Res gestae des aedilis curulis M' Flavius Gracchus

  • Noch bevor er die Rostra betrat, war sich Gracchus dessen gewahr, dass dies eine der kürzesten Reden seines Lebens würde werden. Es dauerte ihn dies sehr, denn in seinem Geiste hatte er zahlreiche, profunde Sätze dafür verwerfen müssen, doch es war weitaus agreabler, sich kurz zu halten, als beständig an Worten und Sätzen hängen zu bleiben, an Konstrukten zu stolpern und Buchstaben zu verschlucken. Ohnehin gab es nichts Rühmliches zu berichten und sich für getane Arbeit zu rechtfertigen, welche Inbegriff des Amtes war, war kaum angemessen für die Res gestae. Er stieg langsam die Stufen hinauf, denn noch immer vertraute er seiner Koordination nicht in ausreichendem Maße, und mied es, dem Rand der Rednerbühne allzu nahe zu kommen. Der Stoff der Toga ruhte schwer auf seinen Schultern und schwer auf seinem linken Arm, welcher die Falten hielt, doch Gracchus sträubte sich gegen die Atonie seiner Muskeln und blieb in gerader Positur stehen. Er suchte einen Punkt am Ende des Forums für seinen Blick, ließ nicht ihn über die Zuhörer schweifen, denn er wollte nicht wissen, welche bekannten Gesichter sich unter ihnen befanden, da noch vor einem einzigen Wort die Rede ihm bereits unangenehm war.
    "Bürger Roms ... "
    Die folgende Pause war nicht etwa in rhetorischer Absicht gesetzt, um der Zuhörer Aufmerksamkeit zu finden, sondern entstand nur aus jenem Grunde, da Gracchus in seinem Inneren noch die Worte wieder zusammen suchte und in richtiger Folge aneinander reihte.
    "An diesem Tag' ... stehe i'h, Manius Flavius Gracchus, ... vor euch, um Rechen..schaft abz'..legen über meine vergangene Amts..zeit als ... Aedilis cu..rulis."
    Als würden sich die Worte sträuben, er mit aller Absicht sie von ihrer Freiheit überzeugen, aus sich extorquieren müssen, drang der Satz ihm über die Lippen, und schlimmer noch als die Gewissheit, dass hunderte Zuhörer dies in eben jener defizitären Weise vernahmen, war die Tatsache, es selbst in jener Weise zu vernehmen.
    "Zu eurem Wohlg'..fallen, so hoffe ich, ... ließ ich Spiel' ausrichten zu den Mega..lesia..ca ... . Weiters trug i'h ... dafür Sorge, dass ' Geset..ze und Verordnun..gen der Märkte eingehalten wurden. Ebenso wie wirtschaft..liche Anträg' stets gewissenhaft ... ' ... wurden."
    Langsam tröpfelten seine eigenen Worte zurück in seinen Geist, so dass eine kurze Pause entstand, bis Gracchus das fehlende Wort bemerkte. Es war der Vorteil vieler Zuhörer, dass sein Blick keinem einzelnen von ihnen musste standhalten, sondern über die Köpfe hinweg in die Ferne konnte schweifen, als er jenes Wort, gegen das sukzessive wachsende Unwohlsein in sich ankämpfend, nach schob.
    "... bearbeitet wurd'n."
    Zuletzt nicht persönlich, doch die Kosten für jene fleißigen Mitarbeiter waren selbstredend aus seinen Kassen geflossen. Gracchus schluckte. Nie zuvor hatte er sich auf der Rostra solchermaßen unwohl gefühlt. Auf die Rednerbühne gehörten Redner, doch er war kein Redner mehr in diesen Tagen, etwaig nie wieder.
    "Über ... die Pflicht hinaus ... gibt es nicht mehr zu berich..ten, doch so ... Fragen ge..blieben sind, steh' ich zur Ant..wort b'reit."
    Er hatte Mercurius, dem Gott der Beredsamkeit und Kommunikation, noch am Morgen ein kleines Opfer gebracht mit der Bitte, jegliche öffentliche Fragen zu unterbinden, und ihm weitere Gaben versprochen, so er ebenfalls anschließende Zwiegespräche samt dortig getätigter Nachfragen würde von ihm fernhalten. Es war nicht, dass er sich vor Fragen oder Antworten scheute, doch es graute ihm davor, sie irgendwem gegenüber aussprechen zu müssen.

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  • Nachdem sie Gracchus einige Tage zuvor besucht hatte, ließ sie es sich nicht nehmen, zu seiner Res Gestae auf dem Forum zu erscheinen. Bereits sein Auftreten vor dem ersten gesprochenen Wort ließ eine dicke Runzel auf die Stirn der Claudierin treten. Beiläufig hielt sie nach Antonia Ausschau, um sich zu ihr zu gesellen, wenn sie sie erblickt haben würde. Doch ehe sie ihre Verwandte erspähen konnte, schwebten zwei Worte an ihr Gehör, und auf dem Forum wurde es merklich stiller, damit man die für den Flavier ungewöhnlich leisen Worte besser verstehen konnte.


    Während er sprach oder es zumindest versuchte, rutschten die Augenbrauen der Claudierin beständig hinauf und zogen sich dabei zusammen. Die Worte hervorzuwürgen, bescherte Gracchus sichtlich Unbehagen, und er sah alles andere als gesund und kräftig aus, befand Epicharis. Mitleidig schürzte sie ihre Lippen, legte unwillkürlich eine Hand auf ihr Dekollettée. Gracchus kämpfte sich wacker durch seine Rede. Sie konnte sich denken, dass er überall sonst lieber gewesen wäre als hier, auf dem Forum, wo er sich und seinen hoffentlich nur vorübergehenden Makel der Öffentlichkeit präsentierte. Vermutlich glaubte er, dass er keine andere Wahl hatte. Am liebsten wäre sie am Ende der Rede zu ihm gelaufen und hätte ihm versichert, dass es nicht einen Römer gab, der kein Verständnis für seine Situation aufbrachte, doch die Realität sah anders aus. Hinter sich vernahm sie bereits die ersten lakonisch-piesakenden Worte zweier Männer, die sich über die "unrühmlichen Gebrechen von Patriziern im Allgemeinen" und den "flavischen Fluch am Beispiel des emotionslosesten Flaviers im Besonderen" unterhielten. Epicharis ließ das Getuschel nicht lange währen, bis sie sich herumdrehte und die beiden anfauchte. "Schämen solltet ihr euch, darüber zu reden als würden die Götter euch ewig Gesundheit gerantieren!" blaffte sie amazonenhaft, raffte ihre tiefblaue Tunika und stolzierte davon - weiter nach vorn zur Rostra, wo sie mit aufgebrachtem Gemüt den weiteren Fortgang des Geschehens verfolgte. Die beiden, die ihrer Verärgerung zum Opfer gefallen waren, starrten ihr nach, bis sie hinter einem dicken Senator verschwand. "Hat die uns gemeint?" fragte der eine."Scheint so. Aber schnuckelig war sie ja", antwortete der andere und zuckte mit den Schultern. Das abfällige Gerede vergaßen sie darüber.

