin und Titus. Ri'hte Antonia aus, dass sie sich bereithalten soll, Rom zu ver..lassen. Sage ihr … sage ihr, dass ich um ihre Sicherheit fürchte ob des Not..standes wegen und sie Rom mit unserem Sohn verlassen wird, sobald die Möglichkeit dazu gegeben ist. Oh, und Flamma natürli'h auch. Minor wird hier bleiben, doch lasse für ihn, Flaccus und mich ebenfalls Reisegepäck vor..bereiten - nicht viel, nur soviel, dass wir … dass wir Rom schnell verlassen können, sofern es notwendig wird."
    Keinen Augenblick glaubte Gracchus daran, dass es eine Möglichkeit gäbe Rom zu verlassen, wenn der Vescularier die Verschwörung zerschlagen würde, wenn nur einer von ihnen in die Gewalt der Praetorianer gelangte und verhört würde werden. Sie konnten nurmehr zu den Göttern beten, dass derjenige würde an der Qual der Folter sterben, ehedem sein Geist gebrochen war und er die Namen der anderen würde nennen.
    "Und ... und hole das Gladius meines Vaters aus der Truhe. Ich … ich will es in meiner Nähe wissen."
    Er wusste, dass er nicht würde einer solchen Qual widerstehen können. Sollte der Zorn des Praefecuts ihn zuerst treffen, so musste er einem Geständnis zuvorkommen - auf Kosten seines eigenen Lebens.

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  • CAPITVLVM XX.


    ·ILLA·QVÆSTIO·EST·MAIOR·EX·MEDIIS·ARTIBVS·QVÆ·NEQVE·LAVDARI·PER·SE·NEC·VITVPERARI·POSSVNT·SED·VTILES·AVT·SECVS·SECVNDVM·MORES·VTENTIVM·FIVNT·HABENDA·SIT·RHETORICE·AN·SIT·VT·COMPLVRIBVS·ETIAM·PHILOSOPHORVM·PLACET·VIRTVS·EQVIDEM·ILLVD·QVOD·IN·STVDIIS·DICENDI·PLERIQVE·EXERCVERVNT·ET·EXERCENT·AVT·NVLLAM·ARTEM·QUÆ·ATEXNIA·NOMINATVR·PVTO·MVLTOS·ENIM·VIDEO·SINE·RATIONE·SINE·LITTERIS·QVA·VEL·IMPVDENTIA·VEL·FAMES·DVXIT·RVENTES·AVT·MALAM·QVASI·ARTEM·QVAM·KAKOTEXNIAN·DICIMUS·NAM·ET·FVISSE·MVLTOS·ET·ESSE·NONNVLLOS·EXISTIMO·QVI·FACVLTATEM·DICENDI·AD·HOMINVM·PERNICIEM·CONVERTERINT·MATAIOTEXNIA·QVOQVE·EST·QVÆDAM·ID·EST·SVPERVACVA·ARTIS·IMITATIO·QVÆ·NIHIL·SANE·NEQVE·BONI·NEQVE·MALI·HABEAT·SED·VANUM·LABOREM·QVALIS·ILLIVS·FVIT·QVI·GRANA·CICERIS·EX·SPATIO·DISTANTE·MISSA·IN·ACVM·CONTINVO·ET·SINE·FRVSTRATIONE·INSEREBAT·QVEM·CVM·SPECTASSET·ALEXANDER·DONASSE·DICITVR·EIVSDEM·LEGVMINIS·MODIO·QVOD·QVIDEM·PRAEMIVM·FVIT·ILLO·OPERE·DIGNISSIMVM·HIS·EGO·COMPARANDOS·EXISTIMO·QVI·IN·DECLAMATIONIBVS·QVAS·ESSE·VERITATI·DISSIMILLIMAS·VOLUNT·ÆTATEM·MVLTO·STVDIO·AC·LABORE·CONSVMVNT·VERUM·HÆC·QVAM·INSTITVERE·CONAMVR·ET·CVIVS·IMAGINEM·ANIMO·CONCEPIMVS·QVÆ·BONO·VIRO·CONVENIT·QVÆQVE·EST·VERE·RHETORICE·VIRTUS·ERIT·QUOD·PHILOSOPHI·QVIDEM·MVLTIS·ET·ACVTIS·CONCLVSIONIBVS·COLLIGVNT·MIHI·VERO·ETIAM·PLANIORE·HAC·PROPRIEQVE·NOSTRA·PROBATIONE·VIDETUR·ESSE·PERSPICVVM·ILLA·QVÆSTIO·EST·MAIOR·EX·MEDIIS·ARTIBVS·QVÆ·NEQVE·LAVDARI·PER·SE·NEC·VITVPERARI·POSSVNT·SED·VTILES·AVT·SECVS·SECVNDVM·MORES·VTENTIVM·FIVNT·HABENDA·SIT·RHETORICE·AN·SIT·VT·COMPLVRIBVS·ETIAM·PHILOSOPHORVM·PLACET·VIRTVS·EQVIDEM·ILLVD·QVOD·IN·STVDIIS·DICENDI·PLERIQVE·EXERCVERVNT·ET·EXERCENT·AVT·NVLLAM·ARTEM·QUÆ·ATEXNIA·NOMINATVR·PVTO·MVLTOS·ENIM·VIDEO·SINE·RATIONE·SINE·LITTERIS·QVA·VEL·IMPVDENTIA·VEL·FAMES·DVXIT·RVENTES·AVT·MALAM·QVASI·ARTEM·QVAM·KAKOTEXNIAN·DICIMUS·NAM·ET·FVISSE·MVLTOS·ET·ESSE·NONNVLLOS·EXISTIMO·QVI·FACVLTATEM·DICENDI·AD·HOMINVM·PERNICIEM·CONVERTERINT·MATAIOTEXNIA·QVOQVE·EST·QVÆDAM·ID·EST·SVPERVACVA·ARTIS·IMITATIO·QVÆ·NIHIL·SANE·NEQVE·BONI·NEQVE·MALI·HABEAT·SED·VANUM·LABOREM·QVALIS·ILLIVS·FVIT·QVI·GRANA·CICERIS·EX·SPATIO·DISTANTE·MISSA·IN·ACVM·CONTINVO·ET·SINE·FRVSTRATIONE·INSEREBAT·QVEM·CVM·SPECTASSET·ALEXANDER·DONASSE·DICITVR·EIVSDEM·LEGVMINIS·MODIO·QVOD·QVIDEM·PRAEMIVM·FVIT·ILLO·OPERE·DIGNISSIMVM·HIS·EGO·COMPARANDOS·EXISTIMO·QVI·IN·DECLAMATIONIBVS·QVAS·ESSE·VERITATI·DISSIMILLIMAS·VOLUNT·ÆTATEM·MVLTO·STVDIO·AC·LABORE·CONSVMVNT·VERUM·HÆC·QVAM·INSTITVERE·CONAMVR·ET·CVIVS·IMAGINEM·ANIMO·CONCEPIMVS·QVÆ·BONO·VIRO·CONVENIT·QVÆQVE·EST·VERE·RHETORICE·VIRTUS·ERIT·QUOD·PHILOSOPHI·QVIDEM·MVLTIS·ET·ACVTIS·CONCLVSIONIBVS·COLLIGVNT·MIHI·VERO·ETIAM·PLANIORE·HAC·PROPRIEQVE·NOSTRA·PROBATIONE·VIDETUR·ESSE·PERSPICVVM·MAIOR·EX·MEDIIS·ARTIBVS·QVÆ·NEQVE·LAVDARI·PER·SE·NEC·VITVPERARI·POSSVNT·SED·VTILES·AVT·SECVS·SECVNDVM·MORES·VTENTIVM·FIVNT·HABENDA·SIT·RHETORICE·AN·SIT·VT·COMPLVRIBVS·ETIAM·PHILOSOPHORVM·PLACET·VIRTVS·EQVIDEM·ILLVD·QVOD·IN·STVDIIS·DICENDI·PLERIQVE·EXERCVERVNT·ET·EXERCENT·AVT·NVLLAM·ARTEM·QUÆ·ATEXNIA·NOMINATVR·PVTO·MVLTOS·ENIM·VIDEO·SINE·RATIONE·SINE·LITTERIS·QVA·VEL·IMPVDENTIA·VEL·FAMESvDVXIT·RVENTES·AVT·MALAM·QVASI·ARTEM·QVAM·KAKOTEXNIAN·DICIMUS·NAM·ET·FVISSE·MVLTOS·ET·ESSE·NONNVLLOS·EXISTIMO·QVI·FACVLTATEM·DICENDI·AD·HOMINVM·PERNICIEM·CONVERTERINT·MATAIOTEXNIA·QVOQVE·EST·QVÆDAM·ID·EST·SVPERVACVA·ARTIS·IMITATIO·QVÆ·NIHIL·SANE·NEQVE·BONI·NEQVE·MALI·HABEAT·SED·VANUM·LABOREM·QVALIS·ILLIVS·FVIT·QVI·GRANA·CICERIS·EX·SPATIO·DISTANTE·MISSA·IN·ACVM·CONTINVO·ET·SINE·FRVSTRATIONE·INSEREBAT·QVEM·CVM·SPECTASSET·ALEXANDER·DONASSE·DICITVR·EIVSDEM·LEGVMINIS·MODIO·QVOD·QVIDEM·PRAEMIVM·FVIT·ILLO·OPERE·DIGNISSIMVM·HIS·EGO·COMPARANDOS·EXISTIMO·QVI·IN·DECLAMATIONIBVS·QVAS·ESSE·VERITATI·DISSIMILLIMAS·VOLUNT·ÆTATEM·MVLTO·STVDIO·AC·LABORE·CONSVMVNT·VERUM·HÆC·QVAM·INSTITVERE·CONAMVR·ET·CVIVS·IMAGINEM·ANIMO·CONCEPIMVS·QVÆ·BONO·VIRO·CONVENIT·QVÆQVE·EST·VERE·RHETORICE·VIRTUS·ERIT·QUOD·PHILOSOPHI·QVIDEM·MVLTIS·ET·ACVTIS·CONCLVSIONIBVS·COLLIGVNT·MIHI·VERO·ETIAM·PLANIORE·HAC·PROPRIEQVE·NOSTRA·PROBATIONE·VIDETUR·ESSE·PERSPICVVM·


    Vertieft in das Studium der quintilianischen institutio oratoria hatte Flaccus das Eintreten des griechischen Jünglings Patroklos, welcher ihm schon lange als treuer Freund zur Seite stand und in gegenwärtigen Tagen ob der sich ausdehnenden Abwesenheit des greisen Myson immer häufiger in seiner Gesellschaft zu finden war, nicht wahrgenommen, bemerkte auch nicht dessen anschließende Präsenz in seinem Rücken, wo der Jüngling offensichtlich mit sich selbst zu ringen im Begriff war, ob die Nachricht, welche er dem Flavius zu überbringen trachtete, ausreichende Wichtigkeit besaß, um jenen aus seinen Studien zu reißen. „Herr…“, wandte er sich schließlich reichlich zögerlich mit einer sanften Berührung seiner Schulter doch an den in seine Schriften Versunkenen, welcher unvermutet empor schreckte und den Griechen mit einer Mischung aus Erschrecken und blankem Ärger anstarrte. „Herr, der Stadtpräfekt hat den Notstand ausgerufen.