{Caelius mons, Horti Poppaei} Das Fest der Poppaea Sorana

  • Vom Himmel steige, Herrin Kalliope,
    herab, heb an zur Flöte ein langes Lied,
    auch – wünschst du's – nur mit heller Stimme
    oder zum Klange vom Phoebus' Leier!


    Da! Hört ihr's? Oder täuscht mich ein holder Wahn?
    Mir ist, als hört ich Klänge, als schweift ich selbst durch heil'gen Hain, wo sanft die Quellen
    rauschen und linde die Lüfte wehen.
    - Der Musen Macht, Horaz



    Euphonisch ist der Klang des Wassers. Lauter und rein das ungetrübte Plätschern des süßen Nass'. Aus einer Amphore aus Stein ergießt es sich. Gehalten von einer Nymphe. Aus Marmor. In einen Moos grünen See fließt das Wasser. Goldenen Sonnen similär. Erstrahlen die Seerosen. Umkränzt von zarter Morgenröte in der Form ihrer Blust. Rosa Blüten um goldene Dolden. Sie schweben ätherisch auf dem grünen Spiegel. Oleanderblüten malen sich auf der Oberfläche ab. Sachte wiegen sich die Zweige der Pflanze im Wind. Tanzen. Spielen. Frohlocken an diesem schönen Tag im Herbst. Den Nämlichen die Sonne den Menschen von Rom schenkt. Und Freude in die Herzen pflanzt. Sofern man die Muse hat. Die kostbare Zeit des Tages mit Frohsinn und Dolcefarniente zu begehen.
    Die Menschen in diesem Garten vermögen es. Poppaea Sorana hat geladen. Die Gäste strömen in den Garten ihres prachtvollen Anwesens. Ein Fest der Poppaea Sorana verpasst man nicht. Ausgewählt sind die wenigen Gäste. Die sie an solchen Tagen zu sich holt. Erlesen vom Geschmack. Erhaben in der Wortwahl. Nobel. Edelmütig. Geistreich. Mit Witz. Oder burlesk. Eines oder alles müssen die Gäste offerieren. Um von Poppaea Sorana geladen zu werden. Eine Einladung mit goldenen Lettern zu erhalten. Eine Nämliche schlägt man nicht aus. Es sei denn, man will Poppaea Sorana als Feindin haben. Zeit und Muse hat die Frau. Um ihren Feinden das Leben schwer zu machen. Das Geld ebenso. Eine reiche Eques ist sie. Mit jenem Vermögen weiß sie indes die Künste zu unterstützen. Oder ihre Freunde zu verwöhnen. Mal mit einem Fest in ihrem Garten. Aber auch anderen Vergnüglichkeiten. Manche davon scheuen das Tageslicht. Und suchen die Nacht.
    Nur der Genannte ist geladen. Kein Eheweib. Noch Gatte. Weder Bruder. Oder Vater. Keine Mutter. Auch nicht die Schwester. Genauso wenig die Geliebte. All jene sind nicht erwünscht. Auf diesem Fest. Nur der Geladene.


    Drei Tage Euphorie. Geschwelgt hat Callista. In dem Wissen zu diesem Fest eingeladen zu sein. Fortuna hat Callista geholfen. In der Werkstatt des Boethos von Athen ist sie auf Poppaea Sorana getroffen. Beiläufig haben sich die beiden Frauen unterhalten. Über Kunst. Über Schönheit. Die Perfektion in Stein gemeiselt. Die Natur bringt dies selten so vollkommen hervor. Wie die Hand des Menschen. Eine Stunde später erhällt Callista einen Brief. Mit goldenen Buchstaben. Erst da erfährt sie. Wen sie in dem Atelier des Künstlers getroffen hat.


    Geschmückt. Gesalbt. Wohlriechend. Adrett. Strahlend. Callista hat sich heraus geputzt für das Fest. Blauer Stoff umfließt ihren Körper. Als ob eine Nymphe aus dem Wasser entsteigt. Silbern der Schmuck. Aus etruskischer Hand geschaffen. Strahlend die Saphire. An ihren Ohrringen und den feinen Ringen ihrer beiden Händen. Elfenbein das Schuhwerk. In seiner Farbe. Aber ohne einen Halbmond. Heute möchte Callista nicht in ihrer Abstammung sogleich erkannt werden. Das Ritual findet erneut statt. Bevor sie zu dem Fest erscheint.
    "Bin ich schön?"
    Benohé lächelt still in sich hinein. Erwartet ihre Herrin eine andere Antwort?
    "Bezaubernd, Herrin. Wie immer."
    Zufrieden ist Callista. Das Fest ist gerettet.


    Harfenseiten erzittern. Unter den Fingern einer Sklavin. Melismisch schwingt die Melodie im Garten. Betörend ist das Weben mit den Tönen der Syrinx. Zudem der Stimme eines Knaben. Rein und vollkommen. Schön ist das Antlitz des Jünglings. Ebenmässig seine Züge. Seine vollen Lippen. Die schwarzen Locken. Die sich über seinen weißen Oberkörper ergießen. Andächtig sein Ausdruck. Versunken singt er. Ohne die Gäste zu bemerken. Einem jungen Gott gleicht er mit seiner Erscheinung.
    Gelächter übertönt immer wieder den Gesang. Es stört den Sänger nicht.
    "Eine Parodie auf ihre Familie? Im eigenen Haus. Äußerst peinlich. Man konnte wirklich alle wieder erkennen?"
    Eine Frau mit einer roten Perücke lacht entzückt auf.
    "Stehen nicht bald die Wahlen an?"
    Eine dünne Stimme wirft es in die Runde.
    "Keine Politik, Mamilius. Deine schönen Lippen sollten uns ergötzen. Nicht langweilen."
    Amüsiert ist das Funkeln in den Augen der Sorana. Türkisgrün leuchten sie. Die goldroten Locken türmen sich auf ihrem Haupte. Selbstsicher ist ihr Gehabe. Speisen werden heran getragen. Der See funkelt zu ihren Füßen. Edle Klinen bieten ihnen ein Lager.


    Verträumt liegt Callista auf einer großen Kline. Nicht alleine liegt sie. Zu zweit oder zu dritt liegen die Gäste auf den Klinen. Im Halbkreis vor dem See. Zu dessem Ufer sich die Musiker wiegen. Neben den Zweigen von weißen Rosen und purpurnen Oleander. In der Mitte des Sees ragt eine Insel empor. Mit einer lauschigen Laube. Ein vergoldetes Boot wartet am Ufer. Callista träumt sich auf dieses Boot. Fern trägt es sie. Zu einer entrückten Insel. Die Gespräche entgehen ihr.
    "Was meinst Du, Callista?"
    Entrissen wird Callista. Ihren Träumen. Sie hebt ihre dunklen Wimpern. Richtet sie auf die schöne Poppaea. Die schon zehn Jahre älter als Callista ist.
    "Liebend gerne."
    Was auch immer sie gefragt wird. Callista ahnt es nur. Sie hat mit halben Ohr zugehört. Poppaea lächelt erfreut.
    "So sind schon die Meisten für das Spiel. Faun und Nymphe."
    Erwartungsvoll sieht Sorana zu den Mann an der Seite von Callista.
    "Stimmst Du dem Vorschlag auch zu?"



    Sim-Off:

    Und eben jener wird schon erwartet. Reserviert.