  • Auch wenn Macer sich vorgenommen hatte, möglichst viele Tatenberichte der scheidenden Magistrate anzuhören, wobei sein Interesse immer noch insbesondere den Aedilen galt, so konnte er trotzdem nicht nur deswegen den ganzen Tag auf dem Forum beziehungs in seinem Büro in der Basilica am Forum verbringen. Immerhin hielten sich häufig einige seiner Klienten auf dem Forum auf und als sich andeutete, dass Flavius Gracchus seine Rede halten sollte, eilten sie gleich los, um ihren Patron zu informieren. Bis Macer dann allerdings tatsächlich in einer Brunnenstube einige Straßenzüge weiter angetroffen wurde, wo er sich gerade ein Problem mit einem Wasserverteiler hatte erklären lassen, und dann das Forum erreicht hatte, war die Rede allerdings schon beendet. Anscheinend wartete der ehemalige Aedil nur noch auf Nachfragen, die Macer natürlich nicht stellen konnte, da er den Inhalt der Rede nicht kannte. Vorsichtig schob er sich nach vorne, bis er einige bekannte Gesichter unter den Zuhörern erreicht hatte. "Hat er etwas bemerkenswertes berichtet? Also außer den hervorragenden Spielen? Irgendwelche Skandale, die er sich bis zum Schluß aufgehoben hat?"

  • Zitat

    Original von Claudia Epicharis


    Auch Antonia hatte es sich nicht nehmen lassen, an diesem Tag den Res Gestae ihres Gatten zu lauschen. Zu gut wusste sie, dass er gesundheitlich alles andere als auf der Höhe war und ebenso gut, dass er einen solchen Grund niemals vorschieben würde, um sich vor jener Pflicht zu drücken.
    Nicht allzu weit vorne hatte sie ihren Posten bezogen, wollte sie doch nicht durch ihre Anwesenheit Gracchus aus dem Konzept bringen. Zwar nahm sie nicht an, dass sie alleine dies auslösen würde, doch alle Eventualitäten mussten abgesichert sein.
    Es brach ihr das Herz, als der Flavier schließlich leise und fast zögerlich seine Stimme erhob. Als stünde ein anderer Mensch auf der Rostra, als hätte man Manius Flavius Gracchus ausgetauscht und einen anderen Geist in seinen Körper gezwängt, so wirkte er in jenem Moment auf die Claudia. Noch immer stammelte er mehr, als das er sprach, kämpfte er sich durch Sätze und Worte. Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, holte sie tief Luft, um anschließend den Kopf ein wenig einzuziehen. Nichtsdestotrotz blieb ihr Blick fest auf dem Redner hängen. Das leise Murmeln, das um sie herum einzusetzen begann, hörte sie kaum, es interessierte sie nicht. In einem Jahr, dessen war sie sich sicher, wäre er wieder ganz der Alte. Früher, gewiss bereits früher schon. Aesculap würde dafür sorgen, hatte sie ihm doch im Laufe der letzten Wochen wieder und wieder Opfer dargebracht.
    Keine Fragen. Bisher hatte niemand aus dem Zuschauerraum Fragen gestellt. Fortuna schien ihrem Gatten hold zu sein und so wagte Antonia bereits ein leichtes Lächeln. Sollten die Wölfe Roms einen anderen zerfleischen.
    "Herrin?", hörte sie ihren Sklaven Pallas flüstern.
    "Hm?"
    "Deine.. äh.. Verwandte. Dort drüben. Claudia Epicharis."
    Antonia reckte den Kopf, konnte jedoch nur von hinten sehen, wen der Kelte meinte.
    "Epicharis? Sicher?", hakte sie nach, verspürte sie doch keine allzu große Lust, einer Fremden in die Arme zu laufen, um sich anschließend für den Irrtum entschuldigen zu müssen.
    "Ganz sicher."
    Jene Auskunft genügte ihr. Sie nickte kurz, bedeutete dem Sklaven voranzugehen und den Weg frei zu machen. Und tatsächlich, als sie sich von der Seite näherten erkannte Antonia ihre Cousine.
    "Epicharis!", richtete Antonia das Wort an sie, als der kleine Trupp bei ihr angekommen war. "Wie schön, dich hier zu sehen."

  • Immer noch leicht verstimmt ob der einfältigen Römer, die sie soeben zurückgelassen hatte, war der Gesichtsausdruck der Claudia nachdenklicher Art, als ihre Cousine auf sie zusteuerte. Doch als sie diese erblickte, erhellte sich ihr Antlitz und sie machte einen Schritt vor, um Antonia locker zu umarmen. Von Etikette hielt Epicharis sonst viel, doch was Bekundungen von Freude anging, fiel sie ziemlich aus der Rolle und war eher überschwänglich denn ein Eisklotz. "Antonia!" begrüßte sie genau diese. "Ich hatte vorhin schon nach dir Ausschau gehalten, aber du hast dich zu gut versteckt", erklärte sie verschmitzt, als sie Antonia wieder losgelassen hatte. "Wie geht es dir?" wollte sie dann wissen und unterzog ihre Cousine einer genauen Musterung. War sie etwa dicker geworden? Sie schien mehr Oberweite zu haben, stellte Epicharis mit einem leicht sehnsüchtigen Blick fest. "Ich hätte dich ohnehin in den nächsten Tagen besucht, denn ich muss dich etwas Wichtiges fragen!" bemerkte Epicharis dann und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Gracchus war für einen Moment vergessen, zumal ohnehin bisher scheinbar keiner eine Frage stellen wollte.

