Atrium | Martius Octobri vel Liberalia immatura

  • Das Schwert des Damokles, welches Manius Maior kurz nach der Retoure des Manius Minor über dessen Haupt angebracht hatte, es musste bald hinabsausen, musste den Knaben seiner Infantilität berauben und gleich jener Riten zukünftiger Saecula, wenn nicht zum Ritter, so doch zum Manne schlagen, obgleich er mindestens noch beinahe dreier Jahre entbehrte, ehe er einer derartigen Initiation adäquates Alter erreicht haben mochte, obschon nicht einmal das gebräuchliche Datum herangerückt war, da man diesen Tag in der Urbs Aeterna gemeinsam mit dem Fest des Liber Pater und seiner Gemahlin zu zelebrieren pflegte. Indessen mochte zumindest das Klima nicht grundlegend von jenem divergieren, welches gewöhnlicherweise auch während der Liberalia die Stadt zu beherrschen drohte, das an diesem seit geraumer Zeit nun präparierten Tage nämlich deplorablerweise just einen jener selbst im Oktober überaus limitierten Wolkenbrüche erwählt hatte. Dem jungen Flavius, seines Zeichens der zentrale Akteur der heutigen Festivität, erschien dies freilich überaus angebracht, denn eben jene Wetterlage vermochte seine innersten Gefühlsregungen aufs Trefflichste zu exprimieren, während er selbst hierzu keineswegs in der Lage war, nachdem er nicht einmal die Courage gefunden hatte, seinen Vater über jenes Unwohlsein bezüglich der überaus verfrühten Mannbarkeit zu informieren, ja generell kein dispensables Wort an ihn gerichtet hatte, sodass es ihm nun verblieb, sein Antlitz in jene Ausdruckslosigkeit zu hüllen, welche er auf zahllosen familiären, sozialen, politischen und religiösen Veranstaltungen unterschiedlichster Natur perfektioniert hatte, obschon seine Amme ihn in jüngsten Tagen stets ermahnt hatte, er möge jene ihr finster erscheinende Miene gegen eine freundlichere vertauschen.
    Eben jene Amme stand nun an der Seite seines Leibsklaven Patrokolos, seines Paedagogus Artaxias, seines Grammaticus und mit Ausnahme seiner noch immer im fernen Ravenna weilenden Mutter sämtlicher Personen und Sklaven, welche für seine Edukation Sorge getragen hatten und noch trugen, vereint mit der kompletten Familia Flavia, neben den flavischen Herrschaften selbstredend auch die schier unermessliche Schar der flavischen Klienten inkludierend, im mächtigen Atrium der Villa, wo selbst die Verblichenen, repräsentiert durch die Büsten der flavischen Imperatoren und die Imagines all jener patrizischen Flavii, wohlwollend auf die Lebenden herabsahen und somit an jener Feierlichkeit zu partizipieren schienen.


    Sie alle erwarteten rastlos jenes Ritual, welches den Knaben zum Manne und Minimus zu Manius Flavius Gracchus Minor, einem vollwertigen Quiriten mit sämtlichen Rechten und Pflichten der Civitas Romana machte. Und doch schien zumindest Iuppiter Pluvius nicht geneigt, dies widerspruchslos geschehen zu lassen, denn konstant plätscherten feine Tropfen, ausgedünnt vom langen Flug durch die hohe Atriumshalle, vom Compluvium in das Impluvium und signalisierten somit, dass die meteorologischen Konditionen für die an das häusliche Opfer anknüpfende Deductio in foro keinesfalls geeignet sich gerierten, sodass man den Entschluss gefasst hatte, all dies eine Weile hinauszuzögern, um eine Melioration der vorliegenden Umstände zu erwarten, was den Knaben in nicht geringe Unrast zu stürzen geeignet war, während er, angetan ein letztes Mal mit jener goldenen Bulla, welche er erst seit seiner Rückkehr aus dem Exil wieder offen zu tragen wagte, und der Toga Praetexta, welche er, so die Götter es gestatteten, eines Tages neuerlich zu tragen gedachte, an der Seite seines Vaters unweit des festlich geschmückten Lararium stand.

    Sim-Off:

    Selbstredend sind sämtliche Familiaren der Flavia Gens ebenso wie deren Klienten geladen.

  • In höchstem Maße ist es selbstverständlich, dass Iullus Flavius Fusus - selbst noch nicht allzu lang im römischen Haushalt der Flavier zugegen - sich die Teilnahme bei diesem Ereignis nicht entgehen lässt. In freudiger Erwartung hat er sich auf seine Weise intensiv auf diesen Anlass vorbereitet, indem er sich an diesem Tag besonders viel Zeit für die Körperpflege, das Ankleiden und Herrichten eingeräumt hat.


    Guten Mutes mischt er sich daher gerade unter die anwesende Gästeschar und blickt sich neugierig unter all den meist noch so fremden Gesichtern um. Ein angenehmer Hauch von Rosenblüten umweht den jungen Mann. Sein kurzgeschnittenes Haar ist an Stirn und Schläfen sorgfältig zu 'Dornen' geformt, die sich flach in sein Gesicht hineinwinden. Sehr dezent hat er sich eines Puders bedient, um einen hellen, ebenmäßigen Teint zu gewährleisten und seine braunen Augen mit einem dünnen Lidstrich subtil zu betonen. Unter der toga pura trägt Fusus die tunica praetexta des noch vom berühmt-berüchtigten Opa Felix geerbten Ordo. Auch wenn er sich hier auf einigermaßen heimatlichen Terrain befindet, so erscheint ihm die Gästeschar doch zu groß um nicht dem förmlichen Protokoll genüge zu tun. Überdies ist es ohnehin nur sein Hang zur Farbe, der hier beeinträchtigt wird. Das Tragen der Toga an sich hat sich selbst in seinen jungen Tagen trotz ihrer Umständlichkeit bereits zu einer Routine entwickelt, welche der Glanz und Pracht liebende Flavier sehr genießt.


