Ein Tag am Meer - oder: Patrizier auf Erholungs(kurz)urlaub


  • Schon zwei Tage zuvor hatte sich an einem in der Nähe von Ostia gelegenen Strandabschnitt so einiges getan. Einige Sklaven, die aus einem kleinen, aber exclusiven Fischereibetrieb von Ostia stammten und dem ein oder anderen Käufer teurer Zuchtfische vielleicht vom Namen her bekannt gewesen wären, hatten ein Zelt in jener ruhigen Bucht aufgebaut, die nun, in der Winterszeit, relativ wenig besucht und benutzt wurde. Nicht zuletzt deswegen war dieser Ort ausgewählt worden, und das Zelt bot nicht nur zwei Ein-Personen-Klinen auf, sondern auch einen Tisch, auf dem sich wohl irgendwann Speisen befinden würden, und, in einem abgetrennten Bereich des Zelts selbst, ein Reisebett mit Kissen und Decken. Der ein oder andere Einwohner Ostias, der auf Spaziergängen vorbeigekommen war, hatte sich sicher gefragt, wofür das Zelt diente, das von der Art her einem Zelt der Legionen für Offiziere nachepfunden war, stabiler Segelstoff bildete die Zeltbahnen und flatterte nicht allzu sehr im Wind, weil das Zelt gut abgespannt war.


    Am Tag zuvor hatte man der Außeneinrichtung des Zelts noch so manches hinzugefügt - Fackelständer wurden um das Zelt herum im Sand eingegraben, ebenso ein kleiner Wassergraben ausgehoben, in welchem frische Blüten lagerten, die dem ganzen Konstrukt wohl einen gewissen Reiz verleihen sollten - und in der Tat wirkte es nach der Beendigung aller Vorbereitungen fast, als sei das Zelt, mitten im Sand stehend, von einem Rund Grün umgeben, von süß duftenden, bunten Blumen umfasst. Und nun, an jenem Tag, der für einen ganz bestimmten Ausflug eines ganz bestimmten Patriziers samt Begleitung ausersehen war, warteten die Sklaven, in einem eigenen, kleinen Zelt etwas abseits untergebracht, darauf, dass ihr Besitzer und sein Gast auftauchen würden - ein Grill für die frische Zubereitung des mitgebrachten Essens war ebenso aufgebaut worden wie andere Speisen gelagert waren.


    Das Wetter versprach einen sonnigen Tag, offensichtlich waren die Götter dem Unterfangen zugeneigt, und so standen die Vorzeichen günstig, dass es für diesen besonderen Tag am Meer alles gab, was man nur benötigen konnte ... lachend und scherzend vertrieben sich die Sklaven die Zeit bis zum Eintreffen ihres Herrn, einer baute sogar ein kleines Sandcastellum neben das Sklavenzelt und ließ sich für seine Kunstfertigkeit bewundern. So manch einer von ihnen mochte sich dabei denken, dass es ruhig öfter geschehen konnte, dass ihr Herr sich zu amüsieren wünschte ...

  • Während Lapsus an Geschwindigkeit gewann - ich hielt ihn noch weitgehend zurück, denn Prisca sollte den Ritt ans Meer schließlich ohne allzu wundes Gesäß überleben und auf Dauer konnte es beileibe nicht bequem sein, quer auf dem breiten Nacken meines Hengstes zu sitzen - atmete ich tief ein. Die Luft außerhalb der ewigen Stadt war frisch und von einem würzigen Duft erfüllt, der mich hoffen ließ, dass wir heute das sich ankündigende gute Wetter behalten würden. Ich war zwar auch auf Regen eingerichtet, aber Sonnenschein war weit angenehmer, man konnte einfach mehr dabei unternehmen. Ein Bad im Meer bei Regen machte einfach deutlich weniger Spaß als bei warmem Wetter.
    Sie schmiegte sich an meinen Körper, als sei sie es so gewöhnt, und ich genoss es, mich für einen Augenblick an den Gedanken klammernd, es könnte immer so sein. Genauer gesagt wusste ich sehr wohl, dass dies eine absolute Ausnahme bilden würde, je höher ich in den Rängen des cursus honorum steigen würde, den wenigsten Ädilen, Prätoren oder Consuln blieb noch allzu viel Zeit für ihr privates Leben nebenher. Aber man konnte schließlich auch die Abendstunden, wenn nicht gerade irgendein Gastmahl wartete, das man der Pflicht wegen besuchen musste, angenehm miteinander verbringen.


    "Es ist doch erstaunlich, wie gut die Luft wird, wenn man Rom verlässt, nicht wahr? Einer meiner Ahnen beschwerte sich nicht umsonst beständig darüber, dass man in der urbs aeterna nicht atmen könne, und an manchen Tagen gebe ich ihm nur allzu gerne Recht," sagte ich, den Kopf zu Prisca wendend, und schmunzelte etwas. Eine frische Meeresbrise war einfach angenehmer als der ewige Gestanksumpf von Rom, auch wenn wir ihn in unseren hochherrschaftlichen Villen selten wirklich vernahmen.
    Die einzige Zeit des Jahres, in denen diese Gerüche auch von der Subura zu den Patriziern empor stiegen, waren zumeist die des Sommers, und solche verbrachte man gern anderswo auf dem Land oder am Meer. Was sie wohl bevorzugte, das Land oder das Meer? Ich hoffte, es sei das Meer, denn es war mir jedenfalls lieber, und nichts war unerfreulicher als ein Streit wegen solcher Grundsatzdinge inmitten einer Ehe. Auch wenn wir längst noch nicht bei dem Ehethema angelegt waren, angesichts ihrer Nähe, ihrer Wärme, die ich überdeutlich spüren konnte, drängte es sich mir immer wieder auf. Vielleicht war man als Mann für derlei Einflüsse deutlich anfälliger, ich konnte es nicht recht sagen. Ich lenkte Lapsus an die Seite der via, die wir gen Ostia benutzten, um den Reisenden auszuweichen, die heute ebenso wie wir unterwegs waren, und stellte fest, dass unsere Gefolgschaft bisher gut mitgehalten hatte.


    "Kennst Du diese Gegend hier bis Ostia schon? Ich weiss leider nur wenig über Dich, und ich hoffe, Du gewährst mir die Freundlichkeit, diese Wissenslücken heute ein wenig aufzufüllen," die Wange kurz an ihre legend, als sei es reiner Zufall und wegen der Bewegungen des Pferdes entstanden, ließ ich Lapsus beschleunigen, mir diesen Moment unerwarteter Intimität somit stehlend. Ja, daran würde ich mich gewöhnen können, nur zu gut gewöhnen. Es war auf eine seltsame Weise anders als mit allen Frauen zuvor, denn alle anderen Erlebnisse waren auf in gegenseitigem Einvernehmen genossenem Vergnügen ausgerichtet gewesen, ohne den Gedanken an eine ernsthafte Bindung - wenn man einmal von Orestillas Lüge absah - und jetzt sollte es ernst werden, so ernst, wie eine Ehe eben sein konnte.
    Was, wenn sie einfach nur gerne spielte? Hinter so mancher tugendsamer Fassade verbarg sich ärgeres, aber irgendwie wollte ich dies auch nicht von ihr glauben, dafür hatte sie sicherlich lange genug in der sicheren Obhut ihrer Familie gelebt. Und ich glaubte auch nicht, dass Corvinus nicht darauf geachtet hätte, dass ihr niemand zu nahe kam, der es nicht sollte. Mich wieder etwas zurücklehnend, blickte ich nach vorn. "Wir scheinen heute Glück mit dem Wetter zu haben!"

  • Sie kam sich vor, als würde sie aus einem Traum erwachen. … habe ich geschlafen? … Prisca blinzelte etwas und erkannte sie mit Freude, dass Ostia schon erreicht hatten. Aber auch ein wenig Wehmut mischte sich mit einem Mal unter ihre Gefühle und das so unerwartet, dass ihre Augen etwas zu glänzen begannen. So nah lag alles beisammen und doch war die eigene Vergangenheit schon in so weite Ferne gerückt. … hier habe ich so viele glückliche Jahre meiner Kindheit verbracht … kurz gab sich Prisca der innigen Erinnerung an ihre Mutter hin und betrachtete still die Umgebung, die sich nach all den Jahren zwar verändert, aber nicht entfremdet hatte. Nur ein paar Herzschläge benötigte sie dazu. Nicht mehr, denn Aquilius sollte davon nichts bemerken, obwohl sie sich augenblicklich umso mehr in seiner Umarmung geborgen fühlte.


    Das Ziel ihrer Reise rückte ohnehin in greifbare Nähe und Aquilius schien das Pferd aus diesem Grunde noch einmal an zu spornen. … was war das? … die zufällige Berührung ihrer Wangen war so flüchtig wie intensiv zugleich und riss Prisca aus ihren Gedanken los. Ein verlegenes Lächeln huschte über ihre Lippen, fing er doch mit seiner Frage indirekt ihre Erinnerungen wieder ein. Prisca atmete tief die würzige und reine Meeresbrise ein und seufzte erleichtert auf als hätte sie seit Jahren auf diesen Moment gewartet, um ihre Erinnerungen mit jemanden zu teilen. "Ja! Die Meeresluft ist wirklich mit nichts zu vergleichen. …",bestätigte Prisca und suchte mit den Augen verträumt den Blick von Aquilius, um ihm von sich zu erzählen.