  • Manche Pflichten waren schmerzhaft. Aber deswegen erledigten sie sich nicht von selbst, und so sehr es mich auch schmerzte, meinen Vetter und Geliebten wie ein Wrack auf der rostra sehen zu müssen, gerade gehalten durch seinen unbezwingbaren Willen und weniger durch die Stärke seines Leibes, so sehr machte es mich auch stolz zu wissen, dass er nicht aufgegeben hatte und sich von seinem Leiden nicht zu Boden ringen ließ.
    Es war mir wohl bewusst, dass er neben den Spielen keine wirklichen, öffentlichkeitstauglichen Erfolge während seiner Amtszeit eingefahren hatte - bis auf sein Pflichtbewusstsein, das ihn an seinen gesunden Tagen hatte über alle Maßen arbeiten lassen - und genau deswegen hatte ich alle meine Klienten angewiesen, mich heute zu begleiten. Es waren keine wichtigen Männer, die wenigsten davon klug oder in irgendeiner Weise besonders, außer, dass sie sich zumeist redlich mühten, ihre Familien gut über die Runden zu bringen und dass sie zum Klientenstamm meines Zweiges der Familie gehörten, aber sie brachten gerade bei solchen Angelegenheiten die erforderlichen Qualitäten mit, um sie zu wertvollen Klienten zu machen:


    Jeder hatte ein Paar gesunder Hände und war durch meine großzügigen sportulae dazu motiviert, so laut zu klatschen, wie er nur konnte. Natürlich hatten sie sich etwas in der Menge verteilt, damit es nicht zu offensichtlich wirkte, und als mein Vetter seine elegisch kurze Rede beendet hatte, nickte ich unauffällig.
    Ein Mann weiter hinten begann zu klatschen, dann fielen einige andere ein und zu guter Letzt klatschte auch ich laut und gut sichtbar mit, angetan mit der toga praetexta, die mich als amtierenden magistratus auswies und einige der neugierigen Gaffer wohl auch dazu verleitete, mit in das Klatschen einzustimmen, man konnte ja nie wissen, wofür es gut war, für etwas zu klatschen, für das ein magistratus auch klatschte. Einen praktischen Nebeneffekt hatte es auch: Es enthob Manius der Notwendigkeit, allzu schnell neue Fragen beantworten zu müssen, und ich war mir ziemlich sicher, dass er froh sein würde, wenn diese Veranstaltung bald vorbei wäre.


    :app:


    Erst als der Beifall langsam abflaute, bemerkte ich, dass ein Mann in der Menge mir bekannt war - ich hatte nicht allzu weit vorne gestanden, direkt unter der rostra wirkte es immer ein bisschen bemüht, und steuerte nun meinen patronus an, der sich gerade mit einem anderen zu unterhalten schien.
    "Salve, patronus!" sagte ich gut vernehmlich und blickte nach vorn, wo Gracchus noch immer aufrecht stand. "Manchmal glaube ich, mein Vetter beherrscht die römischen Tugenden wie kein anderer. Kürze bei einer politischen Rede, die den meisten doch nur dazu verleitet, sich selbst über Gebühr zu loben, ist ein Zeichen großer Bescheidenheit."

  • Bisher hatte Macer kaum etwas zum Inhalt der Rede von den Zuschauern erfahren können, so dass ihm sein Klient gerade recht kam. "Salve Aquilius. Das tut er zweifellos und er schafft es offenbar dennoch, uns regelmäßig zu überraschen. Erst ein faszinierendes Theaterstück, dann nun offenbar nur eine kurze Rede, wo er doch sonst gerne lang und ausgefeilt spricht. So sind mit seine Worte nun auch leioder entgangen, ich bin gerade erst gekommen." Fragend blickte er seinen Klienten an, der ihm nun sicher eine Zusammenfassung der Rede geben würde, was bei einer kurzen und zweifellos trotzdem ausgefeilten Rede schwierig sein dürfte, dachte sich Macer. Womöglich würde es passieren, dass die Zusammenfassung dadurch länger würde als die eigentliche Rede.

  • Zitat

    Original von Claudia Epicharis


    Es war Antonia seit jeher schleierhaft, wie ein Mensch alleine so viel gute Laune und Unbeschwertheit verbreiten konnte, wie ihre Cousine. Dies allein wäre vielleicht so ungewöhnlich nicht, doch wenn jemand Antonia damit anstecken konnte, galt es durchaus seine Bewunderung auszusprechen. Fröhlich strahlte sie Epicharis an.
    „Ohja, ich war dort hinten.“, erwiderte sie und deutete in eine Richtung. „Hab mich zwischen dem Gemüse versteckt.“
    Aus der Umarmung wieder entlassen, wollte ihr das Grinsen gar nicht wieder aus dem Gesicht verschwinden.
    „Es ging mir nie besser.“ War dies vor wenigen Minuten vielleicht nicht ganz die Wahrheit, so stimmte es doch zumindest in diesem Augenblick. Die Musterung der Verwandten bemerkend, sah auch sie selbst an sich hinab. Sah man etwa schon etwas? Der eigene Blick befand ‚Nein’, doch war Antonias Selbsteinschätzung ohnehin nie die Beste gwesen. So sah sie wieder ihrer Cousine in die Augen.
    „Du wolltest mich besuchen? Oh, das trifft sich hervorragend, ich muss dir ohnehin etwas erzählen. Doch zuerst.. was wolltest du mich denn Wichtiges fragen?“
    Natürlich entging der Claudia nicht, dass Epicharis noch einen deut glücklicher schien als sie dies sonst ohnehin tat. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Neugier Antonias geweckt. Ohne den Grund hierfür genannt zu haben, würde die Cousine heute nicht mehr nach Hause kommen.

