peristylium | Der Morgen danach ...

  • Eine schlaflose Nacht lag hinter Prisca, Stunden des Grübelns, die zu keinem rechten Ergebnis führen wollten. Wenigstens hatte Flora es geschafft sie vor dem Zubettgehen noch ein wenig zu trösten und dieser Beistand hatte Prisca wirklich sehr geholfen. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie spätestens am Morgen danach mit Marcus über den "Vorfall im Garten" reden müsste. Seltsam nur, dass er nicht gleich zu mir gekommen ist. Hm?! Wahrscheinlich hat ihn das Geschäftliche gestern noch zu sehr in Anspruch genommen und dann war ja die ganze Zeit Flora bei mir ...und was ist mit Piso? Mein Onkel wird ihm doch hoffentlich nichts angetan haben? … Ob er immer noch so aufgebracht ist wegen dem Kuss, dass er am Ende gar nicht mit mir reden will? Fragen über Fragen gingen in Priscas Kopf herum bis sie es in ihrem Zimmer nicht mehr aushielt.


    Es war noch sehr früh und die eigentlich sollten um diese Zeit noch alle schlafen. Alle außer Prisca, was sehr zum Verdruss der Sklavinnen war die vorübergehend ihren Schlaf unterbrechen mussten, um ihrer Herrin beim Waschen und Ankleiden zu helfen. Lange dauerte es allerdings nicht bis sie wieder entlassen waren, da Prisca heute die Wahl des Kleides eher zur Nebensache erklärte und auch auf das Herrichten der Haare legte sie, zu so früher Stunde, noch keinen besonderen Wert. Eine einfacher Haarknoten und ein Haarnetz - das musste genügen.


    Anschließend streifte Prisca alleine und eher ziellos durch die Hallen und Gänge der villa, bis sie schließlich das peristylium erreichte. Es war absolut still und die villa wirkte wie verlassen. Im Licht des frühen Morgens lagen weite Teile des Säulengangs im Halbdunkeln, da nur wenige Feuerbecken um diese Zeit noch hell brannten. Prisca fröstelte und sie zog den Schal noch ein wenig enger um die Schultern, während sie langsam den Wandelgang entlang schritt. Ihre Augen waren gedankenverloren nach vorne gerichtet und blickten irgendwo ins Leere, sodass Prisca gar nicht recht wahr nahm wohin sie eigentlich ging. Zum Glück war es keine Säule auf die sie schließlich stieß, sondern eher ein weicher Gegenstand. Gegenstand? Nein es war eine Person, die wie aus dem Nichts vor ihr erschienen war.


    Prisca stieß einen leisen Seufzer aus und sah blinzelnd nach oben. "M ..Marcus .. Du..hier? …" Die Aurelia war völlig überrascht und irritiert, so als wäre sie gerade eben aus einem tiefen Schlaf erwacht. Nur langsam konnte sie ihre Gedanken soweit wieder sammeln um zu realisieren, dass da ihr Onkel leibhaftig vor ihr stand. So früh schon?! Darauf war sie nun gar nicht vorbereitet. "Guten Morgen,… Ich, … ehm, ich wollte gerade ...mmh", brachte Prisca noch hervor, ehe sie dann verunsichert den Blick vor ihm senkte und verzweifelt nach irgendwelchen Ausflüchten suchte ...

  • Eigentlich hatte ich direkt im Anschluss an den Besuch des Flavius meine Nichte aufsuchen wollen. Doch auf dem Weg zu ihr hatte mich ein aufgeregter Sklave regelrecht abgefangen und mich auf einen dringlichen Termin hingewiesen, der nicht aufschiebbar war. Zähneknirschend - und nach einiger Überlegung - hatte ich mich für die Pflichterfüllung entschieden, um Prisca später aufzusuchen. Als ich dies dann am Abend allerdings tun wollte, teilte man mir mit, dass Prisca bereits ruhte.


    Die darauffolgende Nacht war alles andere als angenehm. Ich verbrachte sie allein in meinem Schlafgemach, konnte zunächst nicht einschlafen und wachte nachts immer wieder auf. Ich schlief ausgesprochen schlecht in dieser Nacht, wachte mehr als ich schlief, und als ich mich morgens aus dem Bett schälte, fühlte ich mich wie gerädert und gar so, als hätte ich nicht einmal die Augen zu getan. Beginnender Kopfschmerz saß mir im Nacken, und ich beschloss, den aufkeimenden Schmerz mit Kälte zu löschen. So früh am Morgen war es draußen noch kalt, und ich warf mir einen Umhang über, um ein wenig im Peristyl zu spazieren in der Hoffnung, der Kopf möge das Pochen unterlassen.


    Nach einer Weile hielt ich inne, lehnte mich seitlich an eine der Säulen und sah in den Garten. Tautropfen zierten Gras und Blätter, das leise Rascheln der Blätter im Wind wirkte melancholisch und zugleich beruhigend. Ich schloss die Augen und atmete tief ein...als etwas an mich stieß. Überrascht wandte ich mich um und sah in Priscas erschrockenes Gesicht. Sie schien nicht nur sichtlich, sondern auch hörbar überrascht - und ich war es nicht minder, denn ich hatte sie nicht kommen hören. Sofort sprang mir ein Bild der gestrigen Situation vors innere Auge, und so sehr ich es auch fort schieben wollte, so wenig gelang es mir. Ich hob die Hand und strich ihr über die Wange, dann lehnte ich mich vor und küsste sie sanft auf die Stirn. Noch immer war ich bei einer solchen Zärtlichkeit besonders vorsichtig, denn seit sie mich geküsst hatte, hegte ich die - wohlweißlich! - dumme Befürchtung, sie mochte meinetwegen so enden wie Helena. Obgleich ich doch wusste und spürte, dass es etwas vollkommen anderes war als bei meiner Base damals. Ich nahm meine Hand wieder fort, verschränkte die Arme locker vor der Brust und sah Prisca an. "Guten Morgen. Dasselbe könnte ich dich fragen... Hast du auch schlecht geschlafen?"

  • „Marcus wird zwar böse sein, aber wenn du es ihm erklärst, wird er es verstehen. Er ist doch kein Unmensch.“, hallten in dem Moment Floras Worte durch Priscas Kopf. Nein, ein Unmensch war Marcus ganz gewiss nicht und böse? ... Das Streicheln der Wange und der sanfte Kuss auf die Stirn zur Begrüßung … Nein, böse schien er auch nicht wirklich zu sein (oder nicht mehr), obwohl seine folgende Frage durchaus vorwurfsvoll klang und an ihr schlechtes Gewissen appellierte. Es ist nichts schlimmes passiert! Gar nichts ist passiert. Wir haben uns nur geküsst. Nur ein Kuss!, versuchte Prisca - tief durch atmend - eine plausible Erklärung zu finden und schließlich schaffte sie es sogar Marcus wieder in die Augen zu schauen. "Ich … j ..ja, ich, ich habe furchtbar schlecht geschlafen", setzte sie mit einem gequälten Lächeln zum sprechen an und musste erneut feststellen wie schwer es ihr fiel, ihm diesen einen Kuss erklären zu wollen.


    Prisca wusste wie viel sie Marcus bedeutete und umgekehrt war es genauso. Sie liebte ihren Onkel! Zwar nicht auf die selbe Art wie Helena es getan hatte, aber doch so sehr, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte nun einem anderen Mann ihr Herz schenken zu wollen. Einem Mann, der nicht ihr Onkel wäre und der ganz andere Gefühle in ihr hervor rief wie Marcus es tat. Ach wäre er nicht mein Onkel, dann ... aber so: "Marcus?! ... Ehm, wegen gestern, … ich weiss, du bist böse auf mich und vor allem auf Piso, nur, … ich, ich muss es dir erklären … nur wie?, stammelte Prisca unbeholfen weiter, in der stillen Hoffnung ihr Onkel würde einfach abwinken, es auf sich beruhen lassen und alles wäre wieder gut. Aber so einfach würde es wohl nicht werden und deshalb musste sie ihm wohl oder übel sagen, was passiert war, nämlich: [SIZE=6]"ich hab mich in ihn verliebt "[/SIZE], hauchte Prsica mit versagender Stimme, sodass Marcus gezwungen wäre dieses Wispern als das 'Liebesgeständins an den Flavier' zu deuten (außer, ihr Onkel wäre mit dem Gehör einer Fledermaus gesegnet und hätte es wortwörtlich so verstanden). ...

