xystus | filia fratris et patruus

  • Zwar träge, aber dennoch recht warm, schien die Sonne auf die kleine, windgeschützte Terrasse, auf der ich stand und in den Garten sah, der sich von hier aus eröffnete. Wann hatten Prisca und ich das letzte Mal miteinander geredet? Das war Ewigkeiten her. So vieles war seitdem passiert... Der Wunsch, mit Prisca zu reden, die Nichte und Freundin zugleich war, war schließlich übermächtig geworden, und so hatte ich dieses - für mich späte - Frühstück auftragen und nach Prisca schicken lassen. Bis es soweit war und sie zu mir hinaus trat, dauerte es eine geraume Weile, doch dann vernahm ich schließlich Schritte und wandte mich um. Bisher war ich meinen Gedanken nachgehangen und hatte finster vor mich hin gegrübelt. Doch als Prisca nun die Terrasse betrat, schlich sich unwillkürlich ein mattes Lächeln auf mein Gesicht, und ich ging ihr entgegen, um sie zu begrüßen. Wie schade, dass ihr Anblick und ihr liebes Wesen bald nicht mehr in den vier Wänden der gens Aurelia erstrahlen würde, sondern in denen der Flavier.


    Ich setzte Prisca einen flüchtigen Kuss auf die Wange und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Schön, dass du gekommen bist", sagte ich und deutete auf die zwei parat stehenden Stühle filigraner Arbeit. "Setzen wir uns doch.Wie geht es dir? Du siehst aus, wie Aphrodite wohl in jungen Jahren ausgesehen haben muss."

  • Die schlechte Laune, welche Prisca heute morgen noch hatte, schwand zusehends je mehr sich die von Dina angepriesene adhoc Frisur als tragbar herausstellte. Ja, damit konnte sie sich durchaus bei ihrem Onkel sehen lassen. Nur die Ungewissheit worüber Marcus so dringend mit ihr reden wollte drückte noch etwas auf ihr Gemüt. Gründe gäbe es sicher genug und nur an einen ganz bestimmten wollte sie sich eigentlich nicht mehr so gern erinnern. Nachdenklich schritt Prisca so die Gänge der villa entlang, der Ort an dem sie sich stets wohl und behütet fühlte....doch wie lange noch? ... war das vielleicht der Grund, worüber er reden wollte...


    Prisca seufzte leise und trat durch die Pforte ins Freie auf die Terasse hinaus, wo sie von den wärmenden Stahlen der Sonne und ihrem Onkel empfangen wurde. Die Freude Marcus zu sehen überwog augenblicklich alle anderen Gedanken wieder. Kurz legte Prisca ihre Hand zur Begrüßung auf die seine, mit der er ihre Schulter berührte. Prisca genoß den Kuss, denn diese Vertrautheit wollte sie nach all der Zeit nicht mehr missen. "Ich freu mich dich zu sehen, Marcus" begrüsste sie ihn und schenkte ihm ein herzliches Lächeln für das Kompliment das er ihr machte. Doch dann versiegte ihr Lächeln etwas während sie sich auf den angebotenen Stuhl setzte. Nicht wegen den möglichen unangenehmen Gesprächsthemen, sondern wegen den Schatten um seine Augen, die ihr nicht entgangen waren. Überhaupt bemerkte Prisca erst jetzt, da sie ihn in Ruhe betrachten konnte, wie müde und erschöpft ihr Onkel doch wirkte.


    "Mir geht es gut Marcus, aber...", beantwortete Prisca seine Frage und machte eine Pause in der sie ihn eindringlich aber auch liebevoll ansah." ... was ist mit dir?", vollendete sie schließlich den Satz mit leiser Stimme."Ich könnte dir heute kein ebenso nettes Kompliment machen wie du mir, ohne lügen zu müssen. Sag, bedrückt dich etwas?"... etwa wegen mir? ...", fragte sich Prisca insgeheim und sprach ganz offen das an, was sie in ihren Augen zu sehen glaubte.

  • Ich besah mir die Köstlichkeiten auf dem Tisch, deutete jedoch zuerst auf einen Krug mit frischer Milch, damit man mir einschenkte. Der Geruch frisch gebackenen Brotes schwebte in der Luft und vermengte sich mit dem würzigen Duft von Käse und Honig. Priscas Frohmut schien teilweise verflogen zu sein, als ich sie das nächste Mal über den verhältnismäßig kleinen runden Tisch hinweg ansah. Und prompt folgte auch eine Frage, welche wohl die Ursache hierfür sein musste.


    "Wie es mir geht?" echote ich legte den Kopf schief. Sollte ich verharmlosen oder ihr mein Leid klagen? "Ah, weißt du... Ich schlafe schlecht in letzter Zeit..." antwortete ich ausweichend, sah den Käse an und zuckte mit den Schultern. "Die vergangenen Wochen waren nicht unbedingt...leicht." Ich hob nun den Blick wieder und sah zu meiner Nichte, meiner kleinen Nichte, die so erwachsen wirkte. Eine jähe Welle der Zuneigung schwappte über mich. Ohne Zweifel hatte sie die familieninternen und öffentlichen Dinge mitbekommen, Helenas Selbstmordversuch, den Tod der ersten Vestalin, meine Ernennung zum septemvir. Mir fiel erneut auf, wie lange wir nicht mehr miteinander gesprochen hatten, und ich bedauerte diesen Umstand zutiefst. "Du wirst selbst ja einiges mitbekommen haben... Wovon du vielleicht noch nichts weißt, ist meine Trennung von Deandra. Aber", fuhr ich sogleich fort und hob die Hand, "diese Entscheidung war gut, wenn auch nicht einfach. Die Claudia mag deswegen nicht unbedingt mehr zu unseren Freunden zählen, aber das kann ich mit mir vereinbaren. Dann Helena..." Mir fiel auch die Sache mit Aquilius wieder ein, doch im Hinblick auf Priscas künftige Verbindung zu jenem bewahrte ich besser Stillschweigen über den Vormittag, der aus den Fugen geraten war. Ich winkte ab. "Das war eben etwas viel", und das war es noch, schloss ich und ging kurz darauf sogleich zum Angriff über. "Aber erzähle mir doch, wie es dir so ergangen ist? Unser letztes, richtiges Gespräch liegt ja Wochen zurück." ich griff nach einem Stück Brot und ließ mir von einem Sklaven ein Stück Käse abschneiden, während ich mich mit verschmitztem Blick erkundigte: "Und wie ist das nun mit dir und Caius?"