  • Lachend hielt sich Epicharis eine Hand vor den Mund, als sie sich vorstellte, dass ein großer Kürbis ihr die Sicht auf Antonia versperrt hatte. Irgendwie gelang es ihr aber doch, etwas darauf zu entgegnen. "Ah, deswegen, siehst du!" Antonia wirkte heute so locker und fröhlich, zwei Eigenschaften, die Epicharis nur selten an ihrer Cousine bemerkt hatte zuvor. Was vielleicht aber auch daran liegen mochte, dass sie sich defintiv zu selten sahen. Allerdings würde das nun auch bald ein Ende haben, dachte sie aufgeregt.


    "Das freut mich zu hören", erwiderte Epicharis, und kurz milderte sich ihr Lächeln ab, als sie an Gracchus' Gebrechen dachte und sich fragte, ob das wohl der Grund für Antonias gute Laune war. Immerhin war ihr recht schnell aufgefallen, dass das Verhältnis der beiden zueinander ganz anders war als das zwischen Aristides und ihr. Wobei sie allerdings auch noch nicht verheiratet waren... Und wie Antonia und Gracchus vor ihrer Hochzeit zueinander gestanden hatten, wusste Epicharis nicht, denn sie war zu diesem Zeitpunkt in Spanien bei ihrer Tante gewesen, um sie zu pflegen. Aber so böse Dinge unterstellte sie nur ungern jemandem, und erst recht nicht ihrer Cousine. So schob sie die Gedanken also weit von sich und rief sich in Erinnerung, was sie Antonia hatte fragen wollen.


    "Ja, ich..." begann sie enthusiastisch, um dann überrascht zu blinzeln. "Oh, wolltest du? Wenn du möchtest, kannst du auch zuerst....? Na gut. Also... Es ist vielleicht ein wenig unpassend, dich das hier auf dem Forum zu fragen, aber da wir nun einmal hier sind... Ich wollte dich fragen, ob du meine Pronuba sein möchtest." Gespannt sah Epicharis Antonia an. Es passte alles, sie war in erster Ehe verheiratet und sie würde wissen, worauf es ankam. Nicht zuletzt beim Zurechtmachen des Zimmers für die Nacht der Nächte. Vielleicht hatte sie sogar Tipps für Epicharis, aber wenn dem so war, wollte sie das ganz sicher nicht auf dem Forum erörtern.

  • Sie beeilte sich den Kopf zu schütteln, als Epicharis zunächst ihr den Vortritt lassen wollte. Nein, ihre Neugier war stärker als ihr Mitteilungsdrang, so lauschte sie mit glänzenden Augen den Worten ihrer Verwandten.
    "Ich? Du möchtest, dass ich.. ?"
    Gänzlich überwältigt von jener Bitte schossen ihr die Tränen in die Augen. Eine vor wenigen Monaten noch unvorstellbare Gefühlsregung mitten auf dem Forum. Es musste doch etwas an dem Gerücht sein, dass schwangere Frauen jene Bereiche ihres Körpers, welche die Emotionen steuerten, kaum noch kontrollieren konnten. Sich mit einer Hand Luft zufächernd kam zuerst nur ein erstickter Laut über ihre Lippen.
    Schnell griff die Claudia jedoch die Hand von Epicharis, eifrig nickend.
    "Gerne, es ist mir eine Ehre."
    In der Tat, das war es. Kaum ausgesprochen jedoch kamen erste Zweifel in Antonia auf. War sie überhaupt geeignet für eine solche Aufgabe? War sie nicht vielmehr die Letzte, die Pronuba sein sollte? Sie war ja kaum fähig, ihre eigene Ehe in die richtigen Wege zu leiten, wie sollte sie das bei jemand anderem vollbringen? Nein, eine Ehe wie die ihre wünschte sie Epicharis wahrlich nicht, wenngleich sich ihre Verwandte recht gut mit Gracchus zu verstehen schien. Das Schicksal spielte bisweilen sonderbare Spiele.
    Ihre Lippen begannen zu zucken. Nein, Epicharis war so gänzlich anders als sie selbst. Und Aristides war anders als Gracchus. Sie würde der ganze Stolz ihres Gatten sein und ihr Gatte würde sie gewiss aufrichtig lieben, so er dies nicht bereits tat. Ein sehnsüchtiger Seufzer entfleuchte Antonias Kehle.
    Jener kurze Anflug von Melancholie war jedoch ebenso schnell abgeschüttelt, wie er aufgetaucht war und wich dem Lächeln, das sich hart seinen Platz an der Sonne erkämpfte und vorerst nicht wieder zu weichen gedachte.
    "Wann soll es denn so weit sein? Noch in diesem Jahr? Sommer? Herbst? Winter? Oh, du willst doch wohl nicht im Winter heiraten, da ist es viel zu ungemütlich."

  • Hätte Gracchus auch nur geahnt, dass seine Gemahlin zwischen den Zuhörern vor der Rostra stand, vermutlich hätte ihn dies noch weitaus eher zur Flucht getrieben denn das Wissen um all jene anderen, namenlosen Zuhörer. Da jedoch Antonia sich nie zuvor für Politik im Allgemeinen und die seine im Speziellen hatte auch nur im Ansatze interessiert - zumindest glaubte er dies - so vermutete er sie in diesem Augenblicke an jedem anderen Flecken in Rom, doch nicht dort, wo sie war. Die befürchteten Fragen indes blieben glücklicherweise aus, es war ein unrühmliches, allfällig blamables Ende einer gänzlich unrühmlichen Amtszeit, doch zumindest war es ein schnelles. Gracchus verließ die Rostra, strebte von seinen Sklaven und einigen Klienten flankiert - so dass erst niemand für weitere Worte an ihn würde gelangen können - zu seiner Sänfte und sank, sobald die Vorhänge sich hatten geschlossen, tief in die Kissen zurück, schloss die Augen, als wäre die Welt fort, so er sie nur nicht sehen konnte, und verharrte beinahe regungslos bis zurück zur Villa Flavia.

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  • Fassungslos sah Epicharis Antonia dabei zu, wie ihre Augen feucht wurden. Besorgt legte sie ihr eine Hand auf den Unterarm und rückte ein wenig näher an ihre Cousine heran. "Antonia? Ist alles in Ordnung?" wollte sie beunruhigt wissen. Schon begannen die Rädchen in ihrem Kopf sich zu drehen und ihr ein schlechtes Gewissen zu bereiten, ohne dass sie hätte sagen können, warum dem so war. Fand Antonia ihre Bitte unpassend? Gar anstößig? Aber warum?