  • Viele Worte, Gelegenheiten und Errungenschaften seines Lebens, welche ihn begünstigten, ihn ehrten oder auszeichneten, waren Gracchus in ihrer Tatsache oder auch nur Erwähnung zumeist unangenehm. Glückwünsche und Lob hinsichtlich der Aufnahme in den Senat und das Collegium Pontificium hatte er zuletzt zu zahlreich über sich ergehen lassen müssen, und hätte er eines von beidem noch mit halbwegs ruhigem Gewissen akzeptieren können, so war es in Kumulierung doch beinah zu viel, um es anzunehmen, ohne dass eine leise Reminiszenz an Täuschung und Betrug in ihm anklang. Dennoch gab es auch in seinem Leben Gelegenheiten, welche er ohne Bedauern, ohne schlechtes Gewissen und mit einem marginalen Anflug von blasierter Wonne konnte begehen. Jener Brief mit den künstlerisch gezierten, schwungvollen goldenen Lettern und die Folge daraus, waren eine solche Gelegenheit, mehr noch hatten sie zu stiller, euphorischer Freude in ihm beigetragen. Nicht einmal Gracchus fragte noch, weshalb und wieso, kein Gedanke war daran verschwendet, wie zu solch exorbitanter Ehre er konnte gelangen, denn wer zu Poppaea Sorana war geladen, der stellte keine Fragen, hatte keinen Sinn mehr für Zweifel, brauchte nicht einmal sich zu sorgen über zur Schau zu stellenden Esprit und Wortwahl. Er war. Inmitten der herbstlichen Ambience, der lumineszierenden Sonnenstrahlen, welche in feinen Säulen durch die Blätter der Bäume strebten, den Tisch am See mit ihrem Glanz und ihrer Wärme umschmeichelten, inmitten der blassen Leichtigkeit des feingeistigen Scharfsinnes, umhüllt von einer Membran aus symphonischem Wohlklang. Mit seinem Gewand in herbstlichem Rostrot mit beigefarbenen und goldenen Verzierungen gliederte er sich perfekt ein in die harmonische Kombination aus dem blaufarbenen Kleid an seiner Seite und dem leuchtend orangegelben Gewand auf der nächsten Kline. Poppaea Sorana achtete auf visuelle Harmonie, selbst bei der Platzvergabe, so dass eine den Sinnen schmeichelnde ästhetische Gesamtkomposition entstand, keine Rücksicht indes nahm sie auf die Durchmischung der Geschlechter, waren doch solcherlei Neigungen ohnehin an diesem Abend weit bedeutungslos, mochte der feinsinnige Geist die Vorzüge der Vermengung auch abseits des formvollendeten Bildnis erkennen. Obgleich Gracchus indes üblicherweise mehr gehemmt war durch die so marginale Distanz zum weiblichen Geschlecht, obgleich er förmlich durch sie eingekeilt war in diesem Moment, so war es doch nicht die Weiblichkeit, mit welcher er die Kline teilte, so war es der Geist, war es die Seele, das Wort. War es ihm nicht möglich, eine Frau ob ihrer Fraulichkeit zu lieben, so war es ihm mehr als nur möglich, sie ob ihres epiphanen Esprits wegen zu adorieren, wie er dies einst bei seiner Base hatte getan, und obgleich jene schöne Nymphe zu seiner Seite noch kaum ein Wort hatte gesprochen, so war sie doch hier. Die Namen der Familien wurden in dieser illustren Gesellschaft nicht genannt, keine Notwendigkeit bestand zu solcherlei, und obgleich Gracchus nicht genau wusste, woher er das Gesicht an seiner Seite kannte, so harrte fortwährend in ihm das Gefühl, sich an etwas erinnern zu müssen, zu dem jedoch er keinen Zugang fand. Indes sein Blick wandte sich ihrer Antwort und der anschließenden Frage folgend ohnehin zur Gastgeberin, auch sie an diesem Abend anmutiges Kunstwerk aus sich selbst heraus.
    "Es wäre mir eine Pläsier."
    In diesem Augenblicke jedoch wurden die Speisen aufgetragen, ein elysischer Odeur nach in Teig eingeschlagenen Nachtigallenzungen, in Setinier gegarten Purpurschnecken und pochierten Wachteleiern, gespickt mit Mandeln und übergossen mit Honig, durchzog die Luft und Poppaea Soranas Nasenflügel erbebten für einen Augenblick, erzitterten im heranwehenden Duft.
    "So soll es denn sein, nach dem Mahl. Doch nun greift zu, meine Freunde, und lasst uns die Speisen mit kurzweiligem Vergnügen garnieren. Gracchus, ein Spiel zum Mahl, um den Geist gleich dem Körper beschäftigt zu halten."
    Noch ehe die Aufforderung in ihrer Gänze ausgesprochen war, befand sich Gracchus bereits in seinem Gedankengebäude auf der Suche nach geeignetem Amüsement, war es doch bereits einige Zeit her, dass Gelegenheit zu solcherlei sich hatte gefunden. Schlussendlich zog er das Abbild seines Neffen Milo aus einer Schublade, welcher ein blitzendes Messer mit gebogener Klinge, eine sica, in Händen hielt - selbstredend war dies kein Bild seiner Erinnerung denn eine Assoziation.
    "Milos Mörder"
    , sprach er sodann.
    "Auch bekannt unter dem Namen Die Mörder vom Aventin."
    Eine Dame, schräg gegenüber, welche Poppaea als Vala hatte vorgestellt, klatschte entzückt in die Hände.
    "Eine vorzügliche Idee, dies lässt sich nahtlos mit dem Goutieren kombinieren."
    Auch die Gastgeberin nickt angetan.
    "So sei es, so sich niemand dagegen ausspricht? Bringt Wachstafeln herbei,"
    dirigierte sie.
    "Alexis wird die Aufgabe der Nox übernehmen."
    Jener Sklave, mit bronzener Haut und Augen so schwarzfarben wie sein Haar, klappte bereits die hölzernen Wachstafeln auf und notierte je ein Wort in ihrem Inneren, ehe er sie mischte und sodann je eine davon vor den Gästen auf dem Tisch ablegte.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Gülden bebt das Blattwerk einiger morgenländischer Platanen auf, die am Rande des Gartens wachsen. Hoch und mit noch dichter Krone. Sind die Tage noch von Schönheit und goldenen Sonnenstrahlen geprägt. So sind die Nächte in der Hand der herbstlichen Kälte. Der nämliche Tag ist von milder Wärme bestimmt. Verträumter Stimmung ist Callista. Mit Labsal vernimmt sie die Stimmen um sich. Superb ist die Wahl der Term. Die Schönheit im Worte. Das schätzt Callista ebenso hoch ein.
    Wohltönend ist die Stimme an ihrer Seite. Callista legt den Kopf zur Seite. Eine schwarze Strähne an der Schläfe fällt über ihre Wange. Ihre dunklen Augen betrachten den Mann. Bekannt sind die Züge seines Antlitz. Traut. Altvertraut. Woher Callista diese Empfindung verspürt, vermag sie nicht zu benennen. Dessen ungeachtet meint sie. Ihn auf einem Feste gesehen zu haben. Halb gesenkt sind Callistas Wimpern. Zwischen ihnen mustert sie Gracchus prüfend. Fährt mit ihren Augen an seinen aristokratischen Zügen entlang. Den schimmernden dunkelbraunen Haaren. Springt zu den wohl geschwungenen Lippen. Zu dem männlichen Kinn. Die gepflegten Hände. Sehr schmuck sind sie. Erstaunlich umsorgt für einen Mann. Das gefällt Callista. Schließlich erleuchtet es sie.
    Das Weinfest.
    Mit Antonia war er dort, Callista.
    Traun?
    Greifbar ist die Erinnerung nicht. Beschäftigt war sie an jenem Abend. Callistas Mundwinkel heben sich bei der Retrospektive.
    Exquisiter Wohlgeruch umschmeichelt Callistas Sinne. Dem Essen wendet sie sich zu. Eine schlanke Sklavin. Mit goldenen Locken. Sie stellt eine Auswahl von Gaumenschmaus vor Callista. Unter Thunfisch und Gartenraute sind gefüllte Eier versteckt. Mit Käse und Oliven umrahmt. Seeigel in Olivenöl gebraten und in Fischsauce durchzogen. Glires, gebratene Haselmäuse. Aufgeschlitzt. Mit ihrem Fleisch , Nüssen und nordafrikanischen Fenchel gefüllt. Knusprig gebraten. An Speisen scheint es kein Ende zu nehmen. Callista ist sich unschlüssig. Ob sie von den Zungen kosten soll? Von dem mit Zerebrum des Bos gefüllten Tintenfisch?
    Purpurschnecken lässt sich Callista reichen. Mit einem silbernen Zängchen ergreift sie die Schale. Mit einem silbernen Spieß zieht sie das Fleisch hervor. Lässt es sich degustieren. Verwöhnt ihren Gaumen mit der Sinnesfreude.
    Selektiert. Erkürt. Superbe Köstlichkeiten.


    Eine blasse Schönheit kichert vergnügt. Zart golden sind ihre langen Flechten. Farblos ihre Augenbrauen. Durchscheinend die langen gläsernen Wimpern. Ihre Lippen sind in einem Rosé geschminkt. Inkarnat die Kleider. Ihre Himmel blauen Augen strahlen. Offenbaren ihr Amüsement.
    "Marmilius darf nicht den Percussor spielen. Er gibt sich allweil selber preis."
    Der Angesprochene rümpft die Nase. Illuster ist jene. Springt nach vorne, um einen scharfen Kurvenverlauf zu nehmen. Volle und weiche Lippen. Sinnliche besitzt er unter der Nase.
    "Das stimmt nicht, Fausta. Das ist schnöde von Dir."
    Giftig sieht Marmilius zu der Angesprochenen. Spöttisch ist das Strahlen in den auffallend hellen Augen der Fausta. Die Dame mit der roten Perücke. Dasia ist ihr Name. Sie ergreift eine Nachtigallenzunge.
    "Marmilius. Bleibe bei Deiner Feder. Und Du, Fausta, bei der Maske und Mimik."


    Callista bewundert die schöne Gestalt des Sklaven. Bronze die Haut. Die Augen so schwarz. Ihren Eigenen similär. Behutsam ergreift Callista die Tafel. Glatt ist das Holz. Glänzend poliert in dem Schein des Tageslichtes. Callista öffnet die Tafel. Ihre Lippen wölben sich. Zu einem ergötzten Lächeln. Ihre Wimpern erheben sich. Sie schließt die Tafel. Legt sie zurück auf den Tisch. Die anderen Gäste haben ihre Rollen eruiert.
    Dunklem Honig similär. Dergestalt ist die Stimme des Sklaven zu vernehmen. Marmilius ergreift eilends ein Ei und verspeist es. Alle schließen die Augen. Sollen es. So sind die Regeln.
    "Es ist Nacht geworden. Sanft legt sich die Dunkelheit über die ewige Stadt. Rom. Die honorigen Bürger des Stadt. Sie legen sich zur Ruh'. Morpheus Arme erwarten die züchtigen Menschen der Stadt. Aber nicht alle Sterblichen sind von diesem Naturell. Nein. Auf dem Aventin fängt das wahre Leben erst an. Aus den Löchern der Cloaca. Den herunter gekommenen Insulae strömen die Männer. Deren Handwerk am Tage nicht gerne gesehen wird. Verfolgt vom rächenden Schwerte des Gesetzes. Dem Willen des Kaisers. Doch schreckt es diese Gesellen nicht ab. Ihre Profession blüht im Schatten Lunas auf. Denn sie sind..."
    Alexis verstummt. Der Spannung wegen.
    "...Mörder. Ehrenhafte Römer sind ihr Ziel. Ihre Messer sind gewetzt. Lächzen nach dem Blute der Römer. Wollen sich in wehrlose Leiber bohren. Die Fäden des Lebens zerschneiden. Plutos Hallen noch mehr füllen. Ruchlos begehen sie ihre Verbrechen. Und unter all jenem Gesindel tun sich die Männer des Milo besonders hervor. So erwachet. Ihr Mörder vom Aventin."
    Verschlossen sind Callistas Augen. Entzückt lauscht sie der Stimme des Sklaven. Melodisch dringt sie an ihr Ohr. Gespannt beißt sie auf ihrer Unterlippe herum. Schließlich heben sich die dunklen Wimpern, die von Kohle umrahmt sind.