“ In einem raschen Aufflackern veränderte sich die Miene des Flaviers und der Ausdruck des Ärgers ob der unvermuteten Störung wich blankem Entsetzten. „Das kann nicht wahr sein.“, murmelte er entgeistert, „Heißt das also..“, er brach ab, klang mit einem Mal seltsam heiser. „Das Gerücht vom Tod des Kaisers schwebt über der Stadt.“, fügte Patroklos sanft an, ehe er einen Schritt zurück trat und in unnachahmbar anmutiger Weise den Blick zu Boden senkte, während sein rechtes Bein zart das linke umspielte. Sein Herr indes versuchte die Nachrichten zu überdenken, welche ihm nun gleich einem Damoklesschwert über ihm selbst, doch auch seiner Familie und der ganzen Gruppe der Verschwörer zu schweben schienen.

    Nach einigen Augenblicken sprang er jedoch plötzlich auf, um raschen Schrittes sein cubiculum zu verlassen und mit wehender tunica dem Arbeitszimmer seines Onkels zuzueilen, welches er nach kurzem, energischem Klopfen, ohne eine Antwort abzuwarten, stürmisch betrat. Sein Blick traf Gracchus, und bereits in dem Bruchteil eines Augenblicks war ihm bewusst, dass auch jener bereits Kunde erhalten haben musste, lag doch auch in seinen Augen der fahle Glanz der Nervosität. „Was sollen wir jetzt tun?“, hob er an, und seine Stimme klang kraftvoll, ohne zu zittern, ganz so, als ob er ein vorangegangenes Gespräch würde fortsetzen. Offenbar war etwas an dem Plan schief gegangen, und Salinator hatte bereits vor den Verschwörern Kunde vom Tod des Kaisers erhalten, ein Umstand, den Flaccus niemals als möglich in Betracht gezogen hätte.


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  • Auf die Frage seines Neffen hin erhob sich Gracchus, so als würde er durch die stehende Position einen besseren Überblick haben über die Geschehnisse in Rom. Er straffte seine Schultern und suchte alle Befürchtungen aus seinem Äußeren, aus seiner Stimme und seinen Worten zu vertreiben.
    "Es gilt nun, Ruhe zu bewahren, so lange bis wir wissen, was tatsächli'h geschehen ist, doch gleichsam Vorsorge zu treffen für die schlimmste aller Möglich..keiten."
    Im Grunde hätten sie dies längst tun müssen, hätten nicht vertrauen dürfen im Lauf Fortunens Rad nur empor zu schwingen, sondern von Beginn an sich auf das Scheitern vorbereiten.
    "Noch ist nicht alles verloren. Das Testament ist hinterlegt und wenn es erst verlesen ist, wird die Mehrheit des Senates hinter Cornelius - den re'htmäßigen Erben - sich stellen. Sobald dieser an der Macht ist, werden wir uns des Vesculariers en..tledigen. Allfällig müssen wir hierfür ein wenig umdisponieren, doch es sollte nicht allzu schwer werden, ihn auch dann noch anzuklagen."
    Kurz zögerte Gracchus, blickte Flaccus ernst an.
