Inspectio des Atrium Vestae

  • Nachdem Claudia Romana am Tempel der Pax erfolgreich ihre Prüfung zur Sacerdos Vestalis hatte abgelegt, kehrten die beiden Pontifices Aurelius Corvinus und Flavius Gracchus mit der Claudia zurück zum Heim der vestalischen Jungfrauen, hatten sie doch vom Collegium Pontificium nicht nur die Weisung zur Prüfung erhalten, sondern gleichsam zur inspectio des Atrium Vestae. Etwa auf halbem Wege zurück ward einer der die Vestalin begleitenden Liktoren gesandt worden, der Virgo Vestalis Maxima bereits im Voraus über das erfolgreiche Gelingen zu berichten.

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  • Sim-Off:

    Tschuldigung für die Wartezeit! :(


    Mit einem Lächeln, einem Grinsen gar, wie es erfreuter und breiter nicht hätte sein können, schritt Romana neben den Pontifices einher, mit dem Bewusstsein, nun eine vollwertige, nicht mehr durch das Konzept der Ausbildung qualifizierte Vestalin zu sein. Nicht mehr nur noch eine vestalische Jungfrau, sondern eine Sacerdos Vestalis – wie das klang! Endlich war sie am Ziel ihrer vorübergehenden Träume. Doch wie sie sich selbst kannte, würde sie sich nicht damit zufrieden geben. Nein. Sie hatte vor, bis ganz nach oben zu gelangen. Und doch war sie jetzt schon eine der mächtigsten Frauen Roms, zumindest auf dem Papier.


    Da die Nachricht schon vorgesendet worden war, stand auch schon die Türe offen, ald die drei Patrizier zum Eingangstür des Hauses der Vestalinnen gelangten. In jener Tür stand keine Geringere als Papiria Occia, ihre Mentorin, beziehungsweise nun ihre gewesene Mentorin, die Romana gleich vorbeugend in einer kräftigen Umarmung umschloss. Nun war es so weit, der Einzug der neuen Sacerdos Vestalis geschah.


    Während Occia den Pontifices die Türe aufhielt, stellte sich Romana, die sich nun mit Fug und Recht als eine der Hausherrinnen nun bezeichnen konnte, etwas breitbeinig vor den beiden Patriziern hin. Aus ihrem Gesicht strahlte noch immer die unbändige Freude.


    “Nun denn, Flavius et Aurelius. Wo wollen wir anfangen?“, war ihre Frage, als sie ihren Blick von Gracchus zu Corvinus und wieder zurück schweifen ließ. Ja, sie wa hier jetzt eine derjenigen, die den Ton angaben, nicht mehr nur noch eine Vestalinnenschülerin. Und es war ein gutes, geradezu extasisches Gefühl.

  • Mit frischem Mut und nicht zu übersehendem Stolz schritt die junge Claudierin vor Gracchus und mir einher. Und wer hätte es ihr verübeln können? Claudia Romana gehörte nun zu den wenigern Frauen Roms, die teilweise mehr Ansehen genossen als so mancher Mann. Für die Claudia, die zuvor das atrium Vestae als angehende Vestalin verlassen hatte, begann mit dieser Rückkehr gleichsam ein neues Kapitel im Leben. Eines, das ihr vielfältige neue Aufgaben bescheren würde.


    Die Papirierin umarmte sie kurz schweigend, doch mit sichtlichem Stolz auf dem Gesicht, und ich schmunzelte flüchtig über die Herzlichkeit der beiden Frauen. Als Romana sich umwandte und uns fragte, was wir zuerst inspizieren wollten, ließ ich neuerlich Gracchus den Vortritt. Ich selbst hätte wohl die Unterkünfte gewählt, die genau genommen wohl mit am unwichtigsten waren. Ich hätte mich von dort aus zum wichtigsten hin gearbeitet. Doch kannte ich mich hier auch bedeutend weniger aus als Flavius Gracchus, dessen Verwandte schließlich einmal die oberste Vestalin gewesen war. Ob dessen vermutete ich, dass er bereits einmal hier gewesen war, und so wandte ich nur ihm den Blick zu, statt meinerseits einen Vorschlag zu machen.

  • Zurück in ihren vertrauten Gefilden schien die Claudia wie verwandelt, gebot sich nicht nur selbstsicher, sondern gar ein wenig herausfordernd gegenüber den Pontifices, welche advers nun gänzlich ungewohntes Terrain würden betreten. Einige wenige Male hatte Gracchus seine Schwester im Atrium Vestae besucht, doch lag dies bereits Jahre zurück, wiewohl er Grundrisse fremder Örtlichkeiten sich kaum nur einprägte, war er doch ohnehin gewohnt, in fremden Gemäuern stets einem Sklaven zu folgen.
    "Es ist dein Heim, darob wir uns deiner Führung anvertrauen werden."
    Da es keinerlei üble Nachrede über skandalöse Zustände in den Reihen der Vestalinnen gab, nicht einmal leisestes Flüstern des Zweifels an ihrer Untadeligkeit, würde es kaum wohl vonnöten sein, allzu tief in die Privatsphäre der behüteten Frauen vorzudringen, so dass die inspectio sich vorwiegend auf die gemeinschaftlich genutzten Bereiche konnte beschränken, um den Sacerdotes zu zeigen, dass der Cultus Deorum, respektive der Pontifex Maximus sie auch in Absenz ihres Pater Familias nicht vergaß und für ihr Wohl wollte Sorge tragen. Gleichsam wollte Gracchus keine diesbezüglich Weisung vorgeben, denn allfällig befand die Vestalin auch anderes für notwendig.

