[Apud Villam Aureliam] Maledicta prisca - Prisca maledicta

  • "Gib Acht!"
    , mahnte der junge Flavius mit gepresster Stimme, während Patrokolos sich über den Wegesrand beugte, um mit dem Schäufelchen, welches sie dem Gärtner der Villa Flavia Felix insgeheim hatten entwendet, die vertrocknete Vegetation in der Traufe des Weges hinter der Villa Aurelia aufzubrechen. Nachdem nämlich Manius Minor am Vorabend eine Defixio hatte geschaffen, waren sein Sklave und er überein gekommen, selbige nicht in der Villa Flavia Felix, wo Aurelia Prisca, so die Götter ihnen günstig waren, ohnehin nicht binnen der nächsten 100 Tage würde Einzug halten, sondern an der Außenmauer des aurelischen Anwesens zu vergraben, sodass ihre letale Wirkung in direkter Vicinität ihres Zieles sich würde entfalten können.
    Indessen erwiesen beide Konspiranten sich als augenfällige Dilettanten im Felde illegaler Aktivitäten, sodass der junge Herr geradezu auffällig-unauffällig, trotz der frühlingshaften Temperaturen angetan mit einem, seinem Dafürhalten überaus schlichten Mantel, am Wegesrand sich herumdrückte, während der ebenso ausstaffierte Diener im Staube kniete, als sei ihm eine Münze entfleucht, und verborgen unter dem sich über den Boden legenden Stoff mit dem Gartenschäufelchen im Schmutze wühlte, dabei sich überaus ungeschickt gerierend und zudem beständig mit großen Augen um sich spähend und in einem Flüsterton zu seinem Compagon sprechend, was im Gesamten an einem sonnigen Mittag inmitten der Gassen Roms sich überaus irritierend musste ausnehmen:
    "Der Boden ist zu trocken, Domine!"
    "Grabe hurtiger!"
    , entgegnete der Jüngling und drückte fester die um das Hahnenbein gerollte Bleitafel, sodass sie ein ihrer gleichmäßigen Form einbüßte. In der Tat hatte Manius Minor nämlich überaus große Nervosität ergriffen, kaum waren sie am Morgen aus der Villa Flavia Felix gegangen, da sie doch ein illegales, die Todesstrafe implizierendes Corpus Delicti mit sich führten, welches im improbablen Falle einer Leibesvisitation des Senatorensohnes als überaus kolportierlich sich konnte erweisen. Da er ob seiner Fehlsicht darüber hinaus fürchtete, womöglich nicht zur rechten Zeit einen Soldaten der Cohortes Urbanae oder gar einen Praetorianer zu identifizieren, war seine gewöhnliche Furchtsamkeit noch um ein vielfaches gesteigert, sodass er die Augen zusammenkniff und in höchster Konzentration um sich blickte, was indessen nur temporär eine bessere Sicht, langfristig hingegen lediglich ein schmerzendes Haupt und vorwitzige Blicke der wenigen Passanten würde produzieren.

  • Die Außenmauer eines patrizischen Anwesens gehörte - ebenso wie das Anwesen und sämtliches Hab und Gut - zum üblichen Arbeitsgebiet der Sklaven und so war es kein Zufall, dass (früher oder später) ein aurelischer Sklave auftauchen würde. Oder auch zwei, wie in diesem Fall:


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    In etwa 400 Fuß Entfernung bogen Bernulf und Einar um die Ecke. Gemütlich dahin schlendernd, den sonnigen Tag genießend und sich mit einadner unterhaltend:


    "Sag mal Einar, warum müssen wir eigentlich jeden Tag vier- oder fünfmal um die villa herum latschen und nachts auch nochmal? Haben die Aurelier Angst, dass man ihnen die Mauer klaut?", stellte Bernulf die Frage, die ihn schon seit dem Tag beschäftigte an dem sie diese Aufgabe zum ersten Mal hatten ausführen müssen.


    "Stehlen doch nicht, du Dummkopf.", erwiderte Einar genervt und gab Bernulf eine Kopfnuss: "Aber Vandalen könnten die Mauer mit irgendwelchen Parolen beschmieren, oder dagegen pissen bis es die Farbe weg ätzt. Darauf sollen wir achten!"


