Nosce te ipsum.*

  • *"Erkenne dich selbst." (Cicero, de finibus 5, 16, 44)


    http://www.kulueke.net/pics/ir…lla_kaminzimmer_klein.pngDer Greis führte die Frau ins Kaminzimmer "Nimm Platz." Mehr sagte er nicht und verließ sofort wieder die Räumlichkeiten, um den Pontifex zu suchen, welcher irgendwo sein musste. Verdammte Axt! fluchte der Alte in Gedanken vor sich hin und murmelte dabei irgendetwas umverständliches. In der Casa Duccia reichte meistens noch rufen, in dieser Villa wäre da jede Mühe umsonst. Er würde sich nie mit diesem Bau abfinden können..
    Phelan würde über Phrynes "Besuch" sicherlich nicht so erfreut sein, wie er es gewöhnlich sonst bei Besuch war. An irgendwas konnte sich Albin erinnern. Irgendwas war mit dieser Phryne schief gelaufen, aber interessierten ihn die Querelen der "jungen" Leute? Natürlich nicht. Er machte hier nur seinen Job und so schneller er ihn erledigte, desto eher konnte er sich wieder anderen Sachen widmen.

  • Ein älterer Mann hatte Phryne geöffnet. Er wirkte freundlich und nahm ihr die erste Sorge, dass man sie gar nicht erst empfangen würde. Der Ianitor brachte sie in ein sehr schönes Kaminzimmer und bat sie Platz zu nehmen. Phryne war überhaupt nicht nach sitzen, aber sie gehorchte, bis er das Zimmer verlassen hatte. Dann stand sie auf und tigerte durch den Raum. Schließlich blieb sie vor dem offenen Feuer stehen. Der Anblick der tanzenden Flammen beruhigte sie ein wenig. Doch die Nervosität blieb.

  • Gerade hatte er im Arbeitszimmer über diversen Unterlagen gesessen, da platze Albin - gewohnt rücksichtslos - herein und murmelte nur etwas von wegen Besuch, Kaminzimmer, Phryne, zuckte mit den Achseln und verschwand umgehend. Dieser Greis würde Phelan noch einmal in den Wahnsinn treiben. Als junger Mann fühlte er sich ihm gegenüber unbehaglich und hatte Respekt vor dem Alter. Mittlerweile war dieser störrische Bock neben all den Erinnerungen, die er in dem Duccius weckte, einfach nur noch anstrengend. Sein Groll beruhte vielleicht aber auch mehr auf der Tatsache, dass es sich bei dem Besuch um diese Phryne handelte, die ihre Privilegien als Gastgeberin damals deutlich überschritten hatte. Missmutig stand er also auf, atmete einmal tief durch und machte sich dann auf zum Kaminzimmer.


    Dort angekommen stand die Besagte vor dem Kamin und wärmte sich.


    "Ich grüße dich, Phryne. Was oder wem verdanke ich deinen Besuch?" willkommen wollte er diese Person nicht heißen, aber darunter sollte die duccische Gastfreundschaft nicht leiden. Egal ob Freund oder Feind, in diesem Hause ehrte man seine Gäste, so unerwünscht sie auch waren. So ging er zu dem Tablett, welches auf einem kleinen Tischchen stand, goss etwas Würzwein in zwei Becher und wartete derweil, was die Frau zu sagen hatte.

  • Tatsächlich erschien wenig später der duccische Pontifex. Distanziert, aber nicht unfreundlich grüßte er Phryne. Sie war erleichtert, dass er überhaupt gekommen war.


    Salve, verehrter Pontifex Decimus Duccius Verus. Nun, den Grund meines Kommens kennst Du. Ich bin untröstlich über den Ausgang meiner Willkommensfeier und möchte mich in aller Form für mein Auftreten und das Gesagte entschuldigen. Es gibt nichts zu beschönigen und keine Ausflüchte meinerseits. Wenn ich ehrlich bin, kann ich gar nicht verstehen welcher Dämon mich geritten hat, mich so zu vergessen. Eine Mania, ein Anflug von Wahnsinn... es tut mir leid.