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  • Wenn die Pontifices dachten, Romana wäre glücklich, dann stimmte dies. Ja, sie war wie verwandelt. Die Bedeutung dieses Tages war für sie nicht zu unterschätzen. Noch vor einer halben Stunde war sie eine Schülerin gewesen, jetzt war sie eine voll qualifizierte Priesterin. In der einen Minute war sie noch ein Mädchen, jetzt eine Frau. Es war so wie bei einer Hochzeit, wie bei jener, die Serrana und Calvena vor Kurzem gefeiert hatten. Jetzt waren die beiden Matronen, nun waren sie jemand. Bei Romana war das gleich – nun war sie eine Sacerdos Vestalis. Sie würde sich alsbald daran machen, sich einen Liktor und einen Wagen, der ihr ja zustand, auszusuchen. Doch zuerst noch würde sie einen eigenen Schlüssel für die Bibliothek bekommen. Dass Pomponia Pia Schülerinnen den Zugang zur Bibliothek verbot, hatte sie noch nie verstanden – nun, endlich, würde sie stundenlang zwischen den Büchern hocken können! Sie würde, dachte sie sich, wenn sie erst Obervestalin war, alles umkrempeln. Viel müsste, bei aller Sittenstrenge, ein wenig liberaler aufgezogen werden. Zumindest sollten auch Schülerinnen den Zugang zur Bibliothek bekommen – aber vielleicht hörte ihr Pomponia nun auch zu? Schließlich war sie nun ja jemand... und vielleicht könnte sie auch diese komische, archaische Sitte ändern, sich unter Vestalinnen nur mit Gentilnomina anzureden. Mittlerweile hatte jede Frau in Rom einen Cognomen, außer vielleicht die Ältesten unter den Alten, die aber sicher auch schon, zumindest informell, solche Namen trugen. Man musste mit der Zeit gehen, dachte sich Romana, ausgerechnet die altmodische Claudierin, die, zumindest was Vestalinnen anging, eine progressive Ader in sich entdeckte. Na ja, Zukunftsmusik!


    Zuerst stand die Führung an. Sie lächelte, fast schon professionell, und deutete um sich. “Gut. Dies hier ist das Vestibulum. Hier hält stets eine Virgo Vestalis Wache – dabei wechseln sich Schülerinnen, Priesterinnen und Lehrerinnen ab. Sklavinnen wollen wir es nicht anvertrauen, die Tür des Atrium Vestae zu bewachen. Die meisten Besucher kommen nicht weiter als hierhin, außer auf ausdrückliche Einladung einer Vestalin. Dafür ist es auch schön geräumig.“ Sie deutete auf die durchaus imposante Säulenreihe, die zur Linken und zur Rechten die Decke stützte. Durch die 6 Fenster drang das Licht ein, wer zu Boden schaute, würde die darin eingemeißelten Mosaike sehen, und wer nach oben schaute, die farbenfrohen Fresken an der Decke, welche die in den Metamorphosen des Ovid beschreibenen Zeitalter der Menschen darstellte. Zwischen den Säulen standen vereinzelte kleine Klinen, auf der eventuelle Gäste Platz nehmen konnten.


    “Alles wird hier, wie überall, regelmäßig von unseren Sklaven gesäubert. Symbolische Reinigungen allein halten unsere Wohnstätten nicht sauber.“ Sie grinste, gut gelaunt, ein Fremdenführerinnenlächeln. “Ich denke, ich kann euch nun das Peristylium zeigen?“


    Sim-Off:

    So, ich habe mir gedacht, am Besten bleiben wir in diesem Thread. Wenn ich mir Romana eure Pontifices herumführe, werde ich einfach einen Link zum entsprechenen Thema angeben, aber es wäre einfach ein wenig zu kompliziert, wenn wir von Thread zu Thread springen. Ich hoffe, das passt... ;)

  • Die Metamorphosen des Ovid hatte Gracchus an diesem Raume schon immer geschätzt, obgleich ihm ihre Präsenz erst in jenem Augenblicke wieder wurde gewahr, als die Claudia mit einer den Raum umfassenden Geste das Vestibulum präsentierte und sein Blick kurz empor in die Höhe schweifte. Die derzeit wachhabende Vestalin nickte bei ihrer Erwähnung den Pontifices zurückhaltend, doch nicht unfreundlich zu, und Gracchus vermutete, dass dies wohl eine der ennuyantesten Aufgaben im Leben der Vestalinnen musste sein - zumindest konnte er nicht sich vorstellen, den halben Tag an einer Türe zu harren, obgleich er durchaus selbst oftmals viel Zeit damit vertat, nichts tuend des Tages in seinen Räumlichkeiten zu harren, was ihm indes als gänzlich differentes Unterfangen schien. Ein wenig andächtig trat er über das filigrane Mosaik hinweg, in sich hinein schmunzelnd über die Bemerkung der frisch gebackenen Sacerdos bezüglich der Reinigung und auch ein wenig erstaunt über ihre exzellente Auffassungsgabe - er selbst hätte von solcherlei nebensächlichen Details wie reinigende Sklaven kaum wohl je Notiz genommen - bezüglich der Villa Flavia mochte es ihm ebenso wahrscheinlich sein, dass das Haus sich selbst reinigte, wie dass die Sklaven dies taten.
    "Gewiss"
    , pflichtete er schlussendlich Romana bei, bereit ihr zu folgen.



    Sim-Off:

    Diese Art Vorgehen kann ich nur befürworten.

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  • Das Nicken der jungen Vestalin, die heute für die Türwache eingeteilt war, erwiderte ich ebenso höflich und knapp wie sie zuvor. Sonstig war ein vestibulum nun einmal ein vestibulum. Lediglich die Einrichtung variierte, die Bebilderung, das gesamte Interieur. Der Nutzen und Zweck jedoch war identisch, und so begutachtete ich lediglich die hübschen Mosaike und den feinen Schwung der Pinsel an Wänden und Decke, während die Claudia sprach. Ich fügte ein Bereitschaft signalisierendes Nicken an Gracchus' Zustimmung an und folgte der frischgebackenen Vestalin dann zum Peristyl, das sie bereits angekündigt hatte.

