Atrium | Alte Bekanntschaft - Neue Freundschaft?

  • Alles wuselt nur so in meinem Kopf. Ich bin heilfroh, als ich endlich aus dem officium raus kann. Das viele reden, das ewig lange still sitzen müssen ist nicht meine Welt. Aber nicht nur das. Auch was ich heute so alles beiläufig über mich und meine Herkunft erfahren habe, macht mir ganz schön zu schaffen. Was soll man auch tun, wenn man plötzlich erfährt, dass man gar nicht der ist, der man zu sein geglaubt hat.
    Als Mama mir heute Morgen erzählt hat, ich würde heute meinen Vater kennenlernen, da war ich voller Tatendrang. Aber jetzt herrscht Ernüchterung, weil... mein Vater ist nicht da... meine Mutter hat mir all die Jahre alles verheimlicht, über sich, über mich.
    Ich hätte damit leben können, hätte ich gewusst, dass sie mal Sklavin gewesen war. Ich hätte sogar damit leben können, hätte ich gewusst, wer oder was mein Vater war. Und jetzt? Jetzt bin ich hier, in diesem riesen Haus, mit meiner Familie, die aber gar nicht meine Familie ist, jedenfalls nicht offiziell. Ich soll jetzt Griechisch lernen, obwohl das man eigentlich für nichts braucht. Minimus ist jetzt so was wie mein Vetter, also gar nicht mein Freund. Oder geht denn auch beides? Und dann erst mein Name! Diarmuíd ist Schnee von gestern. Jetzt heiße ich Caius Flavianus Aquilius, obwohl ich das gar nicht will. Viel zu lang, der Name! Aber mich fragt ja keiner. Nicht mal Mama.


    Hadernd mit mir selbst gehe ich laufe ich durch die Villa, ohne dabei ein genaues Ziel zu haben. Eigentlich wollte ich ja mit Minimus spielen. Aber auf dem Weg zu ihm, hat mich wohl der Mut verlassen. Jetzt bin ich nicht mehr auf der Suche nach ihm, jetzt versuche ich, nicht mehr gefunden zu werden. Ich hab Bammel davor, ihm zu sagen, wer ich bin und dass ich von nun an auch hier wohne, dass ich von nun an mit ihm gemeinsam Unterricht habe und dass ich noch gar kein Griechisch kann.
    In einer Nische finde ich Schutz, vor was auch immer. Auf einem Podest steht die Büste von einem Mann, der nicht besonders freundlich guckt. Von allen Seiten schaue ich ihn mir an und überlege mir dann, warum er so schaut. Vielleicht, weil er auch Griechisch lernen musste...

  • Der Fortuna mochte es zu danken sein, dass just in jenem Moment, da Flavianus Aquilius dem Officium den Rücken kehrte und hinauseilte um nach dem ihm bereits flüchtig bekannten Knaben zu forschen, eben jener durch die Gänge der Villa Flavia Felix streifte um seinem innig geliebten Spielgerät, jenem kleinen Krokodil von glattem Holze, ein Bad in den Fluten des Impluviums zu genehmigen. Als er in die hohe Halle des Atriums eingetreten war, schritt er bar jeglicher Beachtung der überaus gravitätisch dreinblickenden Statuen seiner mythenumspannten Ahnen zielstrebig auf das Wasserbecken in der Mitte des Raumes zu. Seine Achtsamkeit war ganz der Sorge gewidmet, dass seine Tunica nicht mit dem kühlen Nass in Berührung kam, während er sich auf die Stufe des Beckens kniete und das Holztier der stillen Oberfläche des Wassers anvertraute.


    Wie bereits bei ihrem letzten Zusammentreffen, so war es folglich auch diesmal an dem fremden Knaben, die Aufmerksamkeit des Manius Minor auf sich zu ziehen, da eben jener wie so oft der um ihn geschehenden Realität wenig Aufmerksamkeit schenkte, sondern sich gänzlich in sein Spiel versenkt hatte.