  • … "Die vergangenen Wochen waren nicht unbedingt...leicht." …


    Erst bei seinen Worten bemerkte Prisca so recht, wie schnell doch die Zeit und die letzten Wochen verflogen waren. Helenas Selbstmordversuch … Die Morde in Rom … Marcus Ernennung zum septemvir … und seine Trennung von Deandra! … ist das alles ist passiert und wo war ich? …Ihr Blick ruhte einen Moment auf den vielen Köstlichkeiten welche ausgebreitet vor ihr auf dem Tisch lagen, ehe sie sich wieder etwas davon losreißen konnte. Schnell deutete sie einem der wartenden Sklaven an, was sie davon haben möchte und blickte dann Marcus wieder direkt in die Augen. … ist das wirklich alles geschehen, oder haben wir das vielleicht nur geträumt? …, schien Prisca fragen zu wollen und nickte schließlich von sich aus, da sie die Antwort bereits kannte. …ja ich war wohl die ganze Zeit zu sehr mit mir und meinen Gefühlen beschäftigt, … gestand sie sich selbst die Zweifel, Ängste und Erwartungen an ihre Liebe ein.


    Gerade als Marcus beschwichtigend seine Trennung von Deandra zu rechtfertigen versuchte, beugte sich Prisca zu ihm. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen während sie seine Hand ergriff, um sie zu halten und zu drücken. Er musste sich nicht vor ihr rechtfertigen. Auch wenn Marcus wahrscheinlich befürchtete, sie würde eher Deandras Standpunkt teilen und nun Partei für sie ergreifen wollen. Vielleicht tat Prisca das auch insgeheim, aber es stand ihr nicht zu ihren Onkel für etwas zu verurteilen was nur ihn und Deandra etwas anging. Prisca seufzte leise, sagte aber nichts weiter, um es so auf sich beruhen zu lassen. Sie hörte Marcus einfach weiter zu und erst bei der Frage nach ihr und Caius nahm sie die Hand ohne Hast wieder fort. "wie meinst du das, was mit mir und Caius ist?. … Hast du etwa mit Caius über mich gesprochen?", fragte Prisca mit ganz unschuldiger Miene und konnte sich ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen welches erahnen lies, wie viele Bedeutungen diese einfache Frage haben konnte. ob er auf den Ausflug ans Meer anspielt, oder gar eine mögliche Verbindung zwischen uns? Prisca wich dem Blick des Onkels geschickt aus, indem sie ihre ganze Aufmerksamkeit vorrübergehend auf ihren Teller richtete und jeweils ein Häppchen von dem Schinken und dem Käse probierte.


    Erst dann sah sie ihn wieder mit ernster Miene an. "Ich weiß, dass ich mich in den letzten Wochen eher wenig für die Familienangelegenheiten interessiert habe. … Wobei mir nicht entgangen ist, dass mein Onkel nun zu den septemvir zählt ...",begann sie dann unvermittelt und wie aus dem Zusammenhang gerissen noch einmal all das Gesagte und Gedachte für sich zu rekapitulieren. Wobei Prisca kurz aber deutlich erkennen ließ, dass sie auf ihren Onkel sehr stolz war und nur das nächste gedankliche Ereignis hielt sie davon ab, weiter nachzufragen. "… aber das mit Helena ist schrecklich. Ich hab sie noch nicht gesehen seit … seitdem sie … sich … ", Prisca sprach nicht weiter und ihr Blick war nachdenklich und voller Sorge bei dem Gedanken an den Selbstmordversuch ihrer Cousine. Dabei haben wir uns kurz zuvor auf unserem Stadtbummel doch noch so gut amüsiert… Nie hätte ich gedacht, dass sie so weit gehen würden. Auch nicht aus diesem einem Grund ... Prisca wollte nicht daran denken, während sie ihren Onkel dabei ansah. "Geht es ihr denn wenigstens besser und darf ich schon zu ihr?", fragte Prisca teilnahmsvoll und suchte seinen Blick, der ihr nur zu gut verriet, wie schwer dieses Geschehnis auch auf seinen Schultern lasten mochten.


    Erneut berührte sie ihn mit ihrer Hand und strich sanft über seinen Unterarm, ehe sie mit ruhiger und leiser Stimme etwas hinzufügte. "… Du sagtest vorhin, du schläfst schlecht? … das mag mich nicht verwundern bei all den Dingen die passiert sind. ..Erinnerst du dich eigentlich noch an unser gemeinsames Opfer an Vulcanus? Damals gleich nach unserer Ankunft aus Germanien hast du mir gezeigt, wie wichtig die Familie ist … " Prisca versuchte aufmunternd zu lächeln. Damals, nach dem Tod ihrer Mutter, hatte er sie getröstet . Es hatte ihr damals sehr geholfen und viel bedeutet zu wissen, dass Marcus immer für sie da sein wollte. Und heute war es vielleicht an ihr, ihn zu trösten ...

  • Die liebevolle Berührung Priscas schien meinen Arm hinaufzukriechen und alles Trübsal aus mir hinfortzuwaschen. Schließlich erreichte die wärmende Herzlichkeit auch meine Lippen und nötigten sie, sich zu einem ebenso herzlichen Lächeln zu formen. Mit dem Daumen strich ich dankbar über Priscas zarte Haut, dann nahm sie ihre Hand wieder fort. Mein Blick sprach Bände. Es gab vermutlich niemanden in der Familie, dem ich so uneingeschränkt vertraute wie Prisca. Das hatte in Germanien begonnen und würde sich fortsetzen, wenn sie in die villa Flavia eingezogen war. Ein kleiner Seufzer kam über meine Lippen.