    "Ach so! Na das macht Sinn. Aber wie es scheint, trauen sich nicht viele das zu tun. Zumindest habe ich auf unserer Patrouille noch nie etwas auffälliges bemerkt", stellte Bernulf schulterzuckend fest.


    "Das wird auch gut sein! Denn ich möchte NICHT anschließend die Mauer reinigen müssen, nur weil aus Versehen Blut oder Gehirnmasse dagegen spritzt wenn wir den Kerlen Manieren beibringen", knurrte Einar grinsend.


    Die beiden Germanen fingen laut an zu lachen und schlugen sich gegenseitig auf die Brust. Schon wollten sie ihren Kontrollgang fortsetzen als unvermutet zwei hübsche Sklavinnen ihren Weg kreuzten. Pfeifend machten Einar und Bernulf sofort auf sich aufmerksam und wie verwandelt gaben sich Germanen von ihrer besten Seite, als sie tatsächlich Erfolg damit hatten und die beiden Frauen lächelnd näher traten.


    Es begann eine kurzweilige Plauderei, sodass Einar und Bernuf (noch) abgelenkt waren und die beiden "Mauerblümchen" (vorerst) unbemerkt blieben.

  • Obschon Patrokolos augenscheinlich des Talentes zum Kleingärtner entbehrte, so ineffizient, wie er sich der Schaufel bediente, so vermochte selbst der getrocknete Boden nicht auf ewig sich dem Eisen zu widersetzen, weshalb der Sklave beinahe bereits eine adäquate Tiefe hatte erreicht, um die hühnerschenkelgroße Defixio darin zu versenken, als mit einem Male die beiden hühnenhaften Wächter in fröhlich schwatzender Weise auftauchten.
    "Patrokolos!"
    , zischte der junge Flavius, der ihrer zuerst ansichtig wurde, woraufhin sein Diener, als habe er beim Graben die Höhle eines Skorpions aufgedeckt und einen Stich empfangen, aufsprang und einen Schrei unterdrückte, während der Herr seinerseits sich gleich dem Kaninchen vor der Schlange in Furcht versteifte und die Augen nochmalig in höherem Maße verkniff, um exakt jeden Zug der potentiellen Denunzianten verfolgen zu können. In ebensolcher Weise schärfte er auch seine übrigen Sinne, weshalb er deplorablerweise auch das Scherzen der aurelischen Sklacen über Hirnmasse und Blutspritzer vernahm, was selbstredend seine Furcht der Panik Stück um Stück approximierte.


    Insofern mochten die beiden Konspiranten ein durchaus Argwohn evozierendes Bild darbieten, wie sie in ihren kapuzinierten Mänteln in der Frühlingssonne beieinander standen, beständig verstohlene Blicke auf die Kustoden werfend, wobei der kleinere, untersetzte von beiden, welcher in einen schlichten Tuch von exquisitester Qualität gehüllt war, ganz augenfällig heftig atmete.

  • Bernulf und Einar hatten momentan nur Augen für die Frauen die (zur größten Freude der beiden) anscheinend auch Gefallen an ihnen fanden. Oder warum steckten die beiden Hübschen immer wieder die Köpfe zusammen und tuschelten kichernd, während sie den Germanen aufreizende Blicke zuwarfen. "Oh Mann Einar. Ich glaub´s nicht. Siehst du DIE?!", versuchte Bernulf eine gleichermaßen (un)auffällige Art der Kommunikation, indem er nuschelnd zu Einar gewandt redete und seinem Kollegen dabei immer wieder in die Seite knuffte: "DIE stehen auf uns. ... Das ist DIE Gelegenheit, Mann! Scheiß auf die Mauer und unseren Kontrollgang. Lass uns DIE beiden Täubchen klar machen, ja?" Bernulf strahlte regelrecht voller Vorfreude auf ein lauschiges Schäferstündchen, irgendwo, im weichen Stroh eines Stalles möglicherweise: "Na los, nun red doch mal mit ihnen, frag sie ob sie auch wollen", schickte er Einar vor, der üblicherweise für´s Denken und Reden zuständig war.