    Da er außer seinen engeren Anverwandten kaum jemanden kennt - diese in der Feierlichkeit des Moments aber auch nicht allzu sehr belästigen will - nimmt er vorerst nur die Atmosphäre des Moments in sich auf und sieht sich die anderen Gäste an.

  • Deplorablerweise offerierte das Warten mitnichten eine Modifikation des monotonen Prasseln, selbst wenn Manius Minor bisweilen vermeinte, ein Verringern der Intensität zu vernehmen, welches indessen recht bald einer Steigerung stets aufs Neue wich, sodass mit zunehmender Dauer der Untätigkeit die Nervosität ihn immer stärker übermannte, zumal der Blick zahlloser Augenpaare, ja vermutlich des größten Publikums seines bisherigen Lebens, auf ihm ruhte, welche er ob seiner Hypermetropie und der gewissen Distanz, die die Kernfamilie zu den übrigen Anwesenden hielt, durchaus wahrnehmen konnte. Endlich erlöste Sciurius, der erwählte Zeremonienmeister, den Knaben von jener Rolle eines involuntärerweise überaus ennuyanten Mimus und gab ihm jenes Zeichen, welches signalisierte, dass man nun beginnen mochte, sodass zuerst Manius Maior als Hausherr und Vater das Wort ergreifen und damit die Attention auf sich und vorerst von Manius Minor hinwegziehen würde.

  • Dieses Haus war ihm schon lange fremd gewesen. Dennoch hielt ein kleiner Kern in seiner Brust an den Büsten, dem eigentümlichen Geruch und schließlich doch recht markanten Erinnerungen fest. Außerdem war es in diesen Zeiten erforderlich Einigkeit zu präsentieren. Und wenn dies seinen Aufenthalt im Stammhaus erforderte, so sah er doch davon ab den Rückzug auf das Anwesen vor den Toren Roms anzutreten.


    Er, der er auf einem Stuhl in vorderster Reihe Platz genommen hatte, beäugte die Anwesende Schar doch recht missmutig. Zu viele neue Gesichter, zu wenig Bekanntes, zu wenig Routine - zu viele ließen ihr Leben oder waren anderweitig unpässlich geworden. Die Götter spielten der Familie oft böse Streiche und er war dessen langsam überdrüssig. Eigentlich war er vielem überdrüssig geworden, teilweise seinem geliebten Rom selbst. Die Zeiten des Aufbruchs, Elans und der guten rhetorischen Auseinandersetzung im Senat, sie schienen vorbei. Langsam ertappte er sich die Germanici zu vermissen, besonders seinen idiotischen Feind Avarus. Ein kurzer Augenblick der Besinnung und er war wieder da, schaute auf Gracchus Minor.
    Ein zierlicher Knabe, eher für den Cultus oder die Politik geeignet, auf dem Schlachtfeld äußerst deplaziert. Die Zukunft der Flavier also. Nun ja, der unsägliche Zustand einer Tochter als einzigem Spross war wie ein Dolch im Herz. Ja, seine kleine Tochter, die er nie sah, weil er sie nicht sehen wollte. Ein Stammhalter musste her und was hatte er erhalten? Wieder einen potentiellen Brutkasten anderer Gentes, die flavische Lenden würden nützen können, um Erben auf die Welt zu setzen. Sein Fleisch und Blut würde einen anderen Namen tragen, sein Genie einer anderen Familie Ruhm und Ehre bringen. Deplorable Situation.
    Wieder ruhten seine Augen auf dem kleinen Minor, der so klein nicht mehr schien. Wie ein Baum ist er nach oben gewachsen. Ein feierlicher Tag und der Senator winkte einen Sklaven dabei, damit dieser die kleine Schatulle mit dem Geschenk für den Sohn seines Vetters vorsichtig zu Furianus schmuggelte.
    Sein Blick glitt gelangweillt zu den anderen Gesichtern, die entweder zu unbedeutend waren, um sie sich einzuprägen oder einfach nur langweillig schienen. Ohne Esprit zu versprühen standen sie alle da, keiner ragte heraus, keiner hatte überaus interessante Merkmale, Lebensläufe, Erfahrungen.

  • Da sie die ersten Jahre ihres Lebens fernab ihres Vaters, in der sicheren aber abgeschotteten Obhut ihrer Mutter aufwuchs, für die alles Flavische einem roten Tuch glich, hatte Domitilla wenig bis gar keine Gelegenheit erhalten, bei einem Fest wie diesem teilzunehmen. Selbst die Liberalia ihres eigenen Bruders war sie damals ferngeblieben, da es die Feindseligkeiten ihrer Eltern nicht zugelassen hatten. Daher maß sie diesem Tag ein ganz besonders großes Interesse bei.


    Ihre Leibsklavin hatte sich allergrößte Mühe damit gegeben, ihre Herrin standesgemäß herzurichten. Eine nicht allzu opulente Tunika in blau-grün hatte sie gewählt, welche exzellent mit ihrer Frisur und der nicht zu sehr aufdringlich wirkenden Kosmetik, harmonierte. Auch für ein passendes Geschenk hatte Candace gesorgt, welche die Leibsklavin, die ihre Herrin in gebührendem Abstand begleitete, vorerst noch bei sich behielt.


    Gerade noch rechtzeitig betrat Domitilla das Atrium. Die meisten der Anwesende waren Fremde für sie. Recht unauffällig versuchte sie ihren Blick schweifen zu lassen, um nicht doch vielleicht ein ihr bekanntes Gesicht zu entdecken. Schließlich entdeckte sie Fusus, jenen Neffen, welche sie erst kürzlich hatte kennenlernen dürfen und entschloss sich kurzerhand, sich zu ihm zu gesellen.