    "Nun, nicht direkt", erwiderte ich ausweichend und fuhrte ein Stück Käse zum Mund. Natürlich war dies ein Gesprächsthema zwischen uns gewesen. Das musste Prisca eigentlich klar sein, immerhin wusste sie, dass Aquilius und mich eine enge Freundschaft verband. "Mir wurde zugetragen, dass er dich auf einen Ausflug mitgenommen hat. Genaugenommen habe ich es nur durch Zufall erfahren, weil mir Tilla über den Weg gelaufen war... Ich wollte dich eigentlich bitten, mir zumindest Bescheid zu geben, wenn du dich auf einen solchen Ausflug begibst." Was noch recht harmlos formuliert war. Immerhin hatte ich nicht geahnt, dass die Sache zwischen Aquilius und Prisca bereits im Ausreifen begriffen war, und das in dieser Zeit. Des weiteren stand ich ihren verstorbenen Eltern gegenüber in der Pflicht, auf sie acht zu geben, was ich nicht konnte, wenn sie mich nicht in Kenntnis setzte. Aber ich war ihr nicht gram, immerhin war Prisca eine anständige junge Dame, und ich vertraute ihr. Statt eines mahnenden Tonfalls war also nur ein gutmütiger zu hören, gewürzt mit etwas ernsthaftiger Besorgnis. "Vielleicht sollten wir Caius einmal einladen, was meinst du?" bot ich an und streifte Prisca mit einem Seitenblick, ehe ein weiteres Stück Weißbrot mit Honig seinen Weg in meinen Mund fand.


    Eine steile Sorgenfalte erschien kurz darauf auf meiner Stirn. Die Erwähnung der Ernennung zum septemvir überging ich einfach. Da war sie wieder, die Last, die ich auf meine Schultern geladen hatte. Seit Helenas Selbstmordversuch hatte ich noch nicht den Mut aufbringen können, sie zu besuchen. Vermutlich war das auch besser so. "Ich weiß es nicht", gestand ich daher nach einer Weile des Schweigens mit unglücklichem Gesichtsausdruck ein. "Am besten fragst du Titus...." Ich wich ihrem Blick aus und fixierte stattdessen das Honigbrot auf meinem Teller, bis ich erneut Priscas mitfühlende Hand spürte und schwach lächelnd aufsah. "Ja", erwiderte ich auf ihre Frage nach dem Opfer für Volcanus. Ich holte tief Luft. "Das mit Helena", sagte ich gepresst, "das...also, das ist meine Schuld." Jetzt war es raus. Ich hatte Ursus gebeten, niemandem davon zu erzählen, also konnte Prisca nichts davon wissen, wenn nicht Helena es ihr anvertraut hatte. Schlagartig hatte ich keinen Appetit mehr und vermied es, Prisca anzusehen. Ich fühlte mich nun tatsächlich so, wie ich aussah.

  • Du hast nichts von unserem Ausflug gewusst? … brachte Prisca nur flüsternd hervor und sah Marcus mit großen Augen an. Hatte sich Aquilius etwa nicht im Vorfeld die Erlaubnis dazu eingeholt? Die Überraschung war echt und nicht gespielt, denn auf die Idee es ihm einfach von sich mit zu teilen, war Prisca tatsächlich nicht gekommen. Aber gab es wirklich einen Anlass zur Sorge? …Nicht wirklich. Weder klang Marcus wütend oder gar enttäuscht noch hätte Prisca ihm je einen Grund dazu geben wollen. … es tut mir leid … ich dachte ... du ... hättest mit Caius alles besprochen ... wisperte sie und sah beschämt an sich herunter als ihr Onkel eben die Einladung ansprach. Aquilius hatte ihr die nötige Zeit gelassen um sich zu entscheiden und Prisca wusste, dass sie ihm an diesem Tag ihren Entschluss also mitteilen würde. ich denke auch, dass dies eine gute Idee ist, Marcus., sprach Prisca ebenso leise weiter und stimmte dem Vorschlag ihres Onkel gerne zu. Ihr Herz schlug augenblicklich vor Aufregung höher, da sie ihre Entscheidung für die Zukunft getroffen hatte. Meine Entscheidung…. für mein Leben und …


    … für die Liebe. … Ebenso wie Helena ihre Entscheidung getroffen hatte? ...Helena!... Die Gedanken an das bevorstehende Treffen mit Caius und ihrem Onkel waren wie weggewischt, da sie unvermittelt auf dieses Thema zu sprechen kamen. Ihre Verzweiflungstat schien für Helena der letzte Ausweg gewesen zu sein für ihre unerfüllte, weil unerfüllbare Liebe zu Marcus. Wie konnte es soweit kommen, war es ihre, oder war es wirklich seine Schuld … wie hätte ich reagiert an ihrer … an seiner Stelle? Immer mehr wurde Prisca bewusst wie aufgewühlt ihre eigenen Gedanken diesbezüglich waren und wie wenig sie darüber wusste oder gar dazu hätte sagen können. Nachdem Marcus mit seinem Schuldbekenntnis das ausgesprochen hatte, was sie im Stillen schon längst geahnt hatte, furh Prisca auf. Ich hätte genauso gehandelt … ! Der Schrecken über diese Erkenntnis saß tief ...


    Unvermittelt erhob sich Pirsca von ihrem Platz und trat direkt neben Marcus, der immer noch auf seinem Stuhl saß. Ist es wirklich deine Schuld …? Prisca sah ihm in die Augen und ihre Mundwinkel zuckten leicht nach oben, eben da sie damit alles in Frage stellen wollte. "Wessen Schuld ist es, dass wir Menschen nun mal Gefühle haben und diese auch zeigen wollen? ... und das wir uns danach sehnen, geliebt zu werden? … , begann Prisca ihren Gedanken freien Lauf zu lassen ohne zu wissen, ob sie ihn damit trösten konnte oder es ihr helfen würde zu verstehen, was in ihr und den anderen vor sich ging? Doch anstatt seine Antwort abzuwarten, strich sie Marcus zärtlich durchs Haar und zog ihn auch schon sanft mit beiden Händen zu sich heran. Seinen Kopf so an ihren Bauch gebettet stand sie eine ganze Weile einfach nur da und ließ es zu, dass er sie umarmen könnte wenn er wollte. Wir sind doch keine Ölgötzen, die nur starr und gefühllos durch das Leben schreiten, nur weil man es so von uns erwartet! ...


