Kaiserliche Bibliothek

  • Mit einem Schreiben aus Germanien, das die Kaiserin vor kurzem erreicht hatte, begab sie sich in die private kaiserliche Bibliothek. Nach Audienzen und anderen Geschäften hatte er die Angewohnheit, sich in ruhigen Stunden hier niederzulassen. Hier ergab sich oft die beste Möglichkeit für ruhige Gespräche mit ihm und sie hoffte ihn hier anzutreffen. Zu wenig hatte sie sich in den letzten Monaten für die aktuelle Politik interessiert, das sollte wieder anders werden.

  • Der Kaiser blickt von seiner Lektüre auf, als die Augusta den Raum betritt. Er lächelt leicht und lässt die Schriftrolle sinken. Nach vielen anstrengenden Regierungsgeschäften am Tag freut er sich auf ein angnehmeres Gespräch am Abend.


    "Wie war dein Tag?"

  • Auch wenn er es vor anderen Menschen bewundernsvoll gut zu verbergen vermag, kann sie ihm doch die Anstrengung seines Tages ansehen.
    Sie schenkt ihm ebenfalls ein Lächeln und nimmt in seiner Nähe Platz, immer noch den Brief in ihrer Hand.


    "Du weißt wie meine Tage sind. Nicht sonderlich aufregend, dennoch lässt Roms Leben einem nur wenig Ruhe.


    Wie war der deine? Mir scheint, in letzter Zeit herrscht ein reger Verkehr in deinem Audienzsaal."


    Nachdem er wohl hier ist um sich vom Tagesgeschäft abzulenken, möchte sie ihn nicht gleich mit ihren Anliegen belästigen.

  • "Du kennst auch meine Tage. Sie sind lang und gefüllt, doch nicht immer erfüllend. Zahlreiche Aufgaben drängen sich im Moment, das ist wahr. Nicht nur im Audienzsaal, auch in meinem Büro geht es ein und aus.


    Konntest du wenigstens die Sonne genießen? Ich kam heute kaum dazu, einige Schritte im Freien zu tun."

  • Mit einem sanften aber mahnenden Blick sah sie ihn an. "Es würde dir gut tun, dir Zeit dafür zu nehmen, auch wenn es nur eine Runde durch den Garten ist."
    Der Ausdruck auf ihrem Gesicht wandelte sich wieder in den gewohnten neutralen Blick der Kaiserin.
    "Wirst du eigentlich gut aus Germanien informiert?"
    Sie machte eine kleine Pause, bevor sie weiterspracch.
    "Ich denke ich habe dir davon erzählt, dass ich Duccius Germanicus seit kurzem zu meinen Klienten zähle. Er ist Duumvir in Moguntiacum, du wirst ihn wohl kennen.
    Von ihm erhalte ich regelmäßig Informationen aus Germanien, was zum Teil doch sehr interessant ist, ich denke auch für dich."

  • Ihre Rat hört der Kaiser nicht zum ersten Mal und wiederholt nimmt er sich vor, ihn besser zu befolgen als zuvor.


    "Germania? Nun, Decimus Meridius ist der Statthalter, schreibt selten Berichte, lässt die Legio II und Ala II den Wiederaufbau in Raetia übernehmen und wird mir hoffentlich in Kürze über einen Tempelraub in Mogoanticaum und eine etwas seltsame Sacerdos aus seiner Verwandtschaft berichten."


    Das waren die Punkte, die den Kaiser in den letzten Tagen im Bezug auf diese Provinz beschäftigten. Neugierig sieht er die Augusta an.


    "Was vermagst du zu ergänzen?"

  • Ohne den Brief zu öffnen, begann sie zu berichten, was ihr von Germanicus mitgeteilt wurde.
    "Vom Tempelraub in Mogontiacum hast du scheinbar schon von anderen Quellen gehört. Es soll in der Abwesenheit des Pontifex passiert sein, doch die Aussagen Duccius' über die Arbeit des Pontifex sind äußerst positiv. Es scheint Vorwürfe gegen ihn gegeben haben, da Duccius es ausdrücklich erwähnte."


    Den Teil mit der abgebrannten großen Taverne übersprang die Kaiserin bei der Aufzählung.


