Ein Abschied auf lange Zeit

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…a/villa_staelle_klein.pngHeute war der Tag gekommen, an dem Audaod seinen Abschied nehmen musste von seiner Heimat. Er wollte Senator werden und deshalb war die Reise nach Rom beziehungsweise ein Umzug dorthin, nicht mehr zu verhindern. Es widerstrebte ihm eigentlich, Mogontiacum zu verlassen. Dennoch, sein Traum vom Senat überwog das flaue Gefühl, das beim Gedanken an den Abschied stets im seinem Magen aufkam.
    Um nicht zu sehr über den Abschied nachdenken zu müssen, stürzte Audaod sich in seine Reisevorbereitungen. Er packte möglichst wenig, denn er fand es einfacher in Rom Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände des Alltags neu zu erwerben - von Möbeln ganz zu schweigen. Als er den Hauptstall des Gestüts betrat, befanden sich deshalb in seinem Gepäck nur zwei Tuniken, eine neue Toga, ein zweites Paar Carbatinae, etwas einfaches Schreibzeug, eine ganze Menge Proviant und die wichtigsten Instrumente für die tägliche Körperpflege.

    http://farm1.static.flickr.com…87019926_181b637bd1_s.jpg "Na, mein Guter?", begrüßte Audaod seinen Junghengst Isberaht. Er klopfte dem Pferd freundlich den Hals und erntete ein deftiges Schnauben als Antwort. "Ja, uns steht eine happige Reise bevor. Schnauben hilft da auch nicht, da sei dir mal sicher." Audaod grinste. Isberaht schnaubte erneut und stampfte mit dem Huf auf. Audaod deutete das Stampfen als Ungeduld, endlich aus dem Stall herauszukommen. Belustigt machte er seinen Hengst bereit, schnallte ihm den Sattel um und befestigte einen großen Beutel mit seiner Habe an dem harten Leder. Am Sattelknauf machte er zudem einen Trinkschlauch - natürlich gefüllt mit süffigem Bier - fest, woraufhin er ein letztes Mal die Gerüche des Stalles einsog. Stroh, Pferdeäpfel, Schweiß, das alles würde er in Rom wohl nicht mehr riechen. Jedenfalls nicht in der Form. Als er sich wieder zusammengerissen hatte, bereitete Audaod noch ein zweites Pferd vor, dem er noch etwas mehr Proviant, ein paar Decken und dergleichen und das ein oder andere Geschenk für bestimmte Personen, die er in Rom zu besuchen gedachte, aufbürdete. Schließlich verließ er entschlossenen Schrittes den Stall, um sich ja nicht seinem bereits aufkommenden Heimweh hinzugeben. Wenn er nach Rom wollte, dann musste er jetzt gehen, oder nie.


    http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/50.jpgVor den Ställen traf Audaod auf Radbod, der ihn nach Rom begleiten würde. Damals, kurz nach dem Brand der Casa Duccia, hatten Audaod und Radbod bereits darüber gesprochen, dass Audaod fortgehen wolle. Nachdem sich schließlich herauskristallisiert hatte, dass Audaod diese Reise tatsächlich antreten würde, rang Radbod sich schließlich dazu durch, ebenfalls seine Zelte in Mogontiacum abzubrechen. Der Duccius freute sich darüber, ein bekanntes Gesicht an seiner Seite zu haben und nahm Radbod gerne mit.