    "Wusstest du, dass ich hier in der Nähe auf einem Landgut an der via Laurentina, aufgewachsen bin? Die villa gehörte meinem Vater, Aurelius Iustus. Ich habe ihn leider nie selbst kennen gelernt und weiß nur das , was mir Marcus von ihm erzählt hat. … Die villa ist mittlerweile verkauft, nachdem …" Prisca musste kurz schlucken, da der Tod ihrer Mutter ihr immer noch sehr nahe ging. " … vor etwa zwei Jahren auch meine Mutter ins Elysium ging. … Ich war nicht bei ihr als sie starb, denn ich befand mich da schon auf meiner Studienreise nach Griechenland. Und von dort aus fuhr ich dann direkt zu meinem Onkel nach Germanien … und …" Priscas Worte klangen anfangs traurig , doch wollte sie ihrem Begleiter eigentlich nicht die Freude an diesem schönen Tag verderben. Daher fasste sie sich eher kurz und bei dem letzten "und" gab sich Prisca einen Ruck und lächelte Aquilius wieder strahlend an. " … und nun bin ich wieder hier nach all den Jahren und freue mich, einen so schönen Tag mit dir gemeinsam verbringen zu dürfen. Das Wetter könnte wirklich nicht besser sein! ...Hoffentlich ist das Wasser nachher nicht zu kalt für das Bad!"

  • "Das nenne ich einen eigentümlichen Zufall - aber auch einen sehr schönen, denn ich schätze Ostia sehr, ich habe Besitzungen hier," erwiederte ich lächelnd und erfreute mich im Stillen an ihrem Tonfall, der mir so ungekünstelt und natürlich schien, wie es ihn bei einer jungen Patrizierin selten genug zu finden gab. "Wie heisst dieses Gut denn, vielleicht kenne ich es ja - es wäre doch wirklich amüsant, wäre das Grundstück unter jenen gewesen, die man mir seinerseits zum Kauf angeboten hat, und ich hätte es vielleicht gekauft. Wenn Du hier aufgewachsen bist, dann wird Dir der Ort, an den ich Dich zu entführen gedenke, sicherlich bekannt sein, denn auch wenn um diese Jahreszeit nicht mehr viele Menschen dort sind, so ist er doch im Sommer beliebt, viele junge Leute aus der näheren Umgebung gehen dorthin, um sich am Meer und dem Strand zu erfreuen." Und der Name dieses Landguts würde mir vielleicht auch erlauben, es zurückzukaufen - ob es ein angemessenes Hochzeitsgeschenk wäre? Sie klang traurig, als sie davon erzählte, aber ich war mir nicht sicher, ob sich diese Traurigkeit darauf bezog, dass die Erinnerung an ihre Mutter sie betrübte, oder auf den Ort selbst. Für gewönlich hielt man den Ort der Jugend doch als angenehm in Erinnerung, solange diese sorgenfrei verlaufen war.


    "Ah nun, wir werden sehen, ob es zu kalt wird - letztendlich müssen wir schließlich keinen halben Tag im Wasser bleiben, kurz hineinlaufen und erfrischen tut auch schon sehr gut, und vor allem, es ist sehr gesund. Meine Mutter hat mich früher regelmäßig gezwungen, im Meer zu schwimmen, auch im Winter, und geschadet hat es mir nichtm, man wird weniger krank, wenn der Körper auch ein wenig Kühle gewöhnt ist," führte ich den Gedanken fort und blickte unserem gemeinsamen Tag noch ein wenig enthusiastischer entgegen. Zweifelsohne verfügte sie über einen starken Willen, denn aus dem traurigen Klang der Stimme war wieder ein fröhlicher geworden, der Wunsch, sich nicht beirren zu lassen, hatte sie wohl auch dazu gebracht, sich nicht der Trauer zu ergeben. Konnte es wirklich sein, dass ihr Temperament das meine ausgleichen würde? So viele Frauen hatte ich bisher kennengelenernt, bei so vielen gelegen, und doch hatte ich in den seltensten Fällen überhaupt den Gedanken gehegt, man könnte sich wiedersehen. Man könnte mehr aneinander finden als nur ein flüchtiges Vergnügen, denn tiefe Gefühle waren nicht im Spiel gewesen. Und sie, eine noch junge Frau aus einer edlen Familie, sie schien dies alles mit solcher Leichtigkeit zu tun, dass es mir gleichsam bang wurde. Welche Ansprüche würde sie wohl an einen Gemahl haben?


    Lapsus nahm an Tempo auf und die Eskorte an Sklaven fiel ein wenig zurück - Straton war nie ein schneller Reiter gewesen und hasste es regelrecht, mir immer nachjagen zu müssen, aber heute bekümmerte mich das nicht, denn wir kannten alle das Ziel und verloren gehen konnte man auf dem gewählten Weg schlecht. Während wir an den typischen, einheimischen Bäumen vorüberstrichen, gabelte sich die Straße und ich wählte den weniger benutzten Weg, der allerdings heute bereits begangen worden schien, zweifelsohne von meinen Sklaven, die alles vorbereitet hatten. Allzu weit würde es nicht mehr sein und fast bedauerte ich es, dass der Ritt bald sein Ende finden würde, mir gefiel es, sie so nahe zu haben, ihre Wärme so deutlich fühlen zu können.

  • Was war es nur, was sie an dem Flavier so anziehend fand? Immer wieder nutzte Prisca die kurzen Momente, in denen Aquilius seine Aufmerksamkeit der Umgebung widmen musste, um ihn verstohlen an zu blicken. Nur, wie und vor allem zu wem hätte sie dabei einen Vergleich ziehen können? Was wusste sie eigentlich über diesen Mann, seine Charaktereigenschaften und ob er sich ihr gegenüber so offen und ehrlich benahm, wie sie sich selbst geben wollte? … ob er nach Ruhm und Macht strebt, in der Politik? … Die Vorstellung, einen erfolgreichen und einflussreichen Mann an ihrer Seite zu wissen, gefiel Prisca insgeheim und doch war es nicht alles - nicht das - was sie wirklich zu erwarten hoffte… … vielleicht liebt er mehr die Freiheit und das Leben so wie ich? … und genießt es mit mir gemeinsam … jeden Tag aufs neue … so wie jetzt? … Was nützte schon alle Macht und Ruhm der Welt, wenn dafür keine Zeit mehr für das Leben bliebe und man nur noch, durch die Gitterstäbe des selbst gewählten Käfigs hindurch, auf die längst verlorene Freiheit blicken konnte. So nah und unerreichbar, wie … die Liebe und das Vertrauen zu einander?! … War das nicht vielleicht sogar das Wichtigste? …


    Was nützten Prisca all die gut gemeinten Ratschläge ihrer Mutter und ihrer Freundinnen, die eigenen Regeln und die anerzogenen Erwartungshaltungen was nützten sie ... jetzt!?, da sie glaubte dem Mann gegenüber zu stehen, der sovieles von all dem versprach, was sie sich immer erhoffte. … war das möglich? … Er wäre der Erste und das in jeder Hinsicht! … aber bin ich bereit dafür? … Prisca wusste es in dem Moment nicht und erschrak über ihre eigenen Gedanken. Ein unbeschwerter Tag sollte es doch werden ... und ja, das war er auch, viel mehr noch! Aber dennoch wusste sie, welche Bedeutung er vielleicht für sie und auch für den Flavier haben würde. Doch noch hatten sie die Zeit … alle Zeit der Welt …, an diesem einen Tag, um es heraus zu finden. .. Genug gegrübelt, Pirsca! … ermahnte sie sich selbst und besann sich wieder auf die Worte und die Frage von Aquilius, der sie eben wieder anlächelte. Sehnsuchtsvoll mochte ihr Blick schon länger auf ihm geruht haben, doch nun sah sie ihm tief in die Augen. Ein Augenblick nur, dann rief Prisca ihre Gedanken wieder zur Ordnung und sich den Namen des Landgut wieder ins Gedächtnis.


    "Das Gut meines Vaters hieß villa luscinia. Mein Vater hatte sich dort bis zu seinem Tod ganz seinen geliebten Olivenbäumen gewidmet." Zumindest hatte ihr das ihre Mutter immer erzählt. Als Kind war sie dann oft allein durch die Olivenhaine gegangen, in der stillen Hoffnung dort einmal ihrem Vater zu begegnen. ... wie dumm ich doch damals war, so etwas zu glauben. Aber wie mochte es wohl heute dort aussehen, ob sich vieles verändert hat? … Fast hatte Prisca etwas Angst davor die schönen Erinnerungen könnten verblassen, sollte sie je den Ort ihrer Kindheit wieder sehen. "Marcus wollte sich eigentlich um das Gut kümmern aber wenn ich ehrlich bin, habe ich ihn gar nicht mehr danach gefragt. Es wäre wirklich Zufall, wenn du die villa kennen würdest, oder Marcus sie dir am Ende sogar zum Kauf angeboten hat", schmunzelte Prisca, obwohl es durchaus denkbar wäre, kannten sich die beiden doch recht gut. "Zieht es dich eigentlich oft hierher ans Meer? Ich zumindest war schon viel zu lange lange nicht mehr hier. Aber ich spüre nun ganz deutlich, wie sehr ich den Anblick der Weite des Meeres und das Rauschen der Wellen vermisst habe."


    Prisca war dankbar, dass Aquilius das Tempo des Pferdes etwas anzog. Auch wenn das Wasser mit Sicherheit recht kühl sein würde war doch ihre Vorfreude auf das Bad im Meer bereits sehr groß. Ob sie dort auch seinen Nähe und Wärme spüren könnte? Der Ritt und damit die Gelegenheit sich so ungezwungen nahe zu sein war ja nun bald vorüber und so klammerte sie sich noch etwas enger an ihn, um die verbleibende Zeit zumindest aus zu kosten.