  • Als ich plötzlich Schritte höre, verkrieche ich mich hinter dem grimmig schauenden Steinkopf. Sicher ist sicher. Von hier aus kann ich beobachten ohne gesehen zu werden. Ich beobachte, wie ein Junge ins Atrium gelaufen kommt. In seiner Hand hat er etwas was aussieht, wie ein Krokodil. Ein Krokodil aus Holz. Minimus, das ist Minimus! Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich möchte hinter dem Steinkopf hervorspringen und den Jungen freudig begrüßen, aber etwas hindert mich daran.
    Minimus ist größer geworden, genauso wie ich. So hat er sich kaum verändert. Äußerlich. Wie sieht es aber in ihm drinnen aus? Meine Bedenken, die ich mich bereitsauf dem Weg hierher beschäftigt haben, holen mich wieder ein.
    Eine Weile Beobachte ich ihn noch. Er ist ganz vertieft in sein Tun, so wie damals im Garten.
    "Ahhhh, ich rieche Menschenfleisch!" rufe ich mit verstellter Stimme, als er wieder nach dem Krokodil greift. Sie hört sich genauso geisterhaft an, wie damals im Garten.

  • Andachtsvoll beobachtete der Knabe das hölzerne Reptil, das noch immer die Königin seines Spielinventars darstellte und mit dem Namen Gaius versehen worden war. Immer wieder aufs Neue ließ er es in die Fluten eintauchen, sie durchgleiten um erneut seine Nase in die lebensnotwendigen Lüfte zu erheben, wobei das Tier gänzlich aus dem Wasser zu springen schien. Noch war dem jungen Flavius nämlich nicht bekannt, dass Krokodile völlig bewegungslos im Wasser zu liegen pflegten um so ihre Beute zu täuschen.


    Als jedoch Gaius ein weiteres Mal aus dem kühlen Nass stieß, erscholl eine Stimme, die eine gewisse Konfusion hervorrief. Inzwischen war Manius Minor gereift, sowohl im Physischen, wie auch im Psychischen: Sowohl waren seine Ohren geschärft und vermochten rasch zu erkennen, dass jene gehörte Stimme nimmermehr aus anterograder Richtung kam, als auch hatte die Praxis seines Lebens ihn gelehrt, dass Spielzeuge aus ihrer selbst heraus niemals zu sprechen begannen, obschon diverse Spielgefährten und Ammen wiederholt Exempel statuierten ihm dies glaubhaft zu machen. Und so wandte er sich um, weniger furchtsam ob der Lebenskraft seines Spielzeugs als furchtsam ob des Gefühles der Entdeckung durch einen Fremden.


    Gemächlich, doch jeglicher Bewegung seines Umfeldes gewahr, erhob sich der Knabe und blickte in die Leere des Atriums in genau jener Richtung, in denen die kühlen Marmorbüsten verblichener Flavier in Stille ruhten.
    "Wer ist da?"
    rief er, wobei seiner Stimme entgegen seiner Bemühungen doch ein Unterton der Furcht beigemischt war.

  • Es ist schon schwer, ein Kichern zu unterdrücken. Von meinem Versteck hinter der Büste aus, beobachte ich ihn. Seit unserem letzten Treffen hat er dazugelernt. Er lässt sich jetzt nicht mehr in die Irre führen. Spieltiere aus Holz können nicht sprechen, auch seines nicht!
    Minimus schaut auf und sieht sich um. Er schaut in meine Richtung. Als er das tut, versuche ich mich noch etwas zu ducken, damit er mich auch ja nicht sieht. Warum aber eigentlich verstecken? Ihn habe ich doch gesucht! Jetzt habe ich ihn gefunden. Oft habe ich mir in den letzten zwei Jahren überlegt, was ich ihm alles sagen möchte und was noch wichtiger ist, was ich ihn allesfragen möchte. Ich habe oft an ihn gedacht. Hat er auch an mich gedacht? Um das herauszufinden, müsste ich mein Versteck verlassen und zu ihm gehen. Dann müsste ich ihm auch alles sagen, was jetzt anders ist, dass ich hier wohne, wie mein richtiger Name ist und dass wir verwandt sind, irgendwie so.
    „Ich bin´s!“, höre ich mich sagen. Ich versuche einfach mein Glück und trete aus dem Schatten der Büste hervor. Auch ich bin ordentlich gewachsen. Mama sagt, bald kann ich ihr auf den Kopf spucken. Natürlich mache ich das nicht! Das sagt sie einfach nur so, wenn sie mal wieder staunt, wie viel ich gewachsen bin.
    „Kennst du mich noch? Ich bin´s, Diarmuíd, äh Caius.“ Das ist ganz schön verwirrend, wenn man plötzlich zwei Namen hat!