    "Ja ...JA ...Verdammt, jetzt hör endlich auf mir dauernd in die Rippen zu hauen! … Ich muss nachdenken", zischte Einar zurück. Natürlich wollte er sich auch ein bisschen vergnügen. So viele Gelegenheiten bekamen sie schließlich nicht. Aber das war eben nicht so einfach. Schließlich waren sie Sklaven und konnten nicht einfach mal Pause machen. Der maior domus würde sicher wissen wollen, warum sie so lange für diesen einen Kontrollgang benötigt hatten. Außerdem gab es da noch ein weiteres "kleines Problem".


    "Und wo sollen wir auf die Schnelle mit den beiden hin?", stellte Einar die entscheidende Frage, denn in der Nähe gab es seines Wissens nach kein geeignetes Plätzchen, wo man ungestört sein würde. Verbunden mit dieser Frage ergab es sich, das Einar die Augen suchend (nach eben solch einem Plätzchen) umher schweifen ließ, wodurch es zwangsläufig dazu kam, dass eben jene beiden Kapuzengestalten - die in ihren Mänteln vor der gekalkten Mauer regelrecht abstachen - in sein Blickfeld rückten.


    Sogleich kniff Einar die Augen zusammen und sein Blick fixierte nun nicht mehr die einladenden Dekolletés der Frauen, sondern eben jene komischen Gestalten, die "stocksteif" aufgereiht da standen, als hätte man ihnen einen solchen in Allerwertesten geschoben.


    "Verdammte Scheiße …", fluchte Einar zähneknirschend, da sein Gewissen ihm soeben soufflierte, seine Pflicht zu tun und für die Sicherheit des Anwesens zu sorgen. Gefährlich sahen die Zwei nun nicht gerade aus, doch könnte unter den Mänteln vortrefflich so manch Farbtopf und Pinsel verborgen sein und zudem erinnerte die kleinwüchsigere Gestalt an ein Kind - und Kinder machten bekanntlich so manchen Streich und schmierten gerne mal auf Wänden herum.


    "Wenn die Damen uns bitte kurz entschuldigen würden?! ..Wir sind gleich zurück", sprach Einar kurz (mit sanfter Stimme) zu den Frauen hin und dann im strengem Befehlston zu Bernuf: "Komm mit!"


    Schon stapfte der hünenhafte Germane mit energischen Schritten los, die Augen dabei stets auf die beiden erstarrten Gestalten gerichtet und bereit zu einem seiner berüchtigten Sprints anzusetzen, sollte deren Starre sich plötzlich verflüchtigen.


    Bernulf hingegen blieb noch kurz stehen und er sah seinem Kollegen, mit offenen stehendem Mund hinterher: "Hast du jetzt komplett den Verstand verloren?", keuchte er und deutete hilflos auf die Frauen, die ebenso verdutzt dreinblickten wie er. Aber dann setzte auch er sich in Bewegung, wobei er den Sklavinnen noch hektisch fuchtelnd andeutete, bitte ja an dieser Stelle auf sie zu warten.


    Zwischenzeitlich schmolz die Distanz zwischen Einar und den beiden Mantelträgern im Nu dahin und noch im Näherkommen rief Einar ihnen, mit tiefer grollender Stimme entgegen: "He, ihr da! ...Was habt ihr Komiker da an der Mauer zu schaffen?" und er ging fest davon aus, eine plausible Antwort darauf zu erhalten ...

  • Obskurerweise approximierten die beiden Hühnen sich keineswegs, sondern steckten schnatterhaft die Köpfe zusammen, um sich einem Spectaculum zuzuwenden, dessen der Jüngling aus seiner Position nicht ansichtig wurde, sodass zur Furcht der Detektion ein gewisser Vorwitz trat. Das absurde Gedankenspiel, die Kustoden seien auf ein Gespann similärer Intention gestoßen, welche sie nun ihrerseits mit gewisser Unrast observierten, fand indessen ein jähes Ende, als mit einem Male der eine von ihnen das Haupt wandte und sie erspähte und unverwandt, seinen Compagnon an der Seite, in ihre Richtung eilte.