  • Im Grunde hätte es so ewig weitergehen können, dieser schnell gewordene Ritt, bei dem die ganze Kraft meines Hengstes deutlich zu spüren war, ich hielt ihn noch immer etwas zurück, denn ich kannte seine Neigung, sich im Galopp zu verausgaben, nur zu gut. Würde ich ihn jetzt laufen lassen, würde er den restlichen Tag in der Ecke stehen wollen und mich mit der Rückseite nicht anschauen - und das war nicht ganz Sinn der Sache. Doch irgendwann würde er ermüden, und spätestens dann würde dieses Vergnügen vorüber sein, Prisca mir nahe zu fühlen, sie mich mal mehr, mal weniger berühren zu wissen, je nach den Bewegungen des Hengstes. Ich fühlte ihren Blick nach einer gewissen Zeit wieder auf mir liegen und erwiederte ihn nur zu gern, dafür hatte sie auch einfach zu schöne Augen. Augen, in denen man durchaus versinken könnte, würde man es zulassen ... ach, was spielten mir die Götter nur für Streiche! Eine so reizvolle Frau in meinem Arm, der mit Leichtigkeit wohl jedes Herz zufliegen würde, wenn sie es denn ließe, und ausgerechnet das meinige konnte ich ihr nicht schenken, wie es für eine Ehe vielleicht das Beste gewesen wäre.


    "Villa luscinia? Das sagt mir leider nichts - aber solche Zufälle gibt es ja auch eigentlich nicht, nicht wahr? Es wäre schon sehr amüsant gewesen, hätte ich den Ort Deiner Jugend gekauft, auch wenn es natürlich ein schöner Umstand gewesen wäre," meinte ich lächelnd und nahm mir vor, mich in den nächsten Tagen nach dem Verbleib dieses Guts umzuhören. "Ja, im Grunde würde ich am liebsten am Meer wohnen. Von der villa meiner Eltern aus konnte man fast von jedem Raum aus das Meer sehen, sie liegt hoch genug auf einem strandnahen Berg Tarracos. Wenn man mit dem Rauschen des Meeres als stetigem Begleiter aufgewachsen ist, dann ist Rom dagegen seltsam still, obwohl es in vielen Dingen viel lauter ist. Wenn ich den Regen auf den Dächern höre, ist es manchmal fast wie früher, aber dennoch, dasselbe wird es nie sein. Als Junge hätte ich mir sicher nie ausgemalt, einmal den Klang des Meeres zu vermissen, aber inzwischen ist es so. Hätte ich die Zeit und auch die Möglichkeit, am Meer zu wohnen, würde ich es tun - so muss es eben bei Ausflügen bleiben, die für wenige Stunden dieses Bedürfnis zu befriedigen wissen und hoffentlich durch angenehme Erinnerungen lange wach halten. Kennst Du diese besonderen Muscheln, die das Meeresrauschen in sich tragen, wenn man sie ans Ohr hält? Wir sollten versuchen, welche zu finden, dann musst Du es niemals wieder vermissen."


    Die Sklaven hinter uns waren noch ein Stückchen weiter zurückgefallen, aber spätestens als wir an einer vom Blitz gespaltenen Eiche vorüber kamen, erkannte ich die Umgebung wieder und konnte mich selbst orientieren, ohne einer Weisungshilfe zu bedürfen. Lapsus' Eifer mit den Zügeln bremsend, lenkte ich ihn nun über den Ausläufer des Weges in Richtung einer mit stoppelig wirkendem Gras bewachsenen Düne, und als wir jene erklommen hatten, sahen wir endlich die Weite des Meers im Glanz eines gerade jung geborenen Tages. Das Wasser glitzerte vielgestaltig unter der Farbenpracht des Himmels, und auch wenn es noch kühl war, ein frischer Wind von der See her über den Strand fegte, war mir dies alles doch weitaus vertrauter als jeder diesige Tagesbeginn in Rom selbst. Die Vollkommenheit dieses Naturschauspiels ließ mich einige Male tief ausatmen, und jetzt fühlte ich mich endlich wieder in vertrautem Terrain. Es roch, wie ich es gewöhnt war, und fast glaubte ich am Strand einige hereingezogene Fischerboote zu erkennen, die nur darauf warteten, dass ich mit hinausfahren würde ...


    "Wir sind da," sagte ich überflüssigerweise und ließ Lapsus vorangehen, die Düne hinab gleiten, bis wir das eigens für diesen Tag vorbereitete Zelt erreicht hatten, vor dem in einer Bronzeschale bereits ein Feuer blakte, an dem wir uns wärmen könnten. "Salve dominus!" rief uns einer der Sklaven zu, ein klein gewachsener Gallier, und trat herbei, die Zügel entgegen nehmend, als ich von Lapsus Rücken glitt und dann Prisca die Hand bot, damit sie ebenfalls herab rutschen konnte. "Möchtest Du zuerst baden oder zuerst essen, Aurelia Prisca? Mir selbst ist es gleich, ich kann mich da gerne nach Deinen Vorlieben richten - aber ich will dich schließlich auch nicht mit knurrendem Magen in das eisige Wasser jagen," führte ich leicht grinsend aus und hoffte insgeheim, sie würde mir in die Arme rutschen beim Absteigen.

  • Auf dem bockigen Canus war Severus mit dem Zug geritten. Es war das zweite Mal, dass er nach Ostia, damit auch das zweite Mal, dass er überhaupt an Meer kam, und diese Landpartie hier erinnerte ihn wirklich sehr an die erste. Nur das sein Herr damals einen männlichen Aurelier auf sein Pferd geladen hatte.
    Mir scheint, Aquilius hat zum ersten Mal eine ebenbürtige Gegnerin im Süßholzraspeln erwischt, dachte der Germane spöttisch. Ihm war ausserdem zu Ohren gekommen, dass die Römer (so lasterhaft sie sonst auch waren) es gar nicht schätzen, ihre Frauen hoch zu Ross zu sehen, und so erstaunte es ihn gewaltig, wie unbefangen die Aurelia vor aller Augen und in Aquilius Armen durch die Gegend ritt. Der Flavier musste dem Mädchen das süsse Köpfchen so vollkommen verdreht haben, dass sie weder die Kompromitierung noch einen wunden Hintern scheute, dachte der Germane, und konnte seinem Herrn in dieser Hinsicht seine Anerkennung nicht verwehren. Geschickt. Wenn er sie jetzt noch zügig verführt, spart er sich sogar den Brautpreis...
    Von Zeit zu Zeit liess Severus sich zurückfallen, um nach Verfolgern Ausschau zu halten, Aureliern, die den Brautraub verhindern wollten. Es waren aber keine in Sicht, und ungehindert erreichte der Tross nach langem Ritt die lauschige Bucht. Beim Anblick der Blumen-Umrahmung des Zeltes verzerrten Severus' Lippen sich zu einem schmierigen Grinsen. Er hatte also Recht gehabt. Das reinste Liebesnest.


    Er trieb den Grauen eine Düne hinauf, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die Luft schmeckte kühl und salzig, die Möwen kreischten, und der Anblick des weiten, wogenden Meeres sprach von Freiheit, weckte den Wunsch fortzuziehen und niemals wieder zu kommen. Ein wehes Sehnen erhob sich in ihm. Er wollte fort! Verbittert presste er die Lippen zusammen, und sein Blick lag voll Düsternis auf dem fernen Horizont. Er war gefangen. Er würde allsbald wieder in die muffigen Abgründe der flavischen Sklavenunterkunft zurückkehren, hinter dicken Mauern seinen Feinden dienen müssen.
    Mit ausdrucksloser Miene ritt er zurück und schwang sich vom Pferd. Ein Seil wurde zwischen zwei knorrigen Strandbäumen gespannt, die Pferde daran festgebunden und versorgt. Severus wandte sich an den Rest der grosszügigen flavischen Eskorte, die für die Sicherheit der beiden Patrizier sorgen sollte, und bestimmte:
    "Wir verteilen uns drumrum, Diomedes Du postierst dich dort drüben am Wasser, ich auf der anderen Seite, Tekros auf der Dühne dort hinten, und ihr dazwischen. Keiner soll hier hereinspazieren und stören."
    Diomedes schnaubte zwar unwillig, aber er gehorchte, ebenso die anderen, und so verteilte Severus sie als Posten in diskretem Abstand von den beiden Turteltauben, um diesen Abschnitt des Strandes zu besetzen und vor anderen abzuschirmen.


    Steifbeinig von den Stunden im Sattel stapfte er dann selbst über den Sand, ein Stück am Wasser entlang, bis der Rücken einer Düne, scharfgeschnitten im hellen Sonnenlicht, zwischen ihm und der Landpartiegesellschaft war. Der Strand vor ihm war menschenleer. Niemand zum verscheuchen. Er setzte sich in den Sand, an den flachen Hang jener Düne, streckte die Beine aus und sah melancholisch auf das Meer hinaus. Wellen türmten sich auf, brachen auf das Ufer und kippten über, gischtgekrönt, als wären sie Pferde mit wehenden Mähnen, zerflossen, den Sand beleckend zu weissem Schaum und zogen sich wieder zurück, verschmolzen erneut mit dem Meer. Immer wieder und wieder... Severus fasste eine Handvoll Sand, fein und körnig, und liess ihn langsam durch die Finger rinnen.

  • "Ja, Zufälle gibt es zumeist nicht…", bemerkte Prisca nur beiläufig auf die Tatsache hin, dass das Gut ihres Vaters dem Flavier wohl nicht bekannt war. Vielmehr dachte sie gerade daran, wie Aquilius ihr schon einmal von Hispania erzählt hatte. Zwar nur kurz auf der meditrinalia, aber jetzt bei seinen Worten überlegte Prisca ernsthaft, wie schön es dort sein musste und ob sie jemals die Gelegenheit haben würde, dieses Land bereisen zu können. Seltsam eigentlich, denn seit ihrer Reise nach Germanien hatte sie nie mehr solch ein Fernweh verspürt. Doch Hispania war mit Sicherheit wunderschön im Vergleich zu diesem unwirtlichen Barbarenland. Überhaupt, ... gab es nicht soviele schöne Orte auf dieser Welt? … und so viel Schöneres zu erleben? ...