  • Auch Romanas Blick schweifte kurz hinüber zu Papiria Occia, welche mittlerweile wieder Platz genommen hatte, und das Nicken der beiden Pontifices erwiderte. Romana hingegen schenkte ihr nur ein lächeln – sie war keine große Nickerin, wie sie es selber zugeben musste.


    Der Flavius schien sehr angetan von den Bildern der Metamorphose, während der Aurelius etwas ungeduldiger wirkte. So verlor Romana keine Zeit, und schritt hinaus in den Innenhof.


    Das Peristylium, der große Hof in der Mitte, war umsäumt von einem Gang, der mit Säulen vom Garten abgetrennt war. Der Garten, das, was vom einst großen Hortus Vestae übrig geblieben war, erstrahlte den Pontifices im satten Grün. Statuen von verblichenen Obervestalinnen waren im Garten zu sehen, umsäumt von in geschmackvollen Farben gehaltenen Blumen.


    Romana drehte sich wieder zu den beiden Männern um in einer selbstsicheren Bewegung, welche doch ein wenig anders aussah als das zögerliche Stocken, welches sie noch als Schülerin öfters an den Tag gelegt hatte.


    “Das hier ist das Peristyl. Ich kann mit Stolz sagen, dass dies sozusagen mein Reich ist. Schon als Schülerin habe ich den Auftrag bekommen, mich um die Pflanzen im Peristyl zu kümmern. Ich habe all diese Blumen gesetzt – natürlich mit der Hilfe von Sklavinnen – und kümmere mich um die Imstandehaltung des Gartens.“ Romana war eine passionierte Gärtnerin und liebte die Aufgabe, welche sie hier hatte im Atrium Vestae.


    “Ich schaue auch dazu, dass das Sklavenvolk die Statuen sauber hält. Hier...“ Sie deutete auf eine davon, und ihr Lächeln schwand, als sie sah, dass es die Statue von Flavia Agrippina war. Sie war die Schwester von Gracchus gewesen, das wusste sie. Es war schon einige Zeit her, dass sie ermordet wurde, vor Romanas Aufnahme. Die Vestalinnen sprachen ungern darüber. Es musste ein großer Schock gewesen sein für alle.


    “Ja... das Peristyl“, schloss sie ungeschickt und lächelte die beiden Pontifices wiederum an. “Viel mehr gibt es hierzu nicht zu sagen. Sollen wir ins Lararium gehen?“ Dies war die nächste Station, die Romana eingeplant hatte.


    Sim-Off:

    EDIT: Link geändert.

  • Sie schlenderten die von pastelligen Blüten umrahmten steinernen Zeugnisse des vestalischen Kultes entlang, während Romana über ihre Arbeit sprach, und ein wenig war die junge Frau zweifelsohne zu beneiden, wenngleich nur um die Pflicht innerhalb ihrer Pflicht. Mit einem Male stockte sie indes und obgleich dies keinesfalls unerwartet war, obgleich die Erinnerung den gesamten bisherigen Tage bereits in Gracchus schwelte, so kam der Anblick seiner Schwester doch einem Schlage vor den Kopf gleich. Deutlich erstarrte er, den stechenden, vorwurfsvollen Blick aus Aquilia Agrippinas Augen bis tief in seine Seele hinab verspürend, das Flüstern nach Vergeltung und Rache von ihren Lippen einem gellenden Schrei aus Furienkehlen gleich in den Gängen seines Gedankengebäudes widerhallen hörend, und während ihr Vorwurf einzig der Unfähigkeit seiner selbst musste gelten, die eigenen Schwestern zu beschützen, während aus ihren Zügen die Verachtung gleich zweier Schwestern sprach, stieg in Gracchus die Wut empor über die unleugbare Tatsache, dass der Mord niemals war aufgeklärt worden, dass der Verantwortliche es hatte hingenommen, desinteressiert, dass auf solch schändliche Art und Weise seine Tochter war dem Leben entrissen worden. Gracchus hatte unbezweifelt versagt als Bruder, doch war er nur ein bedeutungsloses Staubkorn im Meer der imperialen Wüste, wohingegen der Pontifex Maximus hatte gleichsam versagt - Fels in der Brandung hoffnungsloser Fluten, pflichtvergessener Pater familias seiner Töchter, die für ihn die Flamme seines Reiches am Leben erhielten. Und während Divus Iulianus der Verantwortung erst in einen verlorenen Krieg und hernach in den göttlichen Tod war entschwunden, so schien sein Nachfolger diesbezüglich noch weitaus verantwortungsloser, war nurmehr Farce eines Pontifex Maximus, und durch seine Untätigkeit mehr Gefahr für das Reich denn alle äußeren Feinde gemeinsam.
    "Möge sie auf ewig ihre Schwestern dessen erinnern, dass die Gaia unan..tastbar mag sein, doch nicht der Leib, dass der Staat seine Pfli'ht nicht vergisst, der Pontifex indes schon."
    Erst als seine Gedanken in hörbaren, wenn auch leisen Lauten über seine Lippen waren gedrungen, wurde Gracchus dessen sich bewusst, dies ausgesprochen zu haben, kam die Diskrepanz seines Auftrages ihm in die Sinne, dass den Vestalinnen sie sollten zeigen, dass das Collegium als Repräsentation des Pontifex Maximus sie eben nicht vergaß. Ein wenig verschämt ob dessen senkte er den Kopf, obgleich noch immer die Flammen aus Zweifel und Wut in ihm züngelten.
    "Ver..zeiht, ich sprach unangemessen im Zorne."
    Er wollte nicht weiter sich erklären, fürchtete die Emotionalität, welche diese Thematik in ihm empor förderte, dass er nach einem letzen, kurzen Blicke auf das steinerne Antlitz seiner Schwester hin sich abwandte, das Gespräch in eine andere Richtung forcierte.
    "Obliegt einer jeden Vestalin die Obhut über einen der Räume des Anwesens oder stellt das Peris..tylium eine Ausnahme dar?"
    Noch immer glaubte Gracchus den stechenden Blick seiner Schwester im Nacken zu verspüren, harrte darob innerlich ein wenig ungeduldig dem Lararium.