  • Tiefe, braunfarbene Augen erwiderten der Callistas Blick, ein ergötzliches Lächeln umschmeichelte des Calavasters Lippen als er ihr mit konspirativem Sinne zunickte und seinen Blick sodann schweifen ließ zu Spinther hin, welcher mit ebenso panurgisch Lächeln und ponderablem Blicke seine Mordgefährten bedachte. Wehmütig, beinah ein wenig larmoyant klang die Ekloge, welche der junge Sänger im Hintergrund intonierte, der Nacht und dem Schicksal eines rabiat zu Ende gehenden Lebens angemessen, ganz als wäre er längst nicht so versunken in sich selbst wie den Anschein er gab. Ein schalkhaft schadenfrohes Glimmen blitzte auf in Spinthers Augen, als er leise seine Hand erhob, und sein langer, dünner Zeigefinger sich ausstreckte, um einen der Schlafenden wortlos zu benennen, dem Tode zu übereigenen. Calavaster nickte affirmierend und auch Callista schloss sich mit subliminalem Nicken dem Urteil an. Den Würgegriff sodann schlug Calavaster vor als Mordmittel, angedeutet in unzweifelhaften Gesten, in welchen er eine Hand um seinen Hals, den Kopf dazu schief legte, die Augen nach oben zum Himmel hin verdrehte und die Zunge einen Augenblick herausstreckte. Ein Zeichen zu Alexis hin folgte, dass der Milos Männer Tat in dieser Nacht beendet sei.
    "Schwarzfarben und dunkel umhüllt die Nacht Milos Männer in ihrem Werk, verschluckt jeden Laut, verschluckt jede Schuld, verschluckt schlussendlich auch die Mörder selbst, denn auch die Schatten der Dunkelheit beenden ihre Arbeit noch vor dem Morgengrauen."
    Kurz hält der Sklave inne, bis dass alle Mörder ihre Augen halten geschlossen, sodann fährt er fort.
    "Doch noch ist die Stunde des Tages nicht herein gebrochen, das fransige Grau der Dämmerung zieht auf und weckt den ersten zarten Anschein von Aktivität. Es sind die inquiratores, welche zu solch früher Stunde bereits unermüdlich unterwegs sind, Geheimnissen und Verschwörungen auf der Spur, darum mögen sie nun erwachen."
    Den Kopf gleich den Lidern erhebend, blinzelte Gracchus über den Tisch hinweg als hätte tatsächlich er eine Nacht lang geschlafen, in tiefen Träumen seiner Muse nachjagend. Ein entzücktes Erkennen traf seinen Blick, die eisig blaufarbenen Augen der Fausta, in Amüsement schwelgend, euphorisch blitzend als unverzagt sie ihren Kopf ein wenig streckte, eine goldenen Strähne ihres Haares keck dazu wippte, zu der Gastgeberin ihr gegenüber. Ohnehin die Charaktere der Runde nur marginal zuordnen könnend, neigte Gracchus zustimmend ein wenig den Kopf und bedachte den Sklaven mit aufforderndem Blick. Der schöne Dunkelhäutige umrundete die Gruppe, leise wie auf sanften Katzenpfoten und Gracchus wurde sich fasziniert gewahr, dass nicht einmal die goldenen Ringe um die Füße des Sklaven einen Laut dabei von sich gaben. Behutsam beugte Alexis sich über den Tisch, griff nach der Tafel, welche seiner Herrin war zugeordnet, klappte sie auf und hielt sie in solcher Art, dass Fausta und Gracchus einen Blick auf deren Inhalt konnten werfen. Ein gewöhnlicher Bürger. Wissende Blicke und stumme Gesten des Konsens folgten, sodann schlossen die beiden inquiratores ihre Augen, der Sklave legte zurück die Tafel auf den Tisch.
    "Wie der Lauf der Welt dies ist, so verdrängt der herannahende Tag schlussendlich gänzlich die Nacht, schiebt ihre düsteren Schatten beiseite und hebt sukzessive das goldene Rund der Sonne an den Himmel empor. Bürger Roms, darum erhebet euch nun aus dem Schlafe, erwachet und höret die Kunde, welch grausame Tat des Nächtens geschehen ist."
    Zehn Augenpaare lösten sich aus dem Dunkel, blickten konspirativ umher, keiner jedoch im Ansinnen, etwas von sich Preis zu geben. Alexis, der Sklave, trat hinter eine der Klinen, seine Stimme unheilvoll.
    "In dieser Nacht geschah gar schreckliches Verbrechen! Der honorige Bürger Marmilius erwachte nicht einmal aus seinem Schlafe ..."
    Eben jener Marmilius riss entrüstet Augen und Mund auf.
    "Oh ihr kaltherzigen Halunken! Wie niederträchtig von euch, mich unschuldige Kreatur meines Odems zu berauben!"
    "Bitte, Marmilius, halte ein. Du kennst die Regeln. Fahre fort, Alexis."
    Pikiert rümpfte Marmilius seine geweißte Nase und schwieg, da der Sklave fortfuhr.
    "Der honorige Bürger Marmilius erwachte nicht einmal aus seinem Schlafe, denn zu flink und zu rasch waren des Milos Mörders Hände, welche unverzagt sich des Nächtens um seinen Halse hatten gelegt, mit gar übermenschlicher Kraft zusammen gedrückt und Marmilius seines Lebens beraubt."
    "Oh ihr Widerlinge! Erwürgt! Wie konntet ihr nur, wisst ihr denn nicht welch unschöne Abdrücke dies an meinem Leichnam hinterlässt? Oh, geliebte Fama, welch grässlich unwürdiger Tod!"
    "Marmilius, bitte."
    Den larmoyanten Schreiber gänzlich ignorierend beugte der Sklave sich hervor, um die Wachstafel vor jenem aufzunehmen und zu öffnen.
    "Eine umfassende Prüfung seiner Aktivitäten indes ergab, dass Marmilius tatsächlich jener unbescholtene Bürger gewesen ist, wie den Anschein er erweckte. Seid auch ihr dies, hohe Römer? So findet seinen Mörder und überantwortet ihn der Gerechtigkeit des Hades."
    In seinem Mahle, welches die meisten wieder hatten aufgenommen, nachdem die fiktive Nacht beendet war, hielt Calvaster inne und nickte der hellhäutigen Fausta zu.
    "Fausta mag die Tat verrichtet haben. Ein jedes Male, wenn sie Marmilius gar keck neckt, so sehe ich ihr zarten Hände an seinem Halse liegen."
    Ein ehrliches, offenherziges Lachen folgte dem Wort, Farce im Spiel, doch Aufrichtigkeit im tatsächlichen Leben.
    "Indes scheinen mir ihre Hände viel zu filigran, zart, wie selbst du zugeben musstest. Hätte der Mörder eine Kordel benutzt, einen Gürtel oder ähnliches, so mochte Fausta als Täter in Frage kommen. Doch in diesem Falle bezweifle ich, dass ihre Hände dazu gereichten, das Leben aus Marmilius' Körper heraus zu drücken."
    "Dem stimme ich zu"
    , warf Dasia ernsthaft in die Runde.
    "Zu solch einer Tat ist nur ein Mann mit kräftigen Händen fähig. Da der einzige Mann dieser Runde, welchen wir darum von vorneherein hätten ausschließen können, der Tote ist, so verbleiben die lebenden Herren als potentielle Täter."
    In preziöser Geste hob Fenestella eine Hand auf Augenhöhe, drehte und wendete sie, sprach schließlich theatralisch zum abendlichen Himmel hin.
    "Oh ihr Götter, die Hände habt ihr uns gegeben, dass Rom groß werden kann, dass wir sie nutzen und gebrauchen zu eurem Wohle - und nun dies. Ob meiner Hände wegen wollen die Damen mich nun zum Mörder erheben, jener Hände wegen, die sonstig ihre Körper so wonnevoll verwöhnen!"
    "So genau indes, Fenestella, wollen wir nicht wissen, was mit deinen Händen du sonstig tust. Viel eher interessiert, wo in der vergangenen Nacht du mit ihnen unterwegs warst."
    "Wo schon sollten sie gelegen haben, werte Fausta, wenn nicht bei meinem Weibe? Ihren Körper liebkoste ich mit meinen Händen, mit meinem Munde und nicht zuletzt mit meiner extraordinären Männlichkeit, wie nur einer Geliebten dies angedeihen kann."
    "Da wir alle hier wissen, wie weit entfernt des Fenestellas Schlafgemach von dem seines Weibes ist, ist längstens dies kein Beweis für seine Unschuld. Gegenteilig, nur allzu leicht könnte er des nächtens sich aus dem Hause schleichen."
    "Ebenso wie du, mein lieber Spinther. Und ist es nicht längst an unser aller Ohr gedrungen, dass mehr als einmal bereits die vigiles dich aufgriffen zu später Stunde?"
    "Gerüchte, meine Liebste, Gerüchte, wie Fama selbst sie nicht besser spinnen könnte!"
    Erneut schallte fröhliches Gelächter durch die Runde, Spinthers Lachen selbst darin am lautesten.



    /edit: Zu viel Couleur.

  • Der Garten ist erfüllt mit dem starken Geruch von Rosen. Den herbstlich blühenden Schönheiten. Die mit den strahlenden Farben der Gewänder wett streiten. Kein Stoff und kein Geschmeide erreicht jemals die Leuchtkraft einer frisch erblühten Rose. Explodierend in ihrem Strahlen. Exquisit in dem Duft. Der zarte Odeur mischt sich mit den erlesenen Speisen. Gefüllte Rosenblätter wandern in Münder. Vermischen sich mit dem Arom eines köstlichen Weines. Gewürzt. Gesüßt. Manche ihrer Natur nach belassen. Allem haben sie gemeinsam. Wenig verdünnt sind sie. Den Geist aus den Zwängen der Generalität soll das kostbare Nass sie befreien. Die Zungen beflügeln zu Scherzen, Schabernacks und Fazetien. Die Weinkaraffen kreisen. Die edlen Tropfen munden. Auch bei Callista wirkt der vergorene Traubensaft. Ein zarter Roséton erhitzt ihre Wangen. Geschürt durch ihr euphonisches Lachen. Das von ihren Lippen blitzt und aus ihren Augen strahlt.
    "Kapriolen hin oder her. Einen Mörder haben wir in unserer Runde, meine Lieben. Justitia ruht nicht. Bis der Schuldige gefunden ist. Oder es ist unser aller Ende."
    Theatralisch bewegen sich die Finger der schönen Fausta. Affektiert ist ihre Pose. Dramatisch der Klang ihrer Stimme.
    "Wo ist die Jurisdiktion? Hernieder geht es mit der Existentia."
    Die Hand an der Stirn. Fausta atmet schwer und sieht bedeutungsvoll in den blauen Himmel hinauf.
    "Wahrheit? Gerichtbarkeit? Seit wann interessierst Du Dich dafür, Fausta? O Du strahlende Heldin aller Lügenmärchen."
    Fenestellas Stimme klingt belustigt.


    Ehe Fausta den hübschen Erdbeermund öffnen kann ergreift Sorana das Wort.
    "Wo lauter gesprochen wurde, dort sollen wir nicht zweifeln. Die Wahrheit muss im Lichte des Tages enthüllt werden. Zaudert nicht lange. Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont entgegen."
    Mit den rot geschwungenen Lippen umgreift Dasia eine Traube. Lässt den Saft auf ihrer Zunge zerrinnen und spricht.
    "Mein lieber Calvaster. Ich entsinne mich an einen Vorfall vor einem Jahr. Betraf es nicht unseren schönen Spinther hier? Und Dich? Ich hörte, Marmilius spielte dort eine unrühmliche Rolle. Hat Nemesis nachher ihren Einfluss gewirkt? In dieser schrecklichen Nacht?"
    Blass wird Spinther. Einen ärgerlichen Blick schenkt er der Frau in den violett gefärbten Kleidern. Die schwelgerisch den Ärger mit dem Schelm in den eigenen Augen erwidert. Calvaster sieht erstaunt zu Spinther. Marmilius indes wirkt ratlos.
    "Ich? Gänzlich unschuldig bin ich..."
    Indigniert bringt Sorana den Ermordeten mit einer eleganten Geste ihre weißen Hände zum Schweigen.
    "O Bürger Roms, der Verruchte muss gefunden werden. Wer vermag es zu sein?"
    Dasias grüne Augen glimmen perikulös. Sie fixiert Calvaster. Unruhig sind seine Bewegungen. Hernach wendet sich Dasia Spinther zu.
    "Er ist meine Wahl."