  • Das war verständlich und erklärte zudem, warum auch sie so früh am Morgen die Kälte des Frühlings suchte, der in diesem Jahr leider besonders lange brauchte, um sich zur Sommerwärme zu entfalten. Ich überlegte, ob ich sie danach fragen sollte, ob sie schlimme Träume gehabt oder einfach falsch gelegen hatte, da fuhr sie auch schon fort und sprach das Thema Flavius an, das ich am liebsten gänzlich vermieden hätte. Ich seufzte, während sie sich in einem Erklärungsversuch erging, und es missfiel mir eindeutig, dass sie diesen Gorbian auch noch bei seinem seltsamen cognomen nannte, Piso, den Erbsenbauer. Was seine Eltern sich dabei gedacht haben mochten, würden sie vermutlich auch mit ins Grab nehmen. Als Prisca eine kurze Pause machte, bemühte ich mich um ein kleines Lächeln und setzte zu einer Erwiderung an. "Aber ich bin nicht böse auf dich, Prisca. Du kannst schließlich nichts dafür. Es war schlichtweg eine Unverschämtheit von diesem Flavius, ungefragt hier einzudringen und sich zu nehmen, wonach ihm der Sinn..." Ich verstummte, rund zwei Sekunden nachdem Prisca kaum vernehmlich etwas gesagt hatte, dass ich gewiss falsch verstanden hatte. Zunächst mit entsetztem, dann mit einem Blick, der deutlich machte, dass ich mir ein Misshören vorzumachen suchte, schüttelte ich den Kopf, gepaart mit einem überspielenden - und deutlich missglückten - Lächeln. Da war ein schwarzer Fleck auf meiner Brust, der sich vollsog und rasch größer wurde. Wie roter Wein, der auf eine gierig saugende toga traf.


    "Was...hast du gesagt?" krächzte ich. Bestimmt hatte ich mich verhört. Es konnte doch unmöglich sein, dass Prisca das Wort Liebe eben benutzt hatte, noch dazu in Verbindung mit diesem unsittlichen Flavier! Ich starrte sie an und hoffte auf ein Wunder. Sie hatte bestimmt er hat sich verlaufen gemeint. Oder ich habe mich mit ihm verlustiert. Ich fühlte mich wie die Hecke, die das Dornröschenschoss umgab. Prisca war die lieblich schlummernde Jungfrau, dieser Flavius der fesche Freier. Und ich war die bösartige Dornenhecke, nur dass in meiner Version der Geschichte die Hecke gewann und nicht der Prinz.

  • Eigentlich hätte Prisca ihrem Onkel augenblicklich um den Hals fallen wollen als er sagte, er sei nicht böse auf sie. Doch sie blieb wie versteinert stehen da Marcus die ganze Schuld stattdessen bei Piso suchte und dabei interpretierte er den Kuss und die Umarmung im Garten natürlich völlig falsch. Herrje! Nein! So war es doch gar nicht!!! Priscas Miene wirkte zusehends hilfloser und fast schon traurig blickte sie Marcus in die Augen. Sie wusste ja selbst, dass so ziemlich jede Berührung für sie tabu wäre. Allein das Händchen halten in der Bücherei auf dem Markt war schon ein Bruch dieses Tabus gewesen und wer weiß wie Marcus erst reagiert hätte, wenn er von den sonstigen Eskapaden seiner Nichte gewusst hätte. Nicht auszudenken! Es genügte schon, dass die unhörbaren Schallwellen des Liebesgeständnisses seine Ohren und indirekt seinen Verstand erreichten und er sie daraufhin anstarrte, als hätte sie ihm einen Dolch direkt in sein Herz gestoßen.


    Prisca erschrak über die Reaktion ihres Onkels und umso schwerer fiel es ihr nun, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. "Es … es ist nicht so gewesen wie du denkst, Marcus",versuchte Prisca seine Frage zu beantworten, ohne ihre Liebeserklärung noch einmal wiederholen zu müssen. Sie sah ihren Onkel bittend an, nach Worten ringend, bis es aus ihr heraus platzte:"Piso hat sich nichts genommen, … nichts, was ich", noch einmal musste die Aurelia tief Luft holen, ehe sie es mit leiser Stimme offen zugeben wollte: "was ich ihm nicht hätte freiwillig geben wollen. Ich wollte, dass er mich küsst, mich berührt, dass er mich in den Arm nimmt. Diese sündigen Gedanken, ... es war "- kurz gesagt und mit einem schwärmerischen Seufzer - "einfach wundervoll!" Herrje, es ist zum verzweifeln. Prisca fand einfach nicht die rechten Worte um es ihrem Onkel irgendwie schonend beizubringen. Wie hätte ich es sonst sagen sollen?!… In jedem Fall hätte Prisca das Gefühl gehabt, den Dolch nur noch tiefer zu treiben. Es half alles nichts. Gegen ihre Gefühle für den Flavier kam die Aurelia ohnehin nicht an. Was wird jetzt nur werden?, stellte sich Prisca die drängende Frage, die sie allerdings nicht mehr laut auszusprechen wagte.

  • Prisca sah nicht glücklich aus. Sie sah also so aus, wie ich mich fühlte. Nicht nur, dass der Moment, in dem ich sie verlieren würde, durch dieses Geständnis mir schlagartig entgegen gesprungen war - auch derjenige, der sie letztendlich für sich gewinnen mochte, passte mir so gar nicht. Und dass das so sein würde, daran bestand in jenem Moment kein Zweifel für mich. Ich ging automatisch vom schlechtesten Fall aus. Und nach dem zu urteilen, was Prisca in eben jenem Moment sagte, war das gar nicht so falsch. Ich starrte sie an, Unwillen und Vorwurf standen mir deutlich ins Gesicht geschrieben. Und dann sprach sie von sündigen Gedanken, und ich stieß kurz einen Laut des Entsetzens aus und dreht mich zur Säule hin. In meinen Gedanken trieb dieser flavische Taugenichts Schindluder mit meiner Prisca, mit meiner kleinen, unschuldigen Lieblingsnichte - mit der einzigen Vertrauten, die ich hatte. Wundervoll war es gewesen! Auch das noch! Ich schüttelte den Kopf und stützte mich kurz an der Säule ab, um mich zu sammeln. Ich konnte Prisca nicht ansehen. Frustration waberte durch Verärgerung. Ausgerechnet... Ausgerechnet dieser Flavier! Ich schnaufte. Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.


    "Was ist es, das er hat?" verlangte ich zu wissen, während ich herumfuhr und Prisca wieder ansah. "Warum er? Warum, bei allen Göttern, ausgerechnet er? Bei allen Männern Roms, Prisca!" fuhr ich sie an, und ich war selbst erschrocken, wie ich dabei klang. Verwirrt blinzelte ich, sah Prisca dann wieder durchdringend an. Und dann realisierte ich, was sie da gerade gesagt hatte. Er hatte sich nichts genommen, was sie ihm nicht freiwillig gegeben hätte. Sie hätte....WAS? Entsetzt sah ich sie an. "Du...er...ihr..." stammelte ich, als sich mir die vollumfängliche Tragweite dieser Äußerung erschloss. Und mir war eisig, was sicherlich nicht am kühlen Morgen lag.

  • Nein, glücklich sah Prisca wirklich nicht aus und ihrem Onkel schien es nicht besser zu gehen. Wie auch. Mit so einer Situation hatten sie beide weder gerechnet noch darauf gehofft, dass dieser Moment - der unweigerlich irgendwann kommen würde - ausgerechnet so verlaufen musste. Prisca wollte ihren Onkel nicht verletzen und schon gar nicht enttäuschen, aber gegen ihre Gefühle konnte sie einfach nichts tun. Wenn sie aber in sein Gesicht blickte und die Vorwürfe, die Verständnislosigkeit und Wut darin las wurde ihr richtig schwer ums Herz. Was soll ich denn nur tun?, fragte sie sich selbst immer wieder, ohne eine Erklärung zu finden.