  • In seiner leichten Konfusion, die von dem ihm wohlbekannten Gefühl der Furcht geleitet wurde, blickte der Knabe um sich. In einiger Entfernung entdeckte er einen Schemen, der sich unvermittelt hinter den Statuen bewegte. Er war so klein, dass es kaum ein Sklave sein mochte, doch welcher Provenienz konnte dieses Wesen dann sein? Handelte es sich gar um ein Larve oder einen Lemur, einen jener furchterregenden Totengeister, die nun offenbar die Abbilder ihrer vormaligen Leiber umschlichen?


    Dann jedoch verließ das Wesen unverhofft die Schatten und wahrlich: Dem jungen Flavius war dieser Fremde bekannt! Viele Male hatte der Mond den Erdkreis umkreist, ein Fünftel einer Dekade war ins Land gegangen, seitdem er den fremden Knaben im Garten seines Anwesens angetroffen hatte. Seitdem hatte sich dieser durchaus verändert, insbesondere in der Größe seines Körpers. Und dennoch konnte keinerlei Zweifel bestehen, dass es sich bei ihm um jenen handelte, der er vorgab zu sein und dessen Namensnennung einen unmittelbaren Konnex im Geiste Manius Minors herstellte. Sprachlos verharrte er einen Augenblick, dann endlich fand er seine Worte wieder:
    "Du heißt...Caius? Wie Caius?"
    Obskurerweise stach ihm ausgerechnet jenes Faktum ins Auge, die Similität von Diarmuds Namen mit dem des kleinen Holzkrokodils, das der junge Flavius mit sich führte, weshalb er wie zur Bekräftigung sein Spielzeug in die Höhe hob und voll Konfusion zwischen diesem und dem Knaben hin und herblickte. Dann endlich kamen weitere Worte.
    "Und wie kommst du eigentlich hierher?"
    Erst sukzessive waren derartig naheliegende Gedanken in seinen Geist gelangt, welcher er an dieser Stelle jedoch unvermittelt verbalisierte, jedoch in einem Ton, der mehr den Vorwitz als eine abweisende Haltung offenbarte.

  • Ich kann es ihm kaum verdenken, dass er so verwirrt ist. Wenn er wüsste, wie sehr ich es erst bin! Noch kann ich gar nicht die Tragweite diese Neuigkeiten abschätzen. Ich weiß nur, ich habe jetzt einen neuen Namen, ich wohne ab heute nicht mehr in unserer alten Wohnung in der Mietskaserne und meine Mutter war früher mal Sklavin.
    Noch scheue ich mich, Minimus die ganze Wahrheit zu sagen. Aber eigentlich ist das Quatsch! Er wird´s ja doch rausfinden, füher oder später. Und wenn ich ihm jetzt alles sage, dann werde ich genau wissen, ob Minimus mein Freund ist oder nicht.
    "Ja, so heiß ich jetzt, Caius Flavianus Aquilius! Ein elend langer Name! Mama hat mir gesagt, sie hätte mich nach meinem Vater benannt. Und als ich heute Morgen mit ihr von zuhause losgegangen bin, hat sie mir versprochen, ich würde heute endlich meinen Vater kennenlernen. Jetzt bin ich hier, aber er ist weg." Eigentlich könnte es mir ja egal sein, denn was ich bisher nicht hatte, kann ich auch jetzt nicht verlieren. Trotzdem stimmt es mich etwas traurig, denn ich hätte ihn schon gerne mal kennengelernt. Alle Kinder, die ich kenne, Nico, der Sklavenjunge von nebenan mal ausgenommen, haben einen Vater. Nur ich kenne meinen nicht!
    "Wir wohnen ab heute hier, Mama und ich." Ich sage das ganz neutral, denn ich habe keinen blassen Schimmer, ob ich das gut finden soll. Das kommt jetzt ganz auf Minimus an.
    "Deinen Vater habe ich auch schon getroffen und noch so einen anderen Mann, dessen Name ich schon wieder vergessen habe. Dein Vater hat gesagt, ich soll in Zukunft mit dir Griechisch lernen." Meine Begeisterung hält sich verständlicherweise deswegen in Grenzen.

  • Obschon der Knabe weiterhin sein Gegenüber betrachtete, als wäre es soeben den Gefilden der Seeligen entstiegen, drangen seine Schilderungen langsam in den Geist des jungen Flavius vor und gelangten letzten Endes ein schlüssiges Gesamtgemälde: Offenbar entstammte der ihm bereits bekannte Junge, dessen Name nach seinem Dafürhalten bei ihrer letzten Begegnung einen weitaus keltischeren Klang besessen hatte, von einem oder einer Freigelassenen des Hauses Flavia ab, denn, wie dem Achtjährigen inzwischen bekannt war, verriet dies der Gentilnomen 'Flavianus', obschon er keinerlei Vorstellung hatte, welchen Sozialstatus dieser Umstand erzeugte.