    "Allfällig jedoch wird Vescularius das Testament öffnen, ehedem es offiziell ver..lesen wird, und es dann verschwinden lassen oder selbst noch einmal ändern. In diesem Falle müssen wir darauf vertrauen, im re'hten Augenblicke zu wissen, was zum Wohle des Imperium Romanum tun ist, oder so lange still halten, bis dies alles hinter uns liegt, so dass wir uns neu formieren können. Mögli'herweise ist der Kaiser nicht durch uns … ver..storben, sondern an seinem Leiden. Es gibt dann keine Gefahr für uns, solange wir nicht den Vescularier herausfordern."
    Er atmete tief ein.
    "Sollte er jedoch einen Verdacht hegen oder gar Beweise für den ... den Mord finden, so werden wir Rom verlassen müssen, zuerst gen Norden, zu Aurelius Ursus, eventuell weiter. Gelingt uns dies nicht ..."
    Ein Kloß formierte sich in Gracchus' Hals und er sträubte sich dagegen, weiter zu sprechen, doch es gab keine Möglichkeit mehr, Flaccus zu schützen. Tiberius hatte ihn als sein Klient in diese Sache mit hinein gezogen, alle wussten um seine Beteiligung, wie er um die aller anderen wusste.
    "Mut steht am Anfang des Handelns, Glück an seinem Ende -, so sagte es Demorkrit. Wir haben den Mut be..wiesen, zu Handeln, doch allfällig fehlt uns zuletzt das Glück zu einem für uns guten Ende. Wenn es soweit kommt, Flaccus, wenn dir nichts bleibt als deine Ehre, so gefährde sie nicht und tue, was ein Mann tun muss, seine Ehre zu be..wahren, gleich was dies in jenem letzten Augenblicke auch bedeuten mag."
    Er mochte nicht von Schwertern sprechen, nicht von Freitod, um andere zu schützen, doch er war sich sicher, Flaccus würde verstehen, was er meinte. Sie hatten sich für diesen Weg entschieden in einer vagen Ahnung, einer vagen Hoffnung, wohin er würde führen - doch sie würden ihn zuende gehen müssen, einerlei wo er endete.

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  • Ernst und ein wenig trotzig legten sich die Züge des jüngeren Flaviers in tiefe Furchen. Er wollte Gracchus an die Stirn werfen, dass es niemals gelingen würde Salinator zu stürzen, selbst, wenn der Inhalt des Testaments ans Tageslicht käme, dass jener, einer wilden, verletzten Bestie gleich, mit aller bracchialen Gewalt und Macht der urbanen Kohorten um sich würde schlagen, um das gesamte Patriziat mit sich in die Tiefen des Hades zu reißen. Dass nun im besten Falle noch ein Bürgerkrieg würde entbrennen, um des Vesculariers Tyrannis zu beenden, im schlimmsten Falle jener selbst sich zum Imperator würde ausrufen lassen, um seine Legionen vor die Tore der Stadt zu ziehen. In beinahe theatralisches Gelächter wollte er ausbrechen, als Gracchus tatsächlich die Vermutung aussprach, der Ulpier wäre möglicherweise sogar seiner Krankheit erlegen, weshalb den Verschwörern in diesem besten aller Fälle im Grunde doch kaum Gefahr drohen konnte, würden sie sich nur ruhig verhalten. Nein, es lag doch auf der Hand: Ein kleines Glied in der komplexen Kette des Plans musste versagt haben, der Attentäter zu früh losgeschlagen, der Bote abgefangen, sodass nun dem elenden Salinator genügend Zeit geblieben war, um seine Soldaten um sich zu scharen und den Notstand auszurufen. - Nichts von alledem fand jedoch tatsächlich einen Weg über die Lippen des Flavius welcher lediglich stumm zu den Worten seines Onkels nickte. Ein bitterer Schatten huschte nur bei Gracchus' Überlegungen zu den Worten jenes Philosophen, in dessen Lehre bereits der greise Nikodemos den Jüngling früh unterwiesen hatte, über die verzerrten Züge des jungen Mannes. Sollte sich etwa so das Zeichen der Göttin erklären?
    Er atmete tief ein.
    "Ich werde alles vorbereiten lassen, um bereit zu sein, falls es notwendig wird, die Stadt zu verlassen."
    Beherrscht blickte er in die Augen seines Onkels, ehe er sich umwandte, um ihn zu verlassen, und die Flucht aus Rom vorzubreiten.

  • Noch ehedem Flaccus den Raum konnte verlassen, drang ein stürmisches Pochen von der Türe her, welches alle Aufmerksamkeit auf sich zog, insbesondere diejenige Sciurus', welcher öffnete. Der junge Sklave auf dem Gang jedoch setzte sich über alle Regeln des Hauses hinweg, ignorierte den Vilicus beinah und trat an ihm vorbei, atemlos seinen Herren zu berichten, was sich zugetragen hatte.