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  • Peristyl und Garten folgten, und selbstverständlich ließ ich hier besonders gründlich die Blicke schweifen, um die Vielzahl der Pflanzen in Augenschein zu nehmen, die im Grün versteckten Statuen und kleinen Kostbarkeiten, die das Auge erfreuten und eine willkommene Abwechslung darstellten. In kleinen Nischen rings um den Säulengang herum waren ebenfalls Statuen verteilt, und kleine marmorne Tafeln verkündeten jedem Interessierten den Namen und den Grund, aus dem hier eine Statue von der Person stand. In jenem Moment lenkte die Claudia unsere Aufmerksamkeit auf eine ganz bestimmte Statue, und während ich noch rätselte, wer dies mochte sein, und einen Blick nach vorn auf die Tafeln warf, versteifte sich Flavius Gracchus bereits. Und einen Augenblick darauf erschloss sich mir sein Verhalten, denn dies war nichts anderes als das Abbild seiner Schwester. Es schien, als starrten Agrippina und Gracchus sich an, trauernder Blick in marmornen, und ich schwieg betreten. Damals war auch ich zugegen gewesen, doch an das Gesicht der Flavia erinnerte ich mich nicht mehr. Die Claudia war es schließlich, die das Schweigen brach, und ein wenig salopp zusammenfasste. Schon wollte ich zustimmen, den Weg fortzusetzen, um dieser Situation zu entfliehen, die für uns alle unangenehm sein mochte - für Gracchus, da er erinnert wurde an die Ermordung seiner Schwester, für die Claudia und mich, da wir hilflos dastanden und uns nichts blieb, als betreten dreinzuschauen - da sprach Gracchus nun doch, und schlagartig wurde es mir noch unangenehmer zumute. Es war eine Sache, so über den pontifex maximus zu denken, doch eine gänzlich andere, seine Gedanken laut zu offenbaren. Erst recht in Gegegnwart einer Vestalin, einer Kaiserstochter. Ich warf einen Blick zur Claudia hin, lenkte ihn anschließend zurück zu Flavius Gracchus, der sich eben entschuldigte für seine Verlautbarung. "Es wird unter uns bleiben", entgegnete ich nur und warf der Vestalin in unserer Mitte einen entsprechend bittenden Blick zu. Ich hielt es für sinnvoll, schnellstmöglich weiterzugehen. Gracchus stellte noch eine Frage, und ich selbst machte bereits währenddessen eine entsprechende Geste, die Inspektion fortzuführen, währenddem die Claudia meinem Kollegen ihre Antwort geben mochte. Eines, das hatte ich recht schnell festgestellt, fehlte jedoch diesem Garten zur Vollkommenheit. Etwas, das ihn nicht nur zum angenehmen Rückzugsort machte, sondern ebenso zu einer Oase der Schönheit.

  • Als sie noch am Sprechen war, sah sie, wie der Blick des Flaviers sich auf die Statue der ermordeten Obervestalin legte. Sie fragte sich, was in seinem Kopf vorging. War es eine Art innere Zwiesprache mit seiner Schwester? Oder waren es Emotionen, die in ihm hochstiegen? Etwas betroffen blickte sie auf den Pontifex, sie konnte regelrecht spüren, dass etwas in ihn umging, Gefühle, die so stark waren, dass fast schon die Luft vibrierte – zumindest kam es Romana so vor. Etwas hilflos blickte sie auf den Pontifex Aurelius, doch dieser war auch auf den Flavier konzentriert. Ihre Worte, mit denen sie versuchte, die unangenehme Stimmung zu unterbinden, fruchteten nicht. Romana wusste nicht genau, was damals vorgegangen war. Niemand hatte es ihr ausführlich erzählt – es war etwas, das klein gehalten worden war. Kein Flecken sollte die Seelen neuerer Vestalinnen belasten, und so wurde das Vorkommnis unter den Tisch gekehrt. Und Romana hatte auch wenig Lust, selber nachzufragen.


    Gerade wollte sie erneuert den Flavius fragen, da sprach er selbst. Seine Worte kamen wie ein Rumpeln aus einer unterirdischen Kammer, und erschütterten die von Grund auf kaisertreue Romana tief. Ja, sie erbleichte sogar kurz im Gesicht, als sie diese Worte hörte. Diese verleumderischen, ketzerischen Worte, gerichtet gegen ihren Vater den Kaiser, hätte Romana nie einem Pontifex zugetraut. Es war erst, nachdem der Aurelius ihm zugesicher hatte, dass seine Worte das Atrium Vestae nicht verlassen würde, dass sie endlich ihren Mund aufmachte. Ihre Worte waren noch immer von Entsetzen gefärbt. “Jawohl. Unangemessen ist der richtige Ausdruck. Ich werde es vergessen, wenn es nicht mehr vorkommt.“ Etwas eisig kamen ihre Worte herüber, aber damit musste jemand rechnen, der solche Worte aussprach gegenüber einer Vestalin.


    Sie versuchte, durchzuatmen, um auf andere Gedanken zu kommen. Ihre Augen richteten sich auf Gracchus. “Eine Ausnahme. Um die Räume kümmert sich die Sklavenschaft des Atrium Vestae. Die Obhut über den Garten habe ich selber gewünscht.“ Solcher Tatendrang speiste sich aus ihrer Liebe zu Gärten – und ihrer Religiösität, die beizeiten an Superstitio grenzen mochte.