    Im Geiste des jungen Flavius begannen die Tubae zur Retraite zu blasen, doch die Füße versagten ihm den Dienst, ja vielmehr schienen sämtliche seiner Sehnen sich zu versteifen und somit jedwede Regung impossibilisieren, sodass ihm nichts verblieb als die wüsten Gestalten, welche auf ihn zuhielten und dabei endlich in die Aura seines Fehlsicht eintauchten, mit großen Augen anzustarren, während ihm beim besten Willen keine Explikation ihrer Anwesenheit in den Sinn gelangte, um den Ruf der Germanen zu erwidern.


    Einzig Patrokolos war imstande, die Malaise noch um ein gewisses Maß zu aggravieren, indem er hektisch am Mantel seines Herren zupfte, um jenen zu einer desparaten und zweifelsohne infortunen Flucht zu motivieren.

  • Einars grimmiger Blick haftete auf den beiden Gestalten wie eine Klette am Gewand: "Seid ihr taub? … Ich hab euch was gefragt!" Seine grollende Stimme hallte von den umliegenden Wänden wieder, wie der dumpfe Donner eines nahenden Sommergewitters. Und Gewitter zogen mitunter schnell auf, so, wie auch der Germane schnellen Schrittes immer näher kam. Die kleinere Gestalt schien klug genug zu sein, erst gar nicht an Flucht zu denken. Aber das andere Kapuzenmännchen dachte wohl ernsthaft daran sich aus dem Staub zu machen. Die Augen des Hünen verfinsterten sich noch mehr, als würden sogleich Blitze daraus hervor schießen:"Na na na! Bleibt jaaaa wo ihr seid und rührt euch nicht! ...Sonst zieh ich euch die Haut in Streifen ab und tauch euch in ein Fass mit Beize, bis nichts mehr von euch übrig ist"


    Diese Drohung war natürlich maßlos übertrieben, unhaltbar und einfach nur absurd. Erstens durften Sklaven keine Waffen tragen und niemanden ungestraft töten und zweitens stand weit und breit kein Fass mit Beize herum. Die Androhung körperlicher Gewalt diente also rein der Einschüchterung und - wer weiß - vielleicht löste sie bei den Adressaten ja die gewünschte stupor aus.


    Oder auch nicht und die Zwei würden jetzt (erst recht) "die Beine in die Hand nehmen"? Naja, versuchen können sie es ruhig, dachte Einar nur und nähme es eben wie es käme. Denn wie professionelle Sprinter/Marathonläufer sahen die beiden "Kapuzenheini´s " nun wahrlich nicht aus. Vor allem nicht die kleinere Gestalt. Er hingegen war in Germanien aufgewachsen und dort gab es - was das Lauftraining anging - ganz besondere Lehrmeister.


    Und zwar gibt es in Germanien viele Wälder. Und in diesen Wäldern hausen wiederum Wildschweine. Und sowohl Keiler als auch Bachen reagieren üblicherweise sehr wütend, wenn ihre Frischlinge als Zielscheibe für alle möglichen Wurfgeschosse her halten müssen. Und wer das - wie Einar - im jugendlichen Leichtsinn, wettkampfmäßig - regemäßig mit seinen Freunden betrieben hat der weiß, dass diese Viecher verdammt schnell sein können!! So schnell, dass Einar eine kleine Erinnerung daran zurück behalten hat (in Form einer Narbe an der rechten Wade, die er dem Hauer eines Keilers zu verdanken hatte).


    Damals hatte Bernulf ihm, mit einem gezielten Speerwurf, in letzter Sekunde das Leben gerettet, doch heute stand sein jüngerer Kamerad noch immer wie angewurzelt herum. Also müsste Einar alleine die Verfolgung aufnehmen. Tja und der Jüngste war er nun nicht mehr und auch seine letzte Wildschweinjagd lag schon viele Jahre zurück ...