    "Bereit?", fragte er den pummeligen Burschen, während er ihm beherzt auf die Schulter klopfte.
    "Uff", keuchte Radbod. "Glaub' schon."
    "Na dann kann's ja losgehen", grinste Audaod und stapfte weit ausschreitend an seinem Gefährten vorbei, seine beiden Pferde am Zügel führend. Radbod beeilte sich, seinem Kameraden zu folgen. Er hatte ein Pony dabei, das ihn nach Rom tragen würde. Als er Audaod eingeholt hatte, war die Sonne gerade voll aufgegangen. Es war früher Morgen, denn Audaod wollte das Tageslicht ausnutzen, um möglichst schnell vorwärts zu kommen.
    "Wo treffen wir denn die anderen?", fragte Radbod.
    "Vorn an der Militärstraße", lautete Audaods Antwort.
    "Und wer sind die Leute?"
    "Wir reisen zusammen mit Publius Vennonius Caldus. Er ist ein gelehrter Mann. Und er hat sowohl Leibwächter als auch eine Kutsche." Audaod grinste breit. "Vielleicht passen wir da bei schlechtem Wetter sogar zu dritt rein."
    "Boah! Meinst du wirklich?" Radbods Augen weiteten sich. "Das muss ein reicher Mann sein."
    "Jap, das is' er. Vennonius ist Jurist, weißt du? Ich hoffe er kann mir noch so manches beibringen, was mir dann später hilft. Mit Wodans Hilfe werde ich ja einmal Praetor, da muss ich von Recht und Gesetz eine ganze Menge Ahnung haben." Sie erreichten nun den Weg, der von der Villa aus das Landgut durchschnitt und zur Römerstraße im Osten führte. "Schau, da ist schon unser Abschiedskommittee..."

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…_torhausundwege_klein.pngZwischen den Bäumen, die den Weg säumten, hatte sich seine Familie versammelt. Audaod schluckte einen dicken Kloß herunter, der sich soeben wieder in seinem Hals festzusetzen drohte. Seinen Vater, seine Stiefmutter, die kleine Camelia, die vielen Onkel, Tanten, Vettern und Basen, sie alle würde Audaod viele Jahre nicht sehen - wenn nicht sogar nie wieder. Der Gedanke schmerzte ihn und stellte einen krassen Kontrast dar zu der Vorfreude und der großen Spannung, die er empfand, wenn er an die Reise und besonders an die Ankunft in Rom dachte. Rom! Die Urbs Aeterna würde nicht länger nur ein Bild seiner Fantasie bleiben, hervorgerufen durch Erzählungen, Berichte und Neuigkeiten anderer. Er selbst würde den Mittelpunkt der Welt mit eigenen Augen erfahren. Es war zu verrückt um wahr zu sein. Aber noch war Audaod nicht dort, rief er sich schnell wieder ins Bewusstsein. Mit einem schiefen Lächeln ging er auf seinen Vater zu, den er wohl von allen Familienmitgliedern am schmerzlichsten vermissen würde.


    Hinter Audaod stakste Radbod möglichst unauffällig her. Die Anwesenheit der älteren Duccii machte ihn immer etwas befangen. So blieb er irgendwo zwischen den Pferden stehen, trat von einem Fuß auf den anderen und zog seinen Mantel etwas enger um sich, denn es war kalt. Während Audaod sich verabschiedete, lenkte Radbod seine Aufmerksamkeit auf eine Fliege, die fortwährend die Nüstern seines Ponys umschwirrte.


    Sim-Off:

    Weil ich diesen Abschied schon viel zu lange vor mir her schiebe und mich nicht zu lange damit aufhalten will: Ich melde mich morgen Nachmittag/Abend um, denke ich. Ihr seid nicht gezwungen, unbedingt bis dahin hier zu posten, ich bleib euch ja auch anderweitig erhalten. Und so aktiv war ich mit dieser ID ja sowieso noch nicht, dass ein Abschied allzu schwer fällt... :D