    Sie machte eine kurze Pause, um zu sehen, wie ihre Entschuldigung ankam. Und nachdem er nicht gleich losbrüllte, fuhr sie fort:


    Natürlich gilt meine Entschuldigung in erster Linie Deiner Tochter Duccia Silvana. Ich habe ihr ein Geschenk mitgebracht, mit dem ich darum bitten will, dass sie mir verzeihen möge. Schön wäre es, wenn wir noch einmal von vorne beginnen könnten. Ich werde ihre Indiskretionen und Provokationen vergessen und hoffe sehr, dass sie mir die in diesem Anflug von Irrsin ausgesprochenen Sätze ebenso verzeiht. Willst Du ihr das ausrichten und ihr mein Geschenk überreichen?

  • Nachdem er beide Becher vollgegossen und Phryne angefangen hatte sich zu entschuldigen, ging er zu ihr herüber, gab ihr einen der Becher und machte wieder kehrt und ging im Kaminzimmer langsam auf und ab, bewegte sich von einem Punkt zum anderen.


    Ihre Worte waren voller Einsicht und allem Anschein nach, meinte sie es auch ernst. Sie hatte wohl eingesehen, dass man mit solch einer Art nicht lange in der Gesellschaft Mogontiacums bestehen könne. Auch wenn er sich ziemlich sicher war, welcher Dämon sie geritten hatte, zeigte er sich wohlwollend und nickte.


    "Nun, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung." konstatierte er vorerst. Er erinnerte sich dabei an die bekannte Inschrift Gnothi seauton des Apollo-Tempels in Delphi, welches nach platonischer Auslegung so viel hieß, wie als Mensch sich seines Nichtwissens bewusst zu werden, um fortan nach rechter Einsicht zu streben und letztendlich somit seinen Charakter zu veredeln. Cicero hatte diese Inschrift vor rund 200 Jahren mit Nosce te ipsum übersetzt und dessen platonisches Verständnis erweitert: Es geht nicht nur um die Eindämmung von Anmaßung, sondern auch um die Weisung, das uns eigentümliche Gute zu erkennen. Ja, der Pontifex empfand diese Auslegungen mehr als passend, worin sich seine wohlwollende Reaktion begründete.


    Durchaus zufrieden stimmte ihn auch, dass sie ihre Entschuldigung an seine Tochter richtete. Etwas überrascht war er allerdings über die Tatsache, dass sie ein Geschenk für Runa mitgebracht hatte. Nicht, dass es bei den Römern nicht Usus war, Freund oder Feind durch Geschenke für sich zu gewinnen, aber in diesem Fall hatte er das nicht für nötig gehalten, bestätigte aber wiederum Phrynes Einsicht.


    Gerade wollte er einen Schritt auf die Frau zugehen, da bleib er stehen, als sie von Indiskretionen und Provokationen seiner Tochter sprach. Das konnte und wollte er so nicht stehen lassen. "Indiskretionen? Provokationen? Ich habe keinerlei Dinge seitens meiner Tochter gesehen." pointierte er unanfechtbar. "Ihr Umgangston hingegen war unangemessen und du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass es mich geärgert hat mit anzusehen, wie sie sich von deinen Anmaßungen hat herausfordern lassen." führte er dann fort. "Diesbezüglich hat sie sich im Nachhinein ebenso einsichtig gezeigt wie jene, die hier gerade vor mir steht." damit sollte dieses Thema nun auch abgeschlossen sein.


    "Ich nehme deine Geste zur Kenntnis und werde ihr dein Geschenk überreichen. Erhoffe dir aber nicht zu viel von ihr, sie ist ziemlich reserviert und kommt hinsichtlich ihres Temperaments ganz nach ihrer Mutter. Die Vermeidung einer Begegnung in der nächsten Zeit halte ich für äußerst empfehlenswert." Auch wenn man derlei Dinge seiner Meinung nach selber regeln sollte, wollte er nicht noch einmal riskieren, dass die Sache eskaliert.