    Was es ist, das er hat? .. Warum er? Die Fragen klangen in Priscas Ohren wie von einem eifersüchtigen Ehemann oder Liebhaber gestellt. Sicher hatte er allen Grund dazu, nach so einer Szene, diese Fragen zu stellen. Verstehen konnte die Aurelia seine Reaktion trotzdem nicht. Wieso gönnt er mir mein Glück nicht. Sieht er denn nicht, dass es nicht so ist, wie es ausgehen hat?!Verzweifelt sah Prisca zu Marucs hoch und versuchte parallel zu seinen Worten alles Positive aufzuzählen das ihr einfiel: "Warum? … Weil, … weil er, … er hat so viele Interessen und er interessiert sich vor allem für mich. … Er ist belesen und gebildet. Er, er weiß sich auszudrücken und er ist sehr charmant. Stell dir vor, er hat mir sogar ein Gedicht gewidmet!" Prisca machte eine kurze Pause und war sogar bereit ihrem Onkel des Gedicht zu zeigen, sofern er danach verlangen würde. Aber sie war noch nicht fertig:"Außerdem, ... sieht er gut aus, er ist einfach sympathisch und er weiß sich durchaus zu benehmen! ..." Naja, diesen Eindruck hatten sie beide m Garten wohl eher nicht vermittelt.


    Waren das nicht genügend Argumente? "Abgesehen davon ist er ein echter …Flavier!" Ein Patrizier! Prisca betonte dies besonders, obwohl dieser einst so entscheidende Grund in Pisos Fall kaum noch zählte. Doch wenn es half um Marcus zu überzeugen?! … Prisca blickte ihren Onkel nach wie vor verzweifelt und hoffnungsvoll zugleich an. Marcus muss mich einfach verstehen. Doch es sah nicht danach aus, dass Marcus Verständnis haben würde. Im Gegenteil weiteten sich seine Augen immer mehr, bis schließlich blankes Entsetzen in seinem Gesicht geschrieben stand.


    Fast zeitgleich klappte Priscas Mund auf und sie musste regelrecht nach Luft schnappen. Nicht minder entsetzt starrte sie zurück und plötzliche Wut kochte in ihr hoch. Hatte Marcus ihr da tatsächlich unterstellt, dass "Was? ... Ich ... er ... wir??", keuchte die Aurelia auf. "Du … du denkst allen Ernstes, dass ich mit ihm?" Das wir miteinander … ?! Einen Herzschlag lang wurde Prisca schwarz vor Augen und sie begann leicht zu wanken, ehe sie sich wieder einigermaßen fassen konnte. Für sie brach in der Sekunde eine Welt zusammen und ganz deutlich fühlte sie nun, wie ihr ein Dolch ins Herz getrieben wurde. Wie kann er mir so etwas nur zutrauen? Wie konnte er nur! ...


    Sicher, Prisca tat einige verbotene Dinge (von denen Marcus zum Glück nichts wusste, oder?) und sie liebte durchaus das Spiel mit dem Feuer. Aber, bei allem was sie tat würde sie es niemals zum Äußersten kommen lassen. Freiwillig niemals! So weit behielt sie stets die Kontrolle über sich und im schlimmsten Fall würde sie ihre Unschuld sogar mit dem eigenen Leben schützen. Ja, so weit würde Prisca notfalls gehen, ehe sie Schande über sich und ihre Familie bringen würde und nun unterstellte Marcus - ihr Lieblingsonkel, ihr bester Freund und Vertrauter - unterstellte ausgerechnet erihr, dass sie mit ihm und er mit ihr und wie auch immer ... das war zu viel ...


    Nein! Prisca konnte nur noch ganz leicht den Kopf schütteln und kraftlos sank sie auf eine Bank, die zufällig neben einer der Säulen stand. "Wir haben uns doch nur geküsst. Es war nur ein Kuss! … ", klang es tonlos aus ihrem Mund, den Blick ins Leere schweifend da alles um sie herum an Bedeutung verlor. Wieso sollte sie sich weiter rechtfertigen, jetzt, da sie wusste was Marcus ihr alles zutraute ...

  • Priscas Worte reihten sich aneinenader wie Perlen auf einer Schnur. Sie erschienen mir alle gleichermaßen abgereundet und stumpf. Belesen, gebildet, interessiert, sympathisch und charmant war er also, und poetisch noch obendrein. Ich sah Prisca an, und in meinem Blick stand eine Mischung aus Resignation und Mitleid. Er hatte sie bezirzt, und sie war darauf hineingefallen! Das wollte nicht in meinen Kopf hineinpassen. Unter der Berücksichtigung der daraus resultierenden Konsequenz erst recht nicht. Denn was, wenn dieser Flavius tatsächlich interessiert war an Prisca? Selbstverständlich konnte - und würde - ich jeden erdenklichen Versuch in diese Richtung zu ihrem Besten abschmettern. Er sollte sie nicht bekommen - der nicht! Er würde sie nur unglücklich machen, sobald er sie hinter seine Fassade blicken ließ. Dessen war ich mir sicher. Bei Priscas letzten Bemerkung, das ach so gute Benehmen des Flavius Piso betreffend, schnaubte ich abfällig, sparte mir jedoch den Kommentar, dass er dies bereits zur Genüge bewiesen hatte, als er meine spärlich bekleidete Nichte an einem Ort geküsst hatte, zu dem ihm niemand eingeladen hatte - und damit dachte ich durchaus sowohl an den Garten als auch an ihre Lippen!


    "Ein echter Flavier?" echote ich schlussendlich dennoch und sah Prisca unverständig an. "Er ist ein Flavier, mag sein. Aber er hat weder Manieren noch Anstand, Prisca!" Selbstverständlich erschien mir diese Argumentation im Moment logischer als die ihre. Für alles andere war ich nicht zugänglich, was mir freilich nicht bewusst war, und dennoch war es so. Bis Priscas Mund aufklappte und sie mich fassungslos anstarrte. Ich sah zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. Und ich verschränkte die Arme vor der Brust, eine unbewusste Abwehrhaltung. Sie war tatsächlich fassungslos, ja, und sie schwankte ein wenig. Vielleicht hatte ich damit ins Schwarze getippt, aber eigentlich glaubte ich nicht daran. Ein ganz klein wenig tat mir leid, dass ich diese Vermutung geäußert hatte, aber zugeben würde ich das nicht. Nicht in diesem Moment. Stattdessen hob ich mein Kinn um eine Spur und sah Prisca direkt in die Augen, bis sie die ihren abwandte und sich ermattet auf eine steinerne Sitzbank sinken ließ. Mir schoss durch den Kopf, dass sie so früh am Morgen noch sehr kalt sein musste, aber ich schwieg und betrachete stattdessen Prisca, die nun wie ein Häufchen Elend auf ihrer Bank saß und von der Unschuldigkeit eines Kusses sprach.


    Und ich war ratlos. Natürlich war es unsinnig, diese Vermutung geäußert zu haben. Das ging mir nun selbst auf. Natürlich fühlte sie sich damit nicht wohl. Vielleicht auch missverstanden. Doch sie musste doch meine Sorge sehen! Ich wollte für sie alles tun, sie vor jedem und allem beschützen. Allen voran vor solchen Schürzenjägern, wie der Flavius mir einer zu sein schien. Warum nur verstand sie das nicht? Ein gequälter Ausdruck trat auf mein Gesicht. Ich verharrte noch einen Moment, zwei, dann riss ich mich los und starrte in den Garten. Leichte Nebelschwaden hingen noch über den Beeten. Er hatte ihr ein Gedicht geschrieben. Mir wurde allmählich die volle Tragweite dieses Umstandes bewusst. Ein Gedicht! Und er hatte Prisca dieses Kleid geschenkt, oder was auch immer es gewesen war. Das hatte er mir damals selbst erzählt. Hatte ich nicht unmissverständlich klar gemacht, dass er die Finger von ihr lassen sollte? Und Prisca? Sie fiel direkt darauf herein. Der Flavius wollte sie mit ihr Schmücken wie mit einer Pfauenfeder. Ich knirschte mit den Zähnen.


    Prisca saß immer noch auf ihrer Bank, das sah ich, als ich mich umwandte. Und ich gab mir einen Ruck und setzte mich daneben. Allerdings wusste ich nicht so recht, was ich sagen sollte. Vielleicht war eine Entschuldigung angebracht, doch die wollte mir nicht über die Lippen kommen. Stattdessen legte ich ihr sanft einen Arm um die Schultern und schwieg.