  • In der Tat evozierte jenes wilde Rufen, welches dem jungen Flavius die Haare zu Berge stehen ließ, da er doch, obschon ihm die Eigenheiten von Beize mitnichten bekannt waren, durchaus Seriosität in die Drohungen derartig wüster Gestalten interpretierte, den providierten Effekt und auch das hektische Zupfen Patrokolos' erstarb, sodass beide Konspiranten bei Eintreffen der Germanen jene fixierten, als handle es sich bei diesen nicht um gewöhnliche Sterbliche, sondern um leibhaftige Gorgonen, welche sämtliche Betrachter zu Stein ließen erstarren.


    Die Furcht lähmte jedes Glied und verriegelte gar den Kiefer des Jünglings, in dessen Hand unter dem Mantel noch immer fest und steif jenes kolpotierliche Corpus Delicti sich befand, welches sie hierher hatte gebracht, weshalb erstlich ein erwartungsvolles Schweigen sich über die Szenerie legte.


    Noch ehe einer der beiden Hünen zur Waffe greifen und die beiden flavischen Emissäre entzwei spalten konnte (oder, was zweifelsohne realistischer, doch fern der possiblen Annahme Manius Minors sich befand, neuerlich in wilde Drohungen zu verfallen), nötigte eben jene Furcht, die eine Flucht vereitelte, den jungen Flavius doch, mit seiner wahren Identität zutage zu treten, um sein jämmerliches Leben zu salvieren:
    "Ich bin... Manius Flavius Gracchus... Minor..."
    , presste er ängstlich hervor in der Hoffnung, jener klangvolle Name allein möge jenes vor Augen befindliche Unheil einem Bannspruche gleich abwenden.

  • Einar stieß einen zufriedenen Grunzlaut aus, als die beiden dubiosen Gestalten seiner "Aufforderung" prompt Folge leisteten. Wenigstens blieb ihm eine kräftezehrende Verfolgungsjagd erspart. Wenn er allerdings daran dachte, dass er wegen den beiden Kerlen da soeben zwei heiße Bräute hatte sausen lassen, dann … "Ich könnt mir sowas von in den Arsch beißen. Ich Idiot. Warum hab ich bloß hin gesehen?! … grrrrrr", murmelte Einar verbissen und mit knirschenden Zähnen, nachdem er sich (mit einem Schulterblick) davon überzeugen musste, dass die beiden Frauen längst weiter gezogen waren.


    "Mist verdammter … ", fluchend wandte sich Einar wieder den beiden Übeltätern zu und bekam große Augen, als das kleinere Männchen vor ihm (s)einen Namen hervor piepste. Das da wollte ein Flavier sein? So ganz ohne Sänfte und Gefolge. Wo waren seine Leibwächter und warum trug er diesen einfachen Sackumhang anstatt in edelster Gewandung zu glänzen? Wo war der ganze patrizische Schnickschnack? Einar blickte sich kurz suchend um. Hatte er da ein entscheidendes Detail übersehen? Hmm, nein, niemand sonst zu sehen: "Oh ich verstehe, du bist also Marius Minus Cnaccus Flavus. Ein Patrizier von der ganz ed´len Sorte." Die Mundwinkel des Germanen begannen nach oben zu zucken, als er den Namen verunglimpfte. "Und neuerdings tragt ihr adeligen Schnösel diese schlichten Gewänder, lungert vor anderer Leute Mauern herum und habt anscheinend unsichtbare Sklaven, die euch begleiten und euch bei jeder Gelegenheit den Allerwertesten abwischen. Stimmt´s? ... ha ha … Kleiner, du bist wirklich ein Komiker ...hahaha … ", lachte der Hüne schließlich schallend auf. Mal ehrlich, wie viel hätte Einar auf diesen Namen (der ihm momentan rein gar nichts sagte) geben sollen, der genauso gut erfunden hätte sein können, nur um sich damit einen Vorteil zu verschaffen?


    "Aber Spaß beiseite" So abrupt wie das Lachen auf Einars Gesicht erstarb, so schnell hatte er das kleinere Kapuzenmännchen (auf Kragenhöhe) am Stoff des Umhangs gepackt, um es daran bis auf die Zehenspitzen 'hoch zu lupfen'. Mit der freien Hand deutete Einar gleichzeitig auf das ausgehobene Loch. Für ein Loch diesen Formates, so nahe an einer Mauer gegraben gab es nur eine einzige logische Erklärung: "Preisfrage! Nach was sieht das deiner Meinung nach aus, ..Häh?" Kurz rüttelte Einar den Kleinen am Umhang während er gespannt auf eine Erklärung wartete.