    "Etwas Unmut gibt es anscheinend in der Verwaltung über den Statthalter.
    Der Informationsfluss zwischen Verwaltung und der Legio soll recht dürftig sein. Es wird beklagt, dass ihnen von den Fortschritten der Legionen in Raetia nichts berichtet wird. Die Organisation der Verwaltung durch Meridius soll im Vergleich zum seinem Vorgänger übertrieben aufwendig sein.
    Auch über zu zurückhaltende Beförderungen und Lob seinerseits soll es Beschwerden gegeben haben.
    Ich dachte, dies würde dich sicherlich interessieren.


    Außerdem wird berichtet, dass ein ranghoher Offizier getötet aufgefunden wurde. Es soll der Sohn des Praetors Prudentius Commodus gewesen sein. Wusstest du davon?"

  • "Der Pontifex suchte mich zu einer Audienz auf und meine Eindrücke von ihm waren weitaus bescheidener. Ich möchte nicht grundlos bezweifeln, dass er gute Arbeit leistet, aber eine äußerst positive Einschätzung habe ich nicht.


    Aus Raetia höre ich selber in der Tat wenig und erwarte dringlich einen aktuellen Bericht. Sollte der spärliche Informationsfluss mit der Lage der Infrastruktur dort zusammenhängen, dann wäre das ein schlechtes Zeichen. Selbst vor 100 Jahren benötigte ein Bote nur neun Tage von Raetia bis Rom.


    Über die Details der Verwaltungsorganisation, Lob und Beförderungen ist mir nicht viel bekannt. Äußert er sich zu den Klagen detailierter? So erscheinen sie mir etwas vage und es wäre nicht das erste Mal, dass man sich über einen Statthalter beklagt.


    Vom Tod des Sohnes des Praetors wusste ich noch nichts. Er müsste Tribun gewesen sein, wenn ich mich recht erinnere."

  • "Die Information über Raetia dürfte scheinbar wirklich sehr vernachlässigt werden, wenn auch du nichts davon weißt. Es wird wohl an der Organisation liegen.


    Details zu den Klagen über den LAPP gingen auch mir nicht wirklich zu."
    Sie öffnete nun den Brief und begann zu zitieren:
    "... wieder Gerüchte auf den Straßen hört bezüglich Unmut und Unwillen, weil der Legat wohl sehr sparsam in Lob und Beförderung ist. Letzteres ist auch ein stetiges Wundernis in anderen Bereichen, teilweise hinter vorgehaltener Hand, teilweise auch offen. So wurde bemängelt, das Auszeichnungen plötzlich für nichts vergeben werden und der LAPP wohl der erste LAPP ist, der einen eigenen Magister Officiorum benötigt, damit er seine Verwaltung überhaupt auch nur ansatzweise geregelt bekommt. Hier und da fragt man sich, sowohl offen als auch im Geheimen, ob Meridius überhaupt geeignet für diesen zivilen Posten ist, da er ja scheinbar nicht ohne immensen Aufwand neuer Posten und Hilfen diesen hinbekommt, während seine Vorgänger sich mit diversen Scribae zufrieden gaben und die Arbeit dennoch gut erledigt bekamen."
    "Ich denke, du kennst Meridius recht gut um abzuschätzen, ob etwas an diesen Beschwerden ist. Es ist auch das erste Mal, dass mir von Duccius überhaupt von der Arbeit des LAPP berichtet wird.
    Jedenfalls dachte ich mir, es interessiert dich, was über ihn gedacht wird.



    Ob es sich wirklich um den Sohn des Prätors ist, stand scheinbar noch nicht fest und wird noch genauer untersucht werden."

  • Der Kaiser hört andächtig zu und blickt die Augusta dann schmunzelnd an.


    "Gerüchte auf den Straßen... hinter vorgehaltener Hand. Ach, wenn manche Leute sich doch etwas offener zeigen würden. Bemerkungen über die Arbeit des Legaten gab es schon häufiger. Gleich nach seiner Ernennung wurde doch tatsächlich darüber diskutiert, ob der Mann das Recht hat, drei Wachsoldaten vor dem Portal der Regia aufzustellen oder ob er sie in der Regia aufstellen soll, um die Bevölkerung nicht zu verschrecken. Und nun soll er angeblich mit Lob zu sparsam sein und gleichzeitig plötzliche grundlose Auszeichnungen vergeben sowie an Beförderungen sparen und gleichzeitig zahlreiche neue Leute beschäftigen."