    "So wie du es beschreibst, muss es sehr schön sein dort, wo du aufgewachsen bist. Hispania?! … ich könnte mir gut vorstellen dort zu leben. Das Meer hat mich schon immer fasziniert … wie schön wäre es doch, jeden Tag aufs Neue an der Weite und Unendlichkeit des Meeres begrüßen zu dürfen? … Manchmal frage ich mich, warum wir uns eigentlich diese Zwänge auferlegen und dort leben, wo wir uns eigentlich nicht wohl fühlen. So wie mit allem, was uns wünschen und ersehnen und doch nicht erfüllen. Was hindert dich, mich … uns eigentlich daran nicht einfach das zu tun, wonach uns der Sinn steht? … so wie heute, ganz ungezwungen? …


    Prisca gab sich ganz ihren Gedanken hin und als sie bemerkte, was sie da zusammen redete blickte sie den Flavier entschuldigend an, nur um diesen Wunsch, der sie gefangen hielt aufs Neue kund zu tun. Warum? Das wusste sie mittlerweile wohl selber nicht mehr. "Ja, lass uns diese Muscheln suchen, die einst Aphrodite schuf, um ihren Liebsten stets bei sich zu tragen …" Ein neuerliche Lächeln, berauscht von den Gefühlen, welche Prisca in sich verspürte. … was ist nur los mit mir? … Das Neue, Unbekannte, und Verlockende hielt sie gefangen und mahnte doch zur Mäßigung.


    Und diese währte nicht lange, waren doch die Eindrücke bei ihrer Ankunft einfach zu überwältigend. … wir sind da! … , wiederholte Prisca still für sich und konnte sich nicht entscheiden, ob es das Meer oder die wunderschön gestaltete Oase es war, die ihre ganze Faszination auf sich zog. Beeindruckt verfolgte Prisca wie sie den Ort betraten, der von nun an und für heute ihr gemeinsames Ziel darstellen sollte. Dass Aquilius vom Pferd stieg, nahm sie gar nicht wahr und erst als er sie zum absteigen aufforderte, richtete sie ihren Blick wieder bewusst auf ihn. … baden oder essen …essen oder baden …alea jacta est … "Wir gehen zuerst baden!", entschied Prisca mit einem Lächeln, denn nach dem Essen würde sie wohl eher müßig denn spontan entscheiden.



    Und ebenso spontan rutschte sie von dem Pferd hinunter in seine Arme. Genauer gesagt spürte sie eher seine Hände, die sie sicher auffingen und hielten. Doch wo lagen seine Hände genau? Prisca hing noch halb in der Luft und ihre Zehenspitzen konnten den Boden nur erahnen. Ihr Gesicht so dicht vor dem seinen, hätte nur einen kleiner Ruck genügt, um seine Nasenspitze zu küssen. Doch Prisca hielt still und wartete darauf, dass er sie ganz herunter lies. Kein unangenehmes Gefühl, so gehalten zu werden. "Willst du mich vielleicht zum Wasser tragen?", fragte Prisca verzagt und suchte mit ihren Augen seine Gedanken zu ergründen. ...

  • Viel gab es nicht mehr vorzubereiten, und nachdem sein Herr mitsamt der jungen Aurelierin das Zelt erreicht hatte, lenkte auch Straton sein Pferd in die Nähe der patrizischen Teilzeitunterkunft, um dort abzusitzen und das Tier etwas abseits neben einigen anderen Pferden anzubinden, mit denen die anderen Sklaven gekommen waren. Der Grieche betrat das Zelt und vergewisserte sich, dass alles so vorbereitet war, wie er es angeordnet hatte - mit einer gewissen Genugtuung registrierte er, dass dies tatsächlich geschehen war, man schien ihn also durchaus auch als vilicus seines Herrn ernst zu nehmen, was er angesichts der doch allzu leicht erscheinenden Weichheit des Aquilius im Umgang mit Sklaven nicht unbedingt erwartet hatte. In diesem Punkt war sein Herr unverbesserlich, und schlug eher seiner Mutter als seinem Vater nach, ein Umstand, den der Grieche inzwischen zu bedauern gelernt hatte. Es machte die Verwaltung des Haushalts nicht unbedingt leichter, wenn man genau wusste, dass jederzeit der Sklave, den man eben bestraft hatte, die große Wein- und Jammernummer beim Herrn beginnen konnte und damit eventuell sogar durchkam.


    Er schüttelte die Kissen der beiden Klinen noch einmal auf, um ihnen ein etwas frischeres Aussehen zu verleihen, dann war Straton mit dem Aussehen des kleinen Raumes, dessen bunte Wände im Seewind flatterten, durchaus zufrieden. So viel Aufwand für eine Frau, dachte der Grieche und schüttelte den Kopf. Schätzungsweise war es seinem Herrn ernst mit der dunkelhaarigen Aurelierin, sonst hätte er sich wohl kaum dazu hinreißen lassen, sie in seinen Armen hierher zu bringen, auf einem Pferd! Was in Hispania mit ziemlicher Sicherheit einen Skandal verursacht hätte, war in Rom wohl nicht einmal müdes Gerede wert, und im Grunde war es ihm auch egal. Straton hoffte vielmehr, dass die Erwählte als Ehefrau seines Herrn nicht zu unerträglich sein würde, Patrizierinnen waren zumeist ja doch reichlich überkandidelt, verwöhnt und zickig. Die besten Erfahrungen hatte er jedenfalls mit patrizischen Frauen noch nicht gemacht, und die einzige Ausnahme ... nun ... das war Vergangenheit. Er seufzte leise und schritt aus dem Zelt wieder hinaus, sich vergewissernd, dass auch die Wächter an ihrem Ort waren.


    Severus hatte sich darum gekümmert, und die Aufteilung machte strategisch gesehen den meisten Sinn. Der Germane schien wirklich ein Talent dafür zu besitzen ... nachdem es im Augenblick nicht danach aussah, als würde er dringend gebraucht, schritt er gemessen über den weichen Sand in Richtung des Germanen und räusperte sich schräg hinter ihm. "Hast Du einen Augenblick Zeit für ein Gespräch, Severus? Es gibt da etwas, das ich gerne mit Dir besprechen würde."

  • Wie konnte sie nur mit so einer Leichtigkeit Dinge aussprechen, über die ich mir lange schon Gedanken gemacht hatte? Die wenigsten jungen Frauen schienen in ihrem Leben Platz für mehr als Kleidung, den Tratsch mit ihren Freundinnen und das verstohlene Betrachten verschiedenster Männer zu haben, und jetzt überrascht feststellen zu müssen, dass es auch anders ging, ließ mir kurz den Atem stocken. Es war einfach überwältigend, anders konnte ich das nicht ausdrücken. Als hätte sie die Gedanken einer stillen, schweren Nacht gelesen und würde sie jetzt einfach in den Raum werfen, um herauszufinden, wie ich war.
    "Hispania hat viele Vorteile, und ich überlege immer wieder einmal, dorthin zurückzukehren, wenn all die Dinge erreicht sind, die ich erreichen möchte - aber der große Nachteil ist, dass das kulturelle Leben weit weniger umfangreich ist wie in den meisten anderen Provinzen. Letztendlich gibt es zwar auch die Feiertage und Tempelfeste, aber was Spiele angeht, Wagenrennen und Theater, ist Hispania noch etwas verschlafen und still. Man kann leider nicht alles auf einmal haben, die Ruhe bezahlt man mit dem notwendigen Verzicht auf gewisse Formen der Zerstreuung."


    Die anderen Worte ließ ich einfach im Raum stehen - vorerst, denn es war mir im Augenblick wichtiger, ihr vom Pferd zu helfen, und es sprach sich doch besser miteinander, wenn man auf Augenhöhe war. Als sie mir entgegen glitt, ich sie unversehens abermals nahe meines Leibes fühlte, musste ich lächeln, und setzte sie dann behutsam auf dem Sand ab, der mir bereits zwischen den Zehen klebte - Sandalen waren nicht die beste Idee für einen Strandausflug, eindeutig. "Zuerst also baden, wie die domina wünscht," scherzte ich und schüttelte dann den Kopf. "Auch wenn ich es gern tun würde, so scheint es mir doch sinniger, Dir die Gelegenheit zu geben, Dich zum schwimmen umzukleiden - denn Seide leidet im Meerwasser ziemlich. Im Zelt habe ich Dir eine tunica zum Schwimmen bereitlegen lassen, wenn Du diese tragen möchtest." Auch wenn es sicherlich ein hinreißender Anblick gewesen wäre, ihren Körper aufs Genaueste durch das Wasser und den dünnen Stoff modelliert zu sehen, ich hatte mir wenigstens für heute vorgenommen, so weit wie es eben nur ging ihr nicht zu nahe zu kommen. Ein Kuss, vielleicht. Händchenhalten, vielleicht - oder Umarmungen. Aber mehr durfte einfach nicht sein. Nicht zuletzt, weil es etwas anderes sein und werden sollte als ein flüchtiges Vergnügen.


    So bot ich ihr einfach nur den Arm, um sie dann zum Zelt zu führen, das dank meiner umsichtigen Sklaven bereits innen geheizt war, immerhin konnte man die Tagestemperaturen derzeit nicht genau absehen und musste mit kühlem Wetter rechnen, während man auf Sonnenschein hoffte. "Was Du eben meintest - dass es schön wäre, jeden Tag tun zu können, wonach einem ist, dass es nichts gibt, das uns daran hindert zu tun, was wir möchten - es ist ein Gedanke an Freiheit, der darin liegt, denke ich. Der Wunsch danach, vollkommen unbestimmt zu sein und zu handeln, doch liegt darin auch etwas sehr Verführerisches: Ohne eine Pflicht wird die Freiheit irgendwann schal, und ohne eine Aufgabe, der man sein Leben widmet, erkennt man den süßen Geschmack der Stunden nicht, die einem geschenkt werden, ohne dass man sich der Pflicht annehmen müsste.Ich hatte die Chance, einige Jahre nach eigenem Gutdünken zu leben, und so schön diese Zeit auch gewesen ist, sie war ausgesprochen ziellos und auf Dauer macht das keinen Menschen zufrieden. Gibt es nichts, wonach Du strebst? Das Dir ein Ziel wäre im Leben, wenn man davon absieht, was die Welt sich als Zielsetzung für eine Patrizierin vorstellt?" Wir hatten das Zelt erreicht und ich hielt ihr die Zeltklappe hoch, sodass sie in das Innere blicken konnte, die beiden Klinen sehen, und die verspielte Inneneinrichtung - und auch ein guter Schwall Wärme kam uns entgegen.