    Sie blinzelte, schwieg kurz und erklärte dann: “Gehen wir ins Lararium.“ Sie wollte den Garten verlassen – für die Dauer der Führung hatte sie den Geschmack an ihm verloren. Und vor allem fragte sie sich nun, ob die Statue der Agrippina mehr war als eine Statue, wenn sie bei Gracchus einen solchen Gefühlsausbruch hervorgerufen hatte. Sie machte einen Wink mit der Hand, um den Pontifices die rechte Richtung zu zeigen.

  • Jenen von Unbehagen gefärbten Blick des Aurelius nahm Gracchus nicht wahr, mied er doch einen seiner beiden Begleiter zu blicken, bemerkte indes wohl die sorgsam gewählte Couleur Corvinus' Worte, welche die Claudia geradezu pikiert noch einmal verschärfte - zu Recht selbstredend, denn obgleich bei juristischer Prüfung auf Denunziation kaum eine Anklage wäre haltbar, so wussten doch alle im Raume, auf welchen Pontifex sein Unmut intendierte, wiewohl weitaus folgenreicher als eine öffentliche Anklage vermutlich das Wort der Vestalin gegenüber ihrem rechtlichen Vormund konnte sein. Mochte Quarto auch sich um eine Beilegung der vergangenen Zwistigkeiten zwischen Aeliern und Flaviern bemühen, selbst dieser konnte nicht mit Bestimmtheit versichern, dass der vormalige Aelius und jetzige Imperator Caesar Augustus nicht noch immer einen leisen Groll in sich verspürte, welcher durch solch unachtsam geäußerte Worte allzu schnell mochte ausbrechen - selbst für Gracchus war die Vorstellung, sich mit der Aelischen Familie zu verbünden nur schwer zu ertragen, wiewohl er selbst niemals von diesem Konflikt direkt war betroffen gewesen, gegenteilig zu Ulpius Aelianus. Somit blieb ihm nur auf die Besonnenheit der Claudia zu hoffen, dass sie eingedenk der familiären - wenn auch überaus fernen - Verbindung dies ihm wahrhaftig würde nachsehen und vergessen, bestätigte gleichsam ihre frostige Mahnung mit einem tonlosen, beinahe flüsternden
    "Nimmermehr"
    , wiewohl er sich selbst gegenüber eine Spur von Zweifel daran musste eingestehen, allem Drang zur Wahrheit zum Trotze, allem Streben nach Tugend, denn zu tief saß der Dorn der Enttäuschung, zu tief der gebrochene Stolz seines Familienzweiges, zu quälend waren der Spuk der larvae, zu unstet und verworren indes seine eigenen Impulse seit geraumer Zeit. Romanas Worte ob der Aufgaben von Sklavenschaft und Vestalinnen drifteten an Gracchus' Geiste vorüber wie ein Grashalm auf dem Wasser an einem Angler, gleichsam kalmierte ihn ein wenig der Klang ihrer Worte, die Belanglosigkeit dieser zudem, welche indizierte, dass der Fortgang des Lebens zu seiner Alltäglichkeit war zurückgekehrt - ganz so, wie er stets zu belangloser Alltäglichkeit zurückkehrte, selbst dann wenn untadelige, über alle Maßstäbe erhabene Vestalinnen ermordet wurden. Wortlos folgte er der Claudias Schritten zum Lararium hin, den Blick seiner Schwester noch immer im Rücken verspürend, die Vorwürfe an sich selbst, den Zorn und die Enttäuschung über die Reaktion des Pontifex Maximus ob ihres Ablebens, wiewohl seine allgemeine Desillusion ob kultischer Belange wieder tief in sich verbergend, klandestin schwelend und köchelnd. Mochte dieser weit zurückliegende Tag ein Schlüsselerlebnis gewesen sein, welches maßgeblich dazu hatte beigetragen, dass in Gracchus' persönlichen Maximen das Wohl des Imperium Romanum, respektive des Imperators hinter das Wohl der Familie war zurückgefallen, so musste er doch gerade ob dessen an das Wohl seiner Familie, insbesondere jenes Minors denken, welchem es nicht wäre sonderlich zuträglich, sollte sein Vater dem Kaiser in negativer Art und Weise auffallen, ob dessen er im Stillen sich gemahnte, nicht nur seine Worte achtsam zu wählen, sondern gänzlich auf die Tugenden sich zu besinnen, welche seiner Familie stets hatten zur Ehre gereicht.

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  • Romana blickte auf Gracchus, während dieser Gedanken so laut wälzte, dass man es beinahe hören konnte, und dann schließlich bestätigte. Er würde so etwas nie mehr sagen. Romana nickte langsam. “Gut.“ Sie hatte kein Interesse daran, den Mann, der ihr die Prüfung zu solcher allgemeinen Zufriedenheit abgenommen hatte, öffentlich in grund und Boden zu verdammen. Und sie wusste nur allzu gut, dass manchmal, in unbeherrschten Momenten, wahre Fauxpas entstehen konnten. So würde sie nicht auch noch weiterhin ungnädig sein, sondern geleitete die beiden Herren zum Lararium, ohne Worte, sie schritt einfach nur voran, sie verließen den Innenhof, strebten durch diverse Flure und endlich hinein in den vielleicht prächtigsten Raum des Atrium Vestae.


    “Das Lararium.“ Sie lächelte endlich wieder und machte eine Geste, mit der sie den beiden die Grandiosität dieses Platzes zu vermitteln versuchte. “Das hier ist das Hausaltar.“ Sie deutete auf einen durchaus großen Altar, der in der Mitte des Raumes stand. “Seht hier. Das ist der Genius des...“ Sie versuchte, keinen vorwurfsvollen Blick an den Flavier anzuschießen. “des Kaisers.“ Es war ein Figürchen, welches auf dem Hausaltar oben stand, welches sich nicht nur durch die liebevolle Ausarbeitung auszeichnete, sondern auch durch die Absenz vom umringenden Opfergaben. “Wir opfern ihm nur, wenn der Kaiser hier verweilt. Den Laren hingegen opfern wir täglich.“ Sie deutete willkürlich auf ein paar andere Statuetten, die im Raum standen. “Besondere Beobachtung verdienen die Reliefs. Die Pontifices Maximi vom Anbeginn Roms bis heute hin.“ Sie deutete auf diverse Kaiser. “Augustus ist angeblich besonders lebensecht. Aber auch Caesar sieht sehr lebendig aus hier... und hier, hier sind Vespasianus, Titus und der dritte flavische Kaiser.“ Sie bemühte sich um ein versöhnliches Lächeln zu Gracchus hin. Sie wollte nicht ewig nachtragen, und es war keinesfalls opportun, es sich mit jemandem aus dem Collegium Pontificorum zu verscherzen.