    Doch im nächsten Moment bereits fiel die Sorge ein wenig von Epicharis ab, denn Antonia ergriff ihre Hand und erklärte, dass sie gern die Rolle der Pronuba übernehmen würde. Epicharis atmete auf. "Wie schön! Du wirst bestimmt eine wundervolle Pronuba abgeben", beeilte sie sich zu sagen, obwohl sie immer noch ein wenig skeptisch wegen der feuchten Augen war. Doch da fiel es ihr ein: Sicher hatte Antonia sich an den Tag ihrer eigenen Hochzeit erinnert. Mitgefühl schwappte über Epicharis hinweg, obwohl sie immer noch nicht verstand, warum Antonia und Gracchus sich einander nicht so gut zu verstehen schienen. Beiläufig wandte sie den Kopf und ließ den Blick über die Rostra schweifen, doch nun war sie leer. Gracchus war fort. Mit einem Stirnrunzeln wandte sie sich wieder Antonia zu, strahlte sie jedoch an, als sie nach dem Zeitpunkt der Feier fragte. "Oh, Marcus möchte so schnell wie möglich heiraten... Am liebsten in zwei Wochen schon, hat er gestern gesagt. Wir haben auch eine kleine Abweichung geplant. Stell dir vor: wir verlegen den ersten Teil der Feier in den Garten, in dem er um meine Hand angehalten hat! Ist das nicht romantisch?" Epicharis verdrehte euphorisch die Augen, fasste die Hände zusammen und seufzte tief. Dass sie damit mehr denn je in das Märchenklischee passte, war ihr absolut gleichgültig. Dann aber fiel ihr ein, dass Antonia ihr auch etwas erzählen wollte, und neugierig musterte sie sie. "Aber was gibt es denn bei dir Neues?" fragte sie Antonia aus.

  • Auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden hin winkte sie nur kurz ab und lächelte. Alles war beileibe nicht in Ordnung, doch welcher Mensch konnte dies schon von sich behaupten? Nichtsdestotrotz wollte sie ihre Cousine nicht beunruhigen.
    Was die Versicherung anging, sie sei gewiss eine wundervolle Pronuba, so wurde Antonias Lächeln bereits wieder unsicher. Sie würde einige Freundinnen befragen, die bereits jene Pflicht übernommen hatten. Abgesehen davon konnte es wohl auch nicht schaden, dem ein oder anderen Gott ein Opfer darzubringen. Ohja, gleich am nächsten Tag würde sie losziehen.
    "In zwei Wochen schon?", platzte es dann ein wenig lauter als beabsichtigt aus ihr heraus. "Habt ihr denn da genug Zeit für die Planung?"
    Gewiss. Dem Flavier, wie auch der Claudia, stand schließlich ein ganzes Heer aus Sklaven und Speichelleckern zur Verfügung, welche nur auf eine solche Gelegenheit warteten, um sich durch besonderes Engagement hervor zu tun.
    "Im Garten.. ja, eine schöne Idee. Wollen wir nur hoffen, dass sich das Wetter hält, es wäre ein Jammer, wenn ein Regenschutz aufgestellt werden müsste und so den Himmel verdeckte."
    Ein schiefes Grinsen verriet im Ansatz den Neid, der in Antonia aufzukeimen begann. Warum schien jeder andere das Leben zu bekommen, dass er sich erhoffte, nur sie nicht? Was machte sie nur immer und immer wieder falsch? Epicharis' Frage erinnerte sie daran, dass in jüngerer Vergangenheit ja nicht alles falsch gelaufen war.
    "Bei mir? Oh, ja. Du wirst es nicht glauben."
    Aller Neid, alle Zweifel, jeder pessimistische Gedanke war im Nu fortgewischt, stattdessen strahlte die Claudia mit der italischen Sonne um die Wette.
    "Nach all der Zeit.. all diesen Jahren hat es endlich geklappt."
    Ihre Hand wanderte zu ihrem Bauch.
    "Ich bekomme ein Kind, stell dir vor."

  • Epicharis kicherte und nickte dann geschäftig. "Ja, in zwei Wochen! ich habe eigentlich keinen Zweifel daran, dass es klappt. Hochzeiten laufen ja im Allgemeinen nach einem bestimmten Muster ab, und für die Sklaven, die sich darum kümmern werden, ist es ja nicht die erste Hochzeit." Von Antonias Zaudern bemerkte sie freilich nichts. "Hoffen wir einfach, dass das Wetter sich halten wird", sagte sie und lächelte breit. Oh, sie war ja so aufgeregt! Wenn sie nur an den Tag dachte, der ihr bevorstand, wurde ihr ganz flau im Magen. Manchmal wurde ihr ein wenig bang, dass sie nicht alles richtig machen würde. Aber sie war eine Claudierin, da würde sie nicht wanken, sondern standhaft bleiben. Immerhin würde dann auch ein neuer Abschnitt ihres Lebens anbrechen.


    Doch Epicharis drängte alle Gedanken zur Seite, um sich nun ganz auf Antonia zu konzentrieren. Gespannt sah sie die Ältere an, die noch einmal Epicharis' Neugier schürte, ehe sie mit der frohen Botschaft herausplatzte, die Epicharis zunächst nur halb verstand. Sie wollte schon fragen, was endlich geklappt hatte, da rutschte ihr Blick auf Antonias Hand, die ihrerseits zu deren Bauch rutschte, und Epicharis' Augen weiteten sich vor Überraschung. Als dann auch noch Antonia ihren Verdacht bestätigte, hüpfte Epicharis zwei-, dreimal auf und ab und klatschte dabei in die Hände. Ehe sich Antonia dann versah, befand sie sich in einer festen Umarmung, und Epicharis queitschte ihr freudig ins Ohr. "Du wirst eine Mama!" freute sie sich wenig intelligent, bevor sich Antonia losließ und stattdessen ihre Hände angelte. "Ach, ich freu mich so für dich! Für euch! Hast du es Gracchus schon erzählt? Oh, natürlich hast du. Was hat er gesagt? Er muss doch überglücklich sein, nicht wahr? Was denkst du, wird es? Ein kleiner Gracchus oder eine kleine Antonia? Oh, und denk dir nur, unsere Kinder können zusammen aufwachsen!" Nicht einmal schien Epicharis Luft zu holen, so schnell purzelten Glückwünsche, Vorstellungen und sonstige Worte durcheinander, und währenddessen strahlte sie Antonia an wie ein Honigkuchenpferchen mit extra Honigüberzug.