    Beleidigt verzeiht Spinther die vollen Lippen. Jung ist er an Jahren, ungeachtet steht er schon lange erfahren im Leben. Zwei Kinder nennt er sein Eigen, aber auch zahlreiche Geschichten ranken sich um den schönen Mann. Prikärer Natur.
    "Ich beharre. Auch eine Frau ist in der Lage dazu. Fausta sieht zierlich aus. Aber ihr müsst nur ihren Griff spüren..."-
    "Denn Du wohl allzu gut kennst, Spinther."-
    Marmilius sieht Spinther entgeistert an. Fenestella und Vala fallen in ein gackerndes und infantiles Lachen ein. Wie vor den Kopf gestoßen wandern die Augen des Poeten von Spinther zu der nymphenhaften Fausta.
    "Du?"
    Spinther beachtet Marmilius nicht.
    "Sie?"
    Seine Worte gehen in dem Gelächter unter. Ein weiterer Scherz auf Kosten von Spinther wird gesprochen.
    "Dann sollen sich Fausta und Spinther verteidigen. Meine Lieben, lauscht ihnen. Bekanntermaßen liegt ihr Leben in euren Händen."-
    "Du?"-


    "O Quirites, was vertue ich eure Zeit damit, meine Person zu verteidigen. Viel mehr möchte ich euch offenbaren, dass niemals ein Mord statt gefunden hat."-
    "Niemals? Oh. Ha. Willst Du unsere Augen Lügner schelten? Sehen wir nicht den Toten vor uns?"-
    "Sie?"-
    "Gewiss. Ohne Frage. Tot ist er freilich. Aber nicht gemordet wurde er. Nein. Ein Mord ist eine schändliche Tat. Da stimmt ihr mir doch zu?"-
    , fragend sieht Spinther in die erlauchte Runde.
    "Wandelst Du auf den Wegen des Sokrates? Nun gut. Ich will Dir gefällig sein. Sicherlich."-
    "Aber was ist, wenn der Welt eine Dienstbarkeit getan wurde. Mit dem Tod dieses Mannes."-
    Boshaft leuchtet es vom Gesicht des Spinther.
    "Sei vorsichtig, Spinther. Du begibst Dich auf dünnes Eis."
    Spinther lacht und winkt ab. Bemerkt den haßerfüllten Blick von Marmilius nicht.
    "Einen Cicero zu morden ist eine Schande. Einen Horaz zu erdrosseln eine Tragödie. Aber einen schlechten Poeten..."-
    "Sie? Du Lumpenhund."-


    Mit einem wütenden Schrei stürzt sich Marmilius auf Spinther. Überrascht reißt dieser die Arme nach oben, um sich zu schützen. Teller werden vom Tisch gefegt. Frauen kreischen auf. Ein Messer blitzt in der Nachmittagssonne. Roter Wein ergiesst sich über ein grünes Kleid. Erzürnt sieht Sorana auf ihr ruiniertes Kleid.
    "Ich bring Dich um."
    Kreischend schlägt Marmilius auf Spinther ein. Calvaster will Spinther zu Hilfe eilen. Doch Fausta ist ihm im Weg. Die eine ähnliche Intention hat. Der Kampf tobt. Ein Handwinken. Zwei Sklaven ziehen den rasenden Marmilius von Spinther herunter. Im rechten Augenblick. Denn das Messer will sich schon in den Hals von Spinther bohren.
    "Das reicht."
    Scharf und schneidend ist die Stimme von Sorana.
    "Bringt ihn hinfort."


    Marmilius ist jählings überhapps schlaff geworden. Er wird von den Sklaven weg getragen. Fausta sieht unglücklich auf den sich absentierenden Poeten. Hastig erhebt sich die durchscheinende Grazie und rauscht hinter her. Hustend greift sich Spinther an den Hals. Rauh keuchend kommt Spinther auf seine Beine.
    "Wenn ihr mich einen Moment entschuldigen würdet?"
    Ein Krächzen ist seine Stimme. Taumelnd entschwindet Spinther in dem prachtvollen Anwesen. Calvaster folgt dem Vorbild der Fausta. Bei Spinther. Erst jetzt wird deutlich. Vala ist in Ohnmacht gefallen.
    Callista betrachtet all das ergötzt. Ein Theaterstück spielt sich vor ihren Augen ab. Eine moderne Tragödie. Vielmehr eine tragische Komödie. Oder doch mehr eine aristophanische Tragödie. Callista kann sich noch nicht entscheiden. Mild ist das Lächeln auf ihren Lippen. Sie sieht sich nicht bemüßigt. Einen der Gäste zu helfen. Sie wendet ihr Kinn zu der Seite und betrachtet das Profil von Flavius Gracchus.
    "Die Ambrosia wartet auf der Insel der Unsterblichen. Ein Wagemutiger vermag es, sie zu erringen. Möchtest Du mit mir die Suche va banque spielen?"
    Ihre schwarzen Augen offerieren ihr Anliegen. Sie sieht auf das Boot am See.

  • Obgleich der Abend ein wenig aus dem vorgesehenen Konzept zu geraten schien, tangierte dies jene kaum, welche nicht von dem deplorablen Geschehen der fortwährenden Enthüllungen wurden berührt, in einhellig stummer Faszination gar wohnten dem Theaterstück sie bei, der prekären Tragödie, welche das Leben schrieb, so wahrhaftig und lebendig wie nur eben jenes selbst dies vermag. Fernerhin reihte Gracchus sich in Frappierung den Zuschauern ein, lautlos, blinzelnd nur ab und an und durch den bereits einverleibten Wein dazu angetan, sukzessive seine rechte Augenbraue ein Stück weit zu erheben. Zu unbekannt waren ihm die Mimen, als dass die Tragik in ihrem gesamten Ausmaße ihn konnte konsternieren, zu deutlich jedoch war das augenscheinliche Geschehen, als dass nicht ein wenig Mitgefühl in seinem Sinne schwang, ob der Desolation dessen. Nachdem der finale Akt sein Ende hatte gefunden, versank die Szenerie nur für einen winzigen Augenblick in Stille, bevor alsbald der schwarzfarben gelockte Jüngling seine Stimme erhob zu wehmütigem Gesang, gleichwohl die Geräusche der Natur zurückkehrten - das gleichmütige Zwitschern der Vögel, das unablässig leise Plätschern am Wasser - und dem Klirren von Geschirr als Fenestella die Gelegenheit nutzte, sich weiter dem Essen zu widmen. Von einem klandestinen Rascheln im Stoff seiner synthesis begleitet streckte Gracchus seine Hand, das Glas mit Wein zu greifen und die leichte Derangierung seiner Selbst mit ein wenig der Flüssigkeit hinfort zu spülen. Der letzte Schluck rann eben seine Kehle hinab, mit dem Handrücken wischte bereits er die von seinen Lippen perlenden Tropfen, als jählings die noch immer in stillem Amüsement neben ihm verweilende Callista das Wort ergriff, nicht nur ergriff, sondern gleichsam gar an ihn wandte. Ihrem Blicke folgte er hin zum See, ein sublimes Lächeln kräuselte seine Lippen, denn der Tristesse des bitteren Nachgeschmackes einer Tragödie wollte auch er diesen Tages nur ungern sich ergeben, zudem bereitwillig der aufkommenden Trägheit entkommen, darum nickte er marginal.
    "Es wäre mir dies ausgesprochen agreabel."
    Eine Frage in sich bergend wandte zur Gastgeberin er den Blick.
    "So du gestattest?"
    Huldvoll nickte Sorana, in gönnerhafter Pose streckte ihre Hand sie in einem Wink zum Wasser hin. Demütig ließ Gracchus ein dankendes Nicken darauf folgen, ehe er sich erhob und Callista die Hand bot, ihr aufzuhelfen. In Schweigen traten zum See ihren Weg sie an, biss dass die Peripherie des Tisches sie hatten hinter sich gelassen, über polierte marmorne Steinplatten hinweg, zwischen welchen weiches, penibel geschnittenes, noch immer satt grünfarbenes Gras spross. Die frische Luft - in Absenz der zahlreichen Feuerkörbe der Terrasse hier ein wenig kühler - umwehte sie in lauem Hauch, mit einem sublimen Odeur nach Seerosen und Teich.
    "Ein äußerst delektabler Abend,"
    durchbrach schlussendlich er das Schweigen, während bereits das vertäute Boot er näher zum Land hin zog und erneut Callista eine Hand bot, auf dass sie gefahrlos das kleine Gefährt konnte besteigen. Behände löste er das Seil, bevor selbst er der Claudia folgte, den Platz an den Rudern einnahm und langsam das Boot über das schimmernde Wasser hinweg gleiten ließ. In feinen Wellen kräuselte die schimmernde Oberfläche sich, wurde das verkehrte Abbild ihrer Personen durchbrochen, verzerrt, einem absonderlichen Spiegel gleich, denn nichts von der Schönheit Gracchus' Gegenüber konnte er einfangen.
    "Gestatte mir eine Frage, denn dies ist mein erstes Mahl im Refugium der Sorana. Ist es immer ..."
    Zögerlich versuchte er mit einer allumfassenden Handbewegung die Szenerie, den Abend und das Geschehen zu umfassen, ohne gleichsam das Paddel aus seinen Händen zu lassen.
    "... similär zu diesem?"
    Unter ihnen glitt still der nahe Grund hinweg, silberfarben schimmernde Fische tummelten sich zwischen wogenden Algen, in tanzendem Spiel reihten sich Licht und Schatten umeinander. Warm und kalt gleichermaßen war die diesige Luft um sie herum, zeigte sich in beinah körperlicher Präsenz ihres Atems, und auf der kleinen Insel inmitten des Sees glühten goldfarben die Bäume in der Sonne glanzvollstem Abendlicht. Vor dem dunklen Blau des Himmels, tristem Herbstblau, wirkten sie wie transluzente Gestalten, bereits im Winterschlaf gefangen.

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  • Inkarnate Sterne gleiten auf Smaragdgrüner Oberfläche entlang, in der sich die Wolken des blauen Himmels wieder spiegeln als ob ein Unsterblicher sie mit einem weichen Pinsel dort hin gezeichnet hat. Callistas Finger gleiten in das kühle Nass. Silberne Fische umspielen ihre Hand. Ein kalter Leib streift ihre Fingerspitzen. Callista ist entzückt. In ihrer Phantasie malt sie es sich aus. Schöne Nymphen sind die silberne Fische. Ein eifersüchtiger Gott hat sie in die schönen Fische verwandelt. Nun schweben sie in dem ätherischen Grün unter den pastellzarten Sternen aus weichen Blütenblättern. Ihre Rufe um Erlösung werden niemals von einem sterblichen Ohr gehört werden. Die Rettung wird nimmer kommen. Der Unsterbliche ergötzt sich an den schönen Leibern und weiß. Sie sind alle Sein. Für immer und ewig. Auch Callista hätte gerne Hunderte von schönen Nymphen als ihr Eigentum. Womit sie spielen kann und deren Schönheit sie genießen darf. Callistas Lippen malen ein entzücktes Lächeln auf ihren Lippen. Verträumt sehen ihre ebenholzfarbenen Augen auf die silbernen Leiber.
    Gestatte mir eine Frage. Callista löst sich von dem Märchenbild. Das es nur in ihrem Geist gibt. Schmeichelnd ist die Klangfarbe seiner Stimme. Elegant der Vorzug, den er manchen Wörtern gibt und die Banalen außen vor lässt. Wassertropfen lösen sich vom Ruder. Leuchtende Diamanten aus weicher Materie vereinen sich mit dem Edelsteinkolorit des Sees. Ringe formen sich aus dem Wasser. Versinken unter der Oberfläche. Erscheinen erst wieder als das Ruder in die Tiefe taucht.
    "Das Nämliche vermag ich Dir nicht zu apostrophieren, mein geschätzter Flavius Gracchus."
    Die temporäre Betastung seiner Hände erfühlt Callista an den Ihrigen immer noch. Wundervoll gepflegt sind die Hände jenes Mannes. Die Berührung verrät ihr eine Pluralität. Nicht zu lasch. Was einen kriecherischen Geist offenbart. Einen Weichling. Aber auch nicht grob. Die Nämliche viele arbeitende Männer auszeichnet. Oder jene mit einem tumben Geist. Wenige Männer achten auf ihre Hände. Callista aber ganz besonders auf die Nämlichen.
    Justament nimmt sie seine gesamte Erscheinung ad notam. Die dunklen Haare, die sein Haupt bekränzen. Die Augen, die von einer klugen Kognition zeugen. Die schön geschwungenen Lippen. Das markante Kinn und die nicht zu weichen Züge seines Gesichtes. Callista ist erfreut. Ein schöner Mann. Sorana beweist evident einen erlesenen Geschmack. Mit der Wahl jenes Gastes.
    "Es ist auch für mich die erste Einladung zu einem Festmahl der Sorana. Ich verweile erst seit einigen Wochen in der Schönsten aller berückenden Städte."
    Sanft gleitet das Boot durch das Wasser. Der Bug pflügt durch die weiche Materie. Die Unterseite stößt gegen weißen Kiesgrund. Mit einem dezenten Ruck landet das Boot an den Gestaden der Traum umfangenen Insel. Langmütig wartet Callista.
    Lässt sich die Hand reichen und balanciert über das Boot. Ihre Gewänder streifen zart über die Wasseroberfläche. Nur die Spitzen saugen sich mit dem Nass auf. Dann spürt sie unter ihren Sandalen die rund geschliffenen Steine. Luzide bescheint die betörende Schönheit des Herbstes die Seele von Callista. Weich schimmert die güldene Sonne auf ihrem schwarzen Haupte. Glänzt auf ihren bronzenen Wangen, die von keiner weißen Schminke verzerrt sind. Ihre langen Wimpern senken sich. Sie betrachtet den Weg, der vor ihren Füßen liegt. Ihre Augen heben sich und sehen zu Gracchus.
    "Obacht müssen wir geben. Auf die Gefahren, die jenseits des Weges lauern. Böse Zauberinnen, die uns in widerliche Kröten verwandeln. Zyklopen mit Furcht erregenden Keulen. Frauen mit Klauen und spitzen Zähnen, die sich mit ihren grauen Flügeln auf uns stürzen."
    Callistas Mundwinkel umspielt der Zug von Schalk. Mit ihrem Kinn deutet sie auf das Ziel ihrer Reise. Ein Pavillon aus weißem Marmor geschlagen. Rot wie Blut windet sich wilder Wein um sein Fundament. Weiße Rosenblüten umschmeicheln den hellen Stein, der mit Gold verziert ist und eine göttliche Freistatt bildet.
    "Wollen wir es wagen? Die Aventüre auf uns zu nehmen?"
    Die Pläsanterie spricht aus Callistas Augen. Ihre Miene ist feierlich grave.