    ... und zweifellos würde jeder diese innige Umarmung zwischen filia fratris et patruus missverstehen wenn er es denn so wollte. Aber das interessierte Prisca nicht, denn sie wollte einfach die wärmende und beschützende Nähe von Marcus genießen. Wie sehr werde ich dieses Gefühl der Geborgenheit vermissen , seufzte sie innerlich und schloss dabei die Augen um den verräterischen Glanz darin zu verbergen. " Wie sollen wir beurteilen, was richtig oder falsch ist und wer dafür die Schuld trägt? … Ist es etwa falsch wie ich dich nun berühre und dabei die Liebe einer Schwester zu dir empfinde? …. und bist du schuldig allein deshalb da du meine Berührungen zulässt, nur weil du mein Onkel bist und nicht mein Bruder? ... mein großer Bruder, den ich mir immer so sehr gewünscht habe! … Wer also trägt die Schuld wenn nicht die Götter selbst, da es ihnen beliebt so mit uns und unseren Gefühlen zu spielen? ... " Prisca verstummte schließlich und versank für den Moment ganz in ihren Gedanken. Helena lebt und nur das zählt ... sie wird leben und soll glücklich werden! ... so glücklich, wie ich es nun bin ...

  • "Nein", entgegnete ich schlicht. Natürlich hatte mir dies Kopfzerbrechen bereitet, doch vertraute ich Prisca und hielt sie für sehr vernünftig, sodass der leicht negative Geschmack alles gewesen war, was ich gespürt hatte. Von Zweifel und Sorge um ihre Ehre war da keine Spur gewesen, ebensowenig von Argwohn ob ihres Verhaltens. Sollte ich dereinst eine Tochter zeugen, so wünschte ich mir, sie würde Prisca im Wesen ähneln. Ihre offenkundige Beschämung war mir zudem genug der Folter, und so schüttelte ich nur lächelnd den Kopf, um zu verdeutlichen, dass sie sich nicht gerügt fühlen musste. "Gut. Ich werde alles veranlassen", erwiderte ich und blickte hernach zweifelnd auf das Stückchen Käse auf meinem Teller. Der Appetit war mir ob des heikleren Gesprächsthemas Helena betreffend verflogen, und so blieb das gelbe Stückchen unangetastet liegen.


    Prisca sagte zunächst nichts, sondern sah mich nur an. In diesen Augenblicken fragte ich mich, wie viel sie wusste, wenn sie denn etwas wusste. Dann lief eine Veränderung durch ihre Haltung, und diese Veränderung löste ein starkes Unwohlsein in mir aus. Gewiss verurteilte sie mich. Doch es kam anders, denn sie erhob sich und kam um den kleinen Tisch herum auf mich zu. Als sie ihre Frage stellte, wich ich ihrem Blick aus. "Ich hätte-" begann ich, hob jedoch die Schultern und verschluckte die weiteren Worte. Wieder war da der Zorneskeim, resultierend aus Verzweiflung über das Geschehene und Unwissenheit über das, was zu tun erforderlich war. Ich kompensierte die Wut, indem ich die Hände kurz hilfos zu Fäusten ballte. Aus einem harmlosen Frühstück war nun wieder ein Desaster geworden. Vielleicht stand es mir einfach nicht zu, etwas wie ein unkompliziertes Familienleben zu haben, überlegte ich sarkatisch, derweil ich den Honig anstarrte. Zumindest, bis Priscas Finger durch mein Haar glitten. Ich seufzte tief und schloss die Augen, um alle Gedanken auszublenden und den flüchtigen Moment des Friedens ganz in mich aufnehmen zu können. Die Nähe zu Prisca war immer schon etwas Besonderes gewesen, und diese Besonderheit spürte ich auch jetzt wieder, als sie versuchte, mich zu trösten. Ihre Gesten waren zärtlich, die Bewegungen tröstlich - und mir war einfach nur danach zumute, mich gehen zu lassen. Behutsam legte ich einen Arm um ihre Hüfte, die Hand nach und nach fester in den kostbaren Stoff krallend, die Züge allmählich entspannend.


    Und doch war da plötzlich diese vollkommen absurde Angst davor, dass Prisca und Helena eine ganz bestimmte Sache miteinander gemein hatten. Ich wollte nicht auch noch Prisca deswegen verlieren. Meine Haltung erstarrte, ich hielt die Luft an. Was, wenn sie...auch...? Schwindel überkam mich, und ich wollte von ihr ablassen, um auch nicht die geringste Möglichkeit ihr zu bieten, auch nur zu denken, dass... Doch da sprach sie erneut, und was sie sagte, löste alle Bedenken in sagenhafte Erleichterung auf. Abermals seufzte ich, legte nun auch den anderen Arm um ihre zarte Gestalt, lauschte und genoss das Gefühl, mich einmal nicht rational und beherrscht geben zu müssen. Es kam ohnehin viel zu selten vor.


    Schuld keimte in mir auf, als sie von dem gewünschten großen Bruder sprach - den es ja wohl tatsächlich gab, der jedoch das Weite gesucht hatte, als er von meinen Nachforschungen erfahren hatte*. Andererseits war ich wohl für den Moment auch eifersüchtig genug, diese Position für mich allein zu beanspruchen, Onkel hin oder her. Prisca verstummte. Auch nach einigen weiteren Herzschlägen sprach sie nicht weiter. "Es ist die Liebe, Prisca. Es ist immer die Liebe", erwiderte ich flüsternd. "Sie ist allgegenwärtig, und ihr gegenüber bist du ebenso machtlos wie ein Säugling." Ich ließ noch einen Moment verstreichen, löste mich dann von Prisca und sah resigniert zu ihr auf. "Was ich auch anfasse, es endet stets in einem Fiasko, sobald Gefühle im Spiel sind. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen, Prisca. Vielleicht ist das mein Fluch. Mein Schicksal? Dass ich einsam zugrunde gehen werde, und eine Spur hinter mir her ziehe, bis es endlich soweit ist. Ich weiß es nicht." Das verräterische Glitzern ihrer Augen ließ einen Kloß in meinem Halse erwachsen, und ich griff nach ihren Händen und drückte sie sanft. Mir fiel das vorausgegangene Gesprächsthema wieder ein, und ich hob zerknirscht einen Mundwinkel. "Bitte verzeih mir, ich wollte dir deine Zukunft nicht zerreden. Es ist nur..." Der Satz endete in einem Schulterzucken.