    Derartige Überlegungen stellte er indessen nicht weiter an, ebensowenig, wie er auf die Absenz des Vaters einging, zumal er der Annahme anhing, der Vater des Flavianus Aquilius befände sich lediglich auf dem Forum oder im Senat oder habe anderweitige politische Verpflichtungen. Vielmehr nahm er hingegen zur Kenntnis, dass sein neuester Kompagnon offenbar nun ebenfalls der Familia Flavia angehörte, was eindeutig sein Plazet fand, da ihm dies die Perspektive eines gleichaltrigen Spielgefährten bot, wobei offenbar ebenfalls der Unterricht geteilt werden würde.
    "Griechisch lernen? Haben deine Ammen nicht Griechisch mit dir gesprochen? Ich kann schon Griechisch, seit ich sprechen kann! Nur mit dem Schreiben ist es schwieriger."
    Inmitten seiner kurzen Erzählung verzog Manius Minor seine Miene um sein Missfallen über die für ihn wenig erquickliche Erinnerung an die Stunden bei seinem Privatlehrer kundzutun und seinem Gegenüber eine Idee von jener Bürde des Unterrichts zu geben.
    "Irgendwie verwechsle ich immer Xi und Zeta - die sehen aber auch so gleich aus, findest du nicht?"
    Selbstredend war sich der junge Flavius nicht bewusst, dass der Sohn einer Freigelassenen üblicherweise nur mit Glück lernte, seinen Namen in eine Wachstafel zu kratzen oder gar das lateinische Alphabet, gänzlich zu schweigen von einer Aneignung griechischer Lettern! Doch innerhalb des goldenen Käfigs, in dem Manius Minor die letzten acht Jahre seines Lebens gefristet hatte, gab es letzten Endes keine fremden Kinder, durch die er derartiges Wissen hätte erlangen können, da die Kinder der Sklaven nicht die Erlaubnis besaßen, mit dem Sohn des Hauses zu spielen oder gar zu lernen.
    "Aber Spielen ist sowieso viel besser!"
    fügte er letzten Endes noch an.

  • Skeptisch betrachte ich Minimus. Ist er noch mein Freund? Die Frage sollte eher sein, war er denn überhaupt schon mal mein Freund gewesen? Wir haben uns ja erst einmal getroffen und das liegt nun auch schon zwei Jahre zurück. Waren wir da Freunde, als wir vor zwei Jahren auseinandergingen? In unserem Alter kann sich Freundschaft schnell ändern. Der, der gestern noch mein Freund war und heute etwas gemeines zu mir sagt, ist verständlicherweise nicht mehr mein Freund. Solange bis wir beide vergessen haben, dass wir ja eigentlich nicht mehr befreundet sind und wieder miteinander spielen.


    Minimus fragt nicht nach meiner Mutter oder nach meinem Vater, den ich sowieso nicht kenne. Das ist auch gut so! Ich weiß nicht, ob ich mich wegen Mama schämen muss, weil sie mal Sklavin war. Sie ist mir deshalb auch noch einige Antworten schuldig.


    Schon bei unserer ersten Begegnung war mir bewusst, Minimus ist nicht von dieser Welt, jedenfalls nicht von der, in der ich bisher gelebt habe. Er trägt feine Sachen, wohnt in einem riesigen Haus mit unheimlich vielen Sklaven, hat ein ganzes Zimmer voller Spielsachen (auch wenn ich mich davon noch nicht selbst überzeugen konnte) und natürlich ist Griechisch die zweite Sprache, mit der er praktisch aufgewachsen ist. Dass ich ja eigentlich auch mit zwei Sprachen aufgewachsen bin, fällt mir in diesem Zusammenhang gar nicht ein, denn ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Mamas Sprache nicht zählt. Schade eigentlich, dass Mama keine Griechin ist, dann wäre mein Problem viel bescheidener.
    "Ammen?" Ich weiß gar nicht, was das ist!
    "Nein, das haben meine Ammen versäumt," antworte ich, um mir nicht ganz die Blöße geben zu müssen. Ich sehe schon, wenn es um Griechisch geht, habe ich gegen Minimus keine Chance. Als er von Xi und Zeta spricht, zucke ich nur mit den Schultern. Das sind alles gallische Dörfer für mich. Das kann ja noch richtig lustig werden! Das lerne ich nie! Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt angelangt, dementsprechend finster wirkt meine Mimik.