  • Gleich einer fliegenden Schlange durchschnitt der Körper der Claudia die Atmosphäre, in zarter Gewandtheit, marginal über dem Boden schwebend, die Umgebung an ihrer glänzenden Hülle abperlend, versteckt und doch offensichtlich freigeistig, in einen Hauch aus Verwegenheit gehüllt. Der Schlag ihrer Wimpern versetzte die Umgebung in eine feine Schwingung, welche sich mit dem zarten Kräuseln ihrer Lippen hob und senkte, ihre Worte legten sich über die Szenerie gleich einer fernen, sehnsüchtigen Melodie. Nichts war kühl an ihr, kein eisiger Schleier, kein harter Kern - nichts an ihr erinnerte an Gracchus' Gemahlin. Ein kühnes Glimmen flackerte auf in seinen Augen, der Abend war erquickend, der Wein die Sinne erhebend, die Tragödie des Mahls die Gefühle affektierend, so dass sein Herz leicht gewogen war, dem Abenteuer der Nacht zu folgen.
    "Nur wer furchtlosen Herzens ist, kann auf dieser perniziösen Reise bestehen."
    Zur Seite hin bückte er sich und brach einen blattlosen Zweig von einem der Sträucher, stach ihn vor sich, eines Gladius gleich. Ein wenig mager war das Schwert, ein wenig dürr und verkümmert, doch vollführte Gracchus damit einen präzisen Stich nach vorn, ein imaginäres Schild vor sich haltend, denn obgleich er niemals in seinem Leben in einer militärischen Einheit hatte gedient, so hatte seine Jugend die Ausbildung am Schwert beinhaltet wie wohl jede römische Jugend dies tat.
    "Habe keine Furcht, schönste Callista, dem Zyklopen werde seines Augenlichtes ich berauben, bevor sein Herz ich ihm aus der Brust entreiße, den Strigae ihre Schwingen stutzen, die Zähne am blanken Stahle schleifen, und die Zauberin mit einem Fluche belegen, auf dass sie selbst sich transformiert zu einer Fliege, welche mit meiner langen, klebrigen Krötenzunge ich mir werde können einverleiben, auf dass mit ihrem Exitus der Bannspruch wird gebrochen."
    Die freie Hand formte er zu einem mano fico, Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger gelegt, um Böses abzuwenden, setzte schlussendlich an, mit sonorer Stimme zu intonieren.
    "Oder wie einst, aus Vatergefild' und Wohnungen scheidend,
    Hin gen Thebe dem starken Gracchus folgt' Callista,
    Sie der Schöngeistigen' Tochter, des epiphanen Esprit.
    Siehe, sie ragte weit vor den zartgebildeten Weibern,
    So an Gestalt, wie an Größ', und an Sinn wetteiferte keine
    Aller sterblichen Fraun, die Sterblichen Kinder geboren.
    Ihr von dem Haupte daher, und den dunkelschattigen Wimpern,
    Atmete solch ein Reiz, wie der goldenen Aphrodite."

    Mit schalkhaftem Lächeln wandte Gracchus sich an ihr vorbei, drehte sich vor ihr und ging langsam rückwärts, sie keinen Herzschlag lang aus den Augen lassend, noch immer den dürren Zweig locker in der Hand schwingend, den Kopf leicht schief gelegt, sein Tonfall einer Herausforderung gleich.
    "Faun und Nymphe, teuerste Kalliope."
    Ohne Acht hatte den Namen er gesprochen, doch selbst da sein symphonischer Hall einen außergewöhnlichen Nachklang mit sich zog, so bemerkte Gracchus nichts denn eine eigentümliche Euthymie in sich, stilles Wohlgefallen, nach hauchzarten Wolken klingende Pläsier.

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  • Irrealitäten verquirlen mit den Bildern der Faktizitäten. Ein glänzendes Schwert trägt der Flavier in seinen Händen. Die Gewänder werden zu einer güldenen Rüstung. Der Weg ist gesäumt von den Gefahren, die hinter den luzide erstrahlenden Bäumen sich tummeln. Das Knurren von Ungetümern dringt an Callistas Ohren. Der markerschütternde Schrei einer Harpyie schallt vom Himmel hinab. Nicht die Schatten der Blätter gleiten über den mit güldenen Gräsern bedeckten Boden hinweg. Es ist die Ombrage der mythischen Gestalten.
    Trunken ist Callista. Vom Weine. Dem Feste. Den schönen Menschen. Der illustren Gesellschaft. Der sie bewohnen darf. Ihre Wangen sind gerötet. Ihre Unterlippe erbebt unbekümmert. Als sie den Worten des charmanten Gracchus lauschen darf.
    Der Wind verfängt sich im Geäst der schlanken Bäume. Spielt mit dem Gold farbenen Laub. Wirbelt es auf. Zupft an dem schwarzen Haar von Callista. Unter ihren Füßen raschelt leise die herbstlichen Alme. Zerbrechen. Erzittern von den Wogen ihres Kleides. Gebannt folgt Callista den Worten. In den finisteren Abgrund könnte Gracchus sie führen. Callista würde froh jauchzen. Bei den aparten Formulierungen. Den stilvollen Bildern, die Gracchus mit dem Prestige seiner Termini hervor zaubert.
    Ein Déjà Vu. Das Erzittern einer Seite ihrer Seele. Ungreifbar. Hauchzart. Es erklingt piano in ihrem Gemüt. Callista vermag es nicht zu benennen. Der Name weckt es jedoch in ihr. Ein unausgesprochenes Rätsel. Eine seltsame Bekanntheit. Vertrautheit. Langsam entweicht der Atem Callistas Lippen. Ein Hauchen über den Erdbeermund. Er malt ein soigniertes Lächeln auf ihrem Gesicht.
    "Faun und Nymphe."
    Eine erheiterte Bestätigung. Callista lässt sich bereitwillig auf jedes Spiel ein. Das ihr Kurzweile und Amüsement bieten kann.
    "Welch' Gefahr vermag mein bebendes Herz nicht zu trotzen,
    eines Unsterblichen und Heroen Spender aus seinen Lenden an der Seite.
    O Du tapferer Streiter gegen Biest und Mensch.
    Dir folge ich in den Tod mit einem Lachen auf den Lippen."

    Ein Drängen in ihr schreit laut.
    Folge ihm. Begleite ihn. Er wird Dich leiten.
    Irritation vermag diese Stimme zu wecken. In Callista. Doch das Vertrauen schwelgt sie in Sekurität. Ihre Gewänder schweben über den Boden entlang. Ein goldener Armreif klimpert hell. Als er auf seine Schwester an ihrem Handgelenk trifft. Callista schreitet ohne Hast auf Gracchus zu. Das Spiel der Worte. Es ist eine unermessliche Freude für Callista. Wenige Menschen können das Nämliche mit ihr bestreiten. Möchten es fechten. Es erleben.
    "Faunus, der du flüchtigen Nymphen nachstellst,
    wandle sanften Schritts durch die Marken meiner
    sonn'gen Flur, scheide von meinen jungen Pfleglingen gnädig."

    Honig fließt durch die Kronen der Bäume. Ergießt sich wie träge Sonnenstrahlen auf dem weichen Boden. Callistas Phantasie schwelgt in unzähligen Bildern. Die nur vor ihrem Augen leben. Sie hebt die Hand. Legt es sich erschrocken vor dem Mund. Entsetzen zeigt sich in ihren dunklen Augen.
    "Sieh' dort."
    Ein konsterniertes Flüstern. Den Augenblick der Ablenkung. Diesen nutzt Callista. Mit einem hellen Lachen. Glockenrein. Mit dem Nämlichen entschwindet sie zwischen den Bäumen. Vorbei an einem hohen Busch mit zarten purpurnen Blüten und hinter eine Hecke aus Lorbeerblättern. Ihre hauchzarten Schritte rascheln einen Moment. Dann kehrt Stille ein. Dort, wo sie eben noch über den Boden entschwebt.