  • Die Worte ihres Onkels hallten in Priscas Ohren nach während sie da saß und richtig verzweifelt war. Sein anschließendes Schweigen und seine Haltung sagten zudem mehr als tausend Worte. In seinen Augen war Piso also lediglich ein Schmarotzer ohne Anstand und Manieren. Ein Nichtsnutz, ein Tunichtgut, ein Macho, ein Schürzenjäger, ein Blender, und und und, … was noch? Und was bin ich für ihn? Glaubt er wirklich, dass ich mich jedem Dahergelaufenen um den Hals werfe?! Das tat weh, dass ihr Onkel ihr das offensichtlich zu traute. Da war es nur gut, dass er nichts von ihren Eskapaden wusste obwohl diese (in Priscas Augen) völlig "harmlos" waren. Es machte eben Spaß, den Männer ein wenig den Kopf zu verdrehen und mit ihnen zu spielen. Was ist daran falsch? Schließlich werde ich nicht jünger. Oder mache ich etwas falsch? Wenn Prisca daran dachte, dass immer mehr von ihren Freundinnen bereits verheiratet waren fragte sie sich schon so manches Mal, warum sie eigentlich noch immer keinen Mann gefunden hatte. … Aber jetzt habe ich ihn endlich den Richtigen!


    Und nun soll ich ihn nie mehr wiedersehen dürfen? Das kann nicht sein Ernst sein! Warum muss Marcus ausgerechnet bei Piso so auf stur schalten?! Prisca verstand die Welt nicht mehr. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und einfach davon gelaufen, angesichts dieser verfahrenen Situation. Doch als sie dann seinen Arm auf ihrer Schulter spürte, schöpfte Prisca wieder etwas Hoffnung, dass Marcus letztendlich ein Einsehen haben würde und so kuschelte sie sich ein wenig an ihn an.


    "Weshalb bist du dir eigentlich so sicher, dass er keinen Anstand und Manieren besitzt.", durchbrach Prisca das erdrückende Schweigen zwischen ihnen mit einer Frage, um zu ergründen warum er so schlecht über Piso dachte. "Kennst du ihn denn so viel besser als ich? " Prisca drehte den Kopf und sah Marcus hilflos an, ehe sie verunsichert zurück auf den Boden vor ihren Füßen blickte. Es konnte ja durchaus sein, dass es da etwas gab von dem sie nichts wusste. Ach was! Unsinn! Piso war kein schlechter Mensch! Davon war Prisca fest überzeugt, ohne recht zu wissen, was sie da so sicher machte.


    Insgeheim rechnete die Aurelia jedoch nicht damit, dass ihr Onkel seine Ansicht über den Flavier so schnell wieder ändern würde, vor allem nicht, nach diesem Vorfall im hortus. Aber warum war ihm dieser Flavier einfach nicht gut genug?! Die Aurelia verstand es nicht - wollte es nicht verstehen - obwohl ihr durchaus bewusst war, dass sie sich im Garten falsch verhalten hatten. Aber was spielte das für eine Rolle, angesichts der Tatsache, dass es hier nicht nur um eine arrangierte Verbindung ging, sondern um echte Zuneigung und wahre L … . Das musste ihr Onkel doch sehen, oder nicht?

  • Wir saßen im Schweigen nebeneinander, hingen wohl jeder unseren eigenen Gedanken nach - bis Prisca meine kreiselnden Gedankenflüsse durchbrach und mich etwas fragte. Ob sie dabei ganz instinktiv die richtige Frage wählte, oder aber aus Kalkül, vermochte ich nicht zu ergründen. An einen Glückstreffer glaubte ich jedenfalls nicht, dafür kannte sie mich zu gut. Ich runzelte missmutig die Stirn. Die Antwort auf die erste Frage lag mir auf den Lippen, sie war leicht. Doch die zweite Frage erforderte ein Zugeständnis, das ich nicht machen wollte. Ich überlegte nach einer ausweichenden Antwort, schwieg darob noch einige Herzschläge lang, bis Prisca sich mir zuwandte und ich sie ansah. Auch das noch. Ihr Blick streifte den meinen. Mein Widerstand gegen die Beantwortung der Frage schmolz zusehends, zumal sie sich auch an mich kuschelte. Dann sah sie fort und ich war verwirrt.


    "Nein", sagte ich schließlich, und es war mir wohl anzuhören, wie ich mich dagegen sträubte, das zu sagen. "Ich kenne ihn nicht. Aber das ist es doch gerade. Und du kennst ihn ebensowenig, Prisca! Und willst du mir allen Ernstes sagen, dass die gestrige Situation von Anstand und Manieren zeugt? Ich bitte dich." Ich schüttelte den Kopf, nahm meinen Arm nun fort und verschränkte ihn mit dem anderen kategorisch vor der Brust. "Es ist eine dreiste Unverschämtheit gewesen, die er sich da geleistet hat. Und danach sträubt sich alles in mir, ihn näher kennenlernen zu wollen." Und es war für mich vollkommen unerheblich, ob Prisca dazu ihren Teil geleistet hatte oder nicht. Immerhin war sie eine Frau, und Frauen galten nicht umsonst als das schwache Geschlecht. Außerdem war sie Prisca. Sie war nicht einmal halb so fehlbar wie dieser Flavier es war. Und für eine feurige Liebschaft fehlte Prisca vor allem eines: Ein Ehemann, den sie sicher hatte. Abgesehen von der Erfahrung. Denn daran, dass Aulus Flavius Piso meine Nichte eventual heiraten wollte - die Götter mochten sie davor bewahren! -, dachte ich nicht einmal ansatzweise. Im Verdrängen war ich recht passabel.

  • Nein, bewusst oder aus Kalkül hatte Prisca diese Fragen nicht gestellt. Dazu wäre sie momentan gar nicht fähig, obwohl sie ansonsten durchaus der Überzeugung war, ihren Onkel jederzeit nach Belieben (und je nach Bedarf) um den Finger wickeln zu können. 8) ... In dieser Angelegenheit hatte sie allerdings denkbar schlechte Karten, denn sie wusste im Grunde selbst, dass ihr Onkel absolut recht hatte und er deshalb kaum mit sich reden lassen würde. Verflixt nochmal! Warum musste er auch ausgerechnet mit bekommen, dass seine spärlich bekleidete Nichte von einem "wildfremden" Mann geküsst wurde.


    Selbstverständlich war Piso weder ein "Wilder", noch ein völlig "Fremder", obwohl ihn weder sie und ihr Onkel im Prinzip näher kannten. Ja ja, ich weiß. Dieser Kuss im Garten und meine freizügige Haltung, von wegen Anstand und Manieren … Das hätte nicht passieren dürfen - jedenfalls nicht vor seinen Augen. Schweigend betrachtete Prisca ihre gefalteten Hände, ernsthaft versucht, den Vorwurf ihres Onkels zu verstehen, nachdem dieser seine Haltung und seine Einstellung mit verschränkten Armen demonstrativ untermauerte. Sie war kurz davor sich dafür zu entschuldigen, doch andererseits sah sie einfach nicht ein, warum sie das tun sollte.


    "Ich weiß sehr wohl was Anstand und Manieren bedeuten, Marcus, ... und Piso weiß das ebenso ", verteidigte Prisca den Flavier weiterhin standhaft und mit einem energischen Blick zu ihrem Onkel " Schließlich sind wir nicht auf offener Straße übereinander hergefallen, oder haben es sonst wo vor aller Augen miteinander getrieben! … Es ist eben ganz spontan passiert, dass wir uns geküsst haben. Ist das denn deiner Ansicht nach wirklich so verwerflich?!", schnaubte Prisca leise. Sie war wütend, aber auch ein wenig verzweifelt über ihre augenblickliche Lage.


    Die Aurelia machte eine kurze Pause und überlegte, ob sie ihre Gefühle weiter rechtfertigen sollte. Warum sollte ich?, dachte sie trotzig und versuchte dennoch kompromissbereit zu sein, weil ihr gar nichts anderes übrig bliebe. Im Gegensatz zu ihrem Onkel dachte Prisca allerdings sehr wohl bereits an eine Hochzeit. Welche Alternativen dazu hätte sie denn sonst, einem Mann so nah sein zu dürfen? Zumindest war es für Prisca selbstverständlich, dass zuerst geheiratet würde ehe sie und er - er und sie, wir miteinander ...