    Widersprüche, die sicher auch der Augusta auffallen würden, immerhin hatte er sie nicht grundlos als Frau an seiner Seite erwählt, denkt sich der Kaiser und blickt sie weiterhin an.


    "Decimus Meridius mag seine Arbeit auf eine andere Art tun als sein Vorgänger, auf eine andere Art als die Bevölkerung sie gerne sehen würde und möglicherweise auch auf eine andere Art, als ich sie persönlich tun würde. Aber solange seine Taten nicht meinen Anordnungen widersprechen, habe ich keinen Grund seine Arbeit in Zweifel zu ziehen."

  • Die kleine Unstimmigkeit des Berichtes, was die Auszeichnungen betraf, war auch ihr davor aufgefallen, doch wollte sie beim Zitieren des Briefes die Sätze nicht unnötig verstümmeln.
    Was ihr Gemahl über andere Gerüchte erzählte, ließ sie hellhörig werden.


    "Vielleicht fehlt es ihm auch nur ein wenig an passender Diplomatie im Umgang mit der germanischstammigen Bevölkerung oder ziviler Verwaltung.


    Doch wenn du keine Bedenken was seinen Einsatz als Legatus pro Praetore betrifft hast, so sollen auch meine zerstreut sein."


    Sie hatte den Brief inzwischen wieder gefaltet und lächelte Lucius zu.
    "Ich denke ich habe dir genug deiner kostbaren Zeit, die du eigentlich ohne Regierungsgeschäfte verbringen möchstest, gestohlen und werde dich wieder mit deinen Schriften alleine lassen."

  • Einen Moment lang lässt sich der Kaiser ihre Meinung durch den Kopf gehen, bevor er antwortet.


    "Sicher, Decimus Meridius ist kein geschliffener Diplomat, das war er nie."


    Er erwidert ihr Lächeln, während sie den Brief wieder einpackt.


    "Du stiehlst mir doch nicht meine Zeit. Wir haben doch ohnehin zu wenig davon gemeinsam."

  • Auf leisen Sohlen betrat der Magister Domus Augusti die Kaiserliche Bibliothek. Es war eine Schatzkammer! Schlichtere Naturen mochten die prächtige Aula Regia, oder die mit allerlei exotischen Kostbarkeiten ausgestatteten Privaträume des Kaisers und der Kaiserin für den Ausdruck imperialer Macht halten und von Gold, Seide und Purpur geblendet sein, aber Aelius Quarto wusste, dass diese Räume mindestens ebenso große Kostbarkeiten enthielten.


    Übermannshohe Regale aus dunklem Holz fanden sich hier und in ihnen lagen unzählige Schriftrollen. Da waren Werke von Alexis und seinem Neffen Menandros, Antiphon fand sich neben Aristophanes, Prodikos von Keos neben Protagoras und Platon neben Plutarch. Fein säuberlich war unter jedem Fach der Autor vermerkt und gewöhnlich auch der Titel der Schrift. Die Kaiser Trajan gewidmete Lobrede Panegyrikus, des jüngeren Plinius konnte man hier finden, ebenso wie viele von Tullius Ciceros Reden, etwa De provinciis consularibus, Oratio cum populo gratias egit, oder In Verrem actio secunda. Jedoch fehlte unerklärlicherweise die dazu gehörige In Verrem actio prima. Das zeigte, dass selbst diese Büchersammlung nicht alle Schriften der bekannten Welt besaß. Aber das konnte wohl ohnehin nur die berühmte Bibliothek in Alexandria von sich behaupten.


    Nichtsdestotrotz war die Kaiserliche Bücherei ein erhebender Anblick. Alles war ordentlich sortiert, wofür eigens einige sehr gelehrte und gewissenhafte Bibliothekare sorgten. Allerdings wurde ihre Arbeit auch sehr dadurch erleichtert, dass kaum einmal jemand hierher kam, der hätte Unordnung anrichten können. Die Bücher der Kaiserlichen Bibliothek waren ein Schatz, der von nur wenigen Aufgesucht werden konnte und nicht alle, die dieses Privileg besaßen, nutzen es auch.