  • Leise klirrten die filigranen, hauchzarten Blätter über ihnen im Strome des sanft dahin plätschernden Abendhauches, welcher die Gräser zu ihren Füßen heimlich umzwirbelte, sie schwanken ließ, Bäumen im Sturmwinde gleich. Eine Täuschung zur Seite hin - doch Gracchus erlag ihr, folgte der Aufforderung in ihrem Blick, der Spannung ihres tonlosen Raunens, in Erwartung des ersten Zyklopen im Sturmesangriff, des Herannahens eines Horn bekrönten Minotaurus oder einer unscheinbar diffusen Chimäre am Wasserrand - zu spät wurde der Farce er sich gewahr, Callista war längst entflohen, entkommen in grünfarbenes Land. Rasch eilte er ihr hernach, einen schmalen Spalt zwischen zwei Zypressen durchschreitend, welche nach ihm griffen mit ihren Nadel gefüllten Ästen, sein Gewand streiften und zu hindern suchten den Faunus an seinem Siegeszug. Vor ihm durchbrach die zarte Nymphe das Dickicht, klandestin noch hing ihr Hauch in der stillen Luft, Augenblicke nur wehte die Couleur ihres Gewandes ihr nach. Mit einer Spur subliminalen Entzückens schloss Gracchus die Augen, verharrte lauschend im Unterholz, reglos, den Atem angespannt. Ein Rascheln zur Linken, ein Knacken zur Rechten, der Ruf eines Vogels gerade voraus, hernach sein aufgeregtes Schnattern und Schlagen seiner Flügel, als in den trüb blaufarbenen Himmel er sich erhob. Dichtes Gedränge aus grünfarben umschlungener Vegetation manifestierte sich vor Gracchus' innerem Auge, ein Refugium die Insel ihm erschien, Verdichtung der Natur, gestutzt nur an ihren Rändern, den Anschein von Außen zu wahren. Sukzessive verlor der Tag an Gewalt über die Welt, legte die Nacht ihren düsteren Schleier, raubte die Farblichkeit und schuf Schattierungen in Grau, durchbrochen vom Grollen ihrer wilden Bewohner, bedrohlichem Rascheln und perniziösem Ruf. Unwillkürlich versteifte sich Gracchus' Körper, die Kälte der Furcht legte eisig ihre Klauen auf seine Haut und sein Atem begann sein Herz zu jagen. Längst hatte der Weg sich vor ihm verloren, streckten die Silhouetten der kahlen Bäume gierig ihre Arme nach ihm aus, rissen die wilden Bewohner der Wälder an seinem Selbst, die vor ihm auf dem Boden krochen, durch das Unterholz schlichen, sich flatternd um seinen Kopf drehten und mit kreischendem Laut ihr Territorium zu verteidigen suchten. Erschrocken riss die Augen er auf, schnappte nach Luft und drängte die Erinnerung an Natur und Dickicht aus seinen Sinnen, Erinnerung an seinen Zwilling und den Weg zu Fuß durch die Welt außerhalb der sicheren Grenzen Roms, ein Spiel gleichermaßen, doch kein Spiel für ihn selbst, denn kein Episit konnte furchterregender sein als die Furcht in sich selbst. Doch fern waren jene Tage, fern war selbst die Nacht, denn noch immer leckten die honigfarbenen Strahlen der Sonne in fleckigem Muster über den Grund, nah rauschte das Wasser in der Poppaeas Garten, selbst der leise Gesang des Knaben vom anderen Ufer her war mit einigem Lauschen zu vernehmen, nur Callistas Spur hatte im kleinen Wäldchen sich verloren. Ein Auflachen echappierte Gracchus' Halse, sodann nahm die Suche er auf, seine Füße sicher über den weichen Grund führend, die Sinne auf sein Ziel gerichtet, gleichsam intonierend, die Nymphe lockend mit verbalem Köder.
    "Weh mir, der Faunen Tollheit ich ergeben!
    Der Nympen Wesen such ich zu erfassen,
    Doch dies kann mein Geiste nimmermehr;
    Vor ihrem Glanze muss in Neid erblassen
    Mein nichtig Herzen mehr und mehr.
    Tor der ich bin, hier verloren,
    In diesen dicht gewachs'nen Hallen
    Aus grün und grüner Plfanzlichkeit.
    Wo aus der Götter' Himmel fallen
    Zaghaft Strahlen der Unendlichkeit."

    Dürres Geäst brach unter seinen Füßen, grünfarbene Stängel beugten in Absicht ihr Haupt, ihrem vorzeitigen Ende zu entgehen, gleichsam streifte wieder und wieder die unnachgiebige Vegetation seinen Leib, strich zart ihm über die Wangen, wenn nicht im rechten Augenblicke er sich unter den Blättern der umstehenden Bäume hinweg zu ducken mühte. War dies dort das Aufscheinen der Nymphe, ein silbrig glänzendes Tuch am Zweige eines Strauches, Indiz für den Raub der Nymphe durch einen hölzernen Zyklopen? War dort der Abdruck eines behuften Fußes, des furchterregenden Minotaurus, welcher hernach jagte der zarten Gestalt? War nicht über ihm das Kreischen der Harpyien zu vernehmen, welche mit grauenerregender Gier der unschuldigen Nymphe lauerten? Eilen musste er sich, das zarte Wesen zu erretten.

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  • Melismisch schwingt die Melodei der Natur um Callista. Das liebreizende Tschilpen einer Haubenlerche. Der mehrsilbige klangvolle Ruf entlockt Callista ein distinguiertes Lächeln. Ein Schatten gleitet über den goldenen Herbstboden hinweg, in denen sich die Dolden von er- und verblühten Grashalme wiegen. Einem Reigen gleichend zu dem Schall des Wald und Flur. Ein hoher Laut erklingt. Flügel schlagen. Klauen graben sich in einen Vogelleib. Der Sperber erbeutet die liebliche Haubenlerche. Mit den scharfen Krallen trägt er den filigranen Singvogel davon, um seinen Schnabel an geschützter Stelle in den weichen Korpus zu stoßen. Callista erschauert wohlig bei dem urwüchsigen Akt der Tierwelt. Ihr Herz hüpft wild. Ihr Odem entweicht ihren Lippen mit einem genüsslichen Seufzer. Dort. Sind da nicht Schritte zu hören? Konsonantisch erhebt sich eine Stimme über all der Laute der Flora und Fauna. Dem gelinden Wehen des Windes.
    Euphonisch ist das vife Lachen der Callista. Flink die federleichten Schritte.
    "O Geist des Waldes Du, gefahren in des Mannes' Bild
    der Göttin Zornes ist sicher dem, o Faunus,
    sucht er mich, die Nymphe, als sein erhaschtes Wild."

    Erneut ertönt der Klang ihrer Heiterkeit durch des Haines Flur. Callista eilt hinfort. Preis gegeben hat sie sich mit den wenigen Worten. Den hell schimmernden Schal lässt sie zurück. Sachte weht er hinab. Verfängt sich im Geäst. Hurtig entschwindet sie hinter blühenden Hibiskusbäumen. Deren letzte Blüten im Lichte der Sonne erstrahlen, um schon Tage danach in einem tristen Braun zu vergehen. Schritte lenken Callista an Goldbuchen vorbei. Um einen Rosenbusch. Ihre Finger streifen die goldweißen Blüten der Königin der Blumen. Ihr Atem haucht schnell über ihre Lippen. Fehl gegangen ist Callista. Äonenweit erscheint die Insel im See zu sein. Es knackst um sie herum. Knarrt in dem Gehölze. Ein Rascheln hinter ihr. Callista wendet sich um. Atmet tief ein. Ein Fauchen.
    Ein Ungetier?
    Callistas Odem verharrt in ihrer Brust. Langsam dreht sich Callista um. In himmelsblaue Augen sieht Callista. Weißes Fell leuchtet im milden Lichte. Ein Saphir prangt am flauschigen Hals. Geschmeidig gleiten samtige Pfoten über den Ast einer Birke, deren Blätter silbern im Wind changieren. Das silberne Antlitz wendet das Tier der Callista zu. Tierische Klugheit inspizieren Callista. Callistas Lippen öffnen sich. Ein Deuten ihres Kopfes.
    "Diana. Bist Du herbei geeilt, mich zu führen? Deine Auserwählte?"
    Die Göttin versagt die Antwort. Geschmeidig springt sie von Ast zu Ast. Vertrauensvoll folgt Callista dem Wandeln der Katze. Wähnt sich im Schein der Göttin, die ihre Nymphe in Sicherheit führen will. Fern von jagenden Fauni und boshaften Bestien, die sie den unsterblichen Gefilden entreißen möchten. Eine Zuflucht. Callista eilt in den Pavillon aus weißem Marmor. Weiche Blütenblätter liebkosen ihre geröteten Wangen. Die Aufregung spricht aus ihrem Gesicht. Sachte späht Callista an dem Bewuchs vorbei.
    Wo er wohl wandelt?
    Dort, Callista. Siehst Du nicht seine berückend schöne Gestalt?
    Jedennoch. Welche vornehme Schönheit er ausstrahlt.
    Ein Schnurren streift an Callistas Hand entlang. Die Katze schmiegt sich an ihren Leib. Sucht nach der Belohnung für ihr Unterfangen, Callista vor den grausamen hundertarmigen Hekatoncheiren zu erretten.
    Panurgisch glänzt es in Callistas Augen. Der Jäger wird zum Nachgestellten. Ihr Herz schlägt laut. Callista meint, es wird sie verraten. Einen flachen Stein aus weißer Materie ergreift Callista. Ruhig ist alles in ihr. Das Zittern des Abenteuers, das ihre Seele zum Schwingen bringt, entschwindet. Fein dringen die Strahlen der Sonne durch das Gespinst aus wildem Wein, rot verfärbt, und weißen Rosen. Einem Mantel der Unsichtbarkeit schenkt die Flora der Callista. Kein Singen von einem Vogel ertönt. Es ist das Zeichen, dass ein Jäger bereit ist, das Wild zu schlagen. Perikulös ist das unbeschwerte Bild auf dem rosé farbenen Mund der Callista. Der Stein fliegt in einem hohen Bogen. Deutlich ist der Laut, den er auf dem Stein erzeugt. Callista verharrt in ihrem Versteck. Wartet darauf, ob die Beute in die Falle geht. Katze und Jägerin. Beide lauern geduldig in dem satten Rot und dem strahlenden Weiß.

  • Neckisch lockend erschallten die wohlklingenden Worte der Beute voraus, ihre harmonische Stimme - keine Nuance zu hell, um zu sekieren, keine Spur zu dunkel, um in Tristesse zu zergehen - ihr heiter tönendes Lachen, ausgewogen und zart. Unweit musste sie harren, so dass Gracchus beinah bereits in Erwartung sich zeigte, hinter dem nächsten Hibiskusstrauch sie zu entdecken.
    "Keine Göttin fürcht' ich heute, ist es doch des Wolfes Kraft
    welche in mir dürstig fließet, welche mich zum Jäger macht."

    Unauskömmlich war sonstig es für ihn, den Nymphen hernach zu jagen, unbefriedigend, und doch war längstens dies ihm nicht mehr gewahr, da nicht dem physischen Wesen er eilte nach in faunischem Begehr denn der epiphanen Gestalt, einem zarten Gespinst im Dickicht der Persistenz der Welt. Weich und unscheinbar lag ihr Schal in seinen Händen, wanderte für einen Moment zu seinem Gesicht empor, da er ihren Duft einsog, welcher dem kostbaren Gewebe längst zu eigen war. Forschend wandte Gracchus sein Gesicht in das Wäldchen hinein, schloss erneut die Augen, seine Nasenflügel bebten, als könnte er ihre Spur wittern. Noch ehe er die Augen öffnete, trat er bereits den nächsten Schritt, folgte einer Spur, welche nicht zu sehen war, nicht zu hören und nicht zu riechen, und doch existierte, unmerkliches Beben der Luft. Ein Saum voller Rosen durchbrach das dichte Geäst grünfarbener Vegetation, führte zurück ihn an den Rande der durch Menschenhand gestalteten Welt, dem steinernen Schmetterling zu, welchen bereits von der Anlegestelle sie hatten erblickt, marmorne Zuflucht, umhüllt von Weinranken, so rotfarben wie Blut, als hätten Tausende Nymphen Abertausende Tränen geweint im Angesichte des herannahenden, incubischen Faunus. Zaghaft die letzten Boten der undurchdringlichen Wildnis vor sich aus dem Wege schiebend, trat Gracchus auf die Freifläche hinaus, auf welcher grünfarbenes Gras einzig noch von Natur zu zeugen vermochte. Ein lautes Klacken tönte zu seiner Rechten, einen Augenblick lang wand er den Blick in siegessicherem Erkennen, doch Stille folgte dem Laut, kein Rascheln im Geäst, kein Brechen von Zweigen, Streichen von Blättern. Nur Stein auf Stein.
    "Mir scheint's, der steinerne Riese sitzt dort im Geäst,
    welcher mit Granit sich umgarnen lässt.
    Doch der Nymphen zarter Hauch vermag
    den Faun nicht zu irren an diesem Tag."