    Na gut, bei Piso war sie schwach geworden, aber sie hatte ein gutes Gefühl dabei. Erklären konnte sie es auch nicht, aber warum sollte sie ihm nicht vertrauen?! Vielleicht half ja eine andere Strategie. "Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass ihm dieser Kuss völlig egal gewesen wäre und er keine Gefühle für mich hegt. Deshalb verstehe ich auch nicht was dagegen spricht, dass du und ich, … dass wir ihn eben näher kennen lernen. Ich finde diese Chance hat er verdient", versuchte Prisca ihren Onkeln nun mit sanfter Stimme zu überzeugen, wobei sie ihn mit einem flehentlichen Blick regelrecht anhimmelte: " Bitte Onkel! Biiitte!! … Darf ich ihn wiedersehen?" Ich wünsche mir doch nichts sehnlicher als einen Mann, der mich begehrt, der mich verwöhnt und der mir zeigt, dass er mich aufrichtig liebt.. Warum konnte ihr Onkel das denn nicht verstehen - ganz ohne Worte …

  • Prisca schien innerlich mit etwas zu hadern, doch was es war, vermochte ich nicht zu ergründen. Ich betrachtete sie sehr aufmerksam, bis sie erneut das Wort ergriff und wiederholt den Flavier verteidigte - denn dort wandte ich den Blick zunächst in den Himmel und schloss dann die Augen. Als ich ihre Worte erwiderte, sah ich sie jedoch wieder an, und auf meiner Stirn stand eine dicke Falte, hervorgerufen von den zusammengerückten Brauen, welche die Erinnerung an diese Gartensituation zur Bewegung angetrieben hatten. "Es ist verwerflich daran, dass du kaum bekleidet warst, Prisca. Es ist verwerflich daran, dass der Flavier zunächst einmal ungebeten in den Garten eingedrungen ist und hernach nicht die Weitsicht besessen hat, über mögliche Konsequenzen nachzudenken, wenn er meine halbnackte Nichte küsst!" erwiderte ich scharf, schüttelte danach den Kopf und seufzte tief. "Spontan!" Erneut blieb mir nur ein Kopfschütteln. "Ich werfe dir nichts vor. Du wusstes es vielleicht nicht besser, auch wenn ich mir die rechte Reaktion nicht erst mit der Ohrfeige gewünscht hätte. Ich will dir einmal etwas sagen, Prisca. Zu der Zeit, als ich mich um Celerina bemüht habe, hat sie mich eingeladen. Ich dachte mir nichts dabei und bin der Einladung natürlich gefolgt - immerhin hatte ich eine Verlobung angestrebt. Ich hätte das nicht tun sollen, denn obgleich wir in manierlichem Abstand zueinander im Garten gelegen und nichts weiter getan haben, als uns zu unterhalten, hatte ich mit einem sehr aufgebrachten Flavius Gracchus zu tun. Vielleicht kannst du meine Haltung nicht nachvollziehen, Prisca. Flavius Gracchus' Reaktion damals war vielleicht etwas überzogen, aber hier gab es entscheidende Unterschiede, und die sind alles andere als akzeptabel. Deswegen hätte ich gerade von einem Flavier erwartet, dass er sein Hirn einsetzt, bevor er so handelt, wie Flavius Piso es getan hat." Mein Blick ruhte auf meiner Nichte, und ich hoffte, sie möge mich verstehen und meine Haltung nachvollziehen können. Erschwerend hinzu kam, dass dieser Flavius keinerlei Heiratsabsichten hatte, denn sonst wäre ich doch davon in Kenntnis gesetzt worden.


    Kurz darauf sah ich Prisca unglücklich an. "Ah, Prisca", erwiderte ich seufzend. "Nachdem du dein Herz schon einmal an Caius Aquilius gehängt hast, solltest du es doch besser wissen." Ich wollte sie damit keinesfalls verletzen, was mein Blick, gepaart mit einer bedauerlichen Miene, auch deutlich aussagte. Doch Prisca schien mir blindlings in etwas hineinzulaufen, sich gar etwas einzureden, das sie später nur umso härter auf den Boden der Tatsachen zurückkehren lassen würde als zu Zeiten meines Freundes Aquilius. Ihr flehender Blick ließ mich nur noch zerknirschter dreinsehen. Ich konnte Prisca seltenst etwas abschlagen, doch hier, das wusste ich, musste ich standhaft bleiben - um ihretwillen. Eines Tages, da war ich mir sicher, würde sie mir dafür danken und vielleicht sogar darüber lachen. "Nein, Prisca. Es ist besser, wenn du Flavius Piso nicht wiedersiehst. Ich möchte mit dir nicht darüber diskutieren. Sein Verhalten war falsch, und wenn er wirklich weiß, was Anstand und Manieren bedeuten, dann wird er sich dafür nicht nur bei dir, sondern auch bei mir entschuldigen und dich künftig nicht weiter belästigen." Das zu sagen, fiel mir außerordentlich schwer, denn ich liebte Prisca über alles und konnte ihr einen Wunsch nur schwer abschlagen, wenn überhaupt. Doch dies hier war erforderlich, auch wenn sie mich dafür nun verachten mochte. Unterbinden, dass sich die beiden begegneten, konnte ich freilich nicht, doch einschränken konnte ich es, soweit es in meiner Macht stand - um Prisca zu schützen.

  • Nun ja. Was das "um-den-Finger-wickeln" anging, so musste Prisca eingestehen, dass ihre Erfolge meist eher auf Zugeständnisse von geringerer Tragweite, wie dem Entlocken von Geschenken, von Komplimenten, oder einem Taschengeld-Bonus beruhten. Bei so einem "Vergehen", wie sie und der Flavier es sich geleistet hatten, war die Chance allerdings verschwindend gering. Einerseits war Prisca ihrem Onkel ja dankbar, dass er so umsichtig handelte und schließlich meinte er es doch immer nur gut mt ihr (und das wusste sie auch). Andererseits konnte sie nicht verstehen, warum dieser eine Kuss ihr Glück für die Zukunft, nun bis in alle Ewigkeit zerstört haben soll. Es war zwar nicht zu leugnen, dass der Flavier (noch) keinerlei Heiratsabsichten bekundet hatte, aber die Art und Weise wie wir uns kennen gelernt haben und wie wir uns näher gekommen sind … Sollte Prisca sich in ihren Gefühlen wirklich so täuschen? Einmal war sie ja schon darauf reingefallen.


    Die strengen Worte ihre Onkel ließ Prisca zunächst stumm und ergeben über sich ergehen, bis sie dann bei seiner Erzählung von seinem ersten Treffen mit Celerina aufhorchte. Sicher! Es gab viele Unterschiede und die Ausgangssituation war Eine ganz andere gewesen, doch was im Grunde für Prisca zählte war die Tatsache, dass Marcus damals beim Oberhaupt der Flavier ebenfalls keinen guten Start erwischt hatte. "Wie bitte, du hast dich mit Celerina wirklich nur unterhalten Sonst nichts? ... Und das allein hat den Flavier so wütend gemacht??", fragte Prisca neugierig und einem leicht neckenden Unterton nach, wobei ein flüchtiges Schmunzeln kurz ihre Lippen umspielte. Ja ja. Ihr habt nur mit einander geredet! Sonst nichts? Auch wenn es der Wahrheit entspräche, konnte sie es doch kaum glauben. Und was kam dabei heraus? "Es mag ja sein, dass der Flavier in deinem Fall überzogen reagiert hat, Marcus, doch aus seiner Sichtweise mochte es wiederum richtig gewesen sein so zu handeln, als er euch im Gras liegend angetroffen hat". Oder hätte man da nicht auf falsche Gedanken kommen können? "Und überhaupt! … Heute seid ihr beide, du und Celerina, verheiratet, weil - ich nehme mal an - du dich nicht hast beirren lassen, sondern weiter um sie gekämpft hast", um Celerina und um der …Liebe wegen?, versuchte Prisca das Gehörte so zu deuten, wie es sich für sie logischerweise zugetragen haben musste.