    “Natürlich wird das Lararium ganz besonders gepflegt von den Sklaven. Schließlich wird es jeden Tag benutzt, und dies ist wahrlich nicht der geeignete Ort, um Schmutz anzusammeln. Das Marmor ist schlielich aus Etrurien.“ Sie klopfte mit dem Fingerknöchel ihres rechten Zeigefingers burschikos an die Wand, um den Klang von Marmor zu veranschaulichen.


    “Habt ihr genaug gesehen, oder soll ich noch etwas hier erklären?“, fragte sie nach einer kleinen Pause.

  • Eines musste man der Claudia lassen: Sie machte ihrem kaiserlichen Vater alle Ehre, zeigte sich respektvoll wie auch tolerant im besten Maße. Der Kaiser konnte stolz sein auf sie.


    Gemeinsam mit Grracchus folgte ich ihr ins lararium, besah interessiert die anwesenden Statuen und bedauerte es in diesem Moment, dass meine Familie keinen Kaiser gestellt hatte. Und dennoch sollte man sich hinwieder auf seine Wurzeln besinnen, die unsererseits plebejischen Ursprungs waren, auch wenn das bereits lange Zeit her war. Ich trat an den Altar, betrachtete die Votive und berührte zwei der kleinen Figürchen flüchtig mit den Fingerspitzen. Anschließend richtete ich meinen Blick auf die Figur des Kaisers, die ein Füllhorn und eine Opferschale trug, doch keine Opfergaben umringten, was die Claudia soeben auch bestätigt hatte. "Weshalb wird dem genius des Kaisers nur geopfert, wenn er zugegen ist? Mir scheint, er kann jedweden Zuspruch brauchen, damit er bald wieder in Rom weilen kann", sagte ich. Sie musste doch genauso wissen wie ich, dass Rom seinen Kaiser brauchte. Vielleicht war sie in die politischen Belange nicht ganz so involviert wie unsereins, doch würde sie als Tochter des Kaisers gewiss darüber informiert sein, weshalb er Misenum Rom vorzog und uns seinen Platzhirsch auf den Hals gehetzt hatte.


    Ich wandte den Blick zu der Vestalin hin und meinte aus den Augenwinkeln auch eine Figur zu sehen, die Flavia Agrippina recht ähnlich sah. Kurz schoss ich einen Blick hin zu Grachhus und hoffte, er möge sie übersehen oder sich zumindest zusammenreißen. Vielleicht war es besser, die Inspektion recht bald abzuschließen, ehe es zu einem weiteren Zwischenfall kommen mochte, bei dem die Vestalin nicht mehr so galant reagieren würde.

  • Es wandte sich das Augenmerk der Vestalin auf den Pontifex Aurelius, welcher sie eine Frage stellte, die so dumm gar nicht war. “Nun, Aurelius, ich habe keine Antwort“, gab sie freiheraus zu. “Dies hier ist der Cultus Deorum. Der Götterkult fußt, wie du als Pontifex sicher weißt, nicht immer auf logischen und auf den ersten Blick ersichtlichen Prämissen“, erklärte sie in der leicht schwurbeligen Art und Weise, in der man Religion des Öfteren erklärte, dem Aurelier. “Es ist einfach eine Sache, die der Kult vorschreibt.“ Romana hatte aufgegeben, den auf menschlichen Verstand basierenden Sinn hinter Ritualen zu sehen, und sich damit abzufinden, was die Götter von den Menschen verlangten, und, wie vorzufahren war im Kult der Götter. Man hatte es ihr so erklärt, und es war nicht an ihr, die göttliche Ordnung zu hinterfragen, als ob sie eine an nur 2 oder 3 Götter glaubende Christianerin wäre.


    Sie hoffte, dass diese Antwort dem Pontifex, der ja schließlich nicht in die Rituale der Vestalinnen eingeweiht war – nur wenige wussten überhaupt etwas von ihren mysteriösen Pflichten – genügen würde, auch wenn sie vielleicht nicht befriedigend wäre für alle Menschen. Und so schob sie rasch noch ein freundliches, ein bisschen entschuldigend wirkendes Lächeln für den Aurelier hinterher.


    Romana, deren Gens wie die von Gracchus selber eine Anzahl an Kaiser gestellt hatte, was somit Corvinus den einzigen im Raum von nicht-kaiserlichem Blut machte, blickte wieder kurz zu den Lares hin, die sie immer ein wenig an die in der Villa Claudia erinnerten - auch, weil auch die Laren in der Villa Claudia sehr fein gefertigt waren – und entdeckte einen Laren mit durchaus femininen Gesichtszügen, dem sie aber nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. Vielmerh wollte sie weiter machen mit der Führung.


    “Ich würde euch jetzt gerne das Tablinium zeigen. Kommt ihr mit?“ Sie blickte beide Pontifices erwartungsvoll an.