    "Die Praetorianer waren hier!"
    Augenblicklich durchzog ein Ruck Gracchus' Leib, dass allen in ihm sich spannte, erfasste er aus dem Satz des Sklaven doch nicht die gegenwärtige Situation, sondern einzig die Präsenz der Praetorianer. Panik wallte in ihm empor, dass er einen Herzschlag lang glaubte, daran ersticken zu müssen, brach über ihn hinweg, nur um im nächsten Augenblicke bereits abrupt in den Tiefen seines selbst zu versinken, dass eine trügerische Woge unerschütterlicher Ruhe sich um ihn legte. Wenn alles zu spät war, so hatte es keinen Sinn in kopfloses Agieren zu verfallen, blieb ihnen nur der Stolz, blieb ihnen nur die Ehre ihrer Familie - denn es waren dies keine hohlen Phrasen, keine leeren Sätze, es waren Maximen ihrer Familie, welche sie seit ihrer Geburt in Seele, Geist, Herz, Fleisch und Blut hatten aufgenommen.
    "Sind sie in das Haus einge..drungen?"
    Seit jeher hegte Gracchus eine Aversion gegen die kaiserliche Garde, ohne recht zu wissen, weshalb, doch vermutlich resultierte sie schlichtweg aus der großen Furcht, welche er vor ihrem Einfluss und ihren Möglichkeiten hatte.
    "Sie sind schon wieder weg! Sie wollten mit Herrn Furianus sprechen, und Acanthus hat sie deswegen zu seinem Landsitz geschickt."
    "Mit Furianus?"
    fragte Gracchus irritiert nach, hob seine Braue und blickte sodann zu Flaccus. Einige Augenblicke kaute er nachdenklich auf seiner Unterlippe herum, ehedem er seinen Gedanken Form verlieh.
    "Das ist überaus eigentümlich, doch in jedem Falle bedenkli'h. Es mag bedeuten, dass Vescularius von der Konspiration weiß, doch nicht die Namen der Beteiligten kennt, und nun sich in Spekulationen ergibt. Furianus hat ihn durchaus das ein oder andere Mal im Senat mit nicht eben wohl..wollenden Worten bedacht, so dass dieser Verdacht für den Praefectus mag nahe liegen. Indes würde dies ebenso bedingen, dass die tatsächli'hen Beteiligten in Gefahr sind, hat doch auch Vinicius Lucianius vor den lezten Wahlen sich überaus kritisch geäußert, so dass zweifels..ohne auch er auf der Liste der Verdächtigen wird stehen. Dies wiederum ist auch gegen uns bedrohli'h, denn ich traue dem Vinicier durchaus zu, unsere Namen gegen sein Leben oder auch nur einen angenehmen Tod statt der Folter einzutauschen."
    Wieder folgte jenes stockende Zögern, welches aufzeigte, dass Gracchus suchte unter Beachtung aller ihm vorliegenden Informationen alle denkbaren Möglichkeiten abzuwägen.
    "Oder aber der Praefectus hat bereits die Macht an sich gerissen und schlichtweg Proskriptionslisten veröffentli'ht. Dies wäre für uns persönlich das geringste, wenn auch das für Imperium schlimmste aller Übel, denn weder du, noch ich haben ihn je direkt angegriffen, so dass uns vor..erst keine direkte Gefahr würde drohen. Obgleich er dies zweifelsohne gerne würde tun, so wird Vescularius nicht gleich die gesamte Patrizierschaft beseitigen, so dass uns genügend Zeit würde bleiben, einen Ausweg zu finden."
    Ein Seufzen bahnte sich seinen Weg Gracchus' Kehle empor, wurde jedoch noch in seinem Rachen durch weitere Worte an seinem Entweichen gehindert.
    "Die Gegebenheit, dass er von uns weiß und nun versu'ht herauszufinden, ob Furianus ebenfalls beteiligt ist, ist dagegen unwahrscheinlich. Der Praefectus würde zweifelsohne sich nicht die Mühe machen, Furianus von einem Ver..dacht frei zu sprechen, sondern ihn gleich mit beseitigen."
    Ein wenig indigniert ob der Tatsache, dass im Grunde alles und gleichsam nichts passiert sein konnte, dass sie nicht das geringste wussten bis auf die Tatsache, dass etwas schief gegangen war, wischte Gracchus alle Überlegungen mit einer flüchtigen Handbewegung bei Seite.
    "Es nützt alle Spekulation nichts, wir müssen uns bereithalten, doch vorerst heraus..finden, was in der Stadt vor sich geht! Sciurus"
    , blickte er auffordernd zu seinem Vilicus, welcher nur stumm nickte und sich anschickte, den Raum zu verlassen.
    "Aber sei vorsichtig, ich brauche dich noch."
    Mit einem weiteren Nicken verschwand der Sklave durch die Türe.