  • Nun endlich bemerkte auch Antonia, dass ihr Gatte nicht mehr auf der Rostra stand. Stirnrunzelnd nahm sie es zur Kenntnis. In Gedanken legte sie diese Res Gestae als die wohl einzigen ab, in der das Volk von Rom ein einsehen mit einem verdienten Magistraten hatte und diesen nicht mehr als nötig quälen wollte, hatte sie doch keine einzige Frage zu seiner Amtszeit gehört. Nun, vielleicht hatte sie es auch einfach überhört. Recht schnell fand ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder ihre Verwandte, schenkte ihr ein gelöstes Lächeln.
    „Ich werde Apollo ein Opfer darbringen, damit er die Sonne am Himmel hält.“, versprach sie. „Oder lieber noch Venus.. und Iuno.. hm.. in zwei Wochen schaffe ich es vielleicht sogar, all unseren Göttern ein Opfer darzubringen. Wobei.. nein, dann habe ich ja für nichts anderes mehr Zeit.“
    Antonias Laune schwang wieder um zu fröhlich-ausgelassen und würde wohl vorerst auch so bleiben.„Ich muss mich ja schließlich auch noch über meine Rolle als Pronuba informieren. Nicht, dass ich am Ende alles falsch mache und das Hauptgesprächsthema in der nächsten Klatschspalte der Acta werde.“
    Schelmisch grinsend zwinkerte Antonia ihrer Cousine zu, wusste sie doch, dass diese die Lectrix in der Staatszeitung war.


    Der gänzlich unpatrizische Gefühlsausbruch, der nun folgte, entlockte der Schwangeren ein nachsichtiges Lächeln. Selbst beim Freuen über die Schwangerschaft stellte Epicharis sie mit ihrer ungebändigten Fröhlichkeit in den Schatten. Wie so oft stellte Antonia fest, dass manche Eigenschaften äußerst ungerecht auf die Menschen verteilt wurden. Ihre Augen folgten der auf- und abhüpfenden Cousine, ehe sie von dieser gedrückt wurde, sodass die Luft aus ihren Lungen entwich. Die freudig-hohe Stimme an ihrem Ohr war scheinbar der Höhepunkt des Freudentaumels.
    „Ja, man stelle sich das nur vor. Ich eine Mama.“, pflichtete sie ebenso wenig intelligent bei. Die folgende Minute füllte Epicharis bereits mit ihren zahllosen Fragen, sodass Antonia sich ordentlich anstrengen musste, um nicht den Faden zu verlieren.
    „Ich.. Gracchus, jaja, er.. wir freuen uns so sehr. Ich hoffe natürlich, dass es ein Junge wird. Ein Stammhalter für meinen Mann, aber eigentlich wäre mir ein Mädchen auch recht.“
    Angesichts der Schwierigkeiten, allein dieses eine Kind zu zeugen wäre ein Sohn wohl weitaus besser, konnte Antonia doch nicht sicher sein, jemals wieder schwanger zu werden.
    „Unsere Kinder.. ja, dann beeile dich mit dem schwanger werden, sonst wird das doch nichts. Du siehst ja, wie lange es bei mir gedauert hat.“
    Innerlich hegte sie freilich nicht den geringsten Zweifel, dass Epicharis es hierbei ungleich leichter haben würde, als sie selbst, wie im Grunde genommen jeder Mensch auf dieser Welt es leichter zu haben schien. Zumindest was diesen Punkt betraf.
    „Ach, stell dir vor, vielleicht werden es ja beides Jungs, dann können sie irgendwann gemeinsam in die Politik.. oder zwei Mädchen, die halb Rom den Kopf verdrehen werden.“

  • Sim-Off:

    herrlich! *kicher*


    Hinter vorgehaltener Hand kicherte Epicharis und winkte ab, als Antonia zugab, nicht allen Göttern ein Opfer darbringen zu können. "Natürlich werde ich Juno auch ein Opfer darbringen. Man kann ja nie wissen. Und es gehört sich ja auch so." Epicharis nickte nachdrücklich und grinste Antonia dann an. "Ach, ich bin sicher, dass ich das unserem Auctor ausreden kann. Er ist ein recht umgänglicher Mensch. Und er hat Mitleid mit unschuldig wirkenden Frauen", erzählte Epicharis und kicherte erneut. Antonia würde sicher verstehen, warum - immerhin waren sowohl Epicharis als auch Antonia nicht so unschuldig wie sie sich bisweilen gaben. Zumindest bezüglich sich selbst konnte Epicharis das behaupten. Aber sowas lag einfach im claudischen Blut.


    "Eine außerordentlich tolle Vorstellung!" kommentierte Epicharis und nickte mehrmals bekräftigend. "Wir werden viele kleine schicke Hemdchen kaufen müssen. Ich werde dich natürlich gerne begleiten. Vielleicht schieben sich dann zwei runde Bäuche über den Trajansmarkt, was meinst du?" Epicharis verdrehte verzückt die Augen und jauchzte. "Wenn es doch nur schon soweit wäre..." Hoffentlich würde es nicht so lange dauern wie bei Antonia und Gracchus. Bei dem Gedanken daran wurde Epicharis ein wenig ernster, zuckte mit den Schultern und sagte: "Ach. Und wenn es erst eine Tochter und dann ein Sohn wird, ist es doch auch nicht schlimm. Dann hat der Kleine später wenigstens jemanden, der ihm die Leviten lesen kann, wenn du mal nicht da bist." Eine Miniatur-Antonia, um genau zu sein. Epicharis stellte sich das vor, und plötzlich prustete sie vor lachen und schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht vollkommen draufloszubrüllen. Antonias Rat, sich zu beeilen, ging darüber beinahe unter. Als Epicharis wieder ein wenig Luft geschnappt hatte und sich ernsthaft bemühte, die Rötung aus ihrem Gesicht zu vertreiben, regte Antonia ihre Gedanken schon wieder an. "Oh ja, und egal was sie werden oder was aus ihnen wird, sie werden die schönsten Römer werden, die Rom je gesehen hat. Immerhin entspringen sie claudischen Schößen, und Gracchus und Marcus sehen jaschließlich umwerfend aus. Ach. Da fällt mir ein..." Epicharis war schlagartig ernst. "Marcus' Mutter will, dass wir cum manu heiraten." Was bedeutete, dass Epicharis dann rein rechtlich gesehen keine Claudia mehr war, sondern eine Flavia.