  • Witjon betrachtete seinen Sohn mit äußerst gemischten Gefühlen. Wie Audaod da auf ihn zu kam, schneidige Schaftstiefel an den Füßen und in seine einfache Reitkleidung gehüllt (wollene Hose und Hemd sowie ein dicker Wintermantel, man wollte ja keinen allzu wohlhabenden Eindruck auf potenzielle Gewalttäter mit räuberischen Absichten machen), wurde Witjon von diesem unbändigen Stolz erfüllt, der immer dann in ihm aufkam, wenn er sich die Zeit nahmen seinen Sohn einmal genau in Augenschein zu nehmen. Audaod war in guter körperlicher Verfassung, war als Kind selten krank gewesen, hatte eine gute Bildung erhalten und war ein aufgeweckter und pflichtbewusster junger Mann. Witjon war fest davon überzeugt, dass er es mit der nötigen Unterstützung durch Alrik und einen guten Patron in Rom weit bringen konnte.
    Allerdings war Witjon Audaods Vater und als solcher hatte er Angst. Angst vor Kranheit und Unglück, welche man nie vorhersehen konnte. Angst vor Gewalt durch andere, sei es Raub, sei es Streit im Suff, sei es pure Schikane. Und er hatte Angst davor, dass Audaod allein wegen seiner provinzialen Herkunft derart benachteiligt werden könnte, dass er aus Frust irgendwann seinen Traum aufgab (hiergegen sprach allerdings Alriks Erfolg, der mit den selben Problemen zu kämpfen hatte).


    Dementsprechend zwiespältig begegnete Witjon dem Abschied seines Sohnes. Dies freilich ließ er sich keineswegs anmerken, denn was Audaod jetzt am wenigsten brauchen konnte war die offene Zurschaustellung von Sorgen und Zweifeln durch seinen Vater, die ihn verunsichern könnten und schlimmstenfalls zu einer Rücknahme seiner Entscheidung führen würden. Nein, Witjon wollte, dass sein Sohn die Senatorenwürde anstrebte, und das zeigte sein Gesichtsausdruck auch. Er lächelte und versuchte seine Stimme von jeglicher Beklemmung zu befreien, was ihm auch halbwegs gelang.
    "Mein Sohn", sagte er einfach und drückte Audaod kurz an sich. Als er sich aus der herzlichen Umarmung löse, machte Witjon den weiteren Abschied möglichst kurz: "Ich wünsche dir viel Erfolg auf deinem Weg und den Segen der Götter. Möge Wodan über dich wachen und Fortuna dir hold sein. Pass auf dich auf...und grüß' Alrik und Hadamar." Dabei hielt er Audaod noch einen Moment an den Schultern, klopfte diese schließlich aufmunternd und um sich selbst dazu durchzuringen seinen Sohn nicht nur im Geiste sondern auch körperlich loszulassen und trat einen Schritt zur Seite, um Audaod den Abschied von Octavena und Camelia zu ermöglichen.

  • Audaod hasste Abschiede. Erst recht hasste er lange Abschiedsreden. Umso froher war er deshalb, dass sein Vater kein großes Tam Tam um seinen Fortgang machte. Sicherlich, er hatte sich im Vorfeld bereits lange Reden anhören müssen über Sicherheit auf der Reise, über seine Ankunft und ersten Schritte in Rom. Dass er sich genauestens an die Anweisungen seines senatorischen Vetters Alrik zu halten habe, dass er seiner Sippe keine Schande machen solle, dass er auf sich und sie seinen Acht zu geben habe, das gehörte alles zum festen Bestandteil der verbalen Vorbereitung auf Audaods Zukunft. Ebenso erinnerte sein Vater ihn noch einmal eingehend an die Bildung, die Audaod hatte genießen dürfen und an die körperlichen Übungen, die ihn gestählt und auch in gewissem Maße auf militärische Aufgaben, die im Laufe seines erhofften Aufstiegs zu bewältigen waren, vorbereitet hatten. Außerdem hielt Witjon seinem Sohn die gute Erziehung vor Augen, die er ihm hatte angedeihen lassen. Er, Audaod, solle ihm, Witjon, ja keine Schande machen. Die Sippe und die Gesellschaft solle er ehren, Höhergestellte (insbesondere seinen zukünftigen Patron) respektieren und achten, Niedriggestellte dagegen nicht verachten, aber so weit als möglich und nötig (aus- bzw. be-) nutzen und vor allem für einen Klientenstamm sorgen, der ihm alsbald das nötige Prestige und die wichtige Zuarbeit für gesellschaftliche wie politische Aufgaben sicherte.