    Der Knoten platzt erst, als Minimus meint, Spielen sei sowieso viel besser. Da kann ich ihm nur zustimmen und grinse verschmitzt.
    "Was können wir denn zusammen spielen? Hast du zufällig ein Schiff? Dann spiele ich den Eroberer, der mit dem Schiff kommt und der dann von dem Krokodil überfallen wird. Hm, was meinst du?" Das impluvium eignet sich hervorragend für solche Spiele.

  • Voll von Überraschung blickte der Knabe sein Gegenüber an, als sich dessen Züge verhärteten, da es ihm an einer adäquaten, ihm willkommenen Interpretation mangelte. Rasch erhellten sich die Züge von Caius jedoch wieder, sodass der junge Flavius dessen temporäre Indigniertheit lediglich eine Folge seiner Erwähnung des Unterrichts, der ja auch ihn nicht gerade zu Freudentänzen animierte, war. Jene Einsicht nahm in der Tat eine große Last von seinem Gewissen, hatte sich doch bereits die Furcht in ihm geregt, der Junge würde keinerlei Sympathie für ihn hegen!


    Nun freilich hatte man ein gemeinschaftliches Interesse gefunden, unter dessen Leitung man nun die folgende Konversation, ja das gesamte Zusammentreffen gestalten konnte! Es sprudelte geradezu aus Manius Minor hinaus, als er zur Replik ansetzte:
    "Ja, das machen wir! Möchtest du lieber ein ägyptisches oder ein römisches Schiff? Oder eine Galeere? Oder eine Corbita, mit der kann man vielleicht besser Soldaten transportieren..."
    Ein wenig unschlüssig fühlte sich der junge Flavius, der angesichts des schier grenzenlosen Angebots innerhalb seiner privaten Spiel-Flotte nicht zu entscheiden vermochte, welcher Schiffstyp die größte Eignung für einen Eroberungsfeldzug besaß.

  • Der dumme Griechischunterricht und alles andere, was mir Sorgen macht, ist längst vergessen. Jetzt ist Zeit zum spielen. Minnimus ist noch der, den ich vor zwei Jahren kennengelernt habe. Das ist mal so mein erster Eindruck. Jetzt geht es erst einmal darum, wer welches Schiff bekommt.
    Selbstverständlich sind die römischen Schiffe die besten! Mit so einem ägyptischen Schiff will ich mich nicht zufrieden geben.
    "Das römische natürlich!", antworte ich voller Übermut, ohne nachzudenken und ohne genau zu wissen, was eigentlich eine Corbita ist. Was eine Galeere ist, kann ich mir ungefähr vorstellen. Das ist ein Schiff, das von ganz vielen Männern gerudert wird.
    "Ach so! Dann nehme ich vielleicht doch besser die Corbita…" Als Eroberer braucht man doch ganz viele Soldaten! Zaudernd und auch ein bisschen verlegen schaue ich zu Minimus.
    "Sag mal, warst du schon mal am Meer? Hast du die Schiffe auch schon mal in echt gesehen?" Wenn einer in einem so riesigen Haus wohnt, dann war er bestimmt auch schon mal am Meer und hat Schiffe gesehen. Vielleicht ist er sogar schon mal damit gefahren.

  • Durchaus wurde es auch dem jungen Flavius gewahr, dass Caius, genau genommen der humanoide Caius, kaum Wissen über die Nautik besaß. Doch auch seinen eigenen Kenntnissen waren engste Grenzen gesetzt, rührte es doch nur von theoretischem Wissen, die er durch die Vielzahl seiner Spiel-Wasserfahrzeuge und deren Terminologie vonseiten seiner Ammen und Paedagogi erworben hatte. Daher lautete auch seine Replik wahrheitsgemäß
    "Nein, ich habe schon immer hier gewohnt."
    Tatsächlich hatte er trotz seiner noblen Abkunft, der großen Mengen finanzieller Rücklagen in der Familia Flavia wie auch deren ausgedehnten Landbesitzes niemals für längere Dauer der Villa Flavia Felix den Rücken gekehrt, während beispielsweise sein Vater durchaus Güter im fernen Achaia besucht hatte, wenn dies auch vielmehr seiner Gesundheit denn seiner Reiselust geschuldet gewesen war.
    "Und du?"
    fragte er dann in seiner Annahme, sein Gegenüber sei ihm in all diesen Kategorien ebenbürtig. Zugleich wandte er sich jedoch zum Gehen um die weiteren Spielwerkzeuge für ihr Vorhaben zu holen und seinem neuen Freund seine Camera Ludi zu präsentieren.