    Piso wird auch um mich kämpfen! Weil ich ihm etwas bedeute und … weil wir uns lieben. Das spüre ich genau! , Die Aurelia war felsenfest davon überzeugt, bis zu dem Moment, als Marcus mit seiner Bemerkung über Caius, ihr schönes Luftschloss komplett zum Einsturz brachte. Die Erinnerung an ihre 'erste große Liebe' und die erste große Enttäuschung. Prisca begann augenblicklich zu schluchzen und mit glänzenden Augen sah sie ihn völlig verbittert an:"Ach!! Und du, … du glaubst also, du weißt es besser?" Nur weil du deine Gefühle nicht offen zeigen kannst, oder willst oder du gar keine solchen Gefühle kennst, oder diese zu lässt … oder wie auch immer! Die Aurelia verkniff sich gerade noch diese verletzenden Bemerkungen, denn im Grunde meinte sie es nicht so.


    Sicher meinte es auch ihr Onkel nicht so - er meinte es sicher sogar gut mit ihr, nur, … Was?? Ich soll Piso nie wieder sehen? "Nein!! D.. das kann doch nicht dein Ernst sein", vergrub Prisca weinend das Gesicht zwischen den Händen. Nein, das würde sie sich auf keinen Fall gefallen lassen! Nur was konnte sie tun? Ihr Onkel war nicht bereit weiter darüber zu diskutieren, doch Prisca gab (noch) nicht auf: "Hättest du dir denn von dem Flavier verbieten lassen, Celerina wiederzusehen, so einfach? … Hättest du nicht auch alles Mögliche unternommen, um sie wiederzusehen, oder wäre sie dir völlig egal gewesen?", wollte sie deshalb wissen. So ganz ohne Gefühle könnte doch auch ihr Onkel nicht handeln, oder? ...Wie auch immer. "Jedenfalls wird Piso einen Weg finden, ...", Wenn die Götter uns wirklich für einander bestimmt haben sollten, wollte Prisca wenigstens die Hoffnung nicht aufgeben, wenn auch sonst nichts helfen würde. Sie trocknete ihre Tränen und sah Marcus mit einer Mischung aus Trotz und Zuversicht wieder in die Augen "Er wird! Weil ich ihm etwas bedeute, ... das spüre ich!"Ihre Stimme wurde zwar immer leiser, dafür nickte die Aurelia aus voller Überzeugung zu ihren Worten.

  • Priscas neckendem Tonfall begegnete ich mit ernster Miene. Es mochte vielleicht schwer sein für sie, das zu glauben, doch war es tatsächlich so gewesen. Celerina zwar war in die Vollen gegangen, mit diesem Pomp in Rosé, den Sklaven, den Musikern und was sie sonst noch alles aufgefahren hatte, doch letzten Endes war und blieb es eine Unterhaltung, die dort stattgefunden hatte. Unter dem Vorwand, mir den flavischen Garten zeigen zu wollen. Bei Priscas darafuffolgenden Worten musste ich wohl reichlich verwirrt aussehen. Im Gras liegend? Und um sie gekämpft? Mir blieb nur, den Kopf zu schütteln. "Nein, Prisca, du liegst falsch. Es war tatsächlich eine Unterhaltung, doch offenbar ohne Kenntnis des Hausherren oder sonst eines Verwandten. Im Hinblick auf Celerina, die zu diesem Zeitpunkt schließlich heiratsfähig war, war mein Besuch daher unangemessen. Ich kann Gracchus' Reaktion daher sogar nachvollziehen - auch wenn wir nicht im Gras gelegen haben. Er hat sich um das Ansehen seiner Verwandten gesorgt, und nichts anderes tue ich ebenfalls", bemerkte ich mit einem kurzen Seitenblick auf Prisca, und ein flüchtiges Schmunzeln umspielte meine Mundwinkel, endete schließlich in einem Seufzen. "Wie du es sagst, klingt es romantisch und abgedroschen", sagte ich. "Weißt du, damals zählte für mich im Grunde nur eine Heirat an sich, und die Familie meiner zukünftigen Frau. Mit Aquilius als meinem besten Freund und dem Einfluss der Falvier lag es nahe, eine Flavia zu wählen. Welche das war, war mir im Grunde gleich." Und das war der einzige Grund, aus dem man eine Ehe eingehen sollte: Um politischen Nutzen zu haben, um sich Stimmen im Senat zu sichern, um einflussreiche Köpfe hinter sich zu stellen. Prisca schien das nicht zu verstehen. Doch sie war auch eine Frau, und die waren nun einmal anders gestrickt als wir. Ich hoffte dennoch, dass meine Sicht und meine Erzählung ihr vielleicht helfen mochten, den richtigen Weg zu erkennen.


    Ihre anschließende Anspielung darauf, dass ich wohl kaum als Berater in romantischen Angelegenheiten fungieren konnte, traf mich durchaus ein wenig. Nachdenklich verfolgte mein Blick eine schiefe Fuge zwischen den Steinen des Bodens, während ich einen Seufzer unterdrückte und einen Augenblick verstreichen ließ, bevor ich Prisca wieder ansah. "Nein, es wäre wohl vermessen, das zu behaupten. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass dies der falsche Weg ist. Und das sollte nicht nur deinem Flavius bewusst sein, sondern auch dir, Prisca." Ich war seltsam ruhig, während ich mit meiner Nichte sprach, und das verwunderte mich selbst. Ich hatte damit gerechnet, wirklich wütend zu sein, doch irgendwie setzte diese Emotion derzeit aus. Stattdessen war ich ernst, beratend und argumentativ - und fühlte mich darob sogleich wie ein alter Mann am Ende seines Weges.


    Ich hatte damit gerechnet, dass Prisca mein Verbot nicht gefiel, dass sie aufbegehren würde, doch nicht damit, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie sah verzweifelt aus, was wiederum mich erschreckte, schließlich hatte ich sie ganz sicherlich nicht zum Weinen bringen wollen. "Ja, Prisca", gab ich zurück. Ich verzichtete darauf, sie trösten zu wollen, was mir wohl ohnehin nicht geglückt wäre. "Das hätte ich, wenn Gracchus es so gewollt hätte. Verstehst du denn nicht, warum es euch Frauen untersagt ist, solche Entscheidungen allein zu treffen? Diese Regelung dient einzig und allein eurem Schutz. Wenn Flavius Gracchus mir damals den Umgang mit seiner Verwandten untersagt hätte, wäre ich dem selbstverständlich nachgekommen." Ich seufzte erneut und schüttelte den Kopf. "Solche Dinge geschehen nicht aus romantischen Gründen, Prisca. Nicht, wenn sie integer sind." Und wo ich bisher weitestgehend ruhig geblieben war, fachte sie mit ihrem Trotz nun das kleine Flämmchen an. Meine Unzufriedenheit über ihrer Uneinsichtigkeit äußerte sich zunächst in einem verdrießlichen Gesichtsausdruck samt Stirnrunzeln, anschließend dann in grimmigen Worten. "Das wird er nicht", sagte ich postwendend. Ich würde alles tun, um Prisca diese Enttäuschung zu ersparen. Letztendlich blieb mir nur ein erneuter tiefer Seufzer. "Ah, Prisca! Ich bitte dich!" Warum strengte sie ihren Kopf nicht an und dachte einmal nach? Sie war uneinsichtig und bockig, das kannte ich gar nicht von ihr. Und zudem führte jeder der Wege, von denen sie sprach, zunächst einmal an mir vorbei. Das war der Vorteil, den ich hatte. Zumindest, sofern der Flavier ein gewisses Maß an Respekt und die Fähigkeit zu denken mitbrachte.

  • Dem verwirrten Gesichtsausdruck und seinen Worten nach, waren Marcus und Celerina also nicht im Gras gelegen.Wie komme ich da nur drauf? Gut möglich, dass Prisca diese Szene nur vor ihrem geistigen Auge so romantisch ausgemalt hatte, da ihre Gedanken und ihre Stimmung derzeit ohnehin in ein völlig rosarotes Bild getaucht waren. Umso ernüchternder war die Tatsache, dass Marcus bei der Wahl seiner Frau wirklich nur an "das Eine" gedacht haben muss. Völlig ohne Gefühle und nur an eine politisch vorteilhafte und lukrative Verbindung der Familien denkend - sonst nichts. Es wäre ihm also völlig egal gewesen, welche Flavia er zur Frau bekommen hätte? Prisca konnte es kaum glauben, obwohl solche Verbindungen damlas nichts ungewöhnliches darstellten. Doch das änderte nichts an der traurigen Wahrheit. Hatte sie wirklich von ihm etwas anderes erwartet? Eigentlich nicht, wie Prisca feststellen musste. Gerade bei ihrem Onkel hatte sie das nicht wahr haben wollen, hatte sie ihn doch ganz anders kennen gelernt und mit eigenen Augen gesehen, zu welchen Gefühlsausbrüchen er fähig war.