  • Freilich ist Fusus bemüht im Trockenen zu bleiben und bringt der liquiden Wetterlage keine allzu große Sympathie entgegen. Doch sein unerschrocken sonniges Gemüt vermag dieser Umstand nicht zu trüben. Den Bruder seines Vaters hat er noch nicht erkannt, zumal dieser - obwohl mutmaßlich ein Zwilling des Verstorbenen - jenem kaum ähnlicher schien als dies unter regulären Geschwistern der Fall war. Zudem liegen auch einige Jahre zwischen dem letzten Bild, welches Fusus von Milo in entfernter Erinnerung oder vielmehr Eindrücken der wenigen vorhandenen Bildnisse hat, und dem Alter seines hier anwesenden Onkels.


    Folglich weilt er noch nahe einer Säule und wähnt sich auf einer zwecks Beobachtung recht günstigen Position, als er seiner Tante Domitilla ansichtig wird. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt er die Flavierin, bemüht die sich ausbreitende Ruhe nicht allzu sehr zu stören und sie daher nur kurz und in gedämpfter Tonlage zu begrüßen. "Domitilla... Schön siehst du aus." Verschmitzt zwinkert er ihr zu und lässt den Blick einmal musternd über ihre Aufmachung gleiten. Ein leises, neidvolles Seufzen begleitet den Gedanken, dass er selbst auch gerne in kräftigen Farben aufgetreten wäre. Man kann eben nicht alles haben.

  • Die überaus triste Wetterlage ließ auch in Gracchus Maior keine sonderlich große Begeisterung aufkommen, indes war er ohnehin zwiegespalten an diesem Tage, einerseits stolz und froh seinen Sohn bis zum Mannesalter geführt zu haben, andererseits auch durchaus mit Gewissensbissen und Schuldgefühlen beladen, dass er ihn letztlich so abrupt seiner Jugend hatte beraubt. Er wusste nicht mehr, weshalb er Minor überhaupt auf seiner Flucht aus Rom hatte mit sich genommen, weshalb er nicht ihn seinen Geschwistern gleich in einen Korb hatte gesteckt, den Deckel darauf platziert und samt seiner Mutter dem Vilicus hatte anvertraut - denn schlussendlich hatte für Minor kaum jene Gefahr bestanden wie für Flaccus und ihn selbst, und zweifelsohne hätte niemand in dieser Nacht nach einem Kind gefahndet. So weit als möglich suchte Gracchus diese Gedanken aus seinen Sinnen zu verdrängen, seinem Sohn zumindest an diesem Tage jenes erhebende Gefühl zu ermöglichen, welches der Schritt in das Dasein eines Erwachsenen sollte letztlich eröffnen, verbarg darob seine in letzter Zeit üblich verdrießliche Art und begrüßte die Gäste der Feierlichkeit, Freunde und Klienten mit Worten, wie es sich für den Herrn des Hauses gebot, so lange bis dass endlich Sciurus auch ihm das Zeichen gab, dass es an der Zeit war, die Zeremonie zu beginnen. Ob dessen positionierte Gracchus sich günstig vor der versammelten Menge.
    "Werte Familie, geschätzte Freunde und Klienten der Gens Flavia! Der Anlass dieser Feierli'hkeit erfüllt mich mit Stolz wie augenscheinlich ihn nur ein Vater zu empfinden vermag. Vor mehr als einem Dutzend Jahren habe ich geglaubt, es könne keinen Tag geben, an welchem dieser Stolz könnte größer sein als in jenem Augen..blicke als ich das kleine Bündel Mensch, welchem meine teure Gemahlin kurz zuvor das Leben hatte geschenkt, vom Boden habe emporgehoben und meinen Namen an Manius Flavius Gracchus Minor weitergegeben."
    Tatsächlich konnte Gracchus sich dieses Tages nicht mehr entsinnen. Es war irgendwann vor oder nach seiner ersten Wahl zur Praetur, welche er nie hatte angetreten, gewesen und diese Zeit war ihm zum größten Teil nurmehr ein leerer Raum. Andererseits mochte er sich durchaus vorstellen wie groß die Freude über einen Erben an diesem Tage gewesen sein mochte und als Inhalt einer Rede war dies zweifellos opportun.
    "Doch die Zeit lässt uns weiser werden und so mag ich euch versichern, dass mein Stolz am heutigen Tage, da Gracchus Minor die Zeichen seiner Kindheit ablegt und in das öffentli'he Leben Roms eintritt, noch weitaus größer ist."
    Am Abend zuvor noch hatte er überlegt, einige Worte über den unkonventionellen Zeitpunkt der liberalia zu erwähnen, über die Notwendigkeit erwachsen aus den Begebenheiten des Bürgerkrieges, doch er wollte Minors Feiertag nicht mit Erinnerungen an diese grauenvolle Zeit ausfüllen.
    "Darob möchte ich euch Dank sagen, dass ihr dies be..deutsame Ereignis mit uns teilt, und es weiters nicht länger mit Worten hinauszögern."
    Er nickte seinem Sohn aufmunternd zu und registrierte im gleichen Augenblicke das kräftige Prasseln der Regentropfen auf der Oberfläche des impluviums, welches just in diesem Augenblicke wieder sich ein wenig verstärkte. Obgleich Gracchus als (gewesener) Pontifex gewohnt war, die Zeichen der Götter selbst zu bestimmen oder seinen Präferenzen nach zu deuten, so schien ihm dies dennoch kein sonderlich vorteilhaftes Zeichen zu sein.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Auch Scato war an diesem Tag, wie es die Pflicht eben verlangte, zur Feierlichkeit erschienen. Unauffällig nahm er in der Nähe seines Bruders Platz und begrüßte die Anwesenden mit einem respektvollen Nicken.
    Als er meinte Manius Minors' Aufmerksamkeit zu haben lächelte er kurz motivierend, über die Ursachen dieses Ausbruches konnte er selbst nur spekulieren...
    Bald darauf ergriff Gracchus das Wort, sodass Scato nun nach vorne blickte, immerhin war das Ereignis für einen jungen Mann recht bedeutungsschwanger.