  • "Du meinst, du warst immer nur hier drin?" Das ist schwer vorstellbar, zumindest für jemanden wie mich, der jede freie Minute dazu nutzt draußen mit meinen Freunden zu spielen. Allerdings damit dürfte es nun erst einmal vorbei zu sein, solange Mama hier bleiben will. Und wenn ich das Gespräch mit den beiden Männern richtig gedeutet habe, dann will sie hier ganz schön lange hier bleiben.
    "Also ich war niemals außerhalb Roms, wenn du das meinst. Mama hat nie Zeit dafür gehabt, mit mir ans Meer zu fahren, obwohl sie es so sehr liebt. Wir haben bis heute Morgen in dem großen Haus in unserer Straße gewohnt. Aber weißt du was? Mama hat mir heute erzählt, ich sei hier in diesem Haus geboren. Ist das nicht toll? Also dann hat sie früher hier schon gewohnt." Ich plappere einfach drauf los und freue mich, endlich eine Gemeinsamkeit mit Minimius gefunden zu haben. Natürlich denke ich in diesem Moment nicht weiter darüber nach, dass es für Mama einen triftigen Grund gegeben hatte, weshalb sie hier früher lebte. Derweil folge ich ihm einfach, wohin er jetzt auch geht.

  • Der Knabe blickte um sich, während die beiden die Gänge der Villa durchstreiften, was möglicherweise darauf zurückzuführen war, dass ihn erneut jenes Gefühl der Illegalität befallen hatte, das er mit dem letzten Zusammentreffen mit Caius asoziierte.
    "Nein, ich war schon auch in der Stadt."
    erwiderte er indessen auf die erstaunte Nachfrage, wobei der Fall seines Tones suggerierte, es handele sich für ihn um ein völlig gewöhnliches Faktum und die Frage an sich wäre obsolet, obschon wohl die genaue Antithese treffender gewesen wäre.


    Gleichwohl erstaunten die folgenden Ausführungen ihrerseits wieder den jungen Flavius, handelten sie doch von seinem Haus und dem mysteriösen Umstand, dass Caius' Mutter offenbar dieses Haus ihr Domizil genannt hatte, ohne dass dies jenem bekannt gewesen wäre, woraus Manius Minor schlussfolgerte, dass dies sich vor der Geburt des Flavianus zugetragen haben musste. Um diese These jedoch zu verifizieren, stellte er folgende Frage:
    "Bist du dann auch hier geboren? Warum seid ihr dann ausgezogen?"
    Selbstredend lag die Wahrheit, nämlich der Umstand, dass Caius der Sohn einer Sklavin war, die vor Jahren im Dienste der Familia Flavia gestanden war, fern von jeglicher Imaginationskraft des jungen Flavius!

  • Von Stund an wächst meine Freude darüber, wenigstens einen Freund in diesem riesigen Haus zu haben. Einen Freund, der nach eigenen Angaben eine Unmenge von Spielzeugen besitzt. Ich schätze mal, es sind so viele Spielzeuge, so dass alle Kinder meiner Straße etwas abbekämen, würde er sie unter ihnen verteilen. Das muss man sich erst einmal vorstellen! Mir wird dabei ganz schwindelig. Viel Zeit, mich zu langweilen, werde ich hier bestimmt nicht haben.
    Na, sicher war er schon mal in der Stadt! Es wäre auch kaum vorstellbar, hätte er acht Jahre nur in der Villa verbracht. Und da fällt es mir auch wieder ein, bei unserem letzten Treffen hatte er einmal vom theatrum flavium gesprochen, diesem riesigen runden Kasten in der Mitte von Rom. Zu meiner Schande muss ich bekennen, dass ich immer noch nicht da drinnen war. Mama hat es mir einfach nicht erlaubt. "Und, warst du auch mal wieder bei Gladiatorenkämpfen und Tierhatzen?", will ich wissen.


    Minimus ist in der gleichen Weise erstaunt, wie ich über den Ort meiner Geburt. Für mich ist es spannend aber auch irgendwie quälend, nur stückchenweise von meiner und der der Geschichte meiner Mutter zu erfahren. Da ist etwas, was sie immer wieder zögern lässt, mir alles auf einmal zu sagen.
    "Ja, genau! Aber ich habe keine Ahnung, warum wir damals ausgezogen sind." Ich zucke mit den Schultern. Später am Abend werde ich Mama danach fragen.