    Sim-Off:

    *soll Pegasus' Inaktivität erklären [edit:SimOff vergessen]

  • Es war nicht so, dass Prisca nur deshalb von ihm als ihren Bruder gesprochen hatte um ein paar nette oder tröstende Worte zu finden. Vielmehr war es auch ein Festhalten an dem Wunsch jemanden zu haben, einen Mann, dem sie so viel mehr von sich mitteilen durfte, als sie es einem Onkel oder selbst bei ihren Freundinnen je könnte. Einen großen Bruder eben, der sie beschützen würde wenn es erforderlich wäre … eines Tages … vielleicht ..., wenn sie ebenso so verzweifelt wäre wie Marcus es jetzt war. Prisca betrachtete ihre Hände, die in den seinen ruhten und hielt sich und ihn daran fest, während er zu ihr sprach. Bin ich wirklich so stark und wissend, um seine Sorgen zu verstehen und ihn trösten zu können? Ein leiser Zweifel blieb, denn sicher fehlte es Prisca an Erfahrung und in so vielen Dingen gäbe es für sie noch ein "erstes Mal". Dazu zählte genauso die Enttäuschung in der Liebe! … Wie viel mehr wussten da Marcus, Deandra, ja sogar Helena ... wussten all die anderen davon … Nein, noch kannte Prisca dieses Gefühl nicht wirklich und war in der Tat so unwissend, naiv und voller Wünsche und Erwartungen wie ein Säugling. Aber an ihre eigene Zukunft wollte sie im Augenblick auch gar nicht denken.


    Vielmehr tat es Prisca tief in ihrem Herzen weh mit ansehen zu müssen, wie niedergeschlagen und gänzlich ohne Hoffnung Marcus eben war. Die vielen Gedanken und Vorwürfe die er sich machte. Über das was er angeblich alles falsch gemacht hatte, über seine Zukunft, über die ihre … Das hilfslose Schulterzucken mit dem er mitten im Satz endete, war wie sein Eingeständnis daran, die Schuld für alles auf sich laden zu wollen. Prisca hob leicht den Blick und sah ihm in die Augen. Hatte er Angst ihr die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit, oder war es die Furcht davor wieder etwas falsch zu machen? " … was ist nur? …", versuchte sie flüsternd an das anzuknüpfen, was er ihr eben sagen wollte. Prisca legte fragend den Kopf leicht schief und versuchte ihm das aufmunternde Lächeln der kleinen Schwester zu schenken, die sich um ihren großen Bruder Sorgen machte. Wie sieht eigentlich sein Lächeln aus? … wie lange habe ich Marcus schon nicht mehr lachen gesehen und gehört? … viel zu lange ...


    Langsam löste Prisca eine Hand aus seiner sanften Umklammerung, strich ihn zärtlich über die Wange und legte sie dann wieder in seine schützende Hand zurück. Diese vertrauten Berührungen waren mit einem Mal so selbstverständlich wie der Wunsch, immer für ihn da zu sein. "Du sagst, alles was du anfasst endet in einem Fiasko, sobald Gefühle im Spiel sind?", fragte sie leise und sah dabei demonstrativ auf ihre Hände hinab. "Sieh doch nur, Marcus! … Du fasst mich eben an … und … ich lebe noch! … oder hattest du etwa daran gezweifelt? ...", Prisca lachte kurz auf und tat so überrascht, als hätte sie diese Tatsache selbst nicht erwartet. Doch sogleich sah sie Marcus wieder ernster an und sie schüttelte leicht den Kopf. Nein, du trägst keinen Fluch in dir Marcus und es wird auch nicht dein Schicksal sein, allein zugrunde zugehen ... niemals ... das werde ich nicht zulassen! ... , teilte sie ihm mit einem liebevollen Blick ihre Gedanken und ein Versprechen mit.

    Mochte es auf ihn auch wie ein alberner und bedeutungsloser Scherz gewirkt haben, so war es doch Priscas ganzer Wunsch ihm damit etwas von der Ungezwungenheit und Unschuld zurückzugeben, die sie noch in sich spürte. Einfach um ihm zu zeigen, dass er seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen konnte in der Gewissheit, dass sie nicht mit ihnen spielen würde. Die Frage von vorhin wiederholte sie jedoch nicht und überließ es so ihm, ihr darauf zu antworten oder auch nicht...

  • Es war mir damals vielleicht noch nicht so bewusst gewesen, doch Prisca war immer schon so herzlich gewesen. Dass sie gerade in Germanien zu uns anderen gestoßen war, konnte man wohl guten gewissens als glückliche Fügung bezeichnen. Sie war sozusagen in genau jenem Moment erschienen, da ich eine unvoreingenommene Vertraute brauchte. Und wie sehr wünschte ich mir nun, sie wäre schon früher gekommen und hätte mich vor Dummheiten bewahrt. Doch die Vergangenheit vermochten nicht einmal die Götter zu ändern, wie also konnte ein Sterblicher darauf hoffen?


    Auf ihre Frage hin schwieg ich, noch zu sehr verwirrt von meinem eigenen Verhalten ihr gegenüber. Das Lächeln vermochte zwar mein Innerstes zu erreichen, erzeugte jedoch kein Echo auf meinen nur mühsam beherrschten Zügen. Mir war elend zumute. Seit ich von Helenas Vergehen erfahren hatte und den Grund kannte, suchten mich Mahre heim und Schuldgefühle, und immer wieder fragte ich mich, was geschehen wäre, hätte ich Helena zumindest für eine Nacht nicht zurückgestoßen. Es war unsinnig, darüber nachzudenken. Ich wusste es, doch abstellen ließ es sich einfach nicht. Priscas Worte quittierte ich mit einem matten, gequälten Lächeln, einen entfernten Baum flüchtig anblickend und doch nichts sehend. Hernach sah ich auf, der tröstliche Ausdruck in ihren Augen ließ mir das Herz ein wenig wärmer werden, doch der Rest blieb kühl und elend.