  • Endlich erreichten Tilla und ich die Reisegruppe. Obwohl wir nicht getrödelt hatten, verspäteten wir uns nun doch ein wenig. Die Schuld lag wohl bei mir, da mich ein nur allzu natürliches Bedürfnis geplagt hatte. Ob uns schon jemand vermisst hatte? …Ob man uns gar bemerkt hat? …. Weiß überhaupt jemand, dass wir auch mit von der Partie sind? - Ich zweifelte ein bisschen daran, gerade als ich und Tilla über die Sanddünen hinweg auf das Meer zu ritten und wir zum ersten Mal das Wasser sehen konnten. Wie das wohl auf Tilla wirken mochte? Ich zumindest war begeistert, aber mehr noch beeindruckte mich momentan das, was die Flavier dort aufgebaut hatten! "Beim Zeus …" Leise pfiff ich durch die Zähne. Entweder war ein derart überschwenglicher Luxus bei den Patriziern normal, oder aber hier wollte jemand einen besonders guten Eindruck hinter lassen.


    Mein Blick schweifte umher und fiel sogleich auf eine Gruppe Männer, die sich direkt vor uns befand. Einige unterhielten sich, andere schienen den Strand zu beobachten. Waren das die flavischen Leibwächter? Wir würden es sicher gleich wissen. Noch ein gutes Stück weiter voraus machte ich dann endlich meine Herrin aus. Sie saß noch auf dem Pferd, aber wie es aussah wollte sie gerade absteigen. … Direkt in die Arme des Flaviers! … "hmmmm…", brummte ich nur und machte mir so meine Gedanken über eine mögliche Hochzeit der beiden, obwohl es mich absolut nichts anging.


    Ein paar Meter weiter stoppte ich schließlich Ikarus, schwang das rechte Bein über den Hals meines Pferdes hinweg und ließ mich elegant an seiner Seite herunter rutschen. Sicher landete ich mit beiden Füssen in dem weichen Sand des Strandes und warf einen skeptischen Blick hinüber zu den flavischen Sklaven, die den gerade Strandabschnitt absicherten. Tilla und ich waren ja sozusagen die kleine Eskorte der Aurelia, also würden sie uns doch sicher durch lassen, oder? "hmm…", brummte ich wieder, aber zuerst einmal umrundete ich Luna, blieb neben dem Pferd stehen und blinzelte zu der kleinen Sklavin hoch. "So, da wären wir, wie ich es versprochen habe. Wir sind am Meer! Gefällt es dir hier? …", fragte ich galant und zwinkerte ihr zu. "Wenn ich der Dame dann mal beim absteigen behilflich sein darf? " Mein Angebot unterstreichend hob ich beide Arme hoch und hoffte, dass sie es auch annehmen würde.

  • Den Rest das Weges wurde nicht mehr gesprochen bzw. gebärdet. Ob Hektor mit seinem Schweigen ihre Spannung erhöhen wollte? Tilla wusste es nicht und bemühte sich ruhig zu bleiben. Das gelang ihr auch ganuz gut, weil es auf dem Weg immer noch etwas zu sehen gab, worauf sie ihre Aufmerksamkeit lenken konnte. Es dauerte noch eine ganze Weile bis sie das Ziel erreichten. Schon allein der weiche Untergrund, dieser viele Sand war seltsam. Warum ritten die denn diese Düne hinauf? Sie hielt sich an Lunas Mähne fest. Prompt riss Tilla beim Anblick des Meeres die Augen auf. Oh... hauchte sie stumm, vollkommen beeindruckt über die unerwartete Überraschung. Sie kniff die Augen zusammen, versuchte den Horizont zu erkennen, gab es aber bald auf. Dieser Meeres-Rand war viel zu weit weg. Jetzt fiel ihr Blick auf die Zelte. Ah... hauchte Tilla frohlockend. Das musste wohl das Ziel sein! Noch ein wenig weiter weg entdeckte sie ihre Herrin, die nun alleine auf dem Pferd saß, der Unbekannte direkt vor ihr stehend.


    Luna schritt weiter. Tilla merkte es nicht, soviel gab es zu sehen und sah Hektor an, der mit seiner Stimme sie aus den interessanten Beobachtungen heraus riss. Der nette Mann stand jetzt vor ihr. Hatte er eben nicht noch auf Ikarus Rücken gesessen? Oh.. und ob es ihr gefiel! Tilla blinzelte und 'sprudelte' los. Oh, das ist alles so klasse. Dieser weite Blick. Die blaue Farbe des Meeres. Das liebe Pferd, dass ich reite. Warum ist der Boden weiß? Und warum weisse Vögel? Ob sie runter wollte? Sie dachte an Prisca, die wohl gerade auch so 'abstieg'. Wieder nannte Hektor sie eine Dame. Tillas Augen funkelten amüsiert auf, sie grinste verschmitzt. Du bist echt nett. Sie unterbrach sogar abrupt ihren Gebärdenschwall, schwang des Bein über Lunas Mähne und rutschte in Hektors Arme hinein. Anstatt auf einen ebenen Boden trafen ihre Füße erstmals auf den unebenen weißen Sand. Auf jeden Fall ein völlig neuer Untergrund für Tillas Füße. Sie suchte Halt bei Hektors Hand, hielt sich daran fest. Mit der anderen Hand hielt sie Lunas Führstrick. Huh... hauchte sie, schüttelte Sand aus ihren Sandalen, entdeckte rosarote Muscheln. Guck mal...

  • Kurz nur nahm sie seine wärmenden Hände wahr, dann entließ er sie auch schon wieder und ihre Füße setzten auf den weichen und kühlen Sand auf. Es war angenehm einmal nicht die harten Pflaster Rom´s oder die Marmorböden der villa unter sich zu spüren und so zog Prisca rasch die Sandalen aus, um mit ihren Zehenspitzen in den feinen Sand ein zu tauchen. Ein wohliger Seufzer der Erleichterung war zu hören, da sie nun ihr Ziel erreicht hatten. Ein Ziel von vielen, die es heute und in Zukunft wohl noch geben würde. "Hispania wäre mir eine Reise wert, auch wenn ich dazu meine Familie und Rom erneut verlassen müsste. Znd das obwohl ich mir nach meiner Heimkehr aus Germanien eigentlich geschworen hatte, Rom nie mehr zu verlassen. Doch wenn es dort wirklich so schön ist, wie mich deine Worte glauben lassen … so verschlafen und verträumt … warum nicht? Eine Zeit lang wäre es sicher angenehm die Ruhe und Abgeschiedenheit genießen zu können. "


    … aber können wir das nicht genau so gut hier? … , stellte sich Prisca dann selbst die Frage, als ihr nach Minuten des Staunens bewusst wurde, welch eine entzückende Oase hier vor ihnen lag. Fast erkannte sie den Strand nicht wieder, den sie aus ihrer Kindheit her in Erinnerung hatte. … wie lange ist das jetzt her, seit ich mit meiner Mutter und … mit Leonita … hier war … wir hier zusammen gebadet, gegessen, gescherzt und gelacht. Haben. Wie viel hat sich seitdem verändert? … Langsam drehte sich Prisca einmal um sich selbst und nahm die ganzen Eindrücke mit einem verklärten Blick in sich auf. Das Zelt, das ihnen später Schutz bieten sollte wenn es draußen zu kalt wäre, wirkte wie eine kleine Villa. Umgeben von einem Wassergraben mit Blüten darin und erleuchtet von den vielen Fackeln bot es ein so fremdes und bezauberndes Bild, dass Prisca sich kaum davon los reißen konnte.


    Erst die Bemerkung von ihrem Begleiter bezüglich des Bades, ließen sie schmunzeln und etwas überrascht, aber auch amüsiert zu Aquilius blicken. … hatte er wirklich angenommen, ich würde mich mit meinem seidenen Gewand einfach in die Fluten stürzen? … Die Vorstellung hatte sicher ihren Reiz genauso wie die, von ihm gehalten zu werden, umsorgt und vielleicht sogar …. … geliebt? … . Prisca mahnte sich selbst zu der Zurückhaltung, welche ihr von Kindheit an anerzogen … aufgezwungen … wurde. Mit allem was ihre Gefühle, Eindrücke und Hoffnungen betraf sollte sie stets vorsichtig sein. . "Das ist wirklich sehr aufmerksam von dir!", bedankte sie sich für die Badesachen mit einem Lächeln und bezweifelte kurz, dass ihre Sklaven an so etwas gedacht hätten. … sind heute überhaupt welche von unseren Sklaven hier? … wo sind überhaupt Hektor und Tilla? ... Zumindest die beiden hätte sie unter den vielen bedeutungslosen Gesichtern der Sklaven hier erkannt.


    Doch weiter kümmerte sich Prisca nicht um den Verbleib ihrer Sklaven, denn wie sie eben mit einem Blick in das Innere des Zeltes feststellen musste, war wirklich für alles gesorgt. Angenehme Wärme schlug ihr entgegen und die Klinen luden augenblicklich zum Verweilen ein. Doch zuerst das Bad! Prisca wollte schon hinein gehen, da hielten die Worte des Flaviers sie noch einmal zurück. Wieder waren es die Ziele und Wünsche, die er damit ansprach und um die so oft ihre Gedanken kreisten. … welche Wahl habe ich denn? … was können und dürfen meine Ziele und Wünsche als Patrizierin schon sein?. … Wollte er gar wissen, was er von seiner künftigen Frau zu erwarten hätte?