  • Von Stund an wächst meine Freude darüber, wenigstens einen Freund in diesem riesigen Haus zu haben. Einen Freund, der nach eigenen Angaben eine Unmenge von Spielzeugen besitzt. Ich schätze mal, es sind so viele Spielzeuge, so dass alle Kinder meiner Straße etwas abbekämen, würde er sie unter ihnen verteilen. Das muss man sich erst einmal vorstellen! Mir wird dabei ganz schwindelig. Viel Zeit, mich zu langweilen, werde ich hier bestimmt nicht haben.
    Na, sicher war er schon mal in der Stadt! Es wäre auch kaum vorstellbar, hätte er acht Jahre nur in der Villa verbracht. Und da fällt es mir auch wieder ein, bei unserem letzten Treffen hatte er einmal vom theatrum flavium gesprochen, diesem riesigen runden Kasten in der Mitte von Rom. Zu meiner Schande muss ich bekennen, dass ich immer noch nicht da drinnen war. Mama hat es mir einfach nicht erlaubt. "Und, warst du auch mal wieder bei Gladiatorenkämpfen und Tierhatzen?", will ich wissen.


    Minimus ist in der gleichen Weise erstaunt, wie ich über den Ort meiner Geburt. Für mich ist es spannend aber auch irgendwie quälend, nur stückchenweise von meiner und der der Geschichte meiner Mutter zu erfahren. Da ist etwas, was sie immer wieder zögern lässt, mir alles auf einmal zu sagen.
    "Ja, genau! Aber ich habe keine Ahnung, warum wir damals ausgezogen sind." Ich zucke mit den Schultern. Später am Abend werde ich Mama danach fragen.

  • Unvermindert führte der Knabe seine Schritte gen Camera Ludi, vorbei an prächtigen Statuen, geschmackvoll bemalten Wänden und zierlichen Säulen. Doch schon drang die nächste Frage seines, wenn dies überhaupt binnen einer derartig knappen Zeitspanne zu nennen möglich war, Freundes an sein Ohr. Obschon bereits eine sehr lange Zeit vergangen war seit jenem Besuch in der Arena war es dem jungen Flavius noch immer lebhaft vor Augen, erneut illustriert von jenem adventurösen Erlebnis in der Ludus Matutinus, deren Remineszenz ihm sogar in diesem Augenblick ein Schaudern über den Rücken zu jagen vermochte.
    "Nein, aber ich war mit Papa bei den Raubtierkäfigen, ist aber schon etwas her. Stell dir vor: Ich bekomme eines Tages einen eigenen Löwen!"
    Ungeachtet der Tatsache, dass ihm jener Gedanke durchaus Furcht bereitete, brachte er diese Äußerung nun nicht ohne Stolz hervor, da derartige Informationen seiner Erfahrung nach geeignet waren beim Gegenüber Staunen hervorzurufen, worauf er angesichts seiner letztmaligen Kleinmütigkeit durchaus erpicht war.


    Die Geburt von Caius in der Villa Flavia Felix hingegen versetzte Manius Minor durchaus in Staunen, der Wegzug gar inimaginabel: Welcher Ort mochte von größerer Attraktivität sein als sein Heim, das doch alles zu bieten schien, was ein Knabe, ja sogar jeder Mensch, sich nur wünschen konnte! Da Caius jedoch ebenfalls des Wissens um die Kausalität für jenes Verhalten entbehrte, beschloss der junge Flavius diesen Kasus auf sich beruhen zu lassen.

  • Ich traue ja kaum meinen Ohren, als ich das höre! Bei den Raubtierkäfigen! Ja, wie aufregend ist das denn! Da könnte man nicht nur neidisch werden, da ist man es bereits.
    "Was, einen eigenen Löwen? Das ist ja… Wahnsinn! Ja und was machst du dann mit deinem Löwen? Führst du den dann spazieren?" Ich muss bei dieser Vorstellung grinsen, denn wer würde denn schon mit einem Löwen spazieren gehen, nichtahnend, dass ein anderer Sprössling aus flavischem Geschlecht dies vor Jahren praktiziert hatte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nie einen echten Löwen gesehen. Nur viel gehört habe ich davon. Wenn ich schon in der Stadt unterwegs gewesen war und dabei die Unterhaltung der Leute belauscht habe, die sich Tierhatzen angeschaut hatten, oder ähnliches.
    Schließlich erwische ich mich bei dem Gedanken, ob mein Papa, wenn er denn da wäre, mir auch einen Löwen schenken würde. Plötzlich ist das Verlangen nach dem nie gehabten Vater so groß, dass es mir schwer fällt, dies nicht in irgendeiner Form zu zeigen. Ich würde jetzt gerne wissen, warum er damals weggegangen ist, obwohl er doch wusste, dass ich da bin. Ob er mich am Ende gar nicht gewollt hatte?
    Es zieht mich runter, wenn ich darüber nachdenke. Viel besser, wenn ich mich nun wieder auf meinen neuen alten Freund konzentriere. Wie weit ist es eigentlich noch zu seiner camera ludi?
    "Sind wir bald da?", frage ich ihn deshalb, um letztendlich auch die Möglichkeit zu haben, das Thema zu wechseln.