    Ohne zu Überlegen zog ich den zarten Körper meiner Nichte näher an mich heran und dirigierte sie so, dass sie auf meinen Oberschenkeln würde Platznehmen müssen. Wieder würden böse Zungen Verwerfliches behaupten, doch war meine schlichte Intention hinter dieser Geste der Wunsch nach Vertrautheit. Zudem war es angenehmer, im Sitzen zuzuhören, und reden wollte ich. Alles aus mir hinaussprudeln lassen. "Ich wusste es seit den Meditrinalia. Das mit Helena. Sie hat es mir gesagt, direkt vor der Inszenierung. Ein paar Tage später war ich dann bei ihr, ich wollte es klären, weißt du?" sagte ich und sah Prisca von der Seite her an, darauf hoffend, Verständnis in ihrem Blick zu sehen. "Das Ganze ist... Nun, sie hat darauf gehofft, ich würde genauso empfinden. Ich sagte ihr, dass dem nicht so ist, und daraufhin hat sie... Sie hat mich herausfordern wollen und hat mich geküsst. Dann bin ich gegangen." Eine kurze Pause folgte. "Ich hätte nicht einfach gehen sollen, sondern mit ihr reden müssen. Es ist meine Schuld, Prisca. Wenn ich doch nur geblieben wäre. Das alles wäre nicht geschehen. Ich bringe meiner Familie nur Unglück. Helena hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Titus hasst mich. Appius und Camilla ziehen es vor, in Mantua zu bleiben, Deandra hält mich für ehrlos - was kommt als nächstes?" redete ich mich in Rage und schüttelte den Kopf, ehe ich ihn matt hängen ließ.

  • Prisca folgte gerne der einladenden Geste von Marcus, mit der er sie auf den Platz auf seinen Oberschenkeln dirigierte. Sie machte es sich bequem und lies sich wie selbstverständlich von ihm in den Arm nehmen und halten. Ob er wusste, dass auch ihre Mutter sie oft so gehalten hat? Manchmal, wenn es etwas zu besprechen gab aber immer dann, wenn sie traurig war und getröstet werden musste. Prisca genoss seine Nähe und fühlte sich geborgen, obwohl nicht sie es war die heute Trost brauchte! Ach Marcus! … seufzte Prisca innerlich und sah ihm einen Moment lang traurig an. Sein Lächeln eben wirkte so gewungen und ihre scherzhafte Bemerkung konnte ihm nicht wirklich helfen. Sie konnte nur ein wenig die Anspannung nehmen, vielleicht, um ihm zeigen, dass …


    … sie bei ihm war und es auch bleiben wollte. Selbst als Marcus ihr die ganze Wahrheit erzählte und die Gründe ansprach, änderte sich ihr Wunsch nicht. Hassen?! ... taten das die anderen wirklich? War das wirklich Grund genug dafür? Sicher - Helena hatte versucht sich umzubringen! Aber wessen Sicht war die Richtige? Das Schlimme daran war nur, dass Prisca sehr wohl nachvollziehen konnte, was Helena getan hatte. Ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt ...Prisca erschrak über ihren eigenen Gedanken so, dass sie nicht anders konnte und sich augenblicklich noch enger an Marcus schmiegte, um ihn und sich gleichermaßen fest zu halten.


    "Wer von uns hat das Recht zu entscheiden was richtig oder falsch ist, Marcus?...", flüsterte sie fast verzweifelt und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. "Was wäre denn geschehen, wenn du geblieben wärst? … glaubst du wirklich, es wäre alles anders gekommen? ", fragte Prisca ernsthaft und konnte eigentlich nur für sich eine Antwort darauf finden. Nein - Sie glaubte es nicht. Langsam löste sie sich wieder etwas und sah ihm in die Augen. "Machen wir nicht alle einmal Fehler? … Im Grunde können wir doch gar nicht anders handeln, als es uns unsere Gefühle befehlen …" Prisca seufzte über diese Erkenntnis der eigenen Ohnmacht und Unfähigkeit die sie selbst besaß. Bin ich selbst wirklich so stark, um ihn trösten zu können? " ... was auch gescchieht, wir sind doch eine Familie und halten zusammen, nicht wahr? … egal wo wir gerade leben … ich werde für dich da sein ...", versprach sie leise und versuchte ihm ein bisschen Mut zu geben. Vorsichtig legte Prisca ihre freie Hand an seine Wange und zwang ihn so mit sanfter Gewalt aufzusehen und in ihre glänzenden Augen zu blicken." Was als nächstes kommt? …", wiederholte sie schließlich seine Frage und lächelte fast überzeugt in der Hoffnung auf Erfüllung ihrer Worte. "… es kommen wieder bessere Zeiten! … Für dich, für Helena … für uns alle … "

  • Letztendlich hatte Priscas Sanftheit doch eine tröstliche Wirkung auf mich. Ich fühlte mich eigenartig, seltsam befremdlich. Ganz so, als wäre ich gegenwärtig nicht anwesend in meinem eigenen Körper, sondern stünde etwas entfernt von der ganzen Situation. Priscas Nähe erschien mir in gewisser Weise flaumig, als spürte ich sie, könnte sie jedoch zugleich nicht ganzheitlich wahrnehmen. Ihr Bemühen, mir die zweifelhafte Wahrheit vor Augen zu führen, ließ mich vage lächeln, und ihrer Versuche zum Trotze antwortete ich mich einem simplen "Ja."


    Abwesend und gleichermaßen befangen kaute ich auf meiner Unterlippe herum, den Blick auf die unregelmäßigen Fugen des steinernen Bodens gerichtet und doch nichts weiter sehend als mein Versagen. Wer wäre nicht beschämt gewesen, fehlte das Vermögen, das Schiff der Familie um Riffe und Sandbänke herum zu steuern? Ich bewies tatkräftig, dass ich es nicht vermochte. Zumindest kam es mir so vor, auch wenn zuerst Siv und nun Prisca mich treuherzig vom Gegenteil zu überzeugen suchten. Ich rechnete ihnen diesen Umstand an, doch Glauben schenkte ich ihnen freilich nicht. Natürlich war mir bewusst, dass sie in ihrer Loyalität auch gar nichts anderes behaupten wollten. Ich erwiderte Priscas Blick, kaum dass sie mich ansah, und lächelte matt. "Die Fehler mancher wiegen schwerer als die anderer", gab ich zurück und hob eine Schulter. Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass ich nur privat solche Last hatte, und nicht auch noch bei den mir sonst anvertrauten Aufgaben für den Staat. Im nächsten Moment zeichnete Verblüffung mein Antlitz und wurde kurz darauf abgelöst von einem melancholischen Lächeln. "Caius kann sich sehr glücklich schätzen, wenn er dich zur Frau bekommt, Prisca. Ich muss sehr mit mir kämpfen, um nicht allzu neidisch zu sein." Flüchtig huschte ein lausbubenhafter Ausdruck über mein Gesicht, dann küsste ich Prisca auf die Wange. "Du wirst mir stets willkommen sein, uns allen", fuhr ich fort, hielt einen Moment inne und fragte mich, ob es angemessen war, weiterzusprechen. Letztendlich fügte ich es dann doch hinzu: "Ich liebe dich, kleine Nichte." Schließlich hatte es Prisca doch geschafft, zumindest oberflächlich ein wenig der patinaähnlichen Trübsal abzukratzen, die mich umgab. Ganz nach innen jedoch würde wohl niemand vordringen außer mir selbst, wenn überhaupt.