    Rasch waren die letzten Schritte überwunden, der steinernen Sicherheit des Vesteckes der Nymphe ihre Geborgenheit geraubt, zur Falle sie gewandelt, da der einzige Ausweg gefüllt war mit dem Antlitz des Faunus.
    "Callista"
    , entfleuchte ihr Name seinen Lippen, mit rollendem l und weichem s goutierte er den Klang ihrer Selbst, ihres Abbildes der Welt, welcher dem Beginn der Muse so ähnlich war. Schmerzlich erinnerte sie ihn an seine verloren geglaubte Base, keine andere Frau hatte je das Spiel der Worte, das Spiel des Geistes auf jene Weise nur annähernd beherrscht, die Leichtigkeit in ihrem Wesen getragen, als wäre sie die Umkehrung der Gravation selbst.
    "Keiner Nymphe wurde je ich angesichtig, welche mehr ihr Wesen hätte verkörpert, welche adorabler mir wäre erschienen, und doch fällt es mir schwer, dem Faunus zu entsprechen, zu fordern seinen Lohn und damit die zarte Membran dieses Geschöpfes mit Devastation zu überziehen, da jede Berührung ihres Selbst zwangsläufig dazu wird führen müssen, dass unter diesen groben Händen zu Staub sie zerfällt."
    Er trat auf sie zu, ein entzücktes Leuchten in seinen Augen, und ein gespanntes Lächeln kräuselte seine Lippen, als er Callista mit ponderablem Blicke bedachte.
    "Gewähre mir darum nur eines, Schönste aller Schönen, gewähre mir das Wissen um deinen Namen und die Hoffnung darauf, ihn eines fernen Tages als Gast nennen, des Esprits seiner Trägerin ein weiteres Male habhaft werden zu dürfen."
    Vor sie hin hob er ihren Schal, dessen im Geäst der Inselmitte sie war verlustig geworden, welcher die Haut seiner Hand umschmeichelte wie ihre Präsenz seine Seele.

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  • Opportun wäre Callista die Gestalt einer Druádes. Einem nymphischen Wesen. Sein Refugium ist in dem Stamm einer mächtigen Eiche. Verborgen vor den Blicken der Jagenden. Der Fauni. Oder zu den melischen Nymphen möchte Callista ihre Wurzeln zurück verfolgen. Herzförmige Blätter, deren Kolorit mit der Farbe des Lebensodem getränkt sind, rascheln im Wind. Ein Gesicht sieht Callista entgegen. Aus roten Blättern und Haaren von weißen Blüten. Ihre Schwester zwinkert Callista verschwörerisch zu. Ehe sie im Laub des Baumes entschwindet. Die Stimme des Faun vertreibt sie. Neckische Worte will Callista erwidern.
    Wie schön er die Worte setzt. Echo will ich spielen.
    Still, Callista. Du bist die Jägerin.
    Traun.
    Erregung beherrscht ihre Gedanken. In der Simplizität findet Callista den Quell großer Freude. Er erheitert ihr diesen Tag. Erhebt ihn weit über all die Schwestern und Brüder des Nämlichen. Strahlend und leuchtend vermag Gracchus ihr die Zeit zu vertreiben. Dazu hin findet Callista immer mehr gefallen an seinem berückenden Anblick. Ehe sie ihre Beute habhaft wird, ist sie erneut das Wild. Der Jäger scheint raffiniert zu sein. Durchschaut die Finte und wendet es zu Callistas Nachteil. Antlitz erscheint vor Antlitz. Ebenholzfarbene Augen versinken in samtig schimmernde braune Augen.
    Ein schöner Mann.
    Gefällig ist der Klang ihres Namens aus seinem Mund. Die Intonation von bezaubernden Reiz. Einer Woge aus Schönheit similär erscheint ihr Name. Geformt durch seine geschwungenen und begehrenswerten Lippen. Er schwebt in der Luft. Zerfasert durch den Abendodem der Windgeister. Die im Angesicht so viel inspirierender Beauté den Atem anhalten und andächtig seufzen. Apart setzt er die Worte. Callista ist fasziniert. Ihre Augen wendet sie nicht ab von seinem edlen Gesicht. Von der Gestik, die seine schönen Hände vollführen. Seiner aufrechten Art, sich zu halten. Desillusion birgt indes der Sinn hinter all den erhabenen Formulierungen. Es ist eine Absage. An die Frucht einer solchen Jagd. Das Vergnügen, das dem Kitzel folgen darf.
    Er will mich nicht?
    Die sanfte Röte von ihren Wangen schwindet. Ihre Augen betrachten Gracchus prüfend. Es ist der erste Mann, der eine derartige Gelegenheit, einen Kuss von ihren Lippen zu erringen, verstreichen lässt.
    Was für ein Edelmann, Callista. Bestimmt würde er Dich zu gerne küssen.
    Es muss so sein.
    Tatsächlich erfolgt die Erleichterung. Der Flavier scheint ein Mann der alten Schule zu sein. Sein Gehabe und Gebarden unterstreichen es. Selbst in der rückschauenden Betrachtung.
    "Kallisto. Callista. Jeder Sterblicher gibt mir einen anderen Namen. Des Tages wandel' ich auf der Welten Flur. Mische mich unter die Sterblichen. In der Nacht hingegen."
    Callista verstummt bedeutungsvoll. Sie löst sich von dem roten Laub. Wandelt um Gracchus herum. Ihre Fingerspitzen berühren Gracchus neckisch an der Schulter. Tolldreist. Mit Schalk und Freude in den Augen. Die Katze springt vom Sims des Pavillon. Schreitet hinter Callistas Füße. Einem geisterhaften Diener similär. Callistas Fingerspitzen fegen rotes Laub von einer Bank. Geschmeidig nimmt sie auf der Sitzgegelenheit Platz.
    "Des Nachts ist mein Schicksal der Fluch der Iuno. Es führt mich an die ewige Finsternis. Umstrahlt von all den schönsten Gebilden, die die Götter hervor gebracht haben. Die funkelnden Sterne, die des Nachts unser Gemüt erhellen. Rufe nach Callista, schöner Faunus. Trage den Namen Kallisto auf den Lippen. Eventualiter ist es der Nymphe möglich, Dir zu erscheinen."
    Heiter sind die nach oben geschwungenen Lippen der Callista. Die ihre Freude und den Schalk bezeugen.
    "Es ist indes allfällig, dass Du mich niemals zum zweiten Mal erblicken wirst. Mein Rat, o berückender Faun, nutze die Stunde. Lebe heute. Erlebe. Genieße."

  • Demütig neigte Gracchus sein Haupt, subaltern ihre Antwort akzeptierend, ihre Zurückweisung gleichsam.
    "Ist es der Klang dieses Namens, welcher die Stille erstrahlen lässt, so will keinen anderen mehr auf meinen Lippen ich tragen denn jenen der Schönsten der Schönen, ihn des Tages zum Äther hin schicken, des Nachts in des Morpheus' Armen flüstern, auf dass sein Timbre die Dunkelheit lässt aufleuchten in güldenem Hauch, adorabler noch als je ein funkelndes Gestirn könnte erklingen."
    Er war sich dessen gewahr, was Callista als seinen gerechten Lohn einforderte, dass halb Rom ihm würde neiden ob diesen Augenblickes, gleich wiewohl halb Rom ihm mochte neiden ob seiner Gemahlin. Doch ebenso wenig wie dieser, war er in der Lage, Callista zu geben, nach was ihr begehrte, was sie verdiente, jenes männliche Verlangen nach der Berührung einer Frau, jene Feuersglut eine Frau zu verehren, submiss an ihren Lippen zu hängen eines Verdurstenden gleich, mit bedingungsloser, blinder Hingabe sich ihrer selbst zu ergeben. Mit leisem Schnurren strich die pelzige Katze um Callistas Füße, taxierte Gracchus mit ihrem durchdringenden Blick als würde bis in seine Seele sie hinab blicken können. Eine Farce war alles, was er ihnen konnte offerieren, doch jenes filigrane Wesen hatte Wahrheit verdient.
    "Mehr als alle vergangenen Tage goutiere ich diese trauten Stunden, gewandelt von Innen nach Außen, dem Äußersten hinzu neigend, die Pläsier in all ihrer Couleur verzehrend, dies assekuriere ich dir. Indes verlange nicht von mir, edle Muse, was mir zu geben nicht möglich ist, denn all der sublime Schein würde devastiert, einer schillernden Seifenblase beim Anschein einer Berührung gleich platzen, hinfort geweht mit dem Hauch des Zephyrus. So dieser Tag je der einzige mag bleiben, an welchem diese zwei Pfade sich tangieren, sternenschimmernd, für einen kostbaren Augenblick, einen Herzschlag lang sich verbinden, um hernach sich zu lösen für die Ewigkeit, so soll dies Kleinod in Erinnerung verbleiben in seiner gänzlichen Erhabenheit, unbefleckt und rein, lauter und makellos."
    Neben sie setzte er sich, halb nur auf die steinerne Bank, sein Hand strich zaghaft eine Strähne ihres ebenholzfarbenen Haares hinter das helle Ohr zurück, an welchem der silberfarbene Ohrring sich in leisem Klang ergab. Vorsichtig beugte er sich zu ihr, suchte den Odeur ihres Wesens in sich zu fassen, die Präsenz ihres Geistes zu erspüren und hauchte sanft die Idee eines Kusses auf ihren blassen Hals, kapp unterhalb ihres Ohres.
    "Suche nicht, die güldene Frucht aus ihrer Hülle zu schälen, denn Bitterkeit haftet an ihrem Kern"
    , flüsterte einem lauen Zug des Windes gleich er in ihr Ohr, ehedem er ab ließ von ihr, sich erhob und dem Ausgang des sie umgebenden Falters zustrebte, in dessen Rahmen er verharrte, den Rücken ihr zugewandt. Dies war sein Fluch, denn sie war nicht zu finden, die epiphane Gestalt, welche bedingungslos sich wollte der Kongenialität hingeben, die profane Welt der Stofflichkeit dabei gänzlich hinter sich lassend. Vor ihm senkte der Abend langsam sein Tuch herab, überzog den Horizont mit dunklem Blau, ließ am fernen Firmament das erste Gestirn vage aufschimmern, und während die Melodie der Waldvögel langsam verklang, durchbrach das zarte Singen einer Nachtigall die aufziehende Dämmerung.
    "Wir sollten zurückkehren zum Mahl, ehedem die Nacht diese Insel verschluckt."
    Die Dunkelheit der Nacht war etwas, ob dessen Gracchus irrationale Furcht zu verspüren vermochte, genährt durch den Umstand, dass ab der Dämmerung die Konturen der Welt ihm zu verschwimmen schienen, jedes Blatt im Wind, jeder sich neigende Ast und jeder tanzende Nachtvogel ihm dazu gereichte, eine larva zu sein, zudem kaum je er hatte der Dunkelheit in ihrer Schwärze sich müssen ergeben, da in patrizischem Hause immer eine, wenn auch noch so kleine Flamme ihren warmen Schein erleuchten ließ.