    Doch das hier musste ein anderer Marcus sein. Nur so konnte sich Prisca erklären, dass dieser Marcus, da neben ihr, allen Ernstes so etwas herzloses von sich geben konnte, von wegen: Solche Dinge geschehen nicht aus romantischen Gründen, … nicht wenn sie integer sind., hallte es in Priscas Kopf nach und unweigerlich umschlang sie die Arme noch enger vor der Brust, weil ihr plötzlich ganz kalt ums Herz wurde. Er hätte tatsächlich keinerlei Anstrengungen unternommen, wenn es ihm der Flavier einfach so verboten hätte?! Das war klar genug um zu wissen, dass Celerina ihm im Grunde überhaupt nichts bedeutete. Prisca schüttelte nur fassungslos den Kopf. Nein, sie verstand nicht, was dies mit ihrem Schutz zu tun hatte und sie wollte es auch nicht verstehen, warum Piso keinen Weg finden dürfte sich zu beweisen. Ah, Prisca! Ich bitte dich!


    "Ach bitte was? … WAS?? … Was verlangst du von mir, Marcus, … dass ich Piso ganz einfach vergesse, meine Gefühle für ihn ignoriere und stattdessen akzeptiere, dass ich im Grunde nur eine Ware bin, die einen möglichst hohen Marktwert erzielen soll?!" selbst wenn du mich dazu an einen Plebejer verschachern müsstest, fuhr Prisca ihren Onkel mit verbitterter Stimme an. Mochten diese Worte auch unangebracht sein, wie - wenn nicht mit Trotz, Uneinsichtigkeit und Verbitterung - konnte sie ihm ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung über ihre Situation sonst zeigen. "Gut möglich, dass wir, … dassPiso einen schwerwiegenden Fehler begangen hat. Nur woher bist du dir so sicher, dass er keinerlei Anstand besitzt und seine Gefühle mir gegenüber nicht echt sind? … WIESO? Wieso darf er es dir nicht beweisen? ", klang es nunmehr völlig verzweifelt aus Priscas Mund. Wahrscheinlich hatte sie Marcus damit nur noch mehr in seiner Haltung bekräftigt, dass sie als Frau solche Entscheidungen nicht alleine treffen dürfte.


    Seine grimmige Miene und seine klaren Worte ließen dies jedenfalls vermuten und so nahm Prisca schluchzend die Hände vor das Gesicht, ehe sie Marcus erneut mit trotziger Miene ansah. "Du magst über Piso denken was du willst. Mir ist jedenfalls ein Mann wie er tausend Mal lieber, der offen seine Gefühle zeigen kann und der auch mal eine Dummheit begeht, weil er mich begehrt und liebt. ... Und weißt du was. Mir wäre es sogar egal wenn er mir diese Gefühle nur vorspielen würde. Immer noch besser als einen Mann zu heiraten, der überhaupt keine Gefühle kennt und dem ich überhaupt nichts bedeute." Oder er ein Plebejer wäre, was für die junge Patrizierin gleichermaßen schlimm wäre, da sie nun mal mit solchen Vorurteilen erzogen worden war. "Enttäuscht werde ich so oder so sein, was spielt das also für eine Rolle? ..."für dich!? Das Ansehen der Familie etwa? Wäre es gerade dem Ansehen nicht zuträglicher, lieber diesen 'keinen Zwischenfall' innerhalb beider Familien tot zu schweigen, als wie eine Mischehe in Adelskreisen erklären zu müssen.

  • Ich schwieg. Das tat ich eine ganze Weile, auch als Prisca mich fragte, ob es mein Ernst sei, ihr den Umgang mit Piso zu verbieten. Sie bezeichnete sich selbst als Ware, sprach von Marktwert - und traf mich damit, denn genau das war Prisca eben nicht für mich: Ware. Ich liebte sie wie meine Schwester, ich hätte alles getan, um sie zu schützen, und das würde ich auch weiterhin tun. Und wenn ich Flavius Piso mit meinen eigenen Händen würde erwürgen müssen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, nur dazusitzen und Prisca in ihrem Gram anzusehen, nachzudenken. "Prisca", appellierte ich an ihre Einsicht. "Er hatte die Möglichkeit dazu, doch was hat er getan? Er hat abgelenkt! Nicht ein Wort der Entschuldigung kam über seine Lippen." Ich hätte sie vermutlich ohnehin nicht hören wollen, aber dennoch - er hatte sich entschuldigt, salopp und bei Prisca. Doch nicht bei mir. Mir hatte er gedroht."Im Gegenteil, er reagierte sogar noch schnippisch. Was soll ich davon halten, Prisca? Ein Mann von Ehre hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen. Ein Mann mit Anstand hätte zumindest die Geistesgegenwart besessen, sich angemessen zu entschuldigen und darauf verzichtet, mir zu drohen." Erneut schüttelte ich den Kopf. Das Bedürfnis, aufzustehen und erneut hin und her zu gehen, wurde immer stärker. Ich zwang mich dennoch, sitzen zu bleiben, und als Prisca von Begierde sprach, wich die Anspannung schlagartig aus mir. Begierde! "Ja", erwiderte ich zutiefst sarkastisch. "Das kann ich mir vorstellen, danach sah es aus." Ich warf Prisca einen enttäuschten Blick zu. Rosaroter Nebel umwölkte ihren Verstand, anders konnte ich mir die Uneinsichtigkeit nicht erklären.


    Ich erhob mich nun doch, machte zwei Schritte in die eine, dann zwei in die andere Richtung. Anschließend blieb ich vor meiner Nichte stehen. "Du glaubst, es sei mir nicht wichtig, wie sich deine Zukunft gestaltet? Glaubst du das wirklich?" Ich sah sie kopfschüttelnd an, zutiefst enttäuscht, und ließ ihr keine Möglichkeit für eine Erwiderung. "Dann dürfte es dir nicht schwer fallen, meine Entscheidung bezüglich deines Buhlen zu akzeptieren. Du wirst ihn nicht noch einmal treffen, Prisca. Er wird dich nicht benutzen und fortwerfen." Verstand sie denn nicht? Irgendwann würde ein Mann kommen, dem ich Prisca guten Gewissens würde geben können. Der anständig war und aus gutem Hause kam. Bis dahin musste ich sie in Schutz nehmen, wann und wo immer ich konnte.

  • Piso hat sich nicht entschuldigt, Piso hat abgelenkt, Piso war schnippisch, …Ein Mann von Ehre hätte - würde - könnte - denkste! … Der wird dich nicht benutzen und fort werfen. … Bei allen Göttern! Warum ist Marcus sich da so sicher?! Nein, Prisca verstand überhaupt nicht warum ihr Onkel, der mittlerweile aufgestanden war und vor ihr auf und ab schritt, einen Menschen so schnell verurteilen konnte. Na gut, er hatte den Flavier in einer denkbar prekären Situation mit seiner Nichte überrascht, aber vielleicht war gerade das der Grund, warum Piso sich wiederum so falsch verhalten hatte. Ach ja! Ein Mann von Ehre hätte natürlich die Situation ganz souverän gerettet und sich keine solche Blöße gegeben. Der perfekte Mann! Gab es diesen Mythos wirklich? Gerade seine Fehler und sein offenes und natürliches Wesen machten Piso so einzigartig und so liebenswert für Prisca. Konnte ihr Onkel denn nicht verstehen, welche Gefühle sie für den Flavier hegte?