    "Darf ich dich etwas fragen?" fragte ich sie dann unvermittelt. "Was meinst du, wie.. Wie soll ich mit Helena umgehen? Ich kann unmöglich tun, als sei nichts gewesen. Ich wüsste nicht einmal, was ich sagen sollte, wenn ich sie besuche. Aber ich kann ihr auch nicht ewig aus dem Weg gehen." Ein missratenes, zerknirschtes Lächeln untermauerte meine Unsicherheit. Eine Empfindung, die ich niemandem sonst gegenüber zugegeben hätte.

  • Endlich zeigte sich auf Marcus´sorgenvollem Gesicht ein zaghaftes Lächeln. Doch es war zu wage und zu kurz um es fest zu halten. Prisca spürte, dass es ihr nicht gelingen würde sämtliche Schatten zu vertreiben, die sich auf seine Seele gelegt hatten. "Wie viele Sorgen mochten ihn noch plagen, von denen er nichts erzählt? - Nicht erzählen will oder kann … die Fehler mancher wiegen schwerer als die anderer?! … ". Seine Worte, mit denen er sich selbst anklagte, klangen so endgültig und bedrückend, dass Prisca nicht sofort eine Antwort oder Worte des Trostes für ihn fand . Im Gegenteil! Prisca konnte nichts anderes tun als da zu sitzen und - seinen Worten zu lauschen, mit denen er ihr das Gefühl der Geborgenheit gab - seinen Kuss zu genießen, den er ihr schenkte - um ihn schließlich bei seiner Liebeserklärung mit glänzenden Augen einfach nur glücklich an zu lächeln. "… ich … liebe dich auch …", gab Prisca mit zitternder Stimme zurück, bevor sie ihr Gesicht für Sekunden der Ewigkeit an seinem Hals vergrub. Die Zeit einfach anhalten und den schönen Moment genießen. Prisca war glücklich, aber war Marcus es auch? Nein - aber warum nur durfte er es nicht sein? … Prisca erinnerte sich an eine der Regeln, die ihre Mutter ihr vor langer Zeit gelehrt hatte. "Stehe stets hinter deinem Ehemann! Zeige ihm, dass du ihm vertraust, egal was kommen wird! " ...


    "Fehler passieren eben, wenn man die Verantwortung trägt und Entscheidungen treffen muss, Marcus. … Auch wenn manche davon schwerer wiegen mögen, … das war schon immer so und wird auch immer so sein! … Aber nichts wäre schlimmer, als vor der Verantwortung davon zu laufen! ... Ich weiß, dass du niemals davon laufen würdest.", gab Prisca unvermittelt diese Gedanken für Marcus wieder. Ihre Stimme klang fest und überzeugt in dem Moment und Prisca legte ihre ganze Überzeugungskraft in diese Worte. Klang sie nicht gerade wie eine von vielen Ehefrauen, die ihren Männern in Zeiten schwerer Entscheidungen durch Zuspruch stärkend zur Seite standen? Egal, ob sie dabei im Recht wären oder nicht, es war Priscas Wunsch dies bei Marcus zu vermögen, so wie sie auch bereit wäre, dies für ihren künftigen Ehemann zu tun.


    Erst seine unvermittelte Frage ließ sie wieder den Kopf etwas heben. Prisca vernahm diese ohne erkennbare Regung, doch innerlich erschrak sie zu tiefst. "Wie kann ich ihm nur dabei helfen? Er ist so unsicher und es bedeutet ihm so viel! ... was … wenn ich ihm etwas falsches rate, oder Helena … ? …wie kann ich wissen, wie sie darüber denken und reagieren wird? … " Prisca sah Markus lange an und blickte dabei in das Gesicht eines attraktiven Mannes, der sicher das Herz jeder Frau erobern konnte wenn er wollte, auch ungewollt, so wie es geschehen war … Der Glanz ihrer Augen war nicht mehr auf Freude begründet und einen Herzschlag lang zweifelte Prisca alles an, was sie zuvor gesagt hatte. Dann bewegte sie ihre Hand und strich ihm über die Wange. .. "ich kann ihm doch nur das raten, was ich selbst vernehmen möchte …


    "Geh zu Helena und zeige ihr, dass du sie liebst! Du weißt, wie ich es meine. ... So, wie wir beide uns lieben! Wir sind schließlich eine Familie und das wird auch Helena erkennen. Vielleicht nicht sofort … ich würde es sicher nicht! …", gestand sie ihm mit einem entschuldigendem Lächeln. " …Aber irgendwann! … Keine Vorwürfe oder Entschuldigungen! … Gib ihr einfach das Gefühl, dass du - das wir, ihre Familie, für sie da sein werden. " Es war, als spräche in dem Moment ihre Mutter aus ihr. Alles das was sie Prisca - in den Jahren der Erziehung - mit auf den Weg gegeben hatte. ... und doch konnte ihr Blick am Ende nur fragend und auffordernd zugleich wirken ...

  • Allmählich bildete sich ein immer noch weiter anschwellender Kloß in meinem Hals. Selten schienen meine Worte dieser Tage vor Freude glänzende Augen zu bewirken, vielmehr war das Gegenteil der Fall, wenn denn überhaupt eine Reaktion stattfand, die Gefühle verriet. In Helenas Fall war ich einfach nur ratlos, so unendlich unwissend und zugleich erfüllt von Furcht, etwas Falsches zu sagen und ein neuerliches Drama damit auszulösen. Hinzu kam der ständig präsente Erwartungsdruck seitens der Familie und von außerhalb. Prisca jedoch schenkte mir einen flüchtigen Moment der Ruhe. Wärme durchströmte mich und schmolz den hartnäckigen Kloß ein wenig, als sie ihren Kopf an meine Brust bettete und mir zeigte, dass sie mir Vertraute, obwohl ich annähernd alles falsch anging. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte, stieß ihn jetzt jedoch langsam und langgezogen aus.