  • Sim-Off:

    :D


    „Gewiss. Iuno ist in diesem Fall die wichtigste Gottheit.“
    Vorsichtig schielte Antonia nach oben. Von einem Blitz wollte sie heute schließlich nicht getroffen werden. „Wenn ich schon unterwegs bin sollte ich vielleicht gleich die Opfergaben kaufen gehen. Bekomme sicherlich Mengenrabatt.“
    Fröhlich stimmte sich in Epciharis’ Kichern mit ein, setzte jedoch umgehend ihr geschocktes Gesicht auf, als die Betonung auf ‚unschuldig wirkend’ kam.
    „Bitte? Wirkend? Willst du etwa behaupten, ich sei nicht die Unschuld in Person? Ich? Also wirklich, das hätte ich nun nicht von dir gedacht. Unverschämtheit.“
    Eine alberne Antonia. Hätte jemand dies vor einem halben Jahr vorhergesagt, er wäre mit Sicherheit für verrückt erklärt worden. Doch Hormone konnten bisweilen grausame Streiche spielen. Sobald sich diese wieder normalisiert hatten, würde die Claudia gewiss bereuen, wie sie sich bisweilen verhalten hatte. So völlig untypisch und unpatrizisch.


    Schließlich gab sie sich jedoch auch wieder den Wunschvorstellungen über noch nicht einmal geborene Kinder hin. Sie konnte förmlich sehen, wie es einmal werden würde. Oder besser, wie es werden würde, wenn die Mütter das Sagen hatten. Erfahrungsgemäß taten Kinder jedoch nur selten, was ihre Mütter für sie planten.
    „Ohja, Einkaufen für die Kleinen. Daran habe ich bisher noch gar nicht gedacht.“ Erschrocken schlug sie eine Hand vor ihren Mund. „Herrje, das muss ich ja auch noch erledigen, ehe ich zu rund werde, um auch nur einen Fuß vor die Türe zu setzen.“
    Zustimmend nickte Antonia schließlich. Vermutlich war es wirklich nicht so wichtig, ob nun Junge oder Mädchen. Dennoch konnte sie sich der Vorstellung nicht verwehren, dass sie in Gracchus’ Augen erneut die Versagerin wäre, würde es ein Mädchen werden.
    Dem Heiterkeitsausbruch ihrer Großcousine setzte Antonia eine gespielt beleidigt vorgeschobene Unterlippe entgegen. Als ob sie jemals jemandem derartig die Leviten gelesen hätte. Nunja, dem Kind irgendwann einmal vielleicht. Als sie schon zu befürchten begann, Epicharis könne in all der Lacherei noch den Erstickungstod erleiden, beruhigte diese sich wieder. Ein ernsteres Thema beherrschte wieder die Runde.
    "Cum manu?", wunderte Antonia sich. Äußerst ungewöhnlich. "Hm.. also.. weißt du, Marcus und seine Mutter.. naja."
    Ein wenig hilflos lächelte Antonia ihre Verwandte an. Dass Aristides ein ganz besonderes Verhältnis zu seiner Mutter hatte, war in der flavischen Villa wahrlich kein Geheimnis. Die alte Schabracke würde Epicharis sicher noch das Leben schwer machen. Sei es direkt oder indirekt.
    "Willst du denn darauf eingehen?"

  • Epicharis nickte geschäftig. Sie würde nicht heiraten können, ohne zuvor Iuno ein Opfer dargebracht zu haben. Als sie Antonia vom Mengenrabatt sprechen hörte, unterdrückte sie ein erneutes Kichern, und deswegen brach sich nun ein leises Grunzen Bahn. Ganz allmählich wurden auch Epicharis' Augen groß. Sie hatte Antonia noch nie so unbefangen erlebt. Lag das an der Schwangerschaft? Es musste daran liegen. Sicher fiel damit auch eine große Last von Antonia ab. Epicharis schmunzelte. "Eigentlich sind wir doch alle ein bisschen...hm, ja, du weißt schon, was ich meine", sagte die Claudierin und grinste vielsagend.


    "Ach was, das geht schon. Notfalls kugeln wir duch durch die Subura." Hinter der Hand versteckte Epicharis das anzügliche Grinsen und sprach dann schnell weiter. "Uns, meine ich. Denn ich werde vermutlich auch ziemlich rund sein. Sag mal, weißt du eigentlich, ob man hinterer gleich wieder genauso ist wie...naja, vorher?" Epicharis blinzelte Antonia an. Sie wollte kein Kind aus sich herauspressen, nur um dann immer noch auszusehen wie ein schlaffer Ballon. An ihre Mutter konnte sie sich nicht erinnern, und da Lucilla auf dem Land weilte, konnte man sie auch nicht als Anschauungsobjekt benutzen. Epicharis runzelte die Stirn, musste sich aber schon wieder ein Grinsen verkneifen, als sie Antonias Schmollmund sah. Die Beantwortung der Frage allerdings ließ Epicharis nun vollkommen verwundert dreinschauen. "Naja?" widerholte sie ratlos. "Wie meinst du das, naja? Kennst du sie? Marcus redet immer nur von ihr. Sie muss eine sehr nette Frau sein." Zumindest behauptete das Aristides stets. Epicharis war sich nun nicht mehr so sicher. "Hm. Ich denke schon. Zumal... Naja, Vater dreht irgendwie am Rad, weißt du. Er hat scheinbar auch schon eingewilligt, insofern habe ich wohl ohnehin nichts mehr zu sagen. Aber Marcus und ich haben abgemacht, dass mir dennoch die Möglichkeit einer Scheidung offenstehen würde, wenn.... Naja, sollte ich es irgendwann wollen." Epicharis runzelte die Stirn ein wenig und seufzte.