    " … Freiheit und Pflicht … Beides hat seinen Reiz und verliert im Überfluss zu schnell seinen Reiz. Aus Freiheit kann irgendwann Faulheit werden und aus der Pflicht erwächst vielleicht einmal die Erkenntnis, ein Leben lang nur falschen Zielen hinterher gejagt zu sein.", teilte Prisca etwas nachdenklich wirkend ihre Gedanken dazu mit. … was wohl seine Ziele wären? … gemeinsame Ziele vielleicht? ... Aber er fragte nach den ihren und Prisca musste nicht lange darüber nachdenken. "Ein Ziel in meinem Leben? … wäre es glücklich zu sein und das nicht alleine …" Mit diesen beschwingt klingenden Worten machte Prisca einen Schritt in das Zelt hinein und drehte sich dann noch einmal um.


    "Aber dies ist genauso gut nur ein Wunsch, der in Erfüllung gehen mag oder auch nicht. Was meine konkreten Ziele betrifft, so ist es mit denen doch eher so, wie du selbst sagst. … Was hat sich die Welt als Zielsetzung für eine Patrizierin wie mich vorstellt? … " … gut aussehen? … fürsorgende Ehefrau und Mutter vieler Kinder zu sein? … und hat nicht jede Art von Arbeit etwas anrüchiges aufgrund meines Standes? … Das wäre wohl eine eher scherzhafte Antwort auf eine ernste Frage gewesen. … hätte ich nicht einfach fragen sollen, was er von seiner künftigen Frau erwartete? … Prisca vermied es diese Frage so früh zu stellen und ihre Worte verloren nur wenig von ihrer anfänglichen Unbeschwertheit. " … ich habe durch meine Familie den Glauben an die Götter neu entdeckt. Unseren Götter zu dienen wäre eine Aufgabe, die mich erfüllen würde. … … oder wüsstest du ein Ziel für mich? … versuchten ihre Augen ihn zu fragen und einen Moment lang sah sie ihn so an. " … Ich denke ich werde mich jetzt umziehen, sonst wird aus unserem Bad heute nichts mehr ..", grinste Prisca schließlich und mit einem Zwinkern verschwand sie auch schon vor seinen Augen im Zelt, von wo aus sie seine Stimme genauso gut hören könnte.

  • Während sich Prisca begutachtete, was ich hatte vorbereiten lassen, betrachtete ich sie, in der Hoffnung, ihr würde mein Blick nicht auffallen. Die lebendig funkelnden Augen gefielen mir vielleicht noch am Besten an ihr, spiegelten sie doch so viel Lebensfreude und warme Lebendigkeit, dass ich sie am liebsten gleich gefragt hätte, ob sie meine Frau werden wollte. Es war im Grunde idiotisch, sich auf einen einzigen Eindruck zu verlassen, auf so wenige gesprochene Worte, mehr auf eine Sehnsucht nach einem Menschen hin, der mein Leben teilen würde, die Sorgen wie auch die schönen Tage - wenn es mir schon in der Liebe nicht vergönnt sein würde, dies zu teilen, dann doch wenigstens auf diese Weise, es sich gut gehen zu lassen, gemeinsam Schwierigkeiten durchzustehen, und gemeinsam lachen zu können. War es ein zu überzogener Anspruch, eine zu hoch gegriffene Hoffnung? Oder etwas, das sich vielleicht doch erfüllen konnte? Ihre Worte ließen diese Hoffnung nicht nur keimen, sondern zur vollen Blüte erwachsen. Glücklich zu sein, und das nicht alleine. Ihr Götter, es war das perfekte Stichwort, und doch reagierte ich nicht, ich konnte es noch nicht. Tausendmal hatte ich mir überlegt, wie ich so etwas formulieren sollte, und jetzt, da eine Gelegenheit gewesen wäre, brachte ich kein Wort heraus. Zumindest keines, das wirklich konkret gewesen wäre.


    "Man sollte sich seine Pflichten immer sorgfältig wählen, genauso wie seine Feinde - wenn man es mit beidem übertreibt, hat man nicht allzu viel Vergnügen im Leben, und ich habe noch nicht vor, das Leben eines verbitterten alten Mannes zu führen, der sich nach vielen Jahren harter Arbeit fragt, warum er sich so sehr angestrengt hat und was ihm danach bleibt, wenn die letzten Aufgaben vollendet sind. Sicher, uns Patriziern sind besondere Pflichten und Erwartungen auferlegt, und bisweilen wiegen sie ausgesprochen schwer," führte ich ihre Worte fort, um dann etwas zu lächeln.
    "Aber der Wunsch, glücklich zu sein und dieses Glück teilen zu können, ist nur zu verständlich, wer hätte ihn nicht? Wir Menschen sind nicht dazu gemacht, auf ewig allein zu bleiben und vor sich hin zu vegetieren." Dass sie den Glauben an die Götter ansprach, ihn überhaupt als Ziel in Erwägung zog, ließ mich zustimmend den Kopf neigen - letztendlich war dies auch für mich ein Weg aus dem Zustand der Richtungslosigkeit gewesen, und alles andere hatte sich nach und nach dann ergeben, entwickelt. Es war immer ein Halt gewesen, zu Mars zurückkehren zu können, egal, wie es mir ergangen war, was ich getan hatte. In Seinem Tempel war ich immer willkommen gewesen, auch als trinkender und hurender Nichtsnutz, der das Erbe seines Vaters in Rekordzeit verprasst hatte.


    "Ich werde Deine Rückkehr sehnsüchtig erwarten," sagte ich schließlich mit einem gespielt übertriebenen Augenaufschlag, hielt ihr die Zeltklappe auf und ließ sie hinter ihr herabfallen, um dann selbst meinen Gürtel zu lösen und die tunica abzustreifen. Dann legte ich auch meine Sandalen ab und ließ die Zehen sich in den weichen Sand graben. Es war ein herrliches efühl, nach Leben, nach Freiheit, nach etwas, das mir seit frühester Kindheit vertraut war, und ich störte mich auch nicht an dem kühlen Wind von See her, der mich frösteln ließ. Still blickte ich in den Himmel, dessen Farbenpracht mich wieder einmal zu der Überlegung führte, wie klein wir Menschen im Grunde doch waren. Die Macht und Vollkommenheit der Götter erwies sich vor allem in einem solchen Schauspiel, das wir uns vollkommen kostenlos betrachten durften, ohne uns auch nur anstrengen zu müssen - Aurora brachte diesen Tag zum Erglänzen, ließ ihr heiteres Antlitz über die Welt wachen, und mich ergriff eine stille, tiefe Freude, die ich morgens selten genug spürte. Aurora, deren Abbild ich ebenso einer besonderen Frau geschenkt hatte, die diesen Glanz in ihren Augen trug. Der Gedanke, sie hinter den dünnen Zeltwänden nackt vorfinden zu können, ließ mir das Blut heftiger in den Adern zirkulieren, und ich war um den kühlen Wind froh, der mir jegliche Gedanken dieser Art schnell verleidete.


    Das Meer würde schätzungsweise eisig kalt sein, und allzu lange würden wir wohl nicht darin verweilen - aber umso angenehmer würde es im Zelt sein, soviel war sicher.
    "Ich denke, es ist wichtiger, sich selbst ein Ziel zu wählen, dem man im tiefsten Inneren folgen kann, als jenen Zielen nachzueifern, die andere für einen treffen, ob man nun ein Mann oder eine Frau ist, ob Plebejer oder Patrizier," formulierte ich meine Gedanken etwas lauter, dass sie diese innen auch hören konnte. "Vor wenigen Jahren noch hatte ich gar kein Ziel ausser meine Tage zu genießen, inzwischen sehe ich vieles anders. Man verändert sich im Leben, und auch seine eigenen Ziele. ie unfrei wäre man doch als Mensch, würde man wohl immer versuchen, es genau so zu machen, wie es die anderen erwarten. Man hätte kaum eine Aussicht auf Glück, und wenn, wäre es wohl ein sehr schales Echo dessen, was man wirklich erreichen kann." Eine Pause trat ein. "Dafür ist das Leben viel zu kurz."

  • Ich hatte mir schon gedacht, dass es Tilla gefallen hier würde und ihre überschwänglichen Gesten zeigten deutlich wie sehr sie sich freute. Ob ich ihr klar machen sollte, dass wir eigentlich nicht zu unserem Vergnügen hier waren? Mein Blick ging kurz hinüber du den beiden Patriziern. Nein! Die waren noch so mit sich beschäftigt, dass wir uns ruhig noch ein wenig Zeit lassen konnten. Wieder sah ich hoch zu Tilla und runzelte die Stirn: "Wie…was? blau, Meer, Pferd … weisser Boden und Vögel? … nicht so schnell! … meinst du etwa die Möwen? ..", weiter kam ich nicht mit dem Lesen ihrer Gesten die nur so aus Tilla heraussprudelten, denn schon rutschte mir die Kleine von Luna herab entgegen und in meine Arme.


    Sanft umfasste ich sie an ihren Hüften und bremste so den Fall, bevor ichTilla sicher auf dem Boden ab stellte. Ich musste schmunzeln, während sie sich an mir fest hielt, um erst einmal auf dem weichen Boden die Balance zu finden und freute mich, dass sie mich als nett bezeichnete. Ob ich ihr auch sagen soll, dass ich sie sss... "...ssjaaa, Das ist ungewohnt, nicht? Aber keine Sorge es ist sehr angenehm darauf zu laufen", Meinte ich schnell und deutete dabei etwas verlegen auf den Sand, auf dem Tilla gerade wieder etwas Neues entdeckte. "Ah, Muscheln. Davon wirst du hier viele finden. Vor allem dort vorn am Wasser …", versprach ich und machte mir im selben Augenblick Gedanken, ob wir nicht schon zu lange herum trödelten.