  • Nun war es an dem Knaben, die Riten zu vollziehen und bar jedweder äußerer Hilfe die Schritte in die Mannbarkeit anzutreten. Somit wandte er sich zum Lararium, jenem prächtigen Altar in Form der Miniatur eines Tempels gestaltet und equippiert mit bronzenen Statuetten, welcher er heute und aus der aktuellen Entfernung wohl keinesfalls mehr mit Sekurität hätte differenzieren können, von welchen er indessen wusste, dass sie die alte Trias der Staatsgottheiten, dazu Mercurius und Apoll, welchen sein Vater besonders schätzte, sowie die Genien der Patres Familias und die Iuno seiner Mutter repräsentierten. Besonders akzentuiert waren am heutigen Tage freilich die beiden Laren, tanzende Jünglinge, welche Manius Minor aus jener Zeit, als sein Augenlicht ihm bessere Dienste erwiesen hatte, kurioserweise noch hervorragend kommemorierte und an welche er sich, nachdem er ungelenk und wenig elegantem Resultat die Toga über das Haupt gestreift hatte, mit zaghafter Stimme, die zweifelsohne nicht bis in die hintersten Reihen des Publikums dringen konnte, adressierte:
    "Lares Familiares, Hüter des flavischen Hauses und aller, welche es bewohnen und ihm zugehörig sind."
    Jener Anrede folgte eine wirkungsvolle Pause, welche allerdings durchaus primär darauf zu reduzieren war, dass der junge Flavius sich auf den korrekten Wortlaut des folgenden Gebets zu besinnen hatte, was sich diesem erfreulicherweise nicht sonderlich diffizil erschien, da er aufgrund seiner Fehlsicht stets genötigt gewesen war, sich zahlreiche Texte und Details einzuprägen.
    "Hört mich an und gewährt mir, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius, Eure Beachtung."
    Starr und ein wenig ungelenk wandte er sich zur Rechten, wo Sciurius ihm die Acerra bereit hielt, und entnahm dieser ein wenig des wohlduftenden Weihrauchs, welchen er mit größter Diligenz in die Räucherschale ausstreute.
    "Nehmt meine Bulla, Zeichen meiner Kindheit, und gewährt mir, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius, Euer Wohlwollen! Wie ich durch dieses Medaillon auf allen Wegen bewahrt wurde, so bewahrt mich auch auf meinen kommenden Wegen, aufdass ich dieses Haus stärken und meiner Familie zur Ehre gereichen mag."
    Mit gewisser Hemmnis griff er nun an seinen Hals und umfasste jene zierliche Kette, welchem das güldene Medaillon anhing, um sich von diesem zu befreien, wogegen allerdings die Toga über seinem Haupt deplorablerweise opponierte, sodass diese ihm nach einigem Zerren vom Haupt rutschte, ehe er der Bulla ledig geworden war, weshalb voller Geistesgegenwart Sciurius intervenierte und das Kleid der Infantilität neuerlich auf kultisch korrekte Weise platzierte. Nachdem der Knabe solange inne gehalten hatte, legte er endlich die Bulla auf den Altar, beließ seine Hände kurz an der Kette, da ihn für einen Augenschlag der absurde Gedanke durchfuhr, er sei außerstande, sich von jenem getreuen Begleiter nun schlicht zu trennen, ehe er dies als überaus superstitiose Regung abtat und seine nun doch leeren Hände zu sich zurücknahm.


    Damit machte er zwei rückwärtige Schritte und wandte sich nach rechts, denn obschon die Gebräuche der Maiores es vorsahen, dass der Jüngling anlässlich der Liberalia auch die Barthaare seiner ersten Rasur den Laren darbrachte, so hatte man in diesem Falle doch hiervon abgesehen, da sich selbst bei größtem Wohlwollen keinerlei Spriesen von Gesichtsbehaarung bei Manius Minor zu oberservieren war und jener feine und doch kurze und somit mitnichten greifbare Flaum, welchen ein Barbier mit großer Expertise durchaus hätte gewinnen können, wohl eher die Laren insultieren würde und für sämtliches Publikum keinesfalls erkennbar gewesen wäre, was dem Knaben ebenfalls opportun erschien, da die Alternative wohl die betrügerische Darbietung eines sklavischen Bartflaumes gewesen wäre, welche zweifelsohne das Missfallen der Laren evoziert hätte.

  • Die Mundwinkel der jungen Flavia verzogen sich zu einem Lächeln, als ihr Neffe sie in wohltemperierter Lautstärke begrüßte. Sie nickte ihm freundlich zu und fügte ein flüsterndes „Danke!“ bei. „Das wird ein bewegender Augenblick werden, nicht wahr!“, meint sie schließlich noch. Schlussendlich würde Gracchus Minor nach dieser Zeremonie kein Kind mehr sein und Domitilla harrte bereits erwartungsvoll auf deren Beginn. Von ihrem Platz aus hatte sie einen recht guten Ausblick auf das nun gleich beginnende Geschehen.


    Inzwischen hatte sich auch Fusus Bruder, Scato eingefunden und nahm nur unwesentlich entfernt auf einem der Stühle Platz. Zwar hatte Domitilla noch keine Gelegenheit, sich mit ihm näher zu unterhalten, doch nickte auch sie ihm höflich zu. Gewiss würde sich noch eine Gelegenheit finden, ihn näher kennenzulernen.