    "Nun. Ich danke dir für deine Entschuldigung. Sei dir versichert, dass nun keine Sache mehr zwischen uns steht. Aber erwarte nicht, dass es darüber hinaus geht." machte der Pontifex ihr verständlich. Die Neutralität zwischen beiden Parteien war wieder hergestellt, aber dabei würde es in Zukunft auch bleiben, denn mehr war weder in seinem noch im Sinne der Familie.


    "Ich werde bei Zeiten auch Petronius Crispus und Helvetius Curio von deinen entschuldigenden Worten berichten, was denke ich auch hinsichtlich deines Rufs in dieser Stadt in deinem Sinne ist. Ich gebe dir abschließend einen Rat. Nicht alle in dieser Stadt, sind so gnädig und wohlwollend wie die Duccier.", womit er keinesfalls die Petronier oder Helvetier meinte, "viele hochangesehene Bürger und Würdenträger dieser Stadt würden dich nach diesem Abend nicht einmal mehr anhören wollen. Wir sind hier nicht in Rom, hier leben deutlich weniger Menschen und somit auch deutlich weniger Menschen, die hier etwas zu sagen haben. Verscherze es dir nicht durch unüberlegte Äußerungen. Du bist besser daran geraten Dinge hinzunehmen, als vor ihnen mit falschem Stolz und Provokationen zu bestehen." Er hatte keine Ahnung, was diese Person in dieser Stadt vor hatte, letztendlich war es ihm auch egal, aber diesen wohlwollenden Rat, wollte er ihr noch mit auf den Weg geben, womit die Sache für ihn auch nun beendet war.


    Fragend schaute er sie an, ob sie noch ein weiteres Anliegen hatte, da er sich ansonsten wieder zurückziehen und sie hinausgeleiten lassen würde.

  • Erleichtert und beeindruckt lauschte Phryne den Ausführungen des Pontifex. Auch wenn sie sicher war, dass er auf sie herabsah und sich berechtigterweise über sie geärgert hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Seine Haltung war bewundernswert.
    Phryne giftete sich, dass sie es sich ausgerechnet mit ihm so früh verscherzt hatte. Jetzt blieb nur Schadensbegrenzung. Sie nickte also demütig zu allem was er sagte und erinnnerte ihn auch nicht mehr daran, dass die Provokation von seiner Tochter ausgegangen war, ihr erster Satz die Lawine ins rollen gebracht hatte.


    Dann trat sie vor und überreichte das in ein schönes Tuch eingewickelte Geschenk.


    Du hast sicher recht, dass deine Tochter und ich uns besser eine Weile aus dem Weg gehen sollten. Deshalb bitte ich dich, ihr mein Geschenk zu übergeben. Es kommt tatsächlich von Herzen, auch wenn sie es sich vielleicht nicht vorstellen kann. Wie du dir vorstellen kannst, ist mir sehr daran gelegen, wenn du dem Pontifex Petronius Crispus und auch dem Lehrer deiner Tochter bei Gelegenheit von meiner Entschuldigung erzählst. Und sei versichert, ich werde mich erstmal im Hintergrund halten. Mein ganzer Elan wird in nächster Zeit meinem Engagement in den Kultverein der Magna Mater gelten. Ich danke dir für deine Zeit und dein offenes Ohr, Pontifex Duccius Verus. Mögen die Götter deinen Weg beschützen.


    Sie nickte ihm in einer angedeuteten Verbeugung zu und machte Anstalten, zu gehen.

  • Zugegebener Maßen erfreute es den Pontifex, dass Phryne es dabei beließ und sichtlich erleichtert wirkte. Sie machte keine Anstalten, erneut über die Geschehnisse des Abends zu reden, auch seinen Rat schien sie anzunehmen. "Ich werde ihr dein Geschenk geben."


    Dass sie sich dem Kult der Magna Mater widmen wollte, war ihm eigentlich ganz recht. Die Angehörigen dieses Kultes blieben meist unter sich und der Cultus ließ diesen sich weitgehend selbst verwalten. Daher nickte er ihre Antwort ab und verabschiedete sich "Ebenso mögen sie über dich wachen, Phryne. Vale."

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