    Darum war Aelius Quarto auch erstaunt gewesen, als ihm gesagt wurde, dass er den Kaiser an diesem Tag hier würde finden können. Aber doch, da war er! Gedämpft räusperte er sich, um den Imperator auf sich aufmerksam zu machen.

  • Der Kaiser blickt von seiner Lektüre auf. Die Schriftrolle, die er vor sich hält, trägt den Text eines weniger bekannten Geschichtsschreibers, der sich dafür umso besser in Hispania auskannte. Der Kaiser musste wohl niemandem in seinem Umfeld erklären, warum er gerade jetzt solche Texte studiert.


    "Magister, tritt näher. Wusstest du, dass die Bewohner Tarracos dem göttlichen Augustus einen Altar weihten, auf dem eines Tages eine Palme wuchs? Als sie ihm dieses besondere Ereignis mitteilten, antwortete er, dass der Altar augenscheinlich sehr selten benutzt würde."

  • Aelius Quarto wog die Worte des Kaisers kurz ab. In Hispania war bekanntlich vor kurzem ein Aufstand ausgebrochen. Zwar nicht in Tarraco, sondern weiter im Süden, in einer Stadt namens Corduba, aber es war nichtsdestotrotz ein höchst unerfreuliches Ereignis. Auch hatte es sogar im Senat schon Stimmen gegeben, die meinten, der Kaiser sollte diese senatorisch verwaltete Provinz doch lieber wieder direkt und mit der eisernen Hand der Legionen regieren. Quarto war um den Einfluss des Senats besorgt und darum antwortete er schließlich beschwichtigend:
    “Nun… ähm… ich selbst war noch niemals dort, doch es heißt, die Vegetation gedeihe in jener Gegend besonders üppig und schnell. Es muss ein sehr schönes Land sein in dem unter der Herrschaft eines großen Mannes selbst aus steinernem Grund Leben entspringt.“
    Man hätte auch behaupten können, dass die Bewohner Hispanias noch nie besonders treu zu Rom gestanden hätten, aber eben das war es, was er nicht zum Ausdruck bringen wollte.

  • Der Kaiser schmunzelt leicht, hatte Quarto damit doch die zweite der drei möglichen Deutungen dieses Ereignisses geliefert. Den Gedanken, selber auf die dritte Bedeutung, nämlich der Palme als dynastisches Symbol der iulischen Herrscherhauses zu verweisen, schob er rasch beiseite, da ihn der Magister sicher nicht gestört hatte, um über dererlei Dinge zu philosophieren. Möglicherweise wollte er gerade ganz aktuelle Nachrichten aus Hispania bringen.


    "Hispania ist ein sehr schönes Land. Aber weshalb bist du gerade zu mir gekommen?"

  • Es hatte nun aber gar nichts mit Hispania zu tun, weswegen Aelius Quarto in die Bibliothek gekommen war…


    “Nun, also… ich bitte um Entschuldigung, dass ich dich mit dieser Angelegenheit belästige, aber mich hat kürzlich der ehemalige Aedil Helvetius Tacitus aufgesucht. Du erinnerst dich sicher, wir saßen gemeinsam mit Senator Vinicius Lucianus über ihn zu Gericht.“


    Prüfend sah der Magister Domus Augusti zum Kaiser, um dessen Reaktion auf die Nennung dieses Namens abzuwarten.

  • Das Schmunzeln verschwindet vollständig aus dem Gesicht des Kaisers.


    "Selbstverständlich erinnere ich mich. Was hat er diesmal angestellt? Noch einer, der wissen möchte, ob ein bestimmter Helvetier in den Aufstand in Hispania verstrickt ist? Der Consul Vinicius fragte mich bereits nach einem solchen."

  • Der Kaiser macht eine wegwerfende Handbewegung.


    "Das wäre ja noch schöner, wenn der Aufstand nur aus einer Person bestehen würde und wir dafür die Garde schicken müssten. Nein, es sind schon einige weitere Namen darin verwickelt.


    Also, was will dieser Helvetier?"

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