    Schließlich eröffnete der Vater des jungen Flaviers die Zeremonie, indem er alle Anwesende begrüßte. Zweifelsohne musste Gracchus sehr stolz auf seinen Sohn sein. Nur nebelhaft waren ihre Erinnerungen an ihn. Damals war sie selbst noch ein Kind gewesen, unwesentlich älter, als Gracchus Minor heute.
    Doch ihr Augenmerkt richtete sich nun zur Hauptperson - dem Jungen, der heute zum Manne werden sollte. Gespannt verfolgte sie, wie der junge Flavius das Wort ergriff und sich an die Laren wandte.

  • Was nun erfolgte, war die Investitur in die Toga Virilis, welche lediglich in der Einfärbung eines winzigen Anteils, nämlich des Latus Clavus, von der aktuell getragenen sich differierte. Um die Anteilnahme sämtlicher Anwesender zu ermöglichen, wandte sich Manius Minor zu diesem Zwecke der versammelten Menge zu und setzte wenige Schritte in deren Richtung, ehe er zum Halten kam und in derselben Weise, in der er dies im Vorfeld jedes offiziösen Auftritts in publico praktizierte, obschon dies für gewöhnlich in seinem Cubiculum sich zutrug und nicht im Atrium, die Arme von sich streckte, um den herbeieilenden Dienern die Umkleide zu simplifizieren, welcher diese sogleich nachkamen. Mit wenigen Handgriffen war der Knabe seiner Toga Praetexta ledig und stand nun lediglich angetan mit der Tunica Laticlava, welche seinem Stand als Sprössling eines Senators adäquat war, vor dem Publikum, wobei der Umstand, dass er selbst seiner Bulla entblößt war, ihm nochmals speziell ins Bewusstsein gelangte, sodass er sich geradezu nackt wähnte, zumal sein Gestus auf exzeptionelle Weise ein Gefühl von Willfährigkeit ihm vermittelte, welches als Vorgeschmack auf die nun anbrechende Phase der Adoleszenz ihm erschien, in der Manius Maior, welcher trotz jeglicher Feigheit durchaus seiner parentalen Pflicht nachgekommen war und sich im Zweifelsfalle protegierend vor Manius Minor postiert hatte, jedweder Verantwortung ledig sein mochte, ihn ja geradezu dem Publikum, obschon es sich in diesem Fall um Getreue der Gens Flavia handelte, zu Fraße vorwarf. In eben jener Situation memorierte er auch aufs Neue jenen grässlichen Traum, welcher vor Tagen ihn heimgesucht hatte, war neuerlich genötigt jene bleierne Toga Virilis, jenes feige Zurückweichen seines Vaters und den mörderischen Anschlag der ihm allzu vertrauten lebenden Toten gedanklich revuepassieren zu lassen.


    Zumindest aber trat Sciurius wenige Augenschläge später mit der reinen Toga Pura heran, die mit geübten Handgriffen entfaltet und dem jungen Flavius umgelegt wurde, ohne dass sie jene metallurgische Qualität wie die seines Traumes besaß, obschon gleich drei Vestispicii zugleich dem Vilicus zur Hand gingen und ein formidables Resultat produzierten, welches auch dem nunmehrigen Manne trotz seiner überaus negativen Assoziationen zur vollsten Zufriedenheit gereichte, zumal es ihm in Differenz zu seinem Traume nicht nur gestattete, seine Arme aus der Horizontale zu nehmen, sondern diese auch generell vom Körper zu entfernen, da er mitnichten durch eine stählerne Hülle gefesselt, sondern lediglich auf die gewöhnliche Weise bezüglich hastiger Bewegungen und ausladender Schritte eingeschränkt war.

  • Freilich war dies gleichbedeutend mit dem Beginn des folgenden Parts seines Mannbarkeitsrituals, bei welchem er ähnlich seinem Traume tatsächlich der Öffentlichkeit ausgesetzt sein würde, denn nun war die Sekurität des trauten Heim aufzugeben, um die Präsentation vor dem Praetor Urbanus passieren zu lassen und anschließend eine Immatrikulation in die Bürgerlisten auf dem Tabularium zu erwirken. Der Gedanke an jenen Aspekt des Programmes richtete die Appetenz des Knaben neuerlich auf die meteorologischen Verhältnisse, welche ihm bei all jener Okkupation zeitweilig entfallen waren, ihn nunmehr aber aufs Neue die vorangegangene Kognition schlicht aktivierte, da diese unveränderte Geltung behalten hatte: noch immer regnete es in Strömen.


    Deplorablerweise war jenen Umständen aber nicht zu entgehen, denn keinesfalls konnte die Gesellschaft weiters im Atrium verweilen und den Tag passieren lassen, sodass letztlich die Vereinigung von Sonne und Horizont jedweden offiziösen Akt des Praetors vereitelte und eine Prokrastination erforderlich machte, welche überaus ungut mit dem geplanten Gastmahl am Abend korrespondierte.

    Sim-Off:

    Der nächste Akt folgt und wird sofort hier eine Verlinkung aufbringen

  • Große Geschäftigkeit erfüllte den Villicus, welcher auch nun sich zum Fortschreiten durchrang, was sich rasch auf das Gesinde des Hauses fortpflanzte, sodass der junge Flavius neuerlich zum Warten verdammt war. Während der Knabe sich den Maiores zuwandte, die in wächsnen Masken und steinernen Büsten ihn in seiner neuen Tracht examinierten, mussten sämtliche Sänften der Villa Flavia Felix akquiriert werden, die, obschon man sie bereits präpariert hatte, doch in Hoffnung auf günstigere metereologische Umstände nicht gänzlich vorbereitet worden waren, eine große Schar von Sklaven und Klienten musste als Träger rekrutiert und eingewiesen werden, da diejenigen, welchen gewöhnlich diese Domäne oblag, keinesfalls suffizient waren um die gesamte Familia Flavia samt diverser Klienten zugleich via Sänfte zu transportieren.


    Erst nach einer geraumen Zeitspanne waren die engsten Anverwandten, respektive Manius Minor, Manius Maior wie auch Titus, in der Lage, die geräumigste Version der geschlossenen flavischen Tragstühle zu erklimmen, während die übrigen Flavii in weitere Sänften sich zu platzieren hatten und Sciurius, Patrokolos wie auch sämtliche übrige Sklaven sich in Paenulae hüllten, um dem Regen zumindest ein wenig zu entgehen. In derart wenig erquicklicher Aufmachung nun setzte sich der Festzug in Fahrt, um das selbst bei jenem Wetter pulsierende Herz der Res Publica im Tal zwischen den sieben Hügeln zu erreichen.

  • Als die Sklaven die toga virilis um seinen Sohn herum drapierten überkam Gracchus mit einem Male der Zweifel über die Richtigkeit seiner Entscheidung. Zwar war Minor schon immer ein wenig kleiner gewesen als die meisten seiner Altersgenossen, doch schien die Männertoga auch ungeachtet seiner körperlichen Konstitution schlichtweg zu groß für ihn zu sein. Still seufzte der Vater in sich hinein. Letztlich war auch dies keine echte Entscheidung gewesen, sondern eine Folge der viel früheren Entscheidung zur Teilnahme an Tiberius' Konspiration, eine Folge des Versagens in Hinblick auf die adäquate Planung dieser, und die dadurch notwendig gewordene Flucht. Noch immer war er dessen überzeugt, dass kein Kind jene Dinge konnte sehen, konnte durchleben, welche hinter Minor lagen, und darob war es schlichtweg unausweichlich, dass dieser schon in der Nacht des Aufbruchs kein Kind mehr gewesen war. Quod erat demonstrandum. Sich mit dererlei Gedankengängen selbst blendend, brachte Gracchus es gar über sich, seinem Sohn ein aufmunterndes Lächeln zukommen zu lassen als sie in der Sänfte in Richtung der Basilica Ulpia aufbrachen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Freilich fühlt Iulllus Flavius Fusus sich in diesen Momenten insbesondere an seine eigene 'Mannwerdung' erinnert, welche nur wenige Jahre in der Vergangenheit liegt. Dass Gracchus Minor diesen Schritt in vergleichsweise jungem Alter begeht, kommt ihm aufgrund dessen durchweg so gesetzten und von ihm als regelrecht erwachsen empfundenes Gebaren gar nicht erst bewusst in den Sinn. Infolgedessen nimmt er dessen körperlich eher kindlichen Züge in diesem Kontext auch kaum mehr wahr und verfolgt die Zeremonie seines Oheims mit einem Gefühl der Richtigkeit - wenn nicht gar Überfälligkeit.


    Mit einem freundlichen, wohlwollenden Lächeln verfolgt er so den Ablauf und atmet schließlich auf, als die erste Phase des offiziellen Teils - durch den Ortswechsel bedingt - ohne nennenswerte negative Zwischenfälle in eine Pause hinsichtlich des stillen Lauschens übergeht. Mit den anderen Gästen schickt auch Fusus sich freilich an, dem Tross zu seiner nächsten Station zu folgen. "Er macht sich gut in der toga pura, nicht wahr?" kommentiert er im Aufbruch an die Adresse seines Bruders und seiner Tante, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

  • Sim-Off:

    Obschon der parentale Dialog nicht seine Vollendung gefunden hat, möchte ich hier fortfahren, um meine Liberalia bald zum Abschluss zu führen.


    Nachdem man den Tag mit diversen Aktionen verbracht hatte, angefangen beim spätmorgendlichen Opfer der Bulla über die Einkleidung in die Toga Virilis, die Präsentation vor dem Praetor und die Immatrikulation in die Bürgerlisten bis hin zum Opfer der Iuventas war die Festgesellschaft, bestehend aus der Familia Flavia Romae unvermindert und wohlbehalten, wenn auch gänzlich durchnässt (sofern es sich um die Dienstboten und minderen Klienten handelte) oder doch zumindest von nicht wenigen Tropfen disturbiert (sofern es sich um die Herrschaft handelte) zur Villa zurückgekehrt. Damit war der letzte Akt einzuleiten, denn nachdem der Pflicht gemäß den Erfordernissen der Mores Maiorum genüge getan war, folgte nun die Kür, welche dem Protokoll entsprechend sich in ausgelassener Feierlichkeit zu gestalten hatte und mit der Übergabe von Präsenten begann, wie sie auch anlässlich von Geburtstagen oder anderen Festivitäten im Kreise einer vornehmen Familie seitens der Klienten und engen Freunde des Hauses überreicht wurden.


    Ob des informellen Charakters, aber auch der Nässe des frisch erworbenen Staatskleides hatte man Manius Minor direkt nach dessen Ankunft an der Pforte adäquaterweise in eine flavisch rötlich-golden gehaltene Synthesis gehüllt, welche auch die Tropfen auf der Tunica Laticlava verbarg und somit lediglich die Feuchte des Haares als Indiz für die meteorologischen Verhältnisse hinterließ. So präpariert hatte er nun, flankiert von Manius Maior und dem neuerlich erwachten Titus neuerlich Gratulationen und Ergebenheitsadressen der Clientel huldvoll zu akzeptieren und seiner Freude über diverse Festgaben zu rezipieren.

  • Der Junge sah so männlich gar nicht aus. Sie erinnerte sich an ihre eigenen Sprösslinge, die jedoch weitab Roms ihren Studien nachgingen. Auch sie waren kaum älter gewesen, jedoch erschienen sie deutlich reifer, maskuliner und erhabener.
    Höchstwahrscheinlich lag dies an der doch sehr subjektiven Betrachtung einer Mutter, denn Flavius Gracchus sah ihrem Jüngsten verblüffend ähnlich.


    Das Haar hoch gesteckt und mit einer funkelnden Halskette in Lapislazuli saß sie nebst ihrem Gatten wie eine Statue. Augenscheinliche Aufgaben hatte sie nicht denn die der Repräsentation. Nur einmal stand sie auf und unterbrach ihre anmutige Fassade mit dem Anflug eines Lächelns, ehe sie dem nun offiziell Ermännlichten gratulierte. "Manius Flavius Gracchus, meine herzlichsten Glückwünsche. Du wirst deiner Familie, insbesondere deinen Eltern, große Ehre bereiten. Da bin ich mir ganz sicher."
    Es würde eher das politische oder religiöse Feld sein nach welchem der Junge trachtete. Mit den Voraussetzungen des Namens und den Veranlagungen seines Vaters sicherlich reich, würde er erfolgreich sein.
    Mit grazilen Bewegungen überreichte sie dem Jungen, aus einer Schachtel aus Ebenholz, einen goldenen Stilus, der in Form, Länge und Breite einem Üblichen so gar nicht glich. Er war dicker, aus Gold und hatte an seinem Ende eine Gemme aus blauem Gestein.
    "Das Abbild des ersten flavischen Kaisers.", kommentierte sie auf den Stein des Stilus zeigend. "Möge ihn deine weise Hand führen und deine Gedanken mannifestieren."
    Es war etwas protzig, wie sie befand, aber ihr Gatte hatte dies in Auftrag gegeben und dieser war etwas anderer Natur. Die Hauptsache war natürlich die Größe, Schwere und der Bezug zu den flavischen Kaisern - typisch Mann. Ein kleiner Blick zur Seite auf diesen beendete den Gedanken.

  • An die Spitze der Gratulanten setzte sich Onkel Furianus, die Gattin an der Seite. Ihr oblag es augenscheinlich auch, das Präsent zu überreichen und schmeichelnde Worte zu sprechen, welche der Knabe mit genantem Lächeln und zu Boden gerichteten Blick, wie auch einem leisen
    "Ich danke dir. Euch."
    akzeptierte.
    Folgend ergriff er die Gabe, welche, wie er trotz seiner Hypermetropie klärlich erkannte, einem hölzernen Behältnis entnommen wurde und von güldner Farbe war, die er indessen dennoch auf Anhieb kaum zu identifizieren in der Lage war, sodass seine Finger rasch darüber fuhren, als wollten sie das edle Material haptisch erfahren, obschon sie doch lediglich der schnöden Intention folgten, dem geheimnisvollen Objekt seine Funktion zu entlocken, wobei sie freilich durch die Explikationen, welche ebenso auf visuellem Wege mitnichten zu verifizieren waren, zum Innehalten genötigt wurden.


    "Ein Stylus!"
    , explizierte endlich der durchnässte Patrokolos an seiner Seite, der augenscheinlich gewahr wurde, dass sein Herr in gewissen Kalamitäten steckte, wobei dies allerdings just mit jenem Augenblick kollidierte, da der Zeigefinger des Manius Minor das pointierte Ende des Stabes erreichte und aus diesem und dem zweiten Satz Catilinas kombinierte, dass es sich wohl um ein Schreibutensil handeln musste. Deplorablerweise würde er zweifelsohne niemals in der Lage sein, jene Gerätschaft zu nutzen, da ihm seine Fehlsicht doch das Anfertigen längerer Texte keinesfalls gestattete und er nur zur Verzeichnung singulärer Worte oder Initialen in der Lage war, welche er durch das sorgsame Bemessen der einzelnen Bögen und Striche mit der freien Hand auch ohne Hilfe des Augenlichtes auf passable Weise zu Papier zu bringen vermochte.
    Den Anflug des Grams ob der Inutilität jener Gabe hinabschluckend räusperte er sich somit, blickte hinauf in das verschwommene Antlitz seiner Tante und präsentierte eine infantil-freundliche Mimik:
    "Besten Dank, Tante Claudia."

  • Anders als zuvor nach dem Vorsprechen beim Praetor Urbanus, hat Iullus Fusus es beim letzten, informellen Teil des Anlasses in der Villa Flavia Felix es nicht in die erste Reihe der Gratulanten geschafft. Wiederum ward er aufgehalten von dem Bemühen, nicht allzu derangiert aufzutreten und sich notdürftig von den Spuren des Regens befreien zu lassen. Zu diesem Zweck hatte er sich für eine Weile mit seiner Sklavin aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit zurückgezogen.



    Wieder notdürftig getrocknet und das kurze Haar säuberlich arrangiert, tritt er schließlich dem heutigen Protagonisten gegenüber. Seine Hände sind noch leer, allerdings verbirgt sich Vulpes in durchaus verdächtiger Manier hinter ihrem Herrn und trägt für ihn das vorbereitete Geschenk. "Manius! Alles Gute noch einmal..." knüpft er an die zuvor schon ausgesprochenen Glückwünsche an und breitet die Arme aus, um Gracchus Minor zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. "Mit teuren Kostbarkeiten kann ich nicht im selben Maße dienen, wie so manch anderer hier..." sucht er die Erwartungen zunächst gering zu halten, nachdem sein Geschenk bereits im Voraus von einem überaus kostbaren Schreibgerät in den Schatten gestellt wurde.


    Auf einen leichten Wink ihres Herrn hin, reicht Vulpes jenem sodann das mehrteilige vorbereitete Präsent an. Jener nimmt es entgegen, um es aus eigenen Händen an den Empfänger zu überreichen. "...jedoch kommt auch mein Präsent von ganzem Herzen und ich hoffe, dass es dir gefällt." Tatsächlich ist der Materialwert kein hoher, doch hat der Flavier in diesem Fall einiges an Überlegung und eigenhändiger Arbeit einfließen lassen. Wenigen mag es bislang aufgefallen sein, doch mitunter wähnt er sich selbst als tauglichen Künstler und hat sich in dieser Funktion befleißigt, eine eigene Kreation zum Geschenk zu machen.


    Es handelt sich zunächst um ein hölzernes Spielbrett, auf welchem von feinen, ausgemalten Furchen getrennt 8x12 quadratische Felder abgesteckt sind. Kurz darauf folgt dieser ersten Gabe ein kleines Säcklein, welches eine Vielzahl von Kleinteilen enthält. Bei näherer Untersuchung handelt es sich bei jenen um tönerne Spielsteine zweierlei Art, welche sich in Form und Farbe voneinander unterschieden, sowie unter diesen zwei herausragende Figuren. Summa summarum ergibt sich daraus ein Latrunculi-Spiel und damit eines derjenigen, welche - basierend auf dem Einsatz von Verstand und Geschick - nicht unter das Verbot des Glücksspiels fallen.
    Zwischenzeitlich war es freilich im Verlaufe der gemeinsam verbrachten Zeit auch Fusus offenbar geworden, dass Gracchus Minor bei aus der Nähe zu rezipierender Optik konsequent auf Einflüsterungen seines Sklaven zurückgriff. Daraus hat er geschlussfolgert, dass diese seine initiale Geschenkidee noch dahingehend optimiert werden müsse. Sowohl das Spielbrett als auch die Steine wurden daher auf maximalen optischen Kontrast ausgelegt. Die geweißte Spielfläche wird von tiefschwarzen Linien durchzogen, auf deren Feldern sich die Figuren als hellrote Vögel und tiefblaue Fische farblich gut abheben. Die 'Anführerfiguren' der beiden spielbaren Parteien fallen größer aus als ihre 'Untergebenen' und werden jeweils von einer gläsernen Perle geschmückt - die eine hell, die andere Dunkel.
    Im Detail der Ausführung tritt für das geübte Auge dann allerdings doch ein Faktum zu Tage, welches in Fusus' Wahrnehmung keinen Platz findet: Als Handwerker und Künstler ist er unglücklicherweise nur leidlich begabt. Nicht jede der so sorgfältig eingeritzten Furchen des Spielbretts verläuft wie vom Lineal gezogen und so wirken auch manche der 'Vögel' vielmehr wie Enten, während der eine oder andere 'Fisch' an einen Phallus erinnert.


    Mit ob dieser unbewussten Imperfektion ungebrochenem Optimismus hinsichtlich der Rezeption seines Geschenks, blickt der Flavier seinen jüngeren Onkel aus erwartungsvoll funkelnden Augen an. "...und? Was sagst du?"

  • Artig rezipierte der frischerkorene Mann die Gratulationen seines Neffen, den Kuss, welcher, wie es ihm durchaus bekannt war, sich zur Begrüßung wie zum Abschied in der Urbs nicht geringer Beliebtheit erfreute, andeutungsweise erwidernd, ehe er freudestrahlend, durchaus mit gewissem Vorwitz, das noch immer verborgene Präsent erwartete.


    Als es ihm dann enthüllt wurde, reichte er den noch immer in seiner Hand befindlichen Stylus weiter an Patrokolos und ergriff das Spielbrett mit dem Säckchen darauf, welche er umgehend identifizierte, da jenes Ludus Latrunculorum ihm bestens bekannt war, seitdem sein Vater vor unzähligen Jahren nach seiner Retoure aus Achaia ihm eben jenes Spiel zum Geschenk gemacht hatte und seithero nicht selten sich darüber mit ihm vergnügt hatte. Deplorablerweise hatte Manius Minor sich allerdings stets als der unterlegene Spieler erwiesen, weswegen die Lust des Knaben an der väterlichen Provokation sich recht bald gelegt hatte und er sich lieber dem Spiel mit diversen Dienern wie Artaxias oder zuletzt Patrokolos, aber auch seiner Mutter hingab, wo man ihm bisweilen einen Triumph vergönnte. Da sein altes Brett mit der geringen Kontrastierung der Feldeinteilung indessen nicht selten dazu geführt hatte, dass er seine Spielsteine unpräzis auf Linien platzierte, war jenes Exemplar mit seinen klaren Zeichnungen ihm höchst willkommen.
    "Oh, wie famos!"
    , kommentierte er somit, ehe er sich daran machte, das Präsent gänzlich zu inspizieren. Um das Etui der Figuren allerdings zu öffnen, bedurfte er, wie er nach einigen ungeschickt anmutenden Experimenten erkannte, beider Hände, weshalb nun das Brett an Patrokolos weiterzureichen war, der wiederum den Stylus ebenfalls in Händen hielt und somit darauf platzierte. Ob seiner Fehlsicht bedurfte es nun neuerlich einiger Augenblicke, ehe der Knoten an dem das Säcklein verschließenden Bande identifiziert und geöffnet war, doch dann endlich hielt der junge Flavius die Fische und Vögel in Händen, streckte sie von sich und reduzierte durch das Zusammenkneifen der Augen den Lichteinfall, was es ihm, wie er festgestellt hatte, bisweilen gestattete, einen Gegenstand in seiner Nähe mit schärferen Konturen zu identifizieren, sodass er auch in diesem Fall mit einiger Phantasie zu erkennen in der Lage glaubte, worum es sich handelte:
    "Formidabel, in der Tat! Welch famose Idee, jeden Stein individuell zu gestalten!"
    Dass dies keineswegs die Intention des Artisten gewesen war, entzog sich selbstredend der Kenntnis des Knaben, weshalb er nach der Stichprobe zweier überaus differenter Exemplare gleichfarbiger Spielsteine zu eben jenem Ergebnis gelangt war.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!