  • Wo er sie beim 'Absteigen' von Lunas Rücken festhielt bekam sie nicht mit. Hauptsache, er fing sie auf. Stirnrunzelnd sah sie zu ihm auf, nicht ganz sicher was er seinerseits meinte. M..? Mö -was? Die weissen Vögel. Die meine ich.. Wie nennst du die? Mü..? Mä..? Gleichzeitig scharrte sie mit den Füßen, um sich an die sandigen Unebenheiten zu gewöhnen und spürte den Sand, wie er in ihre Sandalen eindrang. Langsam liess sie Hektors Hand los und wagte mit der Stute Luna an ihrer Seite ein paar Schritte alleine zu gehen. Das ging doch ganz gut, denn der Sand wurde ziemlich platt, wenn sie auftrat.


    Tilla sah auf ihre Füße und spähte zu den Muscheln, drehte sich zu hHktor um. Muscheln kenne ich. Die Fischer aus den Hafen, die bringen ganz viele mit, dekorieren die toten Fische damit, bedecken mit Muscheln die toten Fischaugen, damit die nicht so glotzen tun und lassen die Muscheln links liegen, wenn die Fischer.. äh.. Fische verkauft werden.. aber das da... Sie deutete auf den weissen Sand. Das ist da gar nicht mit dabei. Wieso? Tilla bückte sich und hockte sich ganz unbedarft neben Lunas Hufen, um den Sand in die Hände zu nehmen sowie näher in Augenschein zu nehmen. Das ist ja ganz leicht.. Winzige Sandkörner rieselten durch ihre Finger wieder zu Boden. Mit flinken Fingern pickte sie einige Muscheln auf, berührte dessen rauhe Oberfläche, bewunderte den in der Sonne aufschillernden Perlmutt. Ganz mit sich und der neuen zu entdeckenden Umgebung blickte Tilla zufrieden lächelnd zu Hektor auf, hörte Luna neben sich schnauben. Der Meereswind zerrte an ihrem Cape, pustete die Kapuze hinunter, sodass ihre dunklen Haare im Wind flatteren.

  • Zitat

    Original von Caius Flavius Aquilius


    Die angenehm wohlige Wärme im inneren des Zeltes empfing Prisca schon beim eintreten und lud augenblicklich zum verweilen ein. Der Gedanke fiel plötzlich schwer, sich nur wenig später in das eisige Wasser des Meeres stürzen zu wollen. Doch war es ebenso ein Ziel von vielen, welches sie erreichen wollte. Prisca gönnte sich dennoch die Zeit, um sich kurz auf einer der Klinen nieder zu lassen. Sie war allein und keine Sklaven störten den Moment, den sie für sich haben wollte. Den Blick einen Moment lang ihren Gedanken hinterher schweifend, ließ Prisca erst jetzt die Worte des Flaviers Revue passieren. Seine Einstellung gefiel ihr, genauso wie seine Worte und Taten mit denen er sich so um sie bemühte. Überhaupt, gefiel er ihr .... Doch was würde all dies nützen, wenn nicht der Wille stark genug wäre, dies auch auf Dauer und vor allem gemeinsam leben zu wollen.


    "Deine Ansichten über das Leben und die Ziele darin gefallen mir, Flavius Aquilius … ", rief sie ihm schließlich nach draußen zu, den Kopf dabei ein wenig zur Seite neigend um so besser die Haarnadeln lösen zu können, die ihr Haar zusammen hielten. "Auch ich würde sicher nicht das Leben einer alten verbitterten Ehefrau führen wollen, die sich nach langer Zeit der Ehe schließlich die Frage stellen muss, warum sie all die Jahre lang brav und fürsorglich ihren Pflichten nach gekommen ist und sich dann die Fragen stellen muss, was eigentlich von der Liebe zu ihrem Mann geblieben ist ." "… ja was bliebe mir? Wirklich nur Pflichterfüllung?… Prisca war über sich selbst verwundert, zog sie doch mit ihren innersten Gedanken und Befürchtungen gerade ganz unverhohlen von sich aus die Möglichkeit einer Ehe in Betracht. Doch was änderte es? Sie verriet mit Sicherheit kein Geheimnis wenn sie erkennen ließ, dass auch sie wusste aus welchem Grunde sie heute hier sein mochten. Ob es dadurch einfacher oder schwieriger werden würde eine Entscheidung zu treffen? Prisca wusste es für sich selbst nicht.


    Vielleicht hätte sie warten sollen, bis sie ihm wieder ins Gesicht blicken konnte. Vielleicht hätte sie so seine Gedanken lesen können, aber wollte sie das überhaupt? "… ist es uns Patriziern überhaupt vergönnt, gemeinsam ein glückliches Leben zu führen, das nicht nur von den Pflichten und Erwartungen vorher bestimmt ist, welche andere und die Gesellschaft uns auferlegen? Ist es denn unmöglich, einfach nur glücklich sein zu dürfen und können wir denn gar nichts dagegen tun? …" … wäre dann das Leben eines einfachen Sklaven nicht gar erstrebenswerter? …", sinnierte Prisca weiter vor sich hin. Sie erhob sich von der Kline und ihre Finger lösten geschickt die goldenen Fibeln, die das Kleid auf ihren Schultern zusammen hielten. Für den Hauch einer Sekunde strich der seidene Stoff des Gewandes ihren Körper entlang nach unten, umspielte ihn sanft und neckte die feinen Härchen auf ihrer Haut, bis es - viel zu schnell vorüber - zu ihren Füssen ruhte. Wie schön es sich doch anfühlte so gestreichelt zu werden.


    Einen Augenblick lang blieb Prisca mit geschlossenen Augen einfach in der Mitte des Zeltes stehen und kostete dieses befreiende Gefühl aus, bis das leichte Kribblen auf ihrer Haut verstrichen war. Glaubte oder hoffte sie gar, er würde ihren unverhüllten Körper durch einen verborgenen Spalt in der Zelthülle hindurch ungeniert betrachten? Der Gedanken allein reichte, um ihre Mundwinkel schmunzelnd leicht nach oben zucken zu lassen. Erst dann griff Prisca nach der sandfarbenenTunika, die für das Bad im Meer bereit gelegt war und streifte diese ohne Eile über. Ein einfacher Stoff nur, bei weitem nicht so schmeichelnd wie die Seide und doch völlig ausreichend für das gemeinsame Bad ...


    "Ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen ", kündigte sich Prisca beim Verlassen des Zeltes Aquilius an und konnte nicht umhin, die Rückansicht seines athletisch gebauten Körpers zu bewundern Erst als er sich ganz zu ihr hin umgedreht hatte, ruhte Priscas Blick und ihr Lächeln wieder auf seinem Gesicht. … soll ich einfach seine Hand ergreifen und ihn mit ziehen in das eisige Wasser? … oder soll ich mich von ihm tragen lassen, so wie vorhin? … Während Prisca noch überlegte, nickte sie zu dem was Aquilius zuletzt gesagt hatte und wirkte ernst, so wie es auch ihre Worte waren. " … Das Leben ist zu kurz, viel zu kurz … leider. Umso mehr sollte man sich der Ziele ganz bewusst sein, die man nicht alleine erreichen kann und möchte … sondern … nur gemeinsam ... " Prisca verstummte mitten im Satz und ließ ebenfalls einen Moment verstreichen, bevor sie ihr Lächeln wieder fand und spontan einen ganz anderen Entschluss fasste. " … wer von uns ist wohl zuerst im Wasser? …", grinste sie und sah Aquilus keck dabei an.


    Den Gedanken an die eisigen Fluten überwindend, lief Prisca auch schon los um sich einen Vorsprung zu verschaffen, bereit sich einfach in das Wasser zu stürzen. … was er jetzt wohl von mir denken mag … hält er mich zurück ? … oder folgt er mir einfach? …" Ohne sich umzudrehen lief Prisca weiter und hatte keinen Zweifel daran, dass er sie schon nach ein paar Metern einholen könnte, wenn er wollte ...

  • Was denn, Tilla kannte keine Möwen? Ebenso stirnrunzelnd sah ich zu ihr hinunter, wie sie gerade zu mir herauf. "Nein nicht Mü oder Mä ... M..Ö..W..E..N ... so heissen die Vögel da drüben!..." Ich deutete auf die paar Möwen, die gerade vorne am Wasser durch den Sand staksten und buchstabierte noch einmal ganz langsam den Namen. " ... Sag bloß du hast noch nie Möwen gesehen?" Das konnte ich ja fast nicht glauben, aber so wie Tilla sich verhielt und gerade auch noch fragte was es mit dem Sand auf sich hatte, schien das Mädchen wirklich nicht zu wissen, was es alles am Meer zu bestaunen gab. Ob sie wusste, dass man Meerwasser nicht trinken kann? … ich bezweifelte es ein wenig.


    Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf und blies die Backen kurz auf, bevor ich zur Antwort ansetzen wollte. " hmm?… nun ja, warum ist Sand nicht bei den Fischen mit dabei? …", wiederholte ich die Frage laut für mich. Das wollte Tilla doch wissen, oder hatte ich jetzt schon die Gebärdensprache verlernt? "… öhm… weil man Sand nicht essen kann?! … der knirscht nämlich recht unangenehm zwischen den Zähnen, wenn man ihn in den Mund bekommt", gab ich dann etwas verunsichert zur Auskunft. "… na ja, ansonsten ist der Sand eben einfach da und ….", gerade fiel mein Blick auf eine Sandburg, welche die flavischen Sklaven anscheindend gebaut hatten. " … man kann damit Burgen bauen. Siehst du?! …so eine wie die dort drüben ...", erklärte ich weiter und deutete auf das Gebilde aus Sand in unserer Nähe.