    Nein er konnte es offensichtlich nicht! Marcus sah sie kopfschüttelnd an und Prisca tat es ihm nach. "Nein .. Ich .., weiter kam sie erst gar nicht. Mochte ihr Verstand auch noch so rosarot vernebelt sein, glaubte ihr Onkel wirklich sie wüsste nicht, wie viel sie ihm in Wirklichkeit bedeutete . Schlimm genug, dass man gerade den Menschen, die man am meisten liebt, oftmals Dinge an den Kopf wirft die man gar nicht so meint weil man nicht glauben kann, warum gerade dieser Mensch einen selbst nicht verstehen will. Prisca hatte ihm solche Sachen an den Kopf geworfen und nun tat es ihr innerlich unendlich leid, als sie die Enttäuschung in seinen Augen sah. Nur wie könnte sie seine Haltung und seine Anweisungen jemals akzeptieren?Piso niemals wieder sehen?! … nein das kann ich nicht


    Prisca hielt es nun ebenfalls nicht mehr sitzend auf der Bank aus. Sie stand auf und steuerte ziellos in eine Richtung los, ehe sie stoppte und ihren Onkel traurig und fragend zugleich ansah. Sie wollte sich nicht mehr mit ihm streiten und doch konnte sie nicht verstehen, dass er sich so gegen diesen Flavier stellte. "Ich spüre sehr wohl wie viel ich dir bedeute, Onkel, ... und das du dich um mich und um meine Zukunft sorgst. Dafür bin ich dir unendlich dankbar und dafür liebe ich dich …", entgegnete sie ihm mit aufrichtiger Stimme und ohne jede Spur von Sarkasmus, Wut, Verbitterung oder der gleichen, jedoch fügte sie im gleichen Atemzug resignierend hinzu: "Aber wir beide wissen ebenso so gut, dass niemand hinter die Fassade eines Menschen blicken kann, mag er auch noch so perfekt erscheinen und sich an alle Regeln halten ..." Dabei musste Prisca wieder an Aquilius denken. Ihm war sie versprochen gewesen und ausgerechnet er hat letztendlich sie und alle anderen ganz einfach sitzen lassen.Eigentlich hätte mir dies eine Lehre sein müssen. "Ich weiß, dass du es tun würdest wenn du könntest, Marcus, …aber letztendlich kannst auch du mich nicht davor beschützen, dass mir irgendwer, irgendwann vielleicht, einmal sehr weh tun könnte ..." Es war kein Vorwurf, nur eine traurige Feststellung, mochte es auch nach Selbstmitleid klingen. Die Aurelia wäre sicher nicht der einzige Mensch auf Erden, der in seinem Leben die eine oder andere Enttäuschung erleben musste, besser fühlte sie sich durch diese bittere Erkenntnis freilich nicht . ...


    Priscas Wut und der Trotz in ihren Augen waren mittlerweile einer großen Leere und innerer Verzweiflung gewichen, angesichts der Tatsache, dass sie ihren eigenen Gefühlen offensichtlich weder trauen konnte, noch sie ihrer Liebe zu Piso nachgeben dürfte. Was soll ich nur tun? Sie sehnte sich so nach Nähe und Zuneigung, nach Liebe und Zärtlichkeit und nach Piso, dem Mann, der ihr das alles schenken würde, davon war Prisca nach wie vor überzeugt. Nein, dieses Vesprechen, ihn nie wieder zu sehen, konnte sie nicht geben. Oder sollte sie weiter warten bis der "Richtige" käme, in der Hoffnung, dass dieser ihrem Onkel gefallen würde? Prisca war völlig ratlos und entsprechend blieb sie wie versteinert stehen, den Blick in jenes schwarze Loch schweifend, welches sich immer weiter vor ihren Augen aus breitete. ...

  • Als Prisca sich erhob und mir in den Weg stellte, blieb ich stehen und sah sie an. Sie war kleiner als ich, daher musste ich den Blick senken. Und Prisca wirkte aufrecht und verzweifelt zugleich, winzige letzte Salzperlen hingen in ihren langen Wimpern. Es war ein Blick, der selbst Stein erweichte, den sie mir schenkte. Ich seufzte leise. Diese Situation - ich hätte mir eine ganz andere gewünscht, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Ob ihren Worten hob ich einen Mundwinkel flüchtig an. Ich glaubte ihr selbstverständlich, was sie sagte. Prisca würde mich niemals so belügen, direkt ins Gesicht. Mein Gesicht zeigte, wie sehr mich ihre Worte berührten, verbunden mit dem Blick, den sie mir gleichsam zuwarf - so mutlos, so leer, so verzweifelt. Und ehe ich mich versah, hatte ich sie auch schon umarmt und fest an mich gedrückt, an ihrem Haar vorbei auf den Steinboden blinzelnd. Ich wusste, dass mir niemals jemand gefallen würde, nicht für Prisca. Dass ich stets die Gefahr sehen würde, dass man ihr weh tat, sie benutzte und wegwarf. Sie nicht gebührend behandelte. Das war das Manko, das Problem an dieser Sache. Es gab niemanden, der gut genug für Prisca war, und das würde immer so sein.


    "Liebe vergeht irgendwann, Prisca, oder sie wandelt sich. Aus ihr kann alles erwachsen, vom Hass bis hin zur freundschaftlichen Zuneigung. Ich wünsche dir so sehr, dass du glücklich wirst. Aber ich kann das Verhalten dieses Mannes nicht tolerieren." Wenn er sich wenigstens angemessen entschuldigt hätte! Doch nichts dergleichen. "Ich möchte nicht, dass du eine Ehe führst, wie Celerina und ich sie haben." fügte ich einen Moment später hinzu, leise, und verbunden mit einem festen Drücken innerhalb der Umarmung. Dann lockerte ich selbige, lehnte mich etwas zurück, um Priscas Gesicht ansehen zu können. "Prisca. Ich werde dich immer beschützen." Und mochte sie mich auch dafür hassen, ich würde nicht zulassen, dass man ihr weh tat.

  • Ja, Prisca war verzweifelt und … sie haderte momentan mit ihrem Leben, der Welt und dem Schicksal, dem es zu gefallen schien ihr den größten Wunsch auf ewig zu verwehren. Einen Grund dazu hatte die Aurelia freilich nicht, undankabr zu sein, denn ihr widerfuhr so viel gutes im Leben. Liebe und Geborgenheit. Das alles fand sie hier bei ihrer Familie und bei Marcus, der sie - trotz allem - auch jetzt in die Arme nahm und sie innig drückte. Prisca erwiderte die Umarmung und sie klammerte sich dabei fest an ihn, das Gesicht schluchzend in dem Stoff seiner Tunika vergraben. Sie war so erleichtert und glücklich, denn sie spürte die selbe Geborgenheit und Liebe. Dafür war sie ihm unendlich dankbar und am liebsten hätte sie ihn nie mehr losgelassen, wie zum Zeichen, dass sie ihn beim Wort nehmen wollte. Für immer … Wie lange wäre das? Für ewig oder so lange, bis irgendwann der Tag käme, an dem er sein Versprechen würde brechen müssen.


    Prisca würde Marcus niemals einen Vorwurf deswegen machen, doch sie konnte seine Worte und seine Haltung gegenüber Piso einfach nicht verstehen. Wenn Liebe gar nicht erst vorhanden wäre, wie könnte sie dann vergehen, oder sich gar wandeln? Eine Ehe wie er und Celerina sie führen? Nein! Wenn Prisca ehrlich war teilte sie sogar den Wunsch ihres Onkels. Eine Ehe wie diese könnte sie niemals ertragen und sie wünschte den beiden nichts sehnlicher, dass es doch etwas gäbe das sich wandeln könnte. Nicht in Hass, sondern vielleicht in eine freundschaftliche Zuneigung!. Das wäre doch etwas, wofür es sich zu leben lohnt, oder nicht? Prisca erwiderte den Blick ihres Onkels stumm und aus traurigen Augen heraus. Soll ich noch einmal versuchen, ihn von Piso zu überzeugen? Nein! Nur ein leichtes Nicken folgte, zum Zeichen das sie nun nicht weiter in ihn dringen wollte und begleitet von einem letzten Schluchzer, um die Tränen endlich einzudämmen. Dabei fiel ihr Blick auf die feuchte Stelle , die ihre Tränen auf der Tunika ihres Onkels zurück gelassenen hatten und mit einer unbeholfenen Handbewegung, versuchte Prisca den Stoff irgendwie zu glätten. "Entschuldige bitte …", bemerkte sie unsinniger Weise dazu, doch würde es vielleicht helfen das Thema (zumidnest für heute) vergessen zu machen ...

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