    "Nein", erwiderte ich leise mit gesenktem Kopf und hielt Prisca fest umarmt. "Nie könnte ich mich der Verantwortung entziehen. Das würde mich nicht besser machen als einen dahergelaufenen Peregrinen. Es würde das Ansehen der Familie beschmutzen, und noch dazu das Andenken an meinen Vater." Niemals würde ich es übers Herz bringen, einfach fortzulaufen, auch wenn ich in anderer Hinsicht durchaus feige zu nennen war - das beste Beispiel bot gegenwärtig der ausstehende Besuch bei Helena. Als Prisca den Kopf hob und mich ansah, erwiderte ich ihren Blick ein wenig zerknirscht und schief lächelnd. Ihre Augen wirkten so lebhaft und zuversichtlich, und muteten nahezu ansteckend an, wenn da nicht dieser dunkle Abgrund gewesen wäre, dieser Sog, der Strudel, der mich anzog und meine Seele in den Abgrund zu saugen suchte. Noch hielt ich stand, doch ich ahnte, dass es mir nicht mehr allzu lange gelingen würde. Schwer schluckte ich, machte hernach eine unwirsche Geste und schickte die wenigen Sklaven damit fort, die uns noch umgaben. Leise verklangen die Füße auf dem unebenen Boden, als sie Prisca und mich allein ließen. Ihr Rat war mir teuer, und ich wollte ihn wirklich beherzigen. Doch Helena aufzusuchen war für mich ein Gräuel, etwas, vor dem ich gleichsam Angst hatte wie ich unsicher war. Bedrückt schwieg ich, einen Sonnenstrahl auf Priscas Haar betrachtend.


    "Was, wenn sie es falsch versteht?" brach es schließlich gequält aus mir heraus. "Sie...sie könnte das... Sie würde es wiederholen, nicht? Wie kann ich sie davor bewahren, Prisca? Wie könnte ich ihr versichern, für sie da zu sein, wenn ich doch niemals wieder Vertrauen darin haben könnte, dass sie... Dass sie...es...nicht wieder versucht?" wollte ich von ihr wissen, und einmal angefangen, sprudelte nun alles aus mir heraus, wohlweißlich, dass nur Prisca es hörte und für sich verwahren würde. "Es ist meine Schuld, dass sie es versucht hat. Was gibt mir die Sicherheit, sie nicht erneut unglücklich zu machen, ohne es zu ahnen? Ein falsches Wort, Prisca, und es passiert wieder. Und beim nächsten Mal ist vielleicht niemand da, der sie zufällig findet." Ich schwieg und schluckte. "Ginge es um mich - ich würde mit der Schuld leben können. Ich würde es müssen. Aber Helena - sie ist meine Base. Sie hat das ganze Leben noch vor sich! Ich könnte mir nie verzeihen, derjenige zu sein, der ihr dies nimmt."

  • Es war Marcus deutlich anzusehen welch schwere Last auf seinen Schultern ruhte. Besonders da dieser Tage so vieles geschehen war, was niemand hätte beeinflussen oder verhindern können. Niemand …nicht einmal Marcus! Auch wenn er als Familienoberhaupt für vieles die Verantwortung trug, so konnte doch auch er nicht vorher sehen, zu welch verzweifelter Tat Helena fähig wäre. Sicher gab es Anzeichen dafür, was in einem anderen Menschen vor sich ging - In seinen Worten, Gesten Verhaltensweisen - mochte vieles darauf hindeuten. Doch wie schwer wären diese wagen Vorzeichen zu erkennen? Vor allem, wenn es dieser Mensch vielleicht gar nicht zulässt, dass man diese Zeichen an ihm erkennt.


    Haben Helena und ich nicht noch Tage zuvor gemeinsam gelacht und gescherzt? Im Colosseum? … Ich habe nichts bemerkt, obwohl ich geahnt habe wie sie für Marcus empfindet. Ich hätte es wissen müssen! ... machte Prisca sich selbst zum Vorwurf, während sie mit leerem Blick den Sklaven nach sah, die Marcus eben mit einer unwirschen Geste fortschickte. Er rang mit sich und dem Gedanken zu Helena zu gehen … gehen zu müssen … wie konnte sie ihm dabei helfen, ihn unterstüzen? Gab es die Möglichkeit überhaupt?


    Schon sprach Marcus laut aus welche Gedanken und Zweifel ihn plagten. Aber was er verlangte wäre ebenso unmöglich, wie der Wunsch das Schicksal selbst bestimmen zu wollen. Prisca spürte wie sie selbst immer unsicherer wurde. Er hat recht. Was können wir tun, damit es nicht wieder passiert? Er - ich - wir Alle? Vor Verzweiflung über diese Gedanken drückte sich Prisca noch näher an Marcus. Wange an Wange, als könne sie ihm und sich so etwas mehr Halt und Zuversicht geben. "Ja es mag stimmen, Helena ist deine Base … du trägst die Verantwortung für sie, aber … in diesem Fall kannst nicht mehr tun wie ihr zu zeigen, dass du sie liebst und für sie da sein willst... ", gab Prisca ihm recht um sich gleich darauf mit einem tiefen Seufzer der Bedeutung bewusst zu werden, die sich damit verband. "So sehr ich es mir auch wünsche, aber wir können uns nie ganz sicher sein ...", sprach sie leise weiter und gab die Hoffnung nicht auf, dass Marcus bei ihren Worten ein wenig Trost und den Mut finden würde, um sich aus diesem Sog der Verzweiflung zu befreien ." Niemand kann das, Marcus! Niemand!… Nicht in dem was wir selbst tun und noch viel weniger in dem, was ein anderer Menschen tut oder in seinen Gedanken mit sich trägt. … " Prisca drehte den Kopf um Marcus tief in die Augen blicken zu können. Sie suchte Antwort und Zustimmung zugleich in ihnen und war sich ihrer eigenen Zweifel bewusst, die sie so überzeugt klingen ließen. "Wir können nur vertrauen! Und wir alle sollten Helena vertrauen."

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