  • Irritiert sog der junge Flavius jedes Wort des germanischen Grummelns in sich auf, denn obschon ihm unergründlich erschien, weshalb jene beängstigende Kreatur gleichsam den Umstand bedauerte, ihrer ansichtig geworden zu sein, und zugleich ihre Verfolgung aufgenommen hatte, anstatt seine Vision schlicht zu ignorieren, so hegte er doch die Hoffnung einen Hinweis zu gewinnen, wie sie aus jener misslichen Lage waren zu retten.
    Indessen derangierte die spöttliche Kommentierung seines Namens ihn aufs höchste, da noch niemals irgendwer seine Identität hatte als dubitabel beurteilt, sodass er bereits in schillerndsten Farben zu imaginieren begann, wie jene Kustoden Patrokolos und ihn würden in Stücke reißen, in Beize auflösen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen, ohne dass irgendjemand ihr Verschwinden auch nur vermochte zu registrieren, dass endlich Manius Maior der Last Manius Minors final würde enthoben sein und undisturbiert zum Ausverkauf der Familia Flavia Romae konnte schreiten. Allzusehr übermannte ihn jene Perspektive, in seinen Augen mischten sich unter die infinite Furcht Entsetzen und Trauer, sodass auch die Verhönung seines Aufzuges zu keiner Kommentierung und anderweitigen Reaktion gereichte.


    Erst als Einar seine Pranke nach dem Jüngling streckte und ihn hinaufzerrte, präsentierte dieser sowohl Kommentar in Form eines suinen Quiekens wie Reaktion in einem Verkneifen der Augen wie dem Einziehen das Hauptes, dessen nunmehriges Zerbersten unter einem letalen Hieb, respektive Anschwellen und Absterben durch eine Strangulation mit seinem eigenen Mantel er unmittelbar erwartete. Eiligst evozierte er Remineszenzen an seine geliebte Mutter, mit welcher er baldig wieder würde vereint sein, gedachte seiner Ahnen und wurde mit einem Male gewahr, dass all dies ihm ebenso wie die familiare Eintracht zu Lebzeiten würde verwehrt sein, da jene abscheulichen Gestalten zweifelsohne ihm nicht die Gnade eines Handgeldes für den Fährmann würden offerieren, sodass auf ewig er am Ufer des Styx würde warten, während er die Gefilde der Seligen lediglich in der Ferne durfte schauen (doch zumindest in einer Distanz, in welcher er in voller Schärfe sie zu betrachten imstande mochte sein).


    Doch der gleißende Schmerz des Todeshiebs blieb aus, ebenso der Verlust des Odems oder similäres. Stattdessen vernahm Manius Minor wie von Ferne eine vertraute, doch verärgerte Stimme:
    "Ein einfaches Loch! Es ist nicht verboten, Löcher zu graben!"
    Vorsichtig öffnete der Jüngling ein Auge und schielte hinüber, wo soeben noch Patrokolos in Pein an seinem Mantel hatte gezerrt, wo nunmehr jedoch sein Diener augenscheinlich die beiden Wachen trutzig konfrontierte:
    "Lasst sofort meinen Herrn los! Dies ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, Verlobter der Aurelia Prisca!"
    Jene Repetition seines Namens, diesmalig vorgetragen mit aller Schärfe und Kraft, die im flavischen Blute lebendig war, war geeignet den Krampf des Jünglings zu lösen, der nun eine direkte Adresse erhielt:
    "Domine, zeig ihnen deinen Siegelring!"
    Durchaus trug Manius Minor den Ring, welchen sein Vater ihm anlässlich der Liberalia zum Geschenk hatte gemacht und welcher ihn mit seinem in Karneol getriebenen Caduceus, dem Wappen der Flavii, als solchen auswies, stets an seiner Rechten und auch heute hatte er ihn mehr in Routine denn Bewusstsein angelegt. Hastig mühte er sich, die Pretiose von seinem Finger zu winden, doch die Eile wie die Wärme des Tages, welche ein Anschwellen der Glieder zur Folge hatte, verwehrte ihm dieses, sodass er lediglich das possierliche Bild eines emsig hantierenden Knäbleins in Angesicht der Unheils abgab, ehe er endlich sich gewahrte, dass, obschon er selbst mochte außerstande sein, die Intarsien seines Ringes aus nächster Nähe zu identifizieren, dies bei seinen Opponenten nicht der Fall musste sein. Somit zog er die beringte Hand schlicht aus dem Mantel und präsentiertierte sie wie ein Patronus, der seinem Ring zum Kusse des Klienten offeriert.