    All das war jedoch unwichtig in dem Moment, in dem Audaod von seinem Vater in die Arme geschlossen wurde. Audaod versuchte möglichst einfach nicht zu denken, sondern genoss diesen sekundenlangen Augenblick, der so schnell wieder endete.
    "Danke", krächzte Audaod schließlich und ergänzte ein kleinlautes "Mach ich" als Erwiderung auf die Aufforderung, er möge Grüße an die Verwandtschaft überbringen. Dann wandte er sich Octavena zu, die er ebenfalls nun kurz umarmte, woraufhin er der kleinen Camelia liebevoll über das weiche Babyhaar streichelte. Ein angemessenes Wort des Abschieds blieb ihm im Halse stecken. So trat er einfach wieder einen Schritt zurück und sah etwas ratlos wieder seinen Vater an. Das war's dann jetzt wohl.

  • Nach außen hin versuchte Witjon sich möglichst reglos zu geben. Seiner Miene sah man zwar an, dass er diesen Abschied nicht völlig emotionslos hinter sich bringen konnte. Aber dieser Abschied war ja nunmal nicht endgültig wie so viele andere, die er in der Vergangenheit hatte erleben müssen. Deshalb bemühte Witjon sich einfach um einen Ausdruck des Stolzes in seinem Gesicht, als Audaod nach der Verabschiedung von Octavena und Camelia kurz etwas unschlüssig da stand.


    "Hier", brach Witjon das verlegene Schweigen und zückte einen kleinen Gegenstand, der in ein Tuch gewickelt war. Es handelte sich um ein Amulett aus Eichenholz, das einen Raben mit geöffneten Schwingen darstellte. "Möge Wodan stets sein wachsames Auge auf dich haben", wünschte Witjon seinem Sohn, als der das Tuch aufschlug. Das Amulett war an einem Bänchen befestigt, so dass man es um den Hals tragen konnte. Witjon wartete ab, bis Audaod es sich angelegt hatte, dann brachte er diesen Abschied an sein Ende, bevor hier noch jemand allzu feuchte Augen bekam.


    "Gehe nun und mache mich stolz", sprach er und entließ seinen Sohn mit einem aufmunternden Schulterklopfer aus der Obhut seiner Sippe.

  • Ein Amulett! Audaod nahm das Kleinod entgegen und betrachtete es ehrfürchtig, bevor er gewahr wurde, dass sein Vater erwartete, dass er es auch gleich anlegte. Nichts lieber als das, dachte Audaod sich und trug fortan Wodans Raben um den Hals. Der Gott würde über ihn wachen und fast schon fühlte Audao sich sicherer in seinen Schritten. "Danke, Vater", presste er atemlos hervor, unfähig seine Gefühle wortreicher zu artikulieren.


    Und dann war der Moment gekommen, in dem sein Vater ihn fortschickte. In dem Witjon es endgültig machte. Audaod nickte ernst und steuerte mechanischen Schrittes sein Pferd an, wo er aufstieg und sich noch einmal umwandte.
    "Wir sehen uns wieder, wenn ich den latus clavus trage!", rief er, winkte nochmal zum Abschied und wendete daraufhin sein Pferd, das er energisch zum Tor der Villa Rustica hin antrieb. In eiligem Gallopp stob er davon. Radbod beeilte sich ebenfalls aufzusteigen, winkte Witjon und seiner Familie flüchtig und wendete dann ebenfalls, um Audaod ungeschickt hinterherzureiten. Radbod sah noch ein, zwei Mal ängstlich zurück. Audaod dagegen verschloss sich jedwedem Heimweh. Er sah nur nach vorn, in Gedanken bereits bei ihrem Mitreisenden Publius Vennonius Caldus, den sie wenig später auf der Hauptstraße treffen würden.


    Vale Germania. Salve Italia!

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