    "Sofern es keine unerwarteten Wendungen gibt, welche vorheriges Handeln würde bedingen, werden wir ab..warten bis der Senat zusammengekommen ist. Selbst wenn er wahnsinnig ist, wird der Vescularier nicht am Senat vorbeikommen!"
    Wie auch seine Vorstellung über die Vollkommenheit des Imperium Romanum, über das Ideal der Person des Kaisers, über die wahrhaftige und einzig dem Wohl des Staates zugewandte Politik, so war auch Gracchus' Vision über die Stellung des Senates überaus naiv, selbst durch das Wissen um die tatsächliche Beschaffenheit des Gremiums und seiner Mitglieder, die zuzeiten vorherrschende Korruption und Machtsucht nicht getrübt - wiewohl er im gleichen Atemzuge nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie rigoros und kaltblütig Vescularius Salinator tatsächlich die Situation für sich würde nutzen.
    "An unseren Vorkehrungen indes ändert dies nichts."

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  • Bereits zur Türe gewandt, um eiligst alles Notwendige zu veranlassen, hielt ein stürmisches Hämmern an derselben den jungen Flavius davon ab, sein Vorhaben umgehend in die Tat umzusetzen, sodass er lediglich etwas irritiert den hereinhastenden Sklaven musterte, ehe sich seine Augen vor Schreck weiteten. Entsetzt blickte er zu Gracchus, dessen edle Gestalt immernoch von einer unfassbaren Aura der Ruhe und stolzen Gleichgültigkeit umflort schien. Flaccus selbst zwang sich mit Gewalt zur Ruhe, wenngleich es ihm schwer fiel, bei den folgenden Worten des Sklaven die Fassungslosigkeit aus seinem Gesichte zu drängen. Furianus, jener Verwandte, der bei Flaccus' Ankunft in Rom gerade sein Konsulat bestritten hatte, war hernach schon bald aus dem Blickfeld des Jüngeren verschwunden, wenngleich großzügige Geldgeschenke ihm seine Existenz in regelmäßigen Abschnitten wieder ins Gedächtnis gerufen hatten. Dennoch hatte er kaum erwartet, dass jener just in diesem Moment und in jenem Zusammenhang gleichsam wieder in sein unmittelbares Leben würde treten, obschon die bloße Tatsache der Abwendung der unmittelbarsten Gefahr, welche von den Praetorianern ausgehen mochte, ihn seltsam erleichterte. Gracchus selbst übernahm es nun allerdings, die neue Information gewissermaßen nach allen Gesichtspunkten der Logik zu zergliedern, um hernach die einzelnen Teile gegeneinander abzuwägen, wenngleich schließlich doch nur die Erkenntnis der Sinnlosigkeit, sich weiteren Spekulationen hinzugeben, das Ende der Betrachtung der gegenwärtigen Situation bilden konnte. So mochte es auch nur als der notwendigste Schritt gelten, Sklaven auszusenden, um auf diesem Wege genauere Kenntnis der Lage in der Stadt zu erhalten, sodass Gracchus sogleich seinen Vilicus aufforderte, selbiges zu erledigen. Die gutgläubige Naivität, mit welcher er allerdings den Senat gleichsam als letztes Bollwerk, welches der Präfekt würde überwinden müssen, beinahe schon karikierte, entlockte seinem jüngeren Verwandten doch ein verzweifeltes Lächeln. "Salinator hat sich bisher schon wenig aus Konventionen und Traditionen gemacht. Die Macht liegt längst bei ihm, er wird sich durch den Wegfall jenes Schleiers an Legitimität kaum aufhalten lassen ..." Die Niedertracht des Vesculariers war wenigstens in der überzeichneten Vorstellung, die Flaccus selbst sich von seiner Person gemacht hatte, schier grenzenlos und die Bestie selbst zu jeder Grausamkeit fähig. Dennoch mochte dies tatsächlich nichts an den bereits getroffenen Vorbereitungen ändern, sodass der jüngere Flavius ernst seinen Verwandten anblickte.
    "Ich werde bereit sein."