  • Epicharis' Grunzen entlockte Antonia ein halb amüsiertes, halb schockiertes Grinsen. Eine Claudia, die vor der Rostra grunzte. Die alten Kaiser würden im Grabe rotieren.. sofern sie nicht verbrannt worden wären.. der Ruß würde einen Tornado bilden.
    "Nein, ich weiß nicht, was du meinst.", entgegnete sie mit bestem Unschuldsgesicht. "Mir würde auf Anhieb keine Claudia einfallen, die nicht das Abbild der Tugend und Unschuld wäre."
    Das Zucken ihrer Mundwinkel verriet, wie schwer sich die Patrizierin das Lachen verkneifen musste. Nein, wenn ihre Verwandten und Vorfahren eines mit Gewissheit nicht waren, dann Abbilder römischer Tugend und Sittsamkeit. Die Meisten jedenfalls nicht.


    "Durch die Subura? Herrje."
    Jenes Bild vor Augen, runzelte Antonia besorgt die Stirn. Wie viel sie bei einer Schwangerschaft zunehmen würde hatte sie bislang noch gar nicht bedacht. Bei allen Göttern, sie würde aufgehen wie ein Hefekuchen.
    "Hinterher wie vorher?", fragte sie schließlich ein wenig irritiert. "Oh, du meinst.. ähm.. also.. laut meinen Informationen.. .. .. nicht."
    Sie verdrehte die Augen und rang sich ein Seufzen ab. "Scheinbar dauert es eine ganze Zeit, bis sich die Haut wieder gestrafft hat und.. nunja, man setzt wohl auch einiges an Gewicht an, das nicht mit der Geburt einfach so mit hinausflutscht."
    In diesem Punkt war sich Antonia 100%ig sicher. Schließlich hatte sie eine unzähbare Menge an Ammen und Hebammen befragt, um gänzlich sicher zu gehen. Ein deprimierendes Ergebnis kam bei dieser Umfrage heraus. Kinder bekommen war wahrlich kein Vergnügen.
    "Aber es soll Übungen geben, die das Ganze beschleunigen."
    Ein schwacher Trost, das war der Claudia nur zu bewusst. Zu schnell kam jedoch die Sprache wieder auf Aristides' Mutter.
    "Ich kenne sie nicht persönlich, doch man hört so Manches."
    Auf Epicharis' Vermutung hin, sie müsse eine sehr nette Frau sein, wusste Antonia nichts weiter zu entgegnen, als ein hilfloses Lächeln. Sollte sie all ihre Illusionen zerstören und ihrer Großcousine anvertrauen, dass jene Frau eine herrschsüchtige alte Vettel war? Nein, sie brachte es nicht über sich. Zu sehr ängstigen wollte sie Epicharis nicht und vielleicht würden die beiden sich ja auch nie begegnen? Eine vage Hoffnung.
    "Also wirst du eine Flavia werden. Flavia Epicharis. Klingt irgendwie ungewohnt. Flavia Epicharis Claudiana. Hm.. "

  • Ein wenig albern grinste Epicharis noch herum, zumal Antonias zuckende Mundwinkel auch deutlich machten, dass sie ihre liebe Mühe hatte, ernst zu bleiben. "Ach, mach dir nichts draus. Ich bin mir sicher, dass wir zwei ganz entzückende Kugeln abgeben werden", erwiderte Epicharis in beruhigem Tonfall und zwinkerte Antonia zu.


    "Und du bist ganz sicher, dass die Informationen auch aus einer sicheren Quelle stammen?" hakte Epicharis dann nach. "Ich mein ja nur... Du kennst doch Flamma? Du weißt schon, die Neue von Großonkel Verus... Die hat mir erzählt, dass sie alles durcheinander gegessen hat als sie mit Imbrex schwanger war, und da hat sie hinterher fast die Hälfte mehr drauf gehabt." Was Epicharis nicht wusste, war dass besagte Flamma ihre Schwangerschaft zum Anlass genommen hatte, sich quer durch die Läden, Stände und Tavernen Roms zu futtern, und das noch vor der allabendlichen Cena, wo sie dann abermald kräftig zugelangt hatte. Imbrex, der inzwischen ein Dreivierteljahr alt war, hatte solche Pausbäckchen, dass man ihm jetzt sch eine gewichtige Zukunft vorhersagte - im wahrsten Sinne des Wortes. Epicharis nickte ernst vor sich hin und nahm sich vor, nicht mehr zu essen als momentan auch. Übungen hin oder her, sie wollte keinen Hintern wie ein Brauereipferd haben, nur weil sie Aristides ein Kind schenkte.


    "So manches?" fragte Epicharis sogleich. Sie selbst hatte nur Gutes gehört, was ja auch kein Wunder war, da es stets Aristides gewesen war, der berichtet hatte. Doch Antonias Ablenkungsmanöver zeigte Wirkung, und Epicharis seufzte tief. "Ja. Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen. Es wird Flavia Epicharis werden. Ohne das Claudiana." Das war bereits beschlossene Sache, denn wenn Epicharis schon die Patria Potestas wechseln musste, dann wollte sie es auch ganz und gar tun. Und letztendlich würde sich durch den Namen ja nicht ihre Persönlichkeit ändern. Ihre Gedanken kreisten wieder um den Grund für diese Namensänderung. Sie schmunzelte ein wenig - und errötete dann. Leiser und zu ihr gebeugt, denn immerhin standen sie noch auf dem Forum, fragte sie Antonia etwas. "Du sag mal, Antonia... Gibt es irgendwas, worauf ich achten muss bei... Also, in der Nacht, wenn... Du weißt schon! Und das Zimmer wirst ja du dann herrichten, nicht?" Nicht, dass Epicharis irgendeinen Zweifel daran gehegt hätte, dass Antonia erfahren und begabt war. Sie wusste bestimmt, worauf es ankam, und würde Epicharis da ein wenig helfen können.

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