  • Unvermindert führten die Knaben ihre Schritte gen Camera Ludi. Der junge Flavius genoss geradezu die Präsenz eines Gleichaltrigen, dessen Verhältnis zu ihm sich durchaus gewandelt hatte: War einst er selbst der Staunende gewesen, vermochten seine Rapporte nun ihrerseits jenen Caius in Staunen zu versetzen!


    Obschon er selbst einst eben jene Befürchtung gehegt hatte, dass er seinen Besitz in eben jener Weise persönlich zu versorgen hatte, erschien ihm dies inzwischen völlig inimmaginabel, sodass ihm ein glockenhelles Lachen entfuhr.
    "Nein, nein! Das ist ja viel zu gefährlich! Ich kann ihn aber immer ansehen, wenn es mir danach verlangt, wenn es so weit ist."
    In der Tat lag jener Tag vermutlich in weiter Ferne. Weitaus näher hingegen lag die Camera, vor der sie nun zum Stehen kamen. Selbstredend öffnete Manius Minor die Pforte gedankenlos und trat ein, uneingedenk der Tatsache, dass das Interieur den Gast zweifelsohne in Staunen zu versetzen vermochte:


    Zur Rechten türmte sich ein gewaltiges Regal, dessen einzelne Sektionen mit verschiedensten Gegenständen angefüllt waren: Im unteren Bereich lagerten diverse Geräte, die sowohl für die inwendige Nutzung, als auch für die unter freiem Himmelszelt adäquat waren. So lagen an ihren zugewiesenen Stellen diverse lederne, gänzlich runde Pilae mit einer Füllung aus dem Federkleid einer Ganz, aber auch ein Follis, der dank seiner Permeabilität mehr einem gefüllten Ledersack als einem Sportgerät größter Beliebtheit aus zukünftigen Tagen glich.


    In der folgenden Etage lagerten Holzfiguren, die dort in größter Diversität auf ihren Plätzen standen, saßen oder lagen. Unter ihnen befanden sich Werke wie eine getreuliche Darstellung eines römischen Senators, aber auch Soldaten, Gladiatoren, sowie Wesen, die hellenischen Mythen entsprungen zu sein schienen, aber auch Vertreter der regionalen und imperialen Fauna. Beherbergte eine weitere Etage auch vier linnene Puppen, sowie eine vollständige Centuria bemalter Holzfiguren, stellten das unzweifelhafte Prunkstück dieser Kollektion jene Gebilde dar, die auf einer kreuzförmigen Konstruktion in einer weiteren Ecke des Raumes präsentiert wurden: Darauf hing, gleich dem eines römischen Feldherrn in dessen Praetorium, ein schimmernder Muskelpanzer aus getriebenem Metall, obschon die Bronze im Gegensatz zu seinem Vorbild von minimaler Dicke, sowie deutlich minderer Größe war, sodass sie für einen Knaben im neunten Lebensjahr angenehm zu tragen war. Dieser wurde durch einen Helm ergänzt, ebenfalls von silbrigem Glanze und mit einem prächtigen Rosshaar-Busch besetzt. Um die Feldherrn-Ausrüstung des Knaben jedoch zu vervollständigen, hingen ebenso ein Gladius, das dessen übliche geringe Länge noch unterschritt, um der zierlichen Statur des jungen Flavius gerecht zu werden. Weitaus weniger augenfällig, jedoch ebenso dieser Montur zugehörig, lehnte zuletzt ein hölzerner Speer an der Wand, dessen Spitze jedoch durch eine lederne Hülle verborgen war, was zweifelsohne der Sekurität des Mitspielers dienen sollte.


    "Da wären wir."
    erklärte der Knabe und wies mit einer Geste in die Weite des Raumes.

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