  • Es war der Abend des zweiten Tages der Ausgangssperre, am Vormittag desselben die Senatoren waren zusammen gekommen, um von Vescularius Salinator die offizielle Benachrichtigung über den Tod - über die Ermordung - des Imperators Caesar Augustus und seiner Familie zu erhalten. Doch die Zusammenkunft war nicht annähernd so vorteilhaft verlaufen, wie Gracchus dies hatte erhofft. Das Testament des Ulpius, welches sie zuvor auf so aufwändig hatten gefälscht und ausgetauscht, würde im Beisein Vescularius Salinators geöffnet werden, respektive durch ihn selbst, so man seine Handlanger nurmehr als Werkzeuge betrachtete. Vermutlich würde er dafür Sorge tragen, dass eine ihm wohlgesonnene Vestalin das Testament herbeiholte oder gar sie durch die Autorität seines Amtes bedrohen, so dass kaum jemand würde überwachen können, was er letztlich damit würde anfangen. Bis zur nächsten Zusammenkunft des Senates würde Potitus Vescularius Salinator zweifelsohne genügend Zeit bleiben, das Testament durch ein anderes, ihm wohlgefälliges auszutauschen - und dass er diese Möglichkeit würde nutzen, daran zweifelte Gracchus nicht. Die Ausgangssperre blieb zudem weiterhin bestehen, so dass die Teilnehmer der Konspiration kaum nur konnten irgendwie zusammen kommen, um den weiteren Fortgang ihres Handelns abzustimmen. Tiberius Durus war nicht erst in der Sitzung erschienen, was Gracchus ein wenig Sorge bereitete, Cornelius Palma war im Anschluss daran derart eilig aufgebrochen, dass er keine Gelegenheit dazu hatte gefunden, auch nur wenige Worte mit diesem zu wechseln. Als er dann nach Vinicius Lucianus hatte Ausschau gehalten, waren die Senatoren bereits dabei, das Gebäude zu verlassen, so dass er tatsächlich nicht mit Sicherheit konnte bestimmen, ob der Vinicier war überhaupt anwesend gewesen oder nicht - zumindest hatte er sich in der Diskussion nicht geäußert. Aurelius Avianus, welcher irgendwo in der Reihe hinter ihm musste gewesen sein, hatte Gracchus ebenfalls nicht mehr entdecken können, auch, da seine Aufmerksamkeit in diesem Augenblicke von seinem Freund Cornelius Scapula war annektiert worden. Leise, so dass niemand außer ihm es konnte hören, hatte Cornelius Scapula draußen auf dem Forum vor der Curia Iulia ihm zugeflüstert: Dies ist das Anfang vom Ende! Wenn Ulpius überhaupt einen weiteren oder anderen Erben als seinen Sohn in sein Testament aufgenommen hat, dann ist das Vescularius Salinator. Und wenn nicht, dann wird der Praefectus die Gelegenheit nutzen, um endlich die Macht offiziell an sich zu reißen, welche er de facto sowieso längst ausfüllt. Ich sage es dir, Gracchus, dies ist das Ende des Imperium Romanum wie wir es kennen, und gerade für unsereins wird nicht viel mehr übrig bleiben als die ständige Furcht vor dem nächsten wahnwitzigen Beschluss des Vesculariers! Gracchus hatte ihn nur stumm angeblickt, hatte hastig versucht, seine Gedanken zu sortieren, wollte seinem Freund entgegnen, dass es einen Ausweg gab, dass sie nicht würden zulassen, dass Vescularius Salinator alle Macht an sich riss, doch er hatte es nicht über sich gebracht, auch nur ein Wort dessen auszusprechen, dass Scapula sich nur mit einem Gib auf dich acht! hatte verabschiedet und war zu seiner Sänfte gegangen, da die Urbaner bereits damit hatten begonnen, die Senatoren aufzufordern, den Platz zu räumen und zu ihren Häusern zurück zu kehren. Im Nachhinein nun schien es Gracchus beinah, als hätte Scapula gewusst, was er hatte getan, als wäre er in das Vorhaben des mit ihm weitläufig verwandten Cornelius Palma eingeweiht, gleichwohl als hätten sie beide in diesem Moment seiner eigenen Sprachlosigkeit erkannt, dass es keinen Ausweg gab, dass der Augenblick der Entscheidung längst gefallen war, dass die Konspiration gegen Vescularius längst hatte verloren und sie statt das Imperium zu retten einen Tyrannen hatten erschaffen.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Einige Zeit später trat Sciurus in den Raum, hielt sich nicht auf mit langen Reden, verdüsterte die Szenerie, welche über der Villa Flavia lag, mit weiteren Worten, gänzlich emotionslos, gänzlich tonlos als würde er Gracchus die neuesten Nachrichten aus einer fernen Provinz verlesen.
    "Es gibt noch keine Neuigkeiten von Furianus, Herr. Bei den Viniciern waren die Praetorianer gestern ebenfalls, doch keiner weiß etwas genaueres, außer dass auch eine Abordnung zum Landsitz des Vinicius Hungaricus gesandt wurde. Über den Aufenthaltsort des Vinicius Lucianus konnte ich leider nichts in Erfahrung bringen. Bei den Aurelier scheint die Garde nicht gewesen zu sein, doch gibt es beunruhigendes Gerede über den Verbleib des Tiberius Durus, das zu einheitlich ist, als dass es sich um bloße Gerüchte handeln kann. Die einen berichten, dass die Praetorianer gewaltsam in das Haus eingedrungen sind und Tiberius, sowie alle Mitglieder der tiberischen Familie, die sich dort befanden, ohne Zögern getötet haben. Andere berichten, dass die Praetorianer beim Eindringen in das Haus angegriffen wurden und alle Tiberier im daraufhin entbrennenden Kampf getötet wurden. Wiederum andere berichten, dass es zu dem Kampf kam, Tiberius Durus sich und den Seinen aber längst selbst das Leben genommen hatte und die kaiserliche Garde nur noch ihre Leichen fand. Einig sind sich alle, dass die Praetorianer gewaltsam in das Haus eingedrungen sind und Tiberius Durus und seine Familie tot sind."