    So das reichte jetzt eigentlich an Erklärungen! Schließlich waren wir ja hier, um unsere Herrin zu betreuen und nicht um uns zu vergnügen. Ich wollte schon mit Ikarus voraus stapfen, da hielt ich noch einmal inne … es war einfach zu schön mit an zusehen, wie sich Tilla gerade freute. Nein, nein! Rumtrödeln geht gar nicht! Sagte ich zu mir selbst und zu Tilla gewandt: "Hm, möchtest du vielleicht auch eine Burg bauen, Tilla?" Gedanklich klopfte ich mir zeitgleich an die Stirn. ... Bravo Hektor! Wenn das unsere Herrin mit bekommt, kannst du dir schon mal einen Platz bei der nächsten venatio reservieren lassen ...

  • Sie schüttelte den Kopf, beäugte die weissen Vögel, die nun einen Namen von Hektor bekommen hatten. Nee, du, ich kenne diese Vögel nicht. bestätigte sie noch einmal ernsthaft den Kopf schüttelnd. Der Sand ist deshalb nicht dabei, weil er nicht mit den Fischen mitkommen kann. Er muss hier bleiben. spekulierte sie weiter und grinste. Hört sich gut an, ne? Genau.. du hast völlig recht. Der Sand ist einfach da, Sand lässt den Sand nicht alleine. Tilla folgte der Deutung Hektors und machte große Augen, während sie aus der Hocke heraus wieder aufstand.


    Was ist denn das?? Von einer Burg hatte sie wie von den Möwen auch noch nicht gehört. Kommst du? Ich mag mir das mal angucken. Beim Rundumblick sah sie auch die flavischen Sklaven, die da und dort Wache hielten. Gab es hier irgendeine Gefahr, die ihr nicht bekannt war? Doch Neugierde und Forscherdrang siegte über mulmiges Bauchgefühl. Sie ergriff Lunas Leine ein wenig fester und näherte sich mit der Stute diesem Sandgebilde. Immer darauf gefasst, dass einer der ihr unbekannten Sklaven sie wieder verscheuchen würde. Woher dieser Gedanke kam, wusste sie nicht. Tilla beugte sich zu den glatten Sandflächen, berührte sie sachte. Ein paar Sandkörner krümelten runter... das war alles.


    Langsam richtete Tilla sich wieder auf, sah Hektor an. Wie passiert das? Das Bauen? Luna schnaubte. Tilla streichelte ihren weichen Hals, sog ganz tief die salzige Meeresluft ein. Sie sah sich noch einmal um und entdeckte ihre Herrin, die soeben auf die Brandung zulief. Mit offenem Mund sah Tilla ihr beim Rennen zu. Die ältere Frau hatte plötzlich andersfarbige Kleidung an. Was macht sie denn? Sie deutete auf Prisca, wendete zugleich deren Namensgebärde mit dem Armreif an. Auch Luna wurde unruhig, schnaubte noch einmal. Tilla konnte das Kribbeln im Nacken nicht mehr ignorieren. Da ist was... im Busch... nein.. Sie sah nochmal auf das Meer hinaus. .. im Wasser! Die schwarze glänzende Haifischflosse versank soeben unter der Oberfläche. Da! Sie hob den Arm zu spät, um noch auf die markante Flosse deuten zu können.

  • Wie es Frauen schafften, sich umzuziehen und dabei eine halbe Ewigkeit brauchten, würde ich wohl niemals verstehen, geschweige denn nachempfinden können. Allein der Wechsel einer stola schien schon ein halbes Kommandounternehmen und erforderte mindestens zwei Sklavinnen - ob sie damit zufrieden sein würde, dass sie sich selbst umkleiden musste? Ansonsten hätte ich wohl eine ihrer Sklavinnen herbeigerufen, im Gefolge hatte ich einige Gesichter entdeckt, die ich nicht kannte, und deswegen Priscas Haushalt zuordnete. Aber sie schien alleine zurecht zu kommen, was ich für ein gutes Zeichen hielt, denn eine überkandidelte Frau hätte inzwischen sicher Zeter und Mordio geschrieen. Sollte ich wirklich das Glück haben, eine Frau kennengelernt zu haben, die sich von so vielen anderen durch einen klugen Kopf unterschied? Im Grunde hatte ich mir die ideale Braut nie wirklich ausgemalt, aber sie nahm mich mehr und mehr für sich ein.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du jemals ein solches Leben führen würdest, werte Prisca, denn auch wenn Du vielleicht einen hohlköpfigen Gemahl erhältst, der Dich nicht zu würdigen weiss, so bin ich mir doch ziemlich sicher, dass Du ihn stets daran erinnern wirst, dass er Dich nicht zu übersehen hat." Einmal davon abgesehen, dass ich sicher nicht so ein Hohlkopf sein würde, zumindestens würde ich mir Mühe geben, nicht dazu zu werden.


    "Was die Liebe Deines Ehemanns angeht, so frage ich Dich, ob dies der Zweck einer Ehe sein sollte. Liebe ist ein wundervolles Gefühl, doch auch trügerisch, und sie erlischt sehr leicht. Was also taugt daran, wenn man sich über eine dauerhafte Verbindung Gedanken macht? Kein Mensch ist dazu geschaffen, auf ewig denselben zu lieben, fürchte ich, es liegt nicht in unserer Natur, dies zu tun. Ich denke nicht, dass man erwarten sollte, dass einen der Ehepartner liebt, viel wichtiger erscheinen mir ähnliche Interessen, das Teilen der alltäglichen Freuden, ein ähnlicher Geschmack bei Kultur, Freunden und Festlichkeiten - und natürlich ein unverbrüchlicher Respekt voreinander. Liebe ist sicherlich wundervoll, wenn man sie erleben darf, und ein Geschenk der Venus, doch allzu häufig darf man sie weder leben noch genießen, und ich muss gestehen, ich halte die Liebe an sich für überbewertet," führte ich das Gespräch fort, während ich sie im Inneren des Zeltes noch beim Umkleiden wähnte, ein Umstand, über den ich nicht allzu viel nachdenken wollte. Nicht zuletzt, weil ich genau wusste, wie reizvoll schon ihr bekleideter Zustand für mich war, und nun über den unbekleideten zu orakeln .. nein. Nicht jetzt. Noch nicht. "Wahrscheinlich ist das Glück an sich ein Zustand, den wir uns ungleich härter erarbeiten müssen als den Erfolg in anderen Dingen, und nichts, was uns einfach in den Schoß gelegt wird."


    Es bewegte sich etwas am Zelteingang, und sie kehrte zurück zu mir, selbst im einfachen Gewand eine so strahlende Erscheinung, dass ich unwillkürlich schluckte und einmal mehr um den kühlen Wind dankbar war. Zweifelsohne war die Frau eine Erfindung der Götter, um die Selbstbeherrschung der Männer jeden Tag aufs Neue zu prüfen. "Ich hätte auch ein paar Stunden gewartet," sagte ich, die Worte daherstammelnd wie ein Grammatikschüler und nicht im Tonfall eines Mannes, der in Athen die großen Redner studiert hatte.
    Bona Dea, warum musste sie ausgerechnet die Frau sein, die ich mir als Gemahlin ausgesucht hatte, und nicht irgendeine Patrizierin, die einfach etwas Spaß wollte - es hätte so perfekt sein können, ein Tag voller Leidenschaft. Ihre Lippen bewegten sich, sie sagte etwas, aber die Botschaft der Worte kam nur verspätet bei mir an, denn mein Kopf war viel zu gefangen von ihrer Gegenwart. Es passierte selten genug, dass mich die Erscheinung einer Frau so berückte, aber bei ihr war es der Fall - wenn ich es recht bedachte, waren es bisher ohnehin nur besondere Frauen gewesen, die mich so hatten fesseln können. "Gemeinsam macht es auch deutlich mehr Freude als allein," stolperte ich verbal weiter und dachte in diesem Moment an etwas ganz anderes als eine Ehe oder das Erreichen gemeinsamer Ziele. Doch dann war sie schon auf dem Weg ins Meer - innerlich nicht nur einem Gott dafür dankend, dass mir ein weng Aufschub gewährt wurde, nahm ich selber schnellen Schritt auf und folgte ihr.


    Ihre Lebenslust gefiel mir, gefiel mir ausserordentlich, und während der Wind um mich pfiff, als ich ihr nacheilte, betrachtete ich ihre schlanke Silhouette, ihre schnellen Bewegungen - und auch wenn ich sie hätte früher einholen können, so tat ich es doch nicht sofort, denn von hinten war ihr Anblick durchaus mindestens genauso angenehm wie von vorn. Wie lebendig sie war, sie trug wirklich immer die Sonne mit sich!
    Dann doch aufholend, griff ich kurzerhand nach ihrer Linken und lief gemeinsam mit ihr dem Wasser entgegen, erst über den kühlen, feinkörnigen Sand des Strandes, dann über jenen feuchten Teil des Sandes, in den sich unsere Abdrücke deutlicher eingruben, und in weiteren schnellen Schritten war das Meer erreicht, umzuckte eisig die Füße und wir rannten weiter, ich wollte nicht mehr innehalten, hätte es auch im Schwung des Laufens nicht mehr gekonnt - mit einem heftigen Prusten stürzte ich mich, als das Wasser tief genug war, einer Welle entgegen in das kalte Wasser und tauchte ganz unter, ihre Hand nun natürlich loslassend - das Wasser umfing mich mit einem kühlen Griff und machte mich vollends hellwach, die Kälte umtoste meine aut und ließ mein Blut umso heißer zirkulieren, und ich lebte, oh ihr Götter, wie lebendig fühlte ich mich in diesem Moment! Auftauchend blickte ich mich nach ihr um, und was Tilla auf dem Meer entdeckt hatte, mir entging es noch vollends, ich hatte in diesem Moment nur Augen für Prisca, da hätten ganze Heerscharen von Haien unterwegs sein können, bemerkt hätte ich wohl allein sie.

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