  • Was war das denn jetzt? Einar verdrehte die Augen und wandte den Kopf in Richtung des zweiten Kapuzenheini´s, als dieser plötzlich aufbegehrte: "Es ist nicht verboten, Löcher zu graben. Einfache Löcher, zu graben ist doch nicht verboten, oder? Und wir gaben doch nur einfache Löcher …", äffte Einar den trotzigen Tonfall des Kerls nach, ohne sich großartig davon beindrucken zu lassen: "Jetzt pass mal auf, du Klugscheißer, meinetwegen grabt ihr so viele Löcher wie ihr wollt, ABER NICHT VOR DIESER MAUER! …"


    Auf die anderen Worte achtete der Germane gar nicht weiter. Erst als das zappelnde Männlein ihm plötzlich einen Siegelring der Flavier unter die Nase hielt, kam der Hüne ins grübeln. Der Ring sah ziemlich echt aus. Aber was bewiese das schon? "Pah! Der Ring kann genauso gut gestohlen sein", stellte Einar auf stur. Wenn dem so wäre, dann konnte das nur bedeuteten, dass es dem rechtmäßigen Träger nicht mehr allzu gut ginge und er (Einar, Leibwächter der Aurelia Prisca) gerade höchstpersönlich DIE Täter gefasst hatte. BINGO!! ... Wenn allerdings der Kerl da, vor ihm, tatsächlich die Wahrheit sprach, dann …


    … vorsorglich (im Gedenken an die zwangsläufigen Konsequenzen) lockerte Einar die Umklammerung des Umhangs so weit, dass der Kurze wieder normal stehen und atmen konnte. Damit war die Sache für den Germanen aber noch lange nicht erledigt.


    "Wisst ihr was? Das Beste wird sein, wenn wir euch jetzt zu unserer Herrin bringen. Soll doch die Aurelia entscheiden, wer oder was ihr seid ...He, Bernulf, du faules Aas. Beweg endlich deinen Arsch her! Wir haben hier ganz hohe Gäste anzumelden", sprach´s mit spöttischer Zunge und winkte gleichzeitig seinen Kollegen herbei, damit dieser ihm helfen würde die beiden dubiosen Gestalten in die villa Aurelia zu "verfrachten"

  • Jene Intonation des Einar war geeignet, den Kopf des jungen Flavius aufs Neue mehr und mehr in der Kapuze, welche ob des Handgemenges ihm vom Haupte war gerutscht und nunmehrig eine Knäuel an seinem Halse konstitutierte, versinken zu lassen. Augenscheinlich imponierte die Wahrheit jenen tumben Gestalten in keinster Weise, ja selbst den indubitablen Ausweis seiner Identität wies die Gestalt von sich, sodass auch das letzte Fell ihm von dannen zu schwimmen sich anschickte und er neuerlich zu fürchten genötigt war, sogleich aufs krudelste in jene Gefilde der Seligen transferiert zu werden, aus welchen er sich Hilfe gegen die maliziöse Aurelia hatte erbeten.


    Doch aufs Neue war Fortuna ihnen hold, denn das letale Verdikt wurde gewandelt in eine ebenso durchaus inkommode, doch angesichts des unmittelbaren Todes eindeutig zu präferierende Anhörung vor dem Objekt jener Defixio, welche der Jüngling, obschon nunmehrig ein wenig zerdrückt und verbeult, noch immer in seiner Faust trug...

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