    "Mehercule!"
    war das einzige, das Gracchus im Stande war, seinem Sklaven mit weit geöffneten Augen zu entgegen. Er schloss und öffnete seinen Mund einem Fisch auf dem Trockenen gleich, doch nichts als schwerer Atem drang noch über seine Lippen, während vor seinen Augen die Welt in undeutliche Schlieren verschwamm, um seine Kehle sich dürre Finger legten und in seinem Magen ein tosendes Gewitter entstand, dass in ihm das Gefühl aufwallte, gleichzeitig ersticken und sich übergeben zu müssen. Stöhnend legte er seine Arme um den Bauch und presste die Augen zusammen, suchte sich an die Gelassenheit, Gravitas und Contenance zu erinnern, die irgendwann einmal - es musste ein früheres Leben gewesen sein, so fern schien ihm dies nun - ein Teil seines Charakters gewesen war, doch der Augenblick des Entsetzens, die geballte Furcht und nackte Panik umhüllten ihn, erdrückten ihn den grausigen, blassen Leibern auf einem Leichenhaufen gleich, unter welchem er begraben war. Ein Rauschen durchdrang seine Sinne, das zu einem quietschenden Schreien sich erhob, das Geifern und Kreischen der Larven, die ihn umtanzten, umschlangen und liebkosten, nun, da sein Weg zu ihnen bereitet war. Sciurus trat zu seinem Herrn heran, fasste ihn an den Schultern, doch Gracchus bemerkte es nicht, nahm nur die eisigen Klauen der Lemuren wahr, die um seinen Hals drückten, ihm auf der Brust lagen und seinen Leib zerquetschten, und er wusste, würde er in diesem Augenblicke in den Tod sich flüchten, er wäre auf alle Zeiten verdammt, mit ihnen zu ziehen.
    "Nein ..."
    keuchte er, dass Sciurus nun begann ihn sacht an den Schultern zu rütteln, ihn in die Realität zurück zu holen, wie er so oft des Nachts es tat, seinen Herrn aus einem Nachtmahr zu retten, doch als Gracchus mühsam die Augen öffnete, war der Alb nicht entschwunden, sondern er inmitten darin gefangen. Mühsam krochen die Worte aus seiner Kehle über seine Lippen, einem Verdurstenden in der Wüste gleich, welcher kraftlos über steiniges Geröll sich dahin schleppte.
    "Wir ... wir müssen Rom verlassen. Allesamt ..."
    Sciurus nickte. "Heute Nacht wäre ein guter Zeitpunkt, Herr, wenn die Nahrungsmittel in die Stadt und die leeren Karren wieder hinaus gebracht werden. Es sind dann noch zu viele Menschen unterwegs, als dass die Urbaner alle kontrollieren könnten."
    "Aber wir sind so viele ... Antonia, die Kinder, .... Minimus, Flaccus und ich. Wie ... wie soll das unauffällig vonstattengehen?"
    Verzweiflung stieg in Gracchus empor, denn es war längst zu spät für Vorsorge, wiewohl er sich grämte, Antonia und die Kinder nicht längst aus der Stadt geschafft zu haben - spätestens seit sie den Zeitpunkt der Tat hatten beschlossen, hätte er sie aus Rom fortschicken müssen. Doch er hatte all dies nicht genau durchdacht, hatte seine Überlegungen zu sehr auf den Plan an sich konzentriert, anstatt an seine Familie zu denken - und nun würden sie allesamt sterben müssen, seiner mangelnden Sorgfalt wegen. Wieder zog sich sein Magen zusammen und Gracchus krümmte seinen Leib ein wenig unter der gewaltigen Last seiner Verantwortung.
    "Ich finde eine Möglichkeit, Herr. Vermutlich werdet ihr euch aufteilen müssen, doch das ist sowieso sicherer."
    Mit einem marginalen Schimmer aus Hoffnung blickte Gracchus zu seinem Sklaven auf. Mehr als einmal wäre er ohne ihn verloren gewesen, doch in den kommenden Tagen hing von Sciurus nicht nur sein Leben ab, sondern das seiner gesamten Familie. Ein träges Nicken erfasste Gracchus' Kopf.
    "Was immer du für das beste hältst - doch die si'herste Variante für Antonia und die Kinder."
    Noch einmal nickte der Sklave, ließ dann von seinem Herrn ab, um alle Vorbereitungen zu treffen. Mehr als je zuvor würden Sciurus seine verlässlichen Kontakte in die Unterwelt Roms in dieser Nacht von nutzen sein.



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