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  • Similär einem Stern leuchtet das Fell der Katze. Schnurrend umstreicht sie Callista. Das Tier wird der Patrizierin lästig. Sonach hebt sie das Samtpfötchen hoch und setzt sie auf dem Sims des Pavillons ab. Pikiert wendet sich das Tier ab und streicht an dem wilden Wein entlang. Mit einem weichen Sprung entschwindet es in der aufkommenden Nacht. Kein Rascheln. Kein Maunzen lässt sie ertönen.
    Enthusiasmiert ist Callista. Die Worte zergehen einer ambrosischen Kost similär. Schöner in der Klangfarbe als jede euphonischeTöne. Zarter als deliziöser Odeur einer Rose. Ein König der Expression ist Gracchus. Ein Künstler der edlen Sentenzen. Callistas Wimpern erzittern. Es bebt tief in ihr als all die schönen Worte sie betören. Ein Geschenk macht ihr der schöne Flavier damit. Somit ist die Absage, die sie justament erhält, weniger schlimm. Eine derart schöne Zurückweisung hat Callista noch nie erhalten. Es hebt sie hoch. In den Himmel. Eine göttliche Erscheinung. Derart fühlt sich Callista durch die Komplimente, die mit jedem Term mitschwingen. Ihre Lippen malen eine beseelte Glückseligkeit. Durch den sanften Schwung ihres vollen Mundes.
    "Insistieren werde ich verbürgt nicht, ob eines Lohnes. Der Dir zusteht für die arrivierte Jagd, o Faunus."
    All dem schönen Fabulieren zum Trotz zuckt ein Wort durch Callistas Geist. Ein Name.
    Zephyrus?
    Welch befremdlicher Vergleich, Callista.
    In dem Zusammenhang. Traun.
    Kein schöner Hyacinthus ist Callista. Kein Sendbote des edlen Apoll. Ihre Lippen öffnen sich eine Nuance. Prüfend betrachtet sie das Antlitz von Gracchus.
    Kann es sein?
    Er ist verheiratet, Callista.
    Traun. Ich irre mich.
    Jeglicher Gedanke wird aus ihrem aufgewühltem Geist verscheucht. Als sie die dezente Berührung an ihrem Ohr erfühlt. Jeglicher Zweifel an den Gründen schwindet. Ein Edelmann. Ein Genießer. Der in ihr die Chloris sieht. Das muss Gracchus sein.
    Callista gleicht einer Lautenseite. Angespannt. Zum Zerreisen ist sie. Eine sanfte Berührung vermag sie zum Beben bringen. Ein harmonisches Schwingen ihrer Seele. Euphorisch der glockenreine Ton. Callista wagt nicht zu atmen. Als die Lippen sich nähern. Mehr versprechen als schenken. Callista schließt die Augen. Bis lange nachdem sie das warme Hauchen an ihrem Hals fühlt. Das Rascheln eines Gewandes. Schritte entfernen sich. Callista spürt immer noch die Reminiszenz an ihrer Haut.
    O ihr Götter. Was für eine Prüfung.
    Schwer saugt sich die Luft in ihre Lunge. Nach einer halben Ewigkeit. Wie Callista erscheint.
    "Zu gern koste ich die Bitternis. Erfahre ich den Hauch der Ambrosia."
    Die Worte werden vom Wind mitgerissen. Ein verhaltenes Flüstern ist ihre Stimme. Ihre Wimpern heben sich. Kein Licht spiegelt sich in den dunklen Augen wieder. Sie verzehren alles, was leuchtet. Was strahlt. Die begehrenden Augen richten sich auf den Rücken von Gracchus. Ein unaussprechliches Tabu liegt in der Luft. Callista erhebt sich. Sonst ungenierlich gegenüber von Regeln, befindet sie es als unpassend. Die Bitte des Kavalier nicht zu entsprechen. Bewundernd bleibt ihr Blick auf seinen schönen Schultern ruhen. Fährt über sein Profil.
    "Das Sternenlicht hat die Nymphe bald zu teilen. Sieh, Venus hat ihre Illumination schon auf die irdischen Gefilde gesandt. Auch ich muss in brevi entschwinden. Darum lass uns die irdischen Hüllen in sichere Reviere tragen, o Faunus."
    Keine Elegie spricht aus Callista. Launig ist ihr Antlitz. Ihre Schritte federleicht, die leichthin bis zu dem Boote wandeln. In Gestalt einer dahin schwebenden Okeanidin anmutend.
    Huldvoll wartet sie Gracchus ab und lässt ihn zurück rudern. Schemen sind die Rosensterne auf dem Wasser. Verschluckt die verwandelten Geister im Wasser. Diamanten funkeln auf schwarzer See. Es sind die leuchtenden Sterne des Firmamentes. Sie spiegeln sich nun auch auf Callistas Augen wieder. Das Boot stößt an das andere Ufer. Beflügelt erreicht Callista das Land. Sanft erzittert das Seegras neben ihren Füßen. Callista wendet sich um.
    "O Geliebter der schönen Kunst, Dir will ich ein Geschenk machen. Ehe Nox mich raubt. Mein Leuchten fern sein wird."
    Callista greift um ihren schlanken Hals. Die goldsilberne Kette öffnet sie. Reicht die Nämliche an Gracchus. Ein Anhänger aus etruskischer Machart ziert das Kettenwerk. Ein strahlend blauer Saphir schwebt in der Mitte.
    "Es ist ein Segment meines Korpus, Edelmütiger. Betrachte ihn und Du erkennst ein Teil von mir."
    Ungewöhnlich ist das Geschenk. Callista nimmt Trophäen. Vergibt hingegen keine. Schnell löst sie ihre Augen von Gracchus. Eilt dem leuchtenden Licht entgegen, das vom Hause stammt. Sanft und scheinend umfängt die strahlende Corona Callista.
    "Da seid ihr ja wieder."
    Ein Kichern löst sich aus der Menge.
    "Wir haben schon das Verruchteste vermutet."-
    "Tun wir das nicht noch immer?" -
    "Still, Fausta."-
    Lachen übertönt die mahnende Stimme der Sorana. Die Lustbarkeit vergnügt.

  • Von Sanftmut begleitet schwangen ihre Worte durch den Abendhauch, strichen zart über seine Seele hinweg, und entlockten ein sublimes Erheben seinen Lippen, geleitet durch den Blick hin zur abendlich schönen Göttin, welche in invariablem, feisten Leuchten dem Zittern der sie umgebenden Lichter ihre Erhabenheit raubte, und doch nicht der schönen Wandlerin auf Erden konnte gereichen zur Similarität. Traumwandlerisch folgte Gracchus der melodischen Symphonie honigfarbener Verzückung, welche gleich einem diaphanen Schleier um Callista sich zitternd im Hauch ihres Wesens zu winden schien, ruderte mit behäbigem Schlage sie zurück in die Wirklichkeit, ließ die Paddel die trübe Düsternis zerteilen, auf dass die belebten Gefilde der Poppaea Sorana aus dem aufgeworfenen Spalt konnten entkommen und sie mit all ihrem nurmehr derangierenden Odeur, ihrem diskontinuierlichen Schall und in all ihrer blendenden Couleur konnten umfassen. Ein Zittern nur im Gefüge, ein letzter klandestiner Augenblick der Harmonie war ihnen vergönnt, ehedem Callista der trauten, ebenmäßigen Irrealität entschwand, Gracchus allein zurück ließ am Ufer. Sehnsüchtig wandte seinen Blick er zurück, wo die unscheinbare Insel bereits durch die Konturenlosigkeit der Nacht wurde verschluckt. Wie ein Traum erschienen ihm die zurückliegenden Stunden, der Feuerschein der Abendgesellschaft voraus gleich den unbarmherzig erweckenden Lichtstrahlen am Morgen.
    "Unwirklich"
    , raunte er in sich hinein, wurde in diesem Augenblicke doch der sanften Kühle in seinen Händen sich gewahr, welche ihn eines besseren belehrte, der Wahrhaftigkeit ihn sich erinnern ließ. Kein Traum, versprach das Kleinod zwischen seinen Fingern ihm, blaufarben wie der undurchdringliche Horizont, schimmernd wie die Ewigkeit der Harmonie, Segment ihres Korpus, Teil ihrer Selbst - schönste, undurchdringliche Callista, schimmernde Muse Kalliope. Mit leichtem Zittern fixierte Gracchus das Geschmeide an seinem Gürtel, dort, wo unter dem Stoff seiner synthesis den Augen der übrigen Gäste es würde verborgen bleiben, denn nichts lag ferner seiner Intention, denn unbegründeten Zweifeln an der Untadeligkeit ihrer Person Vorschub zu leisen. Der dahinschwebenden Nymphe folgte schlussendlich auch er beschwingten Fußes, ließ sich zurück an den Tisch des Mahles nieder, gerade rechtzeitig, um der kecken Fausta zu entgegnen:
    "Nicht halb so verrucht war unser Spiel wie das eurige, obgleich dies bei der Güte des selben auch schwerlich nur zu erreichen sein mag."
    Ein wenig pikiert verzogen sich die Lippen der Fausta, bevor schlussendlich sie ihre schmale Hand preziös durch die Luft schwingen ließ, den Schalk in ihren Augen tragend.
    "Deine Insimulation trifft mich medial in mein unschuldiges Herz, werter Gracchus, doch ich will dir noch einmal verzeihen."
    "Wenn hier etwas absent ist, dann ist es die Unschuld, Fausta."
    "Und eben dies ist auch gut so,"
    schloss Marmilius, dessen Antlitz längst wieder von sorgloser Leichtigkeit war erfüllt, mit einem leichten Zwinkern. Über kleine Köstlichkeiten und süße Weine zur Abrundung des Abends hinweg wandte die Konversation sich unverfänglicheren Thematiken zu, Poesie und Lyrik vergangener Zeiten, dem erhabenen Klang der Stimme des Sängerknaben und der Güte macedonischer Mosaike, bevor die Besucher schlussendlich in tiefer Dunkelheit die Gefilde der horti Poppaei verließen, geleitet von je einem Tross schlagkräftiger Sklaven den Weg in die eigenen Domizile hin antraten, und jene Pfade, welchen an diesem Abend es war vergönnt gewesen, sich für kostbare Augenblicke sternenschimmernd zu verbinden, sich wieder voneinander lösten, allfällig für die Ewigkeit, womöglich auch nicht.


    ~~~ finis ~~~

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