  • Zwar war der Hausaltar der Flavier ebenfalls in seinem separaten Raum untergebracht und wie alles in der Villa Flavia nicht eben als schlicht zu bezeichnen, doch im Vergleich mit dem Hausaltar des Atrium Vestae, welcher mehr der cella eines Tempels glich, war er wohl durchaus als bescheiden anzusehen. Mit den Augen eines Genießers prüfte Gracchus die Reliefs der Kaiser und wollte durch das missinterpretierte versöhnliche Lächeln animiert gerade der Claudia mit dem Namen Domitianus aushelfen, da es ihm schien, als hätte sie wohl in diesem Augenblicke auf ihn vergessen, als just in diesem Moment gerade noch rechtzeitig ihm wurde gewahr, dass in der Öffentlichkeit die Damnatio Memoriae auf Flavius Domitianus lag, was vor einem neuerlichen Fauxpas ihn bewahrte. Innerhalb der Gens Flavia war es derart alltäglich, Domitianus' Namen zu nennen, seine Verdienste und sein Ansehen zu ehren wie dasjenige der Kaiser Vespasianus und Titus ebenso, dass es Gracchus stets absonderlich und unrecht schien, ihn nicht in der Öffentlichkeit zu verteidigen, in welcher nur das falsche, verquerte Bildnis war präsent, welches die Feinde des dritten flavischen Kaisers nach dessen Tode hatten von ihm kreiert. Ob dieser klandestinen Überlegung schloss Gracchus indes den bereits halb geöffneten Mund wieder, nickte nur, auch den etrurischen Marmor würdigend, hatte keine weiteren Fragen und lauschte nur jener Aurelius', wiewohl Claudias' Antwort, im Stillen darüber sinnierend, dass die Virgines Vestales dieser Tage sich wohl kaum darüber konnten beschweren, zu oft dem kaiserlichen Genius opfern zu müssen.
    "Natürlich"
    , entgegnete er schlussendlich der auffordernden Frage der Claudia, noch immer über die Absenz des Augustus nachdenkend und allmählich für sich eruierend, weshalb ihn diese beständig sekkierte, so er auch nur beiläufig darüber sinnierte.

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  • Der Flavier schien etwas agaen zu wollen. Oder doch nicht? Nein, er sagte nichts. Wird schon nicht so wichtig gewesen sein, wenn er nichts sagt, dachte sich Romana und schenkte der Miene des stellvertretenden stellvertretenden Pontifex keine Beachtung mehr. Nur war es nun sie, dass sie nun damit zu Ende waren, das Lararium gesehen zu haben. Sie nickte, gab den beiden Pontifices einen Wink und ging mit ihnen weiter bis zum Tablinium, das schöne Lararium nicht einmal zum Abschied noch einmal anschauend, kannte sie es doch zur Genüge von anderen Okkassionen her, welche natürlich stets ritueller Natur waren.


    So schritt die Vestalin mit langsamen, sie durch ihre Länge jedoch hurtig weiterbefördernden Schritten durch die Gänge, bevor sie an die Tür zum Tablinium anklopfte. Kurz wartete sie. “Hmm. Pomponia scheint nicht hier zu sein. Pomponia Pia, die Obervestalin“, erklärte sie den beiden Männern, als ob diese das nicht selber wüssten. “Wir reden uns nämlich alle mit unseren Gentilnomina an. Ich weiß auch nicht, wieso“, meinte sie, als sie die Türe aufmachte. “Dabei sind wir doch eine Schwesternschaft von Töchtern des Kaisers, solch eine formelle Anrede ist doch nur an öffentlichen Plätzen angemessen. Nun ja, die Obervestalin besteht darauf.“ Sie hielt inne, als sie merkte, dass sie wohl zum Plappern angefangen hatte, was ihr eigentlich gar nicht ähnlich sah. Aber sie freute sich noch immer so über ihre Erhebung zu einer Vollvestalin, dass sie von einer geradezu mädchenhaften Fröhlichkeit war.


    Das Tablinium war eine sehr aufgeräumte Räumlichkeit, mit sehr geschmackvollem Mobiliar, von denen vor allem der Schreibtisch hervorstach. “Dies hier ist der Schreibtisch der Virgo Vestalis Maxima.“ Sie deutete drauf, und war froh, dass die Obervestalin offenbar noch aufgeräumt hatte, sodass sich den Pontifices ein Bild an Ordentlichkeit erschloss. “Ihr fragt euch sicherlich, wozu die 6 Türen gut sind.“ Denn an den Seiten, also nicht bei der Vorderwand, wo die Eintrittstür war, und nicht an der Hinterwand, wo ein großes Fenster das Zimmer erhellte, befanden sich 6 Türen. “In den Räumen befinden sich weitere Schreine, sie werden jedoch nur selten benutzt.“ Sie öffnete eine Türe, um den Blick auf einen Foculus, auf dem aber kein Feuer brannte, zu eröffnen. “Sonst gibt es nicht mehr viel zu sehen.“

  • Hätte die Claudia begonnen von der obersten Vestalin vor den beiden Pontifices als Pia zu sprechen, es hätte Gracchus weitaus mehr irritiert als die für ihn sonderbare Tatsache, dass Romana dies nicht zu tun als befremdlich empfand, tat er sich selbst doch zumeist bereits überaus schwer damit, einen nicht der Familie zugehörigen Menschen bei seinem Cognomen zu nennen, wiewohl er teils selbst enge Verwandte nicht mit dem Praenomen konnte ansprechen, ohne dass ihn dies innerlich aufwühlte, er aus diesem Grunde zweifellos auch seine Schwierigkeiten damit würde haben, einen ihm fremden, adoptierten Bruder nicht mit dem Gentilnomen zu adressieren, obgleich in diesem Falle dies gar mit dem seinen wäre identisch, was unter den rechtlichen Schwestern der Vestalinnen nicht war der Fall. Das Tablinum, welches sie betraten, derangierte indes ihn noch weit mehr, schien es doch ob der szenischen Wandbemalung, der einzelnen Liege und dem Beistelltisch mehr wie ein Ort kurzweiliger Labsal, etwa um einer Ekloge zu lauschen oder dem Spiel einer Lyra - doch allfällig waren die Tätigkeiten einer vestalis maxima schlichtwegs divergent zu jenen eines Senators, erinnerte er sich doch, dass bereits seine Schwester in diesem Raume einem kleinen Tisch umringt von Korbsesseln den Vorzug hatte gegeben vor einem ausfüllenden Schreibtisch. Um seine Gedanken zurück in geordnetere Strukturen zu führen, und dabei keinesfalls den Erinnerungen zu verfallen, suchte er von dem Raume selbst sich abzulenken.
    "Wessen Ver..ehrung dienen diese Schreine? Diversen Indigitamenta der Vesta, den Laren oder anderen Göttern?"
    Gracchus' Blick folgte der Aufmerksamkeit der Claudia zu den Türen hin, hinter welchen an der Breite des Raumes gemessen nur recht schmale Kammern sich konnten befinden.

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  • Romana, immer mehr beeindruckter von den wulstigen Wortgebilden des Gracchus, war um die Antwort nicht verlegen. “Diese Schreine sind für Vesta, also so etwas wie Ableger des Haupttempels.“ Sie trat einen Schritt in das durchaus schmale Zimmer hinein – wenn Corvinus und Gracchus böse wären, könnten sie nun die Tür einfach zuwerfen und verriegeln, und die Vestalin würde festsitzen – und klopfte leicht mit dem Knöchel ihres rechten Zeigefingers auf das Metall des Feueraltars. “Hochwertigster gallischer Stahl. Rostet kaum. Er wird immer wieder von den Sklaven gereinigt und von Rost freigehalten“, erklärte sie. “Wir haben aber keine Statuetten von Vesta, im ganzen Atrium Vestae nicht. Das heilige Feuer ist genug Fokalpunkt, dass die Göttin ihre Augen immer hier behält“, sagte Romana und trat ein bisschen hastiger als nötig wieder aus dem Nebenzimmer hervor. “Das wäre also das Tablinium. Gehen wir jetzt am Besten gleich zum Triclinium.“ Sie trat aus dem Tablinium hervor, bog nach links ab, und geleitete die Pontifices wieder durch ein paar Flure, zum Triclinium.


    “Hier“, machte sie, als sie dort angekommen waren. Und was sollte man sagen? Es war halt ein Triclinium, in welchem die Vestalinnen speisten. “Wir halten hier zusammen unsere Essen, morgens, zu Mittag und am Abend. Dabei ist das Triclinium eigentlich nie ausgelastet – wir sind nur 6, und meistens hat jemand von uns auch noch Türdienst und Wache am Feuer, manchmal sind es auch 2, die übers Feuer wachen. Unsere Essensversorgung ist durchaus gut – wir werden vom Staat gesponsert“, lächelte Romana. Die beiden anderen waren Patrizier, also waren es nicht deren Steuereinnahmen, die die Vestalinnen verschlangen.


    “Wenn es hierzu keine Fragen gibt, zeige ich euch die Bäckerei - ja, wir haben eine, und sie ist uns wichtig -, und dann das Bad. Dann noch die Exedra des Gebäudes, und wir hätten dann das Wichtigste schon gesehen – außer, ihr wollt die Obergeschosse noch sehen. Im ersten Stock wohnen wir, die Vestalinnen, in unseren Cubicula. In den Stöcken weiter oben lebt die Sklavenschaft. Dort befindet sich auch auch der allgemeine Wirtschaftstrakt, die Culina ist aber im Erdgeschoss, direkt neben dem Triclinium. Interessant ist es nicht“, warnte sie die beiden Männer.

  • Neuerlich erwähnte die Claudia die exquisite Beschaffenheit der verwendeten Materialien, beinahe als würde sie die beiden Pontifices zu einem Kauf des Anwesens bewegen wollen, oder aber als spreche sie ihnen die Fähigkeit ab, dies selbst zu erkennen, was zumindest in Hinblick auf Gracchus gänzlich überflüssig war, konnte er sich doch trotz seiner bisweilen ein wenig getrübten Sinne stets auf seinen guten Geschmack verlassen, welcher durch jahrelangen Anspruch geprägt zielsicher nur nach den besten, teuersten und exquisitesten Materialien verlangte, ganz ohne dessen sich bewusst zu sein. Sie folgten der gesprächigen Vestalin weiter in das Triclinium, das gleichwohl in dieser Art und Weise in zahllosen Villen Roms sich hätte befinden können, und ganz beiläufig sinnierte Gracchus darüber, dass das Zutrittsverbot zum Atrium Vestae zweifelsohne nicht grundlos war verhängt worden, so dass dem gemeinen Bürger die alltägliche, profane Welt der Vestalinnen stets würde verborgen sein, nach außen hin nur ihre säkulare, beinahe epiphane Pflicht und Reinheit würde scheinen. Bäckerei, Bad und Exedra würden also noch folgen, doch als Romana weitere Einblicke in die vestalische Alltäglichkeit durch Ankündigung der oberen Stockwerke mit Schlafkammern und Sklavenquartiere in Aussicht stellte, beschloss Gracchus vorzeitig, dass es auch für Pontifices eine Grenze sollte geben.
    "So du es nicht unerlässlich als obligat era'htest, uns die oberen Stockwerke zu präsentieren, können wir dies wohl getrost abandonnieren, haben wir doch dann bereits genügend Einblicke erhalten, den Pontifex Maximus ob der besten Versorgung seiner Töchter ver..sichern zu können."
    Hätte es Missstände im Hause der Vestalinnen gegeben - Mangel welcher Art auch immer, Zwistigkeiten oder anderes -, hätte Romana immerhin ausreichend Gelegenheit gehabt, solcherlei direkt oder indirekt anzudeuten - wenn auch fraglich gewesen wäre, ob Gracchus indirekte Andeutungen hätte als solche identifizieren können -, wiewohl ihr dazu noch immer die Möglichkeit blieb.

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