Gespräche mit Ex-Verbannten II: Manius Flavius Gracchus

  • Nach und nach kehrten verbannte und geflüchtete Senatoren nach Rom zurück, und wo sie nachfragten oder es sich anbot, empfing Cornelius Palma sie gerne zu einem Gespräch in seinem Büro. Auch wenn es bei Flavius Gracchus nicht ganz so dringlich geklappt hatte, wie sein schriftliches Ersuchen nahegelegt hatte, so war Cornelius Palma doch gespannt auf ein Wiedersehen und auf das Anliegen, was den Senator zu ihm führen würde.

  • Es war nicht das erste Mal, dass Gracchus durch die Gänge des Palastes schritt, zudem waren ihm viele andere monumentale Gebäude - die Verwaltungsgebäude, Tempel, Thermen und Theater der ewigen Stadt - mehr als traut, und doch schien ihm die Domus Flaviana an diesem Tage in ihren Ausmaßen erdrückend, beinah als müsse er ihre Mauern auf seinen eigenen Schultern balancieren. Still und in sich gekehrt, sein Leib angespannt, sein Geist aufgewühlt folgte er dem Soldaten bis zum Officium des Kaisers - indes bemerkte er erst als er die Türe schon hatte durchschritten, dass dies bereits sein Ziel war. Einige Herzschläge lang blickte er Cornelius nur an als hätte er einen anderen Mann dort erwartet, als würde er eines Geistes angesichtig werden oder als hätte sein Verstand mit einem Male aufgehört zu arbeiten. Erst als sein eigenes Blinzeln ihn dessen erinnerte, dass die Zeit nicht stehen geblieben war, dass mit jedem Augenblicke das Leben verrann, suchte er die Gedanken zusammen, welche er ein dutzend und mehr Male hatte durchdacht.
    "Salve ... Im..perator Caesar Augustus!"
    So oder ähnlich musste es letztlich stets beginnen.
    "Ich danke dir, dass du be..reit bist, mich zu em..pfangen."
    Allein die Tatsache, dass er versuchte, den Worten die Couleur seiner Anspannung zu nehmen, führte dazu, dass er mehr als üblich an ihnen stockte - eine Gegebenheit, welche ihn sonstig nur noch gegenüber seiner Gemahlin behelligte.

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  • Genauso, wie Flavius Gracchus wohl einen Moment lang ihn betrachtete, betrachtete auch Cornelius Palma einen Moment lang seinen Besucher und Mitverschwörer. Er hatte ihn lange nicht gesehen und schon im Senat vermisst, so dass ihm das Wiedersehen nun tatsächlich umso mehr bedeutete. Er kam ihm etwas älter, kränklicher, vielleicht auch gebeugter oder müder vor, als beim letzten Treffen, aber wer wollte sich nach den Ereignissen dazwischen darüber wundern.


    "Salve, Flavius Gracchus. Nimm Platz! Es war mir eine Freude zu hören, dass du wieder in Rom bist und ebenso eine Freude, dir deine Bitte um eine Audienz zu gewähren. Der Senat kann sich freuen, dich wieder in seinen Reihen zu haben. Doch sage mir, welche Anliegen dich zu mir führen, die du mir in deinem Brief noch nicht nennen wolltest."


    Auch hier konnte er sich diese ganz leichte Anspielung nicht verkneifen, denn er wusste eben gerne schon vor einem Gespräch, worauf er sich vorbereiten sollte.

  • Seit den Tagen, welche der unsäglichen Nacht, in welcher er Rom hatte verlassen, vorangegangen waren, hatte Gracchus die toga praetexta nicht mehr getragen, doch er war sich nicht dessen sicher, ob sie ihm nur dieser langen Zeitspanne wegen am heutigen Tage derart hinderlich schien, derart voluminös, derart massig, als wäre sie zu groß für ihn, als wäre er ihrer Verantwortung nicht mehr gewachsen. Einige Augenblicke war er ob dessen konsterniert als er nach dem Platznehmen die Stoffbahnen wieder ein wenig richtete, sann flüchtig über die Worte des Kaisers bezüglich seines Platzes im Senat nach und fasste nur dies als subtilen Hinweis auf - dass seine Absenz dort nicht würde geduldet werden -, während die intendierte Anspielung des Imperators bezüglich der Essenz der Audienz ihm gänzlich verborgen blieb. Ohnehin blieben diese Überlegungen nur marginale, belanglose Gedanken, welche ob der Bedeutsamkeit seines eigentlichen Anliegens jegliche Relevanz einbüßten. Gracchus sog scharf durch die Nase Luft ein, öffnete den Mund, hielt die Luft an - und hatte den Anfang seiner zurechtgelegten, vielmals einstudierten und immer wieder nachgebesserten Worte, mit welchen er Cornelius Palma hatte überzeugen wollen, vergessen.
    "Ich ..."
    , versuchte er eine alternative Lösung, bemerkte jedoch, dass es keinen Fortgang für sie gab, und ließ die angehaltene Luft tonlos entweichen. Es war nicht wie einst, als sein Leib sich schlichtweg hatte geweigert, die gedanklich gefassten Worten in eine klangliche Realität zu transferieren, denn tatsächlich war in seinen Gedanken nicht mehr zu finden als Laute aus seiner Kehle drangen. Er versuchte sich an dem festzuhalten, was all sein Denken dominierte, begann ob dessen noch einmal.
    "Es ..."
    Zweifelsohne war dies der rechte Beginn, doch in diesem Augenblicke war auch jenem der Sinn verlustig. Blinzelnd blickte Gracchus den Kaiser an. Cornelius Palma. Die Konspiration. Vescularius Salinator. Die Flucht. Mantua. Zurück nach Rom. Caligula. Aton. Faustus. Faustus!
    "Faustus Decimus Serapio!"
    perlte es endlich über seine Lippen als wäre der Name ein einziges Wort.
    "Der ... Praefectus Prae..torio"
    , fügte er an, als könnte es möglich sein, dass Palma nicht würde wissen, von wem er sprach.
    "Er wurde in Haft genommen und sitzt im Car..cer der Castra Praetoria ein. Ich mö'hte dich um seine ... Freilassung ... bitten."
    In diesem Augenblicke wurde Gracchus bewusst, dass er noch immer nicht wusste, was genau man Serapio hatte vorgeworfen, dass er ob dessen nicht einmal wusste, ob dies eine sehr geringe, ein mäßige oder allfällig gar ein sehr gewichtige Bitte war. Tatsächlich war dies indes für ihn nicht von Belang, denn hätte er nur einen einzigen Gefallen, welchen Cornelius jemals ob ihrer gemeinsamen Vergangenheit ihm würde gewähren, so wäre es dieser eine.

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  • Manchmal gab es Dinge, die wurden von der Zeit einfach überholt oder geradezu überrollt, auch wenn die Zeit freilich immer im selben Tempo fortschritt. So war wohl weniger der Zeit, sondern den Menschen ein Vorwurf zu machen, wenn das eine oder andere eben nicht so schnell vonstatten ging, dass es nicht von der Zeit überholt wurde. Was in diesem konkreten Fall wohl bedeutete, dass es die kaiserliche Kanzlei oder Cornelius Palma gewesen waren, die mit der Antwort auf die Bitte des Flavius Gracchus so langsam gewesen waren, dass sich die zum Gesprächseinstieg genannten Fakten inzwischen wieder überholt hatten.


    "Decimus Serapio? Nun, dann bist du über die neuesten Entwicklungen wohl noch nicht im Bilde, was insofern nicht verwundert, als dass sie nicht öffentlich verkündet wurden. Jedenfalls wird es dich freuen zu hören, dass jener nicht länger im Kerker sitzt."


    Soweit die Fakten, die Cornelius Palma freigiebig mitteilen konnte. Doch die Frage selber warf viele Fragen auf, die nun auf Beantwortung warteten, so dass dem Gespräch nun keineswegs der Boden entzogen worden war.


    "Welches besondere Interesse bringt dich dazu, dich für seine Freilassung einzusetzen? Ich darf wohl ausschließen, dass ihr in persönlichem Kontakt steht, denn sonst wäre dir seine Freilassung ja schon bekannt gewesen?"

  • "Frei..lassung?"
    , echote Gracchus mehr als nur perplex, seine Schultern sackten ein wenig herab, sein ganzes Wesen verfiel in Starre gleich dem Schiff, welchem buchstäblich der Wind aus den Segeln genommen war. All die Sorge, die quälenden Gedankengänge, die schlaflosen Nächte, nicht zuletzt das schlechte Gewissen und die Ungeduld - gänzlich vergebens? Und obgleich der Imperator versuchte seine Ahnungslosigkeit ein wenig zu relativieren, so schien Gracchus die Kompromittierung ob dessen doch allzu bewusst. Wie oft im Leben erhielt ein Mann die Option auf eine Audienz bei seinem Kaiser? War nicht etwa von einem Senator zumindest zu erwarten, dass er sich für solcherlei bestens präparierte, dass er die Zeit des Imperators nicht mit Belanglosigkeiten in Anspruch nahm? Schmerzlich wurde Gracchus gewahr, dass auch Sciurus' Rückkehr nach Rom nichts daran hatte geändert, dass er mit der Wirklichkeit nicht mehr konnte Schritt halten, dass jener Zustand, welcher seit Beginn des Bürgerkrieges von ihm hatte Besitz genommen - in welchem die Zeit divergent zur Realität zu fließen schien, in welchem ein Tag sich bot wie der andere, in welchem Tage, Wochen und Monate sich bündelten zu einer Einheit, in welchem das Gestern und das Morgen nicht relevant waren, ebensowenig wie das Selbst -, dass jener Zustand noch immer andauerte. Allfällig wurde er einfach alt, überholt von den Ereignissen der Gegenwart, überrannt von der Geschwindigkeit der Jugend, allfällig indes hatte er auch einfach nur die rechte Spur verloren - einem Wanderer gleich, welcher auszehrend sich durch unwegsames Gelände schlug, mit Steinbrocken, Sumpflöchern und widerborstigem Gestrüpp kämpfte, während ein stadium entfernt all die anderen Wanderer ihn mühelos auf der gepflasterten Straße überholten. Das beständige Gefecht, welches Gracchus auf diesem Pfade schlug, hatte ihn gar derart ausgezehrt, dass er in diesem Augenblicke nicht einmal mehr Erleichterung oder gar Freude über die gute Nachricht in sich verspürte, denn letztlich warf dies alles nur neue Ungewissheit auf. Er hatte sich so sehr auf Serapios Freilassung fixiert, dass er keinen Augenblick daran hatte verschwendet, was hernach würde notwendig werden.
    "Ich schulde ihm mein Leben, allfällig mehr"
    , setzte er sodann zu einer Erklärung an. Es hatte keinen Zweck, diese Tatsache zu leugnen, schlussendlich war diese Reputation das Mindeste, was er Faustus' Familie konnte vergelten, zudem wusste er schlichtweg nicht, was er anderes sollte nun tun als Cornelius' Fragen zu beantworten, da der Zweck seines Audienzgesuches sich bereits welken Blätter im Herbstwind gleich hatte zerstreut.
    "Er hat mir Obda'h gewährt in seinem Haus, hier in Rom als Vescularius' Pro..scriptionen längst verhängt waren."

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  • Nun war es an Cornelius Palma, perplex zu sein. Dieser Decimus Serapio schien ein noch wunderlicherer Mensch zu sein, als Cornelius Palma aus der Begegnung mit ihm erfahren hatte. Dass er einem von Vescularius Salinator proskribierten Senator Zuflucht gewährt hatte, hätte er nun wirklich nicht erwartet und konnte sich auch nicht so recht erklären, wie es dazu wohl kommen konnte.


    "Das ist eine mehr als überraschende Begründung. Mir gegenüber behauptete er, sehr genau über unsere damalige Unternehmung Bescheid zu wissen und zeigte sich sehr hasserfüllt über unsere Pläne. Dass er dir Zuflucht bot, zeigt mir dann wohl, dass es ihm doch an detaillierter Kenntnis mangelte oder aber dass sein Hass wesentlich differenzierter gerichtet war als er es auszudrücken vermochte."


    Zumindest hatte Cornelius Palma bisher angenommen, dass Decimus Serapio ihn und seine Mitwisser gleichermaßen verabscheute aufgrund ihrer Vergangenheit und nicht ihrer Person wegen, und nicht einzelne Personen unterschied.

  • Wie der follis in einem Ballspiel wurde das Erstaunen zwischen den beiden Spielern Palma und Gracchus hin- und hergespielt, denn auch auf die Worte des Kaisers erwuchs in dem Senator neuerlich Verblüffung. Selbstredend hatte er vor seiner Rückkehr nach Rom daran geglaubt, dass ihre Liebe dazu würde ausreichen, dass Serapio ihn zumindest würde anhören - doch dass es nicht Unsicherheit war gewesen, sondern diese Liebe letztlich derart gewaltig, dass er ihn geschützt hatte im gänzlichen Wissen um seine Beteiligung an der Konspiration, dies war ein gänzlich neuer Gedanke. Er versuchte sich an den Tag zu erinnern als er nach Rom zurückgekehrt war, als er Serapio versucht hatte, zu überzeugen, ohne ihm das gänzliche Ausmaß der Tatsachen zu schildern, und er musste wohl sich eingestehen, dass Amor es nicht mochte gewesen sein, welcher ihn hatte unter seinen Schutz genommen, sondern eher Angerone. Serapio war anfangs durchaus nicht gänzlich sicher gewesen, ob er dem Verschwörerkreis hatte zugehörte, doch Gracchus hatte seine Worte derart verwoben, hatte Faustus' Gedanken in andere Richtungen gelenkt, ihn so lange verunsichert, bis sie die Politik hatten Politik sein lassen. Selbst wenn er ihn hatte gefragt, ob er am Mord an Valerinaus war beteiligt gewesen, so hatte er dies verneint, hatte es vorgezogen, die Frage wortwörtlich aufzufassen, allfällig auch, um sich nicht selbst damit befassen zu müssen, obgleich sein ganzes Leben doch in einer gänzlich anderen Art verlief. Wie oft hatte er seine Sandalen geschlossen ohne einen einzigen Riemen zu berühren, wie oft hatte er Dinge bezahlt ohne eine Münze in die Hand zu nehmen, wie oft hatte er Amtsaufgaben ausgeführt, ohne einen einzigen Finger zu krümmen. Sein ganzes Leben bestand aus Taten, welche er nie selbst hatte getan, welche er mit Worten vorgab, dass Sklaven oder subalterne Beamte sie ausführten. Er hatte auf den Tod Valerianus' beharrt - welchen Unterschied machte es, dass er zur Ausführung der Tat nicht einmal in seine Nähe gelangt war?
    "Ich glaube nicht, dass er zum damaligen Zeit..punkt über alles ... über meine Partizipation ... Bescheid wusste"
    , warf er ob dessen gedankenverloren ein.
    "Sofern er heute dessen bewusst ist, so mag sein Urteil anders divergent, so mag dies auch unsere ... Freundschaft ändern. Ich habe ihn nicht mehr gesehen seit die praetorianische Garde nach Norden aufgebro'hen ist."
    Er senkte seinen Blick, denn dies alles klang so schrecklich nüchtern. So mag dies auch unsere Freundschaft ändern.. In guter Hoffnung zerstören, devastieren, negieren, doch Palmas Worte ließen eher auf eine Kehrtwendung schließen - Liebe zu Hass. Wie sollte dies sein, wenn Faustus ihn würde hassen?
    "Seine Schwester, Decima Seiana, sicherte hernach meine Protektion innerhalb der Casa Decima."
    Was hatte sie gewusst? Weshalb hatte sie ihn nicht verraten? Gracchus hatte bis zu diesem Augenblick keine Antwort auf diese Frage gefunden, doch allfällig hatte sie schlichtweg nur getan, was ihr Bruder von ihr hatte verlangt. Er schaute wieder auf.
    "Wenn du heute alles würdest wissen, wenn du würdest absehen können, dass am Ende unser Ziel würde errei'ht werden, doch dass der Weg dorthin durch den Verrat all dies mit sich bringt, was nun hinter uns liegt - würdest du noch einmal all dem zu..stimmen?"
    Dieses beständige hätte, würde, könnte zermürbte Gracchus, lag einer endlos bleiernen Müdigkeit über ihm, doch er konnte nicht davon ablassen, wieder und wieder diese gleichen Gedanken zu denken.

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  • Die Frage, die Flavius Gracchus am Ende stellte, war vom philosophischen Standpunkt her mehr als berechtigt. Am Ende war man zwar ohnehin immer klüger und da sich Geschichte selten wiederholte, erst Recht nicht in kurzen Zeitabständen, würde man auch wohl kaum in die Verlegenheit kommen, in einer identischen Situation wieder vor der identischen Wahl zu stehen, aber trotzdem lohnte sich vom philosophischen Standpunkt her eine Reflexion. Leider hatte Cornelius Palma für solcherlei Betrachtungen bisher wenig Zeit gefunden, so dass er nicht allzu sicher in seiner Antwort war.


    "Nun, auch mit Blick auf das, was hinter uns liegt, sehe ich keinen Punkt, an dem wir mit einer anderen Entscheidung all dies zwingend hätten verhindern können und trotzdem dasselbe Ziel erreicht hätten. Von daher denke ich, dass die Entscheidung noch einmal meine Zustimmung finden würde."

  • Einen kurzen Augenblick lang wollte Gracchus protestieren auf die Worte des Kaisers hin, denn hätten sie nicht den Verrat Tiberius' im Wissen darum verhindern können, hätten sie nicht mehr Acht legen können auf die Art, Valerianus und seine Familie zu beseitigen, um den Zeitpunkt besser zu planen, hätten sie im Wissen um des Vesculariers eigene Testamentsfälschung im Senat nicht weitere Stimmen für ihre Sache gewinnen können, hätten Strategien anders planen, Schlachten anders schlagen können, um das Ausmaß des Bürgerkrieges zu verringern? Doch letztlich war Cornelius nun Kaiser - und zweifelsohne wäre er kein geeigneter Mann für dieses Amt, würde er seine Entscheidungen beständig in Zweifel ziehen, sich in hätte, könnte und würde verlieren, nicht zu dem stehen, was er entschlossen und getan hatte. Zu alledem war ohnehin ungewiss, ob eine divergente Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt zwangsläufig zu einem divergenten Ergebnis hätte geführt, vertrat doch so manch ein Philosoph die Ansicht, dass die Ergebnisse des Lebens längst feststanden, dass es keine Möglichkeit gab, dem erkorenen Schicksal zu entgehen, wie dies auch die religo nicht mochte ausschließen. Darob nickte Gracchus schlussendlich nur, wenn auch nicht gänzlich überzeugt - doch Überzeugung war etwas, an dem es in seinem Leben derzeitig ohnehin stets mangelte.
    "Nun, so möchte ich dir noch einmal versi'hern, dass du auch bei deinen künftigen Entscheidungen auf meine Unterstützung ver..trauen kannst."
    Es fiel ihm nicht leicht, diesen Worten lautliche Gestalt zu verleihen, doch letztlich war es zu spät für Reue, zu spät für Zweifel, zu spät für andere Beschlüsse, denn er hatte sich für diese Zukunft Roms längst entschieden und musste nun ebenso wie Cornelius Palma mit dieser Entscheidung und ihren Konsequenzen leben.

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  • So unsicher wie Cornelius Palma bei der Frage selber geantwortet hatte, so sehr schien auch Flavius Gracchus bei seiner Erwiderung zu zögern, bis er ihm schließlich seine Unterstützung zusicherte. Cornelius Palma hörte dies dankbar an, denn auch wenn er keinen großen Zweifel daran gehegt hatte, so war eine explizite Zusicherung allemal besser. Und ein Anlass, in die Zukunft zu schauen.


    "Ich danke dir für diese klaren Worte. Ich werde gerne darauf zurückkommen. Wie sind deine Pläne für die Zukunft? Du nimmst deinen Platz in Rom wieder ein, nehme ich an? Im Senat, im Collegium Pontificium, und an allen anderen Orten, die du verlassen hast?"


    Gerade bezüglich des Collegiums gab es vielleicht das eine oder andere zu besprechen, was man gleich hier ledigen konnte, denn als Pontifex Maximus musste sich Cornelius Palma ja auch um dessen Besetzung kümmern.

  • Pläne für die Zukunft waren eine Causa, welche Gracchus bisherig nicht hatte reflektiert, nicht hatte durchdenken wollen - nicht einmal zu dieser Gelegenheit der Audienz, denn tatsächlich hatte er all sein Bestreben auf die Freilassung Serapios fixiert. Ob dessen verstrichen erneut einige Augenblicke, in welchen er seine Gedanken zu sortieren suchte. Sein Verhältnis zum Senat war derzeitig überaus ambivalent, denn letztlich hatte dieses Gremium gänzlich versagt in Hinblick auf den Usurpator, hatte nur zugesehen wie Vescularius sich des Throns hatte bemächtig, den Staat und seine Traditionen mit Füßen getreten. Andererseits indes - was hätten die Senatoren tun sollen, hätten sie überhaupt tun können? Hätten sie ein falsches Testament erkennen müssen und gegen den augenscheinlich rechtmäßigen Nachfolger Valerianus' aufbegehren, während schlussendlich auch die Konspiranten um Tiberius Durus eben darauf hatten vertraut, dass sie dies nicht taten? Weiters hatte Gracchus selbst nach dem Scheitern ihres Planes ebenfalls nichts lohnendes getan, um diesen Zustand zu ändern, hatte ebenso wie viele Senatoren dem Hasen gleich in seiner Höhle ausgeharrt, darauf wartend, dass der Jäger den Fuchs erlegte. Ungeachtet dessen jedoch, wie auch immer er den Senat einschätzte, so war Gracchus sich auch seines eigenen Platzes nicht mehr sicher. Zwar war er noch nie überzeugt gewesen, zur Politik zu taugen, doch die Verschwörung hatte ihn augenscheinlich vollends dafür disqualifiziert, denn während er zu Beginn noch hatte geglaubt, dazu beitragen zu können, das Imperium in ein goldenes Zeitalter zu führen, hatte er letztlich dazu beigetragen, es an den Rande des Ruins zu treiben, wo er es verwundbar und ungeschützt hatte liegen lassen. Dass Rom sich nun wieder einem goldenen Zeitalter annäherte, dazu hatte er nicht das geringste beigetragen. Letztlich jedoch mochte dies alles nicht relevant sein, war dies ohnehin nicht seine eigene Entscheidung.
    "Ich habe einst geschworen, die Aufgaben, Rechte, Pfli'hten und Verantwortungen anzunehmen, welche die Aufnahme in den Senat impliziert, darob ... werde ich selbst..redend fürderhin meinen Platz in der Curia Iulia wieder einnehmen."
    Fürderhin. Früher oder später. Wobei es Gracchus selbst mehr nach einem Später als einem Früher drängte.
    "Be..züglich des Collegium Pontificum ..."
    Für einen Moment presste er seine Kiefer aufeinander, echauffierte ihn diese Causa doch tatsächlich weit mehr als jede Proskription, wenngleich sie auch eine Folge dieser mochte gewesen sein.
    "Ich habe das Collegium Pontificum niemals verlassen, noch um eine Ent..lassung gebeten. Man hat mich exkludiert, und dies nicht zum ersten Male. Sofern du verfügst, die Kassation, welche vermutli'h auf Geheiß des Vesculariers geschehen ist, zu annullieren, werde ich auch in diesem Gremium meinen Platz wieder einnehmen wie es meine Pfli'ht ist. Doch ich werde nicht darum bitten, erneut - ein drittes Mal - in das Collegium auf..genommen zu werden."
    Es war diese Formulierung zweifelsohne ein wenig heikel, denn würde der Imperator seinen Ausschluss aus dem Collegium Pontificum nicht für ungültig erklären, so würde dies unvermeidbar das Ende seiner kultischen Karriere bedeuten - jener einzigen, auf welche er je hatte hingearbeitet, welcher seine Verve und sein Streben galt. Doch er war ein Flavier. Man mochte ihn beleidigen können - so die Beleidigung zutreffen war, so traf sie ihn und er würde sie allfällig gar ergründen wollen, sofern sie jeder Grundlage entbehrt, konnte er sie schlichtweg ignorieren -, doch Demütigungen vertrug er nicht. Und der abermalige Ausschluss aus dem Collegium Pontificum - mochte er für die Pontifices aufgrund der Proscriptionen des Vescularius noch so triftig gewesen sein - war eine Demütigung, welche ihn zutiefst gekränkt hatte.

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  • Es mochte nur eine sprachliche Spitzfindigkeit sein, aber für Cornelius Palma war es schon interessant zu hören, wie Flavius Gracchus sein Ausscheiden aus dem Collegium Pontificium selbst beurteilte. Tatsächlich hatte Cornelius Palma nicht die Zeit gehabt nachzuprüfen, auf welchem Wege genau die Entlassung damals vonstatten gegangen war und wie sie daher nun formell wieder zurückgenommen werden konnte, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Ein Umstand, der nun wohl nachgeholt werden musste.


    "Dann werde ich die damaligen Umstände prüfen lassen, um eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen. Nach meinem Kenntnisstand ist die Tatsache, dass du derzeit dem Collegium nicht mehr angehörig bist, jedenfalls nicht durch die Regularien eben jenes Collegiums gerechtfertigt und daher höchstwahrscheinlich nichtig. Und ganz persönlich hatte ich auch darauf gehofft, dass du bereit und in der Lage sein mögest, einige der Aufgaben dort zu übernehmen, die früher Tiberius Durus inne hatte."


    Selbst wenn alle Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig gemacht wurden, ließen sich eben nicht alle Dinge wieder so herstellen, wie sie früher waren und erforderten daher auch eine Neuverteilung von Aufgaben.

  • Erst nach des Imperators Worten bemerke Gracchus, dass er für einige Augenblicke die Luft hatte angehalten, ließ diese - ein wenig erleichtert durchaus - durch die Nase entweichen.
    "Die gravierendste Aufgabe scheint mir zu sein, den Cultus zur Normalität zu..rückzuführen und den Bürgern offen zu zeigen, dass der Staat für das Wohl der Götter wieder Sorge trägt, so wie es diesen zusteht. Sobald mir als Mitglied des Collegiums dies wieder möglich ist, werde ich selbst..redend die Einberufung einer Contio initiieren, in welcher über die Neubesetzung der verwaisten Sitze und die anstehenden Causae entschieden werden kann."

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  • Man hätte den Ball wohl nicht besser aufnehmen können, den Cornelius Palma zu Flavius Gracchus herübergespielt hatte. Tatsächlich war die Einberufung einer Contio genau das, was auch Cornelius Palma im Kopf gehabt hatte. Entsprechend zufrieden reagierte er auf die Erwiderung.


    "Sehr schön, genau so etwas schwebte mir vor. Dann sollten wir schauen, dass sich dies so bald wie möglich realisieren lässt. Das Wohl der Götter duldet in der Tat genauso wenig Aufschub wie das Wohl Roms."


    Mehr gab es dazu hier und jetzt allerdings wohl nicht zu sagen, denn alles andere musste nun in den Archiven des Collegium geprüft und dann veranlasst werden.


    "Doch bevor wir uns auf diese Arbeit stürzen, gibt es noch anderes, was du zu besprechen wünschst?"

  • Da Gracchus bereits seit der Eröffnung, dass Faustus nicht mehr im Kerker saß, seine Schwierigkeiten hatte, weitere Anliegen anzudenken, schüttelte er ohne langes Überlegen den Kopf.
    "Nