[Atrium] Salutatio zum Amtsantritt des Consuls Decimus Livianus

  • Nach den obligatorischen Auspizien am Tag der Amtsernennung hatte sich Livianus wieder in der Casa Decima Mercator eingefunden. Die Türen der Casa standen an diesem besonderen Tage offen und die Sklaven hatten das Atrium festlich geschmückt sowie ein kleines Buffet für die Gäste vorbereitet. Als Livianus das Atrium wortlos betrat, waren die Augen aller Anwesenden auf ihn gerichtet. Er nickte einigen noch begrüßend und für ihr kommen dankend zu, ehe einige Sklaven an ihn herantraten. Sie trugen die Toga Praetexta, die bereits sehr lange im Besitz des Decimers war und die er auch schon bei seinen Magistraturen als Praetor und davor als Aedilis getragen hatte. Doch für den heutigen Tag hatte man sie von einem Schneidermeister neu aufarbeiten lassen. Die Farben des Prurpursaumes hoben sich nun glänzend vom frisch geblichenen Untergrund des Togastoffes ab.


    Fast schon einstudiert wirkend und mit sehr langsamen theatralischen Bewegungen machten sich die Sklaven daran die endlos wirkende Stoffbahn um den, für sein alter durchaus noch muskulös wirkenden Körper ihres Herrn zu wickeln. Das für Ungeübte kompliziert wirkende Wickeln und Faltenlegen endete mit der Befestigung einer unaufdringlichen aber doch fein gearbeiteten und schmucken Fibel, die das ganze Erscheinungsbild nun abrundete und zusammenhielt. Auch wenn viele das Tragen einer Toga mittlerweile als höchst unbequem erachteten und es fast aus der Mode gekommen war, so zeigte ein Vorher-Nachher-Vergleich bei Livianus, dass dieses Kleidungsstück alleine, eine besondere Art von Würde ausstrahlte, wie es sonst kein anderes Kleidungsstück, außer einer Toga Purpurea, vermochte.


    Nur noch ein paar Zupfer hier und da und schon waren die Sklaven fertig. Nun, nachdem der Tradition vorerst genüge getan war, konnte der zweite Teil dieses, für den neu eingesetzten Consul und seine Familie, aufregenden und bestimmt auch strapaziösen Tages beginnen. Zur Salutatio hatte der Decimer alle Familienmitglieder und Klienten, sowie eine Vielzahl an Freunden und Bekannten aller Gesellschaftsschichten eingeladen. Es war nun an ihnen der Reihe nach an den frischgebackenen Consul herantreten, ihn zu begrüßen und ihre Glückwünsche auszusprechen und dafür von im symbolische Sportulae in Form bereits vorbereiteter kleiner Kuchen in Empfang zu nehmen.


    Sim-Off:

    Ich habe keine SIMON-Einladungen verschickt, denn jeder ist herzlich eingeladen hier mitzuposten! Da die Türen der Casa heute offen stehen, kann direkt hier geschrieben werden. Ich würde mich freuen. :)

  • Prächtig sah er aus... jeder Zoll ein würdevoller Staatsmann. Und viele Menschen waren hier... für mich eindeutig viel zu viele, eng und voll war es in unserem Atrium. Nervös blieb ich auf Abstand von dem Gedränge. Ein großer Tag, dachte ich sarkastisch. In dem allgemeinen Freudentaumel war ich ein Fremdkörper. Zwar verbargen die hübschen Falten meiner Toga, wie ausgezehrt der Körper darunter war, aber ich war noch immer so bleich wie ein Geist, hohlwangig und hohläugig, und von düsteren Gedanken und Ahnungen umschattet.
    Nach dem schonungsvollen Drumherumreden meiner Schwester, hatte ich mir selbst Gewissheit verschaffen wollen, was denn nun eigentlich genau bei diesen Kandidaturreden über mich gesprochen worden war, also hatte ich eine alte Quelle reaktiviert. Nun wußte ich es. Und wünschte, ich hätte nicht nachgefragt.


    "Vater" sprach ich, und trat mit verschlossenem Gesicht als erster zu ihm. "Was für ein großer Tag für dich und für unsere Gens. Ich gratuliere dir. Du hast den allerhöchsten Gipfel des Ruhms erklommen, und dieses Jahr wird für immer furios mit deinem Namen verknüpft sein..." Meine Stimme war ausdruckslos, ohne Herzlichkeit. Nun wurde sie sarkastisch, und etwas leiser, nur für uns beide zu hören fuhr ich fort. "...was macht es da schon aus, dass du auf dem Weg dorthin deinen Sohn in aller Öffentlichkeit verleugnet hast? Ja, was macht es da schon aus, dass du zu Gunsten dieser Kandidatur Cornelius Speichelleckern willfährig nach dem Mund geredet hast? Und ihre LÜGEN wiederholt hast, und deinen Sohn, ohne ein einziges Wort mit ihm selbst geredet zu haben, vor dem gesamten Senat verdammt hast, und seinen Namen in den SCHMUTZ gezogen!" Meine Wangenknochen mahlten, ich funkelte ihn mit hitzigem Zorn an, und schmeckte meine Enttäuschung wie Galle auf der Zunge.
    "Was macht das schon aus? Herzlichen Glückwunsch zum Konsulat!"
    Und bitte fügte ich hinzu: "Oh, mach dir keine Sorgen, ich verschwinde schon, ich will dir ja die Peinlichkeit ersparen, mich erneut vor aller Welt verleugnen zu müssen. Auf dass nichts die Freude dieses Tages trübe."

  • Es forderte jegliche Charakterstärke die Livianus aufbringen konnte, um in dieser Situation Haltung zu bewahren. Der Anschein nach außen war in dieser Situation wichtig. All die Augenpaare, die auf ihn gerichtet waren erlaubten ihn nicht, sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen. Sein Lächeln versteinerte förmlich, als er die Worte seines Adoptivsohnes hörte. Dennoch kochten in diesem Moment tief in ihm Gefühle der Wut, aber auch der Trauer in ihm auf. Erst jetzt wurde ihm bewusst welch großer Fehler es gewesen war, nicht ausführlicher mit Serapio über all seine Beweggründe für die Taten und Entscheidungen der letzten Monate zu sprechen. Er hatte gehofft, das Serapio viele Beweggründe seines Vaters selbst begreifen würde. Vielleicht hatte er seinem Sohn auch einfach zu viel Verständnis zugetraut. Im Moment machte es eher den Anschein, als verstand der junge Aquila, der eben erst zum Vigintivir ernannt wurde, mehr von Politik als Serapio, der bereits die höchsten Ämter des Reiches inne gehabt hatte. Es war ein schmaler Grat auf den Livianus sich bei seiner Kandidatur bewegen musste. Seine Entscheidungen, seine Wortwahl, all das galt es wohl zu überlegen und hatten von ihm alles abverlangt. Und bei all dem hatte er seinen Sohn weder verleugnet, noch seinen Namen in den Schmutz gezogen. Ganz im Gegenteil hatte er sich sogar bemüht Erklärungen für das Handeln seines Sohnes vorzubringen und ihn zu verteidigen. Doch all dies war nebensächlich. Bei all dem drehte es sich um mehr, als Livianus oder Serapio. Das musste sein Sohn doch begreifen. Bevor dieser sich abwenden konnte, ergriff die immer noch kräftige Hand seines Vaters dessen Hinterkopf und zog ihn heran. Für andere mochte es wie eine väterliche Umarmung wirken. Doch Livianus nutzte diese kurze Gelegenheit um seinen Sohn seinerseits einige Worte in das Ohr zu flüstern.


    "Hast du wirklich so wenig Weitsicht mein Sohn? Hast du denn gar nichts verstanden? Das Interesse der Öffentlichkeit und die Nobilitas – das ist der einzige Schutzmantel, den ich über unsere Familie legen kann. Und das Imperium und die consularische Amtsgewalt erlauben mir darüber hinaus noch viel mehr."


    Mit der gewonnenen Wahl waren die Decimi wieder in den Mittelpunkt des römischen Geschehens gerückt. Es war ein verwegener, aber wohl kalkulierter Schritt nach vorne. Ein Präventivschlag gegen all die zum Teil einflussreichen Widersacher und Gegner, welche sich Serapio und die Familie im Laufe der letzten Jahre eingehandelt hatten. Nun wo ganz Rom über die Decimi sprach und selbst die Acta es berichtenswert fand, dass mehr als die Hälfte des Senats hinter Livianus stand, würde es keiner mehr von ihnen so schnell wagen, unüberlegte Angriffe oder großspurige Verbalattacken gegen die Gens zu unternehmen. Für Livianus war es daher bedeutender gewesen bei dieser Gelegenheit seine Position im Senat auszuloten.


    Und nun wo Livianus für ein Jahr das Consulat ausübte, standen ihn darüber hinaus alle Gelegenheiten offen, die Vorwürfe seines Sohnes gegen Palma und diverse Honoratioren des Reiches vor den Senat zu bringen – sofern die Zeit reif dafür war und er dies auch wollte. Es stand im Senat niemand mehr über ihm, der eine solche Diskussion verhindern, vorzeitig beenden oder zum Staatsgeheimnis erklären konnte. Das alleine stand nur dem Consul zu. Und dies Alles geschützt durch das ihm verliehene Imperium und die 12 Liktoren um ihn herum, die für seine Sicherheit sorgten, sofern ein politischer Gegner den streitbaren Senator mit anderen Mitteln als dem Wort aus den Weg schaffen wollte.


    "Und nun zieh dich zurück."


    Um all dies seinem Sohn nun klar zu machen, sofern er das nicht selbst verstanden hatte, war hier weder der passende Zeitpunkt, noch der passende Ort. Stattdessen öffnete sich seine Hand wieder und ließ Serapio aus dem festen Griff seines Vaters frei.


    "Ich danke dir mein Sohn."


    Es folgte ein kurzer strenger Blick auf seinen Sohn gerichtet, der seiner Aufforderung Nachdruck verlieh, ehe er sich wieder lächelnd den anderen Gratulanten zuwandte.

  • Nachdem er schon den Auspizien beigewohnt hatte, hatte Aquila seinen Onkel begleitet in die Casa Decima, wo dieser eine große Salutatio zu seinem Amtsantritt hielt. Er war sich durchaus bewusst darüber, was für eine Chance das auch für ihn darstellte – ohne dass er mehr dafür tun musste als einfach an der Seite seines Onkels zu sein, konnte er sich einer ganzen Reihe von Leuten präsentieren, die er sonst vermutlich nicht so schnell (wieder) getroffen hätte, und die sich sonst vermutlich erst recht nicht mehr so schnell an ihn erinnern würden, oder sein Gesicht mit seinem Namen in Verbindung bringen. Natürlich stand sein Onkel im Vordergrund, trotzdem gedachte Aquila, jeden Moment hier zu nutzen, und er war ziemlich optimistisch, dass es schon reichte einfach stets in der Nähe des Consuls zu sein.


    Da sie sich im Grunde schon gratuliert hatten, hielt Aquila sich nun erst mal zurück und beobachtete die Gäste, die eintrudelten, neugierig und gespannt... was sich änderte, als sein Onkel Serapio auftauchte. Mit einem Mal wurde Aquila ein bisschen nervös. Er hatte Serapio in den letzten Wochen nicht wirklich zu Gesicht bekommen, und er war ganz froh darum gewesen, dass die einzige Möglichkeit gewesen wäre ihn an seinem Krankenbett zu stören, was eine willkommene Ausrede war genau das aus Rücksichtnahme natürlich nicht zu tun – er hätte gar nicht gewusst, wie er mit ihm hätte reden, was er hätte sagen sollen. Da war aus dem Weg gehen einfach angenehmer. Und sie hatten sich ja ohnehin schon lang nicht mehr gesehen, Aquila wusste gar nicht mehr genau, wie alt er gewesen war, als Serapio Hispania verlassen hatte... aber er war noch ziemlich klein gewesen, daran konnte er sich noch erinnern. Und dann war die Situation keine einfache – ganz allgemein nicht, aber auch speziell nicht. So viel hatte er freilich mitbekommen, dass es schwierig war mit seinem Onkel zur Zeit. Und was auch immer sich gerade abspielte zwischen Livianus und Serapio, Aquila schickte in diesem Augenblick ein Stoßgebet zu den Göttern, dass so ruhig blieb, wie es gerade schien.

  • Lepidus war wohl weit davon entfernt zu den Bekannten oder gar Freunden des gewählten Consuls zu zählen, doch offenbar verschaffte ihm seine erfolgreiche Wahl diese Einladung, wie wahrscheinlich auch sämtliche anderen Magistrate eine solche erhalten hatten. Der Tiberier konnte sich also fern davon fühlen, hier besonders bedacht worden zu sein. Im Grunde war dies eine reine Formalität - eine für die er sich gern einfach krank gemeldet hätte. Aber der Anblick einer nett geschmückten Casa und das Abstauben von ein paar Köstlichkeiten, konnten doch selbst einen Patrizier noch vor die Tür locken.


    Und ja, wenn Lepidus einmal kurz darüber nachdachte, dann wusste er letztlich auch, dass eine Aufwartung beim Consul nun einmal etwas war, was die Pflicht gebot. Ein Consul Roms verdient nun einmal den größten Respekt - sei er nun ein Decimer oder kein Decimer. Irgendetwas schien dieser Mann auch tatsächlich richtig gemacht zu haben, denn trotz der Kritik an ihm und seiner Familie, trotz den Verbindungen, denen man ihnen zum Regime des Usurpators, dessen Name nicht genannt werden darf, nachsagen konnte, hatte er es tatsächlich geschafft, eine Mehrheit im Senat hinter sich zu bringen. Wohl wahr! Dieser Mann dort mit seinem glänzenden Purpursaum, wie ihn Lepidus bereits von weitem unter den vielen Gratulanten sehen konnte, hatte tatsächlich Geschick bewiesen. Das machte die ganze Sache nicht unbedingt viel besser und erst recht machte es nichts vergessen, aber man musste sich der geballten Kraft des Faktischen beugen. Tja, und da galt es für Lepidus nur gedanklich zu wiederholen: Der Mann war jetzt nun einmal Consul.


    Gerade beobachtete er noch, wie Livianus jemanden sorgsam umarmte. Da konnte es sich wohl nur um einen Verwandten handeln, denn Lepidus selbst verspürte keine allzu große Lust auf derartigen Körperkontakt und hoffte deshalb, dass hier nicht jeder Gratulant so inniglich bedacht wurde. Geduldig musste der Tiberier nun warten, bis die Bahn endlich frei war. In Fokussierung auf den Senator Livianus war ihm darüber hinaus gar nicht aufgefallen, dass Aquila auch zugegen war. Derjenige, mit dem er fast in ein und demselben Collegium gedient hätte, wenn nicht ein Wink des Schicksals dies noch verhindert hätte. Lepidus hatte auch schon ein paar nette Standardworte für den Consul vorbereitet und auch noch das obligatorische Anstandsgeschenk mitgebracht. Wie hat sich nicht schon Cicero über all die netten Kleinigkeiten gefreut, die man ihm bereitete, als er endlich Consul war und ein jeder sich bei ihm beliebt machen wollte. Eine Unsitte, denn zu verschenken hatte der tiberische Römer nicht einmal Anerkennung. Doch in diesem Fall war seine Gabe wenigstens ein wenig kreativ, wie er fand.


    Nun war es dann endlich auch soweit und der Tiberier trat hervor. "Salve, Consul Decimus. Es grüßt dich Lucius Tiberius Lepidus, amtierend im Kollegium der Quattuorviri viis in urbe purgandis." Diese Vorstellung hielt der Tiberier noch für notwendig. Wer wusste schon, ob sich ein Senator jedes Gesicht eines Kandidaten für das Vigintivirat merken konnte? Aber in seinem Fall standen die Chancen eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man bedachte, dass er sogar ganze zwei Mal in der Curia reden durfte. "Lass mich dir zu einem Wahlerfolg und deinem nun erfolgten Amtsantritt meine herzlichsten Glückwünsche ausrichten. Ich darf dir auch die freundlichsten Gratulationen meiner Familie ausdrücken. Im Namen der Tiberii Ahalae möchte ich dir folgendes Geschenk zum Beginn deines Consulats überreichen." Es trat ein Sklave des Tiberiers hervor, welcher ein Tablett in der Hand hielt, worauf sich ein schlanker, aber dafür etwas höherer Gegenstand unter einem Tuch verbarg. Geschwind wurde er vor des Consuls Augen enthüllt und es präsentierte sich die anmutige Gestalt der Minerva - unschwer zu erkennen an der kleinen Eule, die ihr Gesellschaft leistete, dem Olivenkranz und dem erhobenen rechten Arm als Zeichen der Belehrung. "Mir scheint für dein Consulat brauchst du die Präsenz der Hüterin des Wissens, den bedachtes Handeln ist in diesen Tagen gefragter denn je. Möge die Weisheit der Minerva dich während deiner Amtszeit leiten und dir stets präsent sein. Die Statue ist - ganz traditionell - aus gutem soliden Terrakotta gefertigt, einem Stoff, den unser aller Vorfahren bevorzugten und jene sollen dir Vorbild sein für alles, was du im kommenden Jahr anpackst - auf dass du deinen Platz als ein beispielhafter Bewahrer der römischen Tugenden in der Geschichte einnimmst." Die Tatsache, dass Lepidus so günstige Materialien wie Terrakotta bevorzugte, zeichnete ihn als beständigen Traditionalisten aus. Denn aus Armut hatte der Tiberier sicher nicht darauf zurückgegriffen. Ihm war die inflationäre Verwendung von Marmor, Silber und Gold bei der Fertigung von Götterebenbildern ein Greul. Andererseits hatte dies natürlich gleichsam den Vorteil, dass er für den Consul keine Unsummen ausgeben musste. Dann hätte er sicherlich noch ewig hin und her überlegen müssen, was denn nun am angemessensten war. So war es natürlich deutlich einfacher. Er erläuterte das einfach durch ein paar Worte und dann hatte das Ganze eine noch stärkere Bedeutung, als dies alles Gold vermochte - auch wenn viele Prunksüchtige wohl sicher nichts mit der Anknüpfung an die geradezu primitiv wirkenden Ahnen anfangen konnten. "So noch einmal unter den weisen Augen Minervas: Meine Glückwunsche, Consul Decimus." So war‘s denn erst einmal hinter ihn gebracht. Möge der Tag doch weiterhin so angenehm ruhig verlaufen.

  • Aufmerksam hörte Livianus den Worten des jungen Tiberiers zu und war auch sichtlich freudig überrascht, als er mit einer Statue der Göttin Minerva beschenkt wurde. Mit Geschenken hatte er wahrlich nicht gerechnet. Ein Haussklave der hinzutrat, um das Geschenk zu übernehmen und irgendwo abzustellen wurde auch sofort von Livianus abgedrängt, der selbst nach der Statue griff und sie in seinen Händen betrachtete. Dass die Statue „nur“ aus Terrakotta gefertigt war, störte den Decimer nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil war auch er, der sich ex caligae zu dieser höchsten aller Ehren nach oben gearbeitet hatte, immer ein eher bescheidener und auch schlichter Mann geblieben, der sich noch sehr gut an seine Zeit als einfacher Soldat zurückerinnern konnte und wollte. Er fuhr mit den Fingern über die feinen Maserungen der Tonschicht und betrachtete die gut gelungene Eule ehe er freundlich lächelnd zu Lepidus aufsah.


    "Ich danke dir und deiner Familie, Tiberius. Für die Glückwünsche und für dieses Geschenk. Es soll einen Ehrenplatz in meinem Officium bekommen."


    Erst dann reichte er die Statue dem immer noch verdattert dreinblickenden Sklaven, der neben ihm stand und bereits zuvor die Statue übernehmen wollte. Nun war zumindest auch klar, wohin er sie bringen sollte. Dann wandte er sich wieder Lepidus zu, dessen Kandidatur ihm freilich in guter Erinnerung geblieben war. Es blieb leider nicht sehr viel Zeit für eine längere Unterhaltung, aber bevor der nächste Gratulant an der Reihe war, wollte Livianus die Gelegenheit nutzen, dem jungen Patrizier doch noch einige Worte mit auf den Weg zugeben.


    "Und ich danke dir für die Umsichtigkeit, die du bei deiner Kandidatur unter Beweis gestellt hast. Es tut mir nach wie vor sehr leid, dass es mir nicht gelungen ist, dir einen Platz bei den Tresviri zu sichern. Doch betrachte es als erste Bewehrungsprobe auf dem manchmal sehr glatten und manchmal sehr rauen Parkett der römischen Politik. Du hat sie bravurös gemeistert. Ich bin mir sicher du wirst deinen Weg machen."


    Er nickte dem jungen Tiberius noch einmal aufmunternd zu, ehe sich auch schon der nächste Gratulant nach vorn drängte, um den Consul seine Glückwünsche auszusprechen.

  • Lange hatte Silanus es vor sich hergeschoben und da sein Patron in den letzten Wochen wohl auch mit anderen, viel wichtigeren Dingen beschäftigt war als mit seinen Klienten, konnte der Iunier sein Gewissen damit beruhigen, seinen Patron nicht unnötig dabei gestört zu haben. Doch bei einem solchen Ereignis zu fehlen, konnte er nicht mehr mit sich vereinbaren. Hätte Decimus Livianus herausgefunden, dass Silanus sich seit Wochen in Rom aufhielt und dennoch bei seinem Amtsantritt als Consul gefehlt hätte, so wäre bestimmt das Patronat auf dem Spiel gestanden. Etwas, dass der Iunier keinesfalls riskieren wollte. Er war daher zur heutigen Salutatio gekommen und würde auch danach den Processus Consularis gemeinsam mit anderen ritterlichen Klienten und Bekannten des Decimers anführen. Doch nun war es an ihm, dem neuernannten Consul seine Gratulation auszusprechen. Als er endlich an der Reihe war, trat er seinem Patron etwas nervös und mit einer schuldbewussten Mine gegenüber.


    "Salve Patron! Es ist lange her. Ich hoffe du verzeihst, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich möchte dir zu deinem Consulat gratulieren. Natürlich auch im Namen der Iunii. Mögen die Götter über dich wachen und dir auch weiterhin den richtigen Weg weisen."


  • Voll bitterem Ingrimm biss ich die Zähne zusammen, als er mir auf so so herablassende Weise antwortete. Dass sein Konsulat der Familie zu mehr Schutz und ihm zu mehr Einfluß verhalf, war eine Offensichtlichkeit, über die er mich nicht hätte belehren müssen. Doch dass Livianus sich auf dem Weg dorthin letzlich entschieden hatte, die Lügen des Verschwörerklüngels selbst in den Mund zu nehmen, und mich in aller Öffentlichkeit als ehrlosen Schandtäter und Consular-Folterer brandzumarken – das war und blieb ein übler, ein wirklich übler Vertrauensbruch!!
    Ich hatte alles getan, was in meiner Macht stand, um die Machenschaften der Verschwörer aufzuhalten... ich hatte alles gegeben, alles geopfert... und am Ende hatte die blinde Idiotie der Schicksalsweberinnen alles zu Trümmern geschlagen und den Frevlern den Sieg in den Schoß geworfen. Aller Kampf war umsonst gewesen. Völlig umsonst hatte ich alles was mir je lieb und teuer gewesen war verloren. Und nun machte sich sogar mein eigener Vater mit diesem Pack gemein und fiel mir in den Rücken.


    "Vergiss nicht," flüsterte ich bleich vor Zorn, "dass die Schweine, denen du dich da anbiederst, die sind, die dieses Reich in Blut getaucht haben!!"
    Selbst der Boden auf dem wir hier standen, selbst unser Atrium hier in dem Livianus nun so fröhlich seinen Wahlsieg feierte, war von Cornelius Schergen mit Blut besudelt worden.
    "Ja, ich gehe. Ich verlasse dieses Haus."
    Er lockerte seinen Griff und ich wich abrupt aus der "väterlichen Umarmung"zurück.
    "Genieß den Tag." wünschte ich eisig, raffte meine Toga und wandte mich ab.
    Schon drängten sich die nächsten Gratulanten heran.


    Zitat

    Original von Marcus Decimus Aquila
    Da sie sich im Grunde schon gratuliert hatten, hielt Aquila sich nun erst mal zurück und beobachtete die Gäste, die eintrudelten, neugierig und gespannt... was sich änderte, als sein Onkel Serapio auftauchte. Mit einem Mal wurde Aquila ein bisschen nervös. Er hatte Serapio in den letzten Wochen nicht wirklich zu Gesicht bekommen, und er war ganz froh darum gewesen, dass die einzige Möglichkeit gewesen wäre ihn an seinem Krankenbett zu stören, was eine willkommene Ausrede war genau das aus Rücksichtnahme natürlich nicht zu tun – er hätte gar nicht gewusst, wie er mit ihm hätte reden, was er hätte sagen sollen. Da war aus dem Weg gehen einfach angenehmer. Und sie hatten sich ja ohnehin schon lang nicht mehr gesehen, Aquila wusste gar nicht mehr genau, wie alt er gewesen war, als Serapio Hispania verlassen hatte... aber er war noch ziemlich klein gewesen, daran konnte er sich noch erinnern. Und dann war die Situation keine einfache – ganz allgemein nicht, aber auch speziell nicht. So viel hatte er freilich mitbekommen, dass es schwierig war mit seinem Onkel zur Zeit. Und was auch immer sich gerade abspielte zwischen Livianus und Serapio, Aquila schickte in diesem Augenblick ein Stoßgebet zu den Göttern, dass so ruhig blieb, wie es gerade schien.


    Mit versteinerter Miene strebte ich zum Ausgang. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Aquila, und bedachte ihn mit einem kalten Blick. In der Vergangenheit hatte ich ja all die jungen Verwandten, die über die Jahre hinweg hier aufgekreuzt waren, immer mit offenen Armen und herzlich empfangen. Aber dieser Junge hier, der hatte nach dem Opportunistenmüll, den er im Senat von sich gegeben hatte, bei mir jetzt natürlich schlechte Karten.
    "Aquila" sprach ich ihn schneidend an, "mir ist zu Ohren gekommen, dass du, obgleich du noch so jung an Jahren bist, schon ein sehr großes Talent besitzt. Darin, dein Fähnchen nach dem Winde zu hängen. Darin, Urteile zu fällen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was in Wahrheit geschehen ist. Und darin, über Abwesende schlecht zu sprechen. Sehr kühn dich dessen zu erdreisten, will ich meinen," lobte ich ihn mit beissendem Sarkasmus, "angesichts der Tatsache, dass ein Junge wie du nicht einmal ansatzweise ermessen kannst, welche Verdienste manch anderer sich um dieses Reich erworben hat, als du noch am Rockzipfel deiner Kinderfrau hingst. - Ich gebe dir einen Rat:" Mit der verbundenen rechten Hand wies ich grimmig auf den steinernen Türbogen des Durchganges neben uns. Darüber war unser Genswappen eingemeisselt, und unser Wahlspruch: Honor et Fortitudo. "Lies diese beiden Worte und denk ein wenig darüber nach was sie bedeuten."


    Ohne etwaige Verteidigungen seinerseits zu beachten setzte ich meinen Weg fort, trat durch eben jenen Durchgang und lies das Atrium hinter mir zurück, und die viel zu vielen Menschen darin, und meine ach so ehrenwerte Familie. Ich trommelte meine persönlichen Sklaven zusammen, und lies sie meine Sachen zusammenpacken. Wiederhergestellt war ich zwar noch lange nicht, aber auch nicht mehr so krank, dass ich noch ans Bett gebunden wäre, und im Augenblick beherrschte mich nur noch der Wille, so schnell wie möglich aus dem verlogenen Mief dieses Hauses zu entkommen.

  • Lepidus sah zufrieden, dass das Geschenk offenbar seine Wirkung nicht verfehlt hatte und es ganz genau begutachtet wurde. Soweit dies der Tiberier beurteilen konnte, handelte es sich auch nicht einmal um ein vorgespieltes Dankeschön. Er war es einfach schon zu sehr gewohnt, dass man in seiner Umgebung alles nur noch vorheuchelte. Doch nicht nur das! Jetzt bekam der Tiberier tatsächlich die verbalen Streicheleinheiten, nach denen sein Ego sich im Senat schon so sehr gesehnt hatte. Dazu noch ein paar tröstende Worte, dass er sich nun nicht mit Kriminalfällen, sondern mit der Straßensäuberung beschäftigen musste. "Ich nehme es als Herausforderung. Die Worte eines Consuls von Rom sollten Ansporn genug sein. Ich bin mir sicher, unsere Wege werden sich noch das eine oder andere Mal kreuzen." Ob dies noch an jenem Tage sein würde, war in Anbetracht des Gästeaufkommens natürlich nicht wahrscheinlich. Aber sollte Lepidus seinen Weg weiter durch den Cursus Honorum schreiten, so war dies sicherlich mehr als eine Prophezeiung. Er erwiderte das freundliche Nicken des Consuls und machte für die nächsten Gratulanten Platz. Lepidus würde noch ein wenig bleiben, um sich umzuschauen, vielleicht noch etwas Wein abstauben und den ein oder anderen netten Plausch führen, bevor er sich wieder um andere Dinge zu kümmern hatte.

  • Aquila war beileibe nicht feige. Im Gegenteil könnte man ihm eher vorwerfen, dass er es zu wenig war – was nicht in Mut resultierte, sondern in Leichtsinnigkeit und Gedankenlosigkeit. Als Serapio aber in diesem Augenblick auf ihn zukam, wäre er am liebsten abgehauen. Und an dem Gefühl änderte sich nichts, als sein Onkel – oder Vetter? – bei ihm angekommen war und ihn ansprach. „Ich...“, warf er versuchsweise ein, irgendwo zwischendrin, aber Serapio war ganz offenbar nicht in der Stimmung, sich unterbrechen zu lassen, geschweige denn zuzuhören. Trotzdem versuchte er es ein weiteres Mal: „Aber... Hey, Moment mal“, rief er ihm noch hinterher, als sein Onkel dann ging, ohne auf ihn zu achten – ein wenig zu laut, wie ihm gleich darauf bewusst wurde, als ein paar Köpfe sich in seine Richtung drehten. Da hatte er gerade selbst noch gehofft, dass es ruhig blieb, und jetzt sorgte er für Aufmerksamkeit... lautlos fluchend zwang er ein Lächeln auf sein Gesicht und nickte denen zu, die ihn kurz ansahen, grüßte freundlich und wandte sich dann ab. Er wusste nicht, was er von Serapios Worten halten sollte. Er wusste auch nicht, was er von ihm erwartete. Oder erwartet hatte oder hätte. Und genauso wenig wusste er, was er von der ganzen Sache halten sollte, was gelaufen war, im Bürgerkrieg, mit seiner Familie – er hatte es bisher tunlichst vermieden, sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, weil er keine Lust darauf hatte sich das Hirn zu zermartern oder Gewissensbisse zu haben, schon allein weil es ja sowieso nichts brachte. Aber er hätte lügen müssen, hätte er behaupten wollen, dass ihn die Worte nicht irgendwo, irgendwie getroffen hätten... und mit einem Mal bekam die Veranstaltung, die Amtseinsetzung und sogar sein Wahlergebnis einen schalen Beigeschmack.

  • Zitat

    Original von Lucius Iunius Silanus
    "Salve Patron! Es ist lange her. Ich hoffe du verzeihst, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich möchte dir zu deinem Consulat gratulieren. Natürlich auch im Namen der Iunii. Mögen die Götter über dich wachen und dir auch weiterhin den richtigen Weg weisen."


    Livianus nahm die Drohung seines Sohnes, das Haus verlassen zu wollen, nicht wirklich ernst. Wo sollte er schon hin? Er ging vielmehr davon aus, dass Serapio sich wieder einkriegen würde. Auch schon früher, als Serapio als aufmüpfiger junger Mann wieder in Rom aufgetaucht war, kam es hin und wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Decimern. Sie waren natürlich nie so intensiv und belastend gewesen, wie dieser Konflikt. Doch sie hatten letzten Endes immer eine Gesprächsbasis gefunden. Warum sollte das nun anders sein? Livianus unterschätzte die aktuelle Situation vollkommen und ging davon aus, dass sein Adoptivsohn lediglich ein wenig eingeschnappt war. Die laufende Salutatio gab ihm auch nicht wirklich die Möglichkeit, sich näher mit dem Thema und seinen Gedanken dazu auseinanderzusetzen, denn schon stand wieder der nächste Gratulant vor ihm. Sichtlich überrascht reichte er dem Iunier die Hand. Wie lange war es her gewesen, dass sie sich zuletzt gesehen hatten? Livianus wusste es nicht mehr. Doch er war erfreut zu sehen, dass sein Klient den Bürgerkrieg unbeschadet überstanden hatte.


    "Iunius Silanus! Welche Überraschung! Es ist wahrlich lange her. Ich freue mich zu sehen, dass es dir gut geht und du die letzten Jahre unbeschadet überstanden hast. Wo hat es dich die letzten Jahre hinverschlagen? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du zuletzt am Kaiserhof gearbeitet?"

  • Seiana hatte eigentlich wenig Lust darauf, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen – und Öffentlichkeit, oder zumindest halb, war diese Salutatio. Aber sie wusste, was sich gehörte, sie wusste, was erwartet wurde... und so war auch sie hier erschienen. Selbstredend hatte sie ihrem Onkel bereits gratuliert, schon nach der Wahl, und so diente ihre Anwesenheit hier mehr dazu zu zeigen, dass auch die Familie hinter ihrem Onkel stand. Sie verbarg ihre Gefühle hinter einer steinernen Maske, die ihr bei weitem nicht mehr so gut gelingen wollte wie früher noch... was sich vor allem darin zeigte, dass ihr anzusehen war, dass es eine Maske war. Sie hatte ihre Fassade perfektioniert gehabt, so sehr, dass man ihr nicht hatte ansehen können, dass sie eine Maske trug, dass man ihr glaubte, wenn sie ruhig und kühl nach außen wirkte, dass es auch so in ihr aussah – höchstens ihr Lächeln mochte sie hin und wieder verraten haben, in ihren Augen, die selten von einem erwärmt wurden.
    Jetzt allerdings war das nicht mehr so. Sie bemühte sich, aber sie konnte spüren, dass es ihr nicht mehr so gut wie in den vergangenen Jahren immer gelang, die Fassade aufrecht zu erhalten. Ihre Gesichtszüge waren unbewegt, aber man konnte sehen, oder vielmehr spüren, was das war – eine Maske, die nur verbergen sollte, dass es darunter nicht so unbewegt war. Eine Maske, die nur umso schwerer zu halten war, als Seiana ihren Bruder sah, verfolgte wie er mit Livianus sprach, und wie er danach ging. Sie sehnte sich danach, ihm hinterher zu gehen... aber sie ließ es bleiben. Stattdessen reihte sie sich bei den Gratulanten ein und beglückwünschte ihren Onkel, als sie bei ihm war: „Ich gratuliere dir, Onkel. Möge dein Consulat von den Göttern gesegnet sein.“

  • Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus
    "Iunius Silanus! Welche Überraschung! Es ist wahrlich lange her. Ich freue mich zu sehen, dass es dir gut geht und du die letzten Jahre unbeschadet überstanden hast. Wo hat es dich die letzten Jahre hinverschlagen? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du zuletzt am Kaiserhof gearbeitet?"


    Silanus war froh darüber, dass sein Patron sehr erfreut und wohlwollend auf seinen Besuch reagierte. Nun begann auch er zu lächeln. Es reichte ein Blick in Livianus freundliches und offenes Gesicht um zu glauben, es wären nur Tage und keine Jahre zwischen heute und ihrem letzten Aufeinandertreffen gewesen.


    "Ich meine Tätigkeit als Procurator im Kaiserpalast bis kurz vor der Ermordung Kaiser Valerianus ausgeübt. Im Nachhinein betrachtet war es wohl Glück, dass eine Lungenkrankheit mich zwang diesen Posten aufzugeben und Rom zu verlassen. So ist es mir erspart geblieben, die Machtergreifung des Vesculariers aus erster Reihe miterleben zu müssen. Er war schon als Praefectus Urbi kaum zu ertragen. Den Bürgerkrieg über habe ich dann auf einen meiner Landgüter verbracht. Ich habe gehört das auch du während dieser Zeit nicht in Rom warst?"

  • "So ist es. Ich habe schon vor dem Bürgerkrieg mein Kommando über die Legio II zurückgelegt und bin nach Hispania gegangen. Manche würden es vielleicht als Glück bezeichnen, doch hat sich in meiner Abwesenheit vieles hier in Rom getan und verändert. Leider nicht immer zum Guten und im Interesse der Familie."


    Livianus seufzte kurz, wollte das Thema aber nicht weiter vertiefen. Vielleicht ergab sich später noch die Gelegenheit in aller Ruhe ein paar Wörter mit seinem Klienten zu wechseln. Doch nun standen bereits weitere Gratulanten hinter dem Iunier und warteten darauf, selbst mit dem Consul ein paar Wörter wechseln zu können.


    "Umso erfreuter hat mich meine Wahl zum Consul. Es ist wieder ein deutliches Lebenszeichen der Decimer und bringt der Familie wieder den notwendigen Aufschwung. Ich danke dir also für deine Glückwünsche und hoffe wir finden heute oder in der nächsten Zeit noch Gelegenheit miteinander ausführlicher zu reden."


    Er nickte seinem Klienten zu und wandte sich an seine Nichte Seiana, die mittlerweile auch zum Kreis Gratulanten getreten war, der sich mittlerweile um den frischgebackenen Consul und Iunius Silanus gebildet hatte.


    "Ich danke dir Seiana."


    Es folgte eine kurze Umarmung, die wesentlich wärmer und gefühlvoller ausfiel, als die zuvor mit Serapio. Als Livianus sich wieder von ihr löste sah er zu Silanus.


    "Du kennst meine Nichte Seiana?"


    Eine weitere Traube an Gratulanten hatte sich mittlerweile dazugesellt. Er sah daher noch einmal zu Seiana.


    "Mein treuer Klient Iunius Silanus ist auch erst vor kurzem wieder nach Rom zurückgekehrt. Wärst du so nett und könntest dich seiner annehmen während ich die restlichen Hände schüttle."

  • Hatte Seiana gehofft, sich bald zurückziehen oder wenigstens einfach nur im Hintergrund bleiben zu können, wurde ihr diese Hoffnung genommen. Kaum hatte sie ihrem Onkel gratuliert, stellte dieser ihr einen seiner Klienten vor, der noch bei ihm stand, und bat sie sich um ihn zu kümmern – eine Bitte, die sie selbstredend nicht ablehnen konnte. Der Klient war ein Iunier, ausgerechnet. Von allen Menschen, mit denen sie im Augenblick nicht reden wollte, gehörten Iunier – abgesehen von einem bestimmten – wohl zu denen, auf die das mit am meisten zutraf. Aber die Bitte ihres Onkels war deutlich gewesen... und Seiana wusste, was von ihr erwartet wurde, war nach all den Jahren zu sehr Teil des gesellschaftlichen Spiels geworden, als dass sie auch nur nach einer Ausrede gesucht hätte, geschweige denn abzulehnen. Sie wäre nicht einmal hier, wäre sie anders.


    „Natürlich, Onkel“, erwiderte sie also, ruhiger, als sie sich fühlte, schenkte dem Iunius ein leichtes Verziehen ihrer Mundwinkel, das vielleicht als vages Lächeln durchgehen mochte, und machte ein paar Schritte fort von ihrem Onkel und den Menschen um ihn herum, bis sie ein wenig Platz hatten. „Kann ich dir etwas anbieten, Iunius?“

  • Es war wohl eine Fügung des Schicksals, dass es Silanus bei dieser Gelegenheit ausgerechnet mit Decima Seiana zusammenführte, deren Verbindung mit seinem Neffen ihm in letzter Zeit einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Er konnte jedoch nicht sagen, dass er sich besonders darüber freute. Viel eher fühlte er sich vom Schicksal eher etwas überrumpelt. Trotzdem folgte der Iunier der Nichte seines Patrons ein paar Schritte zur Seite um den weiteren Gratulanten Platz zu machen. Als sie ihm etwas anbot, nickte er freundlich.


    "Gerne. Ich habe von einem sehr erlesenen Falerner gehört, den es in einem eurer Familienbetriebe zu kaufen gibt. Er wird doch bestimmt auch hier zu diesem besonderen Anlass ausgeschenkt?"

  • „Selbstverständlich“, lächelte Seiana höflich und winkte einen Sklaven herbei, dem sie auftrug, das Gewünschte zu bringen – und als dieser verschwand, um den Auftrag auszuführen, herrschte für einen Moment Schweigen. Es drängte Seiana, nach Seneca zu fragen, ob sie Nachricht von ihm erhalten hatten, ob er wohlbehalten in Germania angekommen war, wann er wohl zurückkehren würde. Und obwohl sie wusste, dass sie keine dieser Fragen stellen konnte, geisterten sie ihr dennoch weiter durch den Kopf.
    Ihr war klar, dass sie unhöflich war, dass sie sich mit dem Iunius unterhalten sollte, oberflächliches Geplänkel austauschen, nur: ihr wollte nichts einfallen in diesem Moment. Ihre Gedanken irrten um Seneca, darum, ob es ihm gut ging. Der Falerner, dachte sie flüchtig, aber das war kaum ein Gesprächsthema – zu spät fiel ihr ein, dass sie erzählen könnte, dass sie ihn selbst vertrieb. Vielleicht wenn die Getränke kamen und der Iunius den Wein probierte... wo blieb der Sklave überhaupt, fragte sie sich, obwohl ihr auch klar war, dass er noch gar nicht zurück sein konnte, weil dafür nun wieder zu wenig Zeit vergangen war. Es kam ihr so vor, als ob sich das Schweigen endlos hinzog gerade, aber allzu lange war es nicht, bis ihr dann doch eine Frage einfiel, die sie stellen konnte, ein Thema, das ihr Onkel angesprochen hatte und das sie aufgreifen konnte: „Du bist also erst kürzlich nach Rom zurückgekehrt. Wo hast du die letzte Zeit verbracht, wenn ich fragen darf?“ Es war harmlos. Und mit Erzählungen von vergangenen Jahren ließ sich gut Zeit überbrücken.

  • Silanus nickte noch einmal höflich dankend, als Seiana einen Sklaven lossickte, um den gewünschten Wein aufzutreiben. Er nutzte diese Ablenkung und musterte sie kurz. Auch wenn sie bereits in etwa sein Alter erreicht hatte und nicht mehr mit dem Charme der Jugend und Unberührtheit punkten konnte, auf den so viele, vor allem gut situierte Männer fortgeschrittenen Alters Wert legten, so stand ihm doch eine sehr attraktive und auch begehrenswerte Frau gegenüber. Es war also kein Wunder, das Seneca ihr verfallen war und Silanus konnte dies besser nachvollziehen, wenn auch nach wie vor nicht gutheißen. Schließlich wandte sie sich wieder dem Iunier zu und er sah auf. Durch die dann aufkommende Stille, machte sich wieder Unbehagen in ihm breit. Gerne hätte er sie einfach direkt auf seinen Neffen Seneca und die Vorwürfe von Axilla angesprochen. Doch da er ihre Reaktion vorerst nicht einschätzen konnte, wollte er keinen Eklat bei diesem Anlass riskieren. Vielleicht ergab sich ja zu einem späteren Zeitpunkt noch eine bessere Gelegenheit dieses Thema anzusprechen. Womöglich sogar unter vier Augen. Während er weiter überlegte, wie er dies bewerkstelligen konnte, brach Seiana plötzlich das Schweigen und stellte eine Frage. Es ging um seine Abwesenheit. Erleichtert atmete Silanus durch und machte sich sofort daran, dass Gespräch aufzunehmen.


    "Ich musste mich krankheitsbedingt auf mein Landgut zurückziehen. Meine Ärzte haben vor der Machtergreifung Salinators ein Lungenleiden festgestellt und mir geraten einige Monate Rom zu verlassen und mich für einige Zeit einer eher trockenen und sehr salzhaltigen Luft auszusetzen. Da mein Landgut an der Küste Hispanias liegt, war es der passende Erholungsort. Dort erreichte mich schließlich auch die Nachricht über den Tod Kaiser Valerianus und der Inthronisierung des Vesculariers. Ich entschied mich daher in Hispania zu bleiben und die weiteren Geschehnisse abzuwarten. Im Nachhinein betrachtet wohl die richtige Entscheidung wie mir scheint. Vor allem da für mich seit meiner Rückkehr sehr oft deutlich wird, wie Rom und seine Bürger unter dem Bürgerkrieg gelitten haben. Auch deine Familie hatte sehr schwere Bürden zu tragen wie ich gehört habe. Es muss eine große Erleichterung sein, nun wo dein Onkel wieder in Rom ist und nun sogar für ein Jahr an der Spitze des Senats stehen wird."

  • Seiana lauschte seiner Erzählung aufmerksam, nickte hin und wieder an passenden Stellen. Sie war froh darüber, dass der Iunius etwas ausholte, dass sie nicht sofort wieder etwas sagen musste, sondern erst mal nur zuhören konnte. Als die Reihe dann allerdings an ihr war, etwas zu erwidern, ging es sofort um ein Thema, das ihr nicht wirklich behagte. Sie dachte an ihren Bruder und an die zurückliegenden Jahre, und daran, wie sie jetzt im Licht der Öffentlichkeit da standen. Auch wenn es ruhig geworden war, machte Seiana sich da doch nichts vor. „Nun, ich... kann mich nicht beklagen. Wir haben versucht mit den Umständen so gut wie möglich zurechtzukommen.“ Eine neutrale Antwort, die nicht zu viel preis gab. „Aber natürlich ist es eine große Ehre für meine Familie, dass mein Onkel zum Consul gewählt wurde. Und es wird hoffentlich dabei helfen zu zeigen, dass an der Loyalität der Decimi zu Rom kein Zweifel besteht.“

  • Silanus hätte seinem Patron zweifelsohne von dieser Kandidatur abgeraten, denn wirklich bewegen, konnte dieser in seiner kommenden Amtszeit mit ziemlicher Sicherheit fast nichts. Dazu war der Senat derzeit wohl zu uneins und zu träge. Es blieb nur zu hoffen, dass der Decimer das eine Jahr möglichst unbeschadet überstand und dann als Consular zumindest zum erlauchten Kreis der Nobilitas gehörte. Doch wirklich mehr war dabei nicht zu gewinnen. Doch Livianus war in solchen Dingen schon immer ein zu gutgläubiger Mensch, der zwar mit den besten Absichten handeln wollte, doch in den meisten Fällen mit seinen voreiligen und oft nicht genau durchdachten Bauchentscheidungen an Widerständen unterschiedlichster Art scheiterte. Ein Fressen für politische Machtmenschen und Intriganten.


    "Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob sich dein Onkel einen Gefallen damit getan hat. Überall in Rom erzählt man sich von den Anfeindungen im Senat gegen ihn während seiner Kandidatur. Er wird doch nicht aller ernstes annehmen, dass dies mit seiner Amtseinsetzung ein Ende nimmt. Ganz im Gegenteil ist davon auszugehen das die politischen Gegner und Neider sich noch mehr auf ihn einschießen und jegliches Vorhaben seinerseits von Anfang an zum scheitern verurteilt ist. Es ist zwar schade, aber wohl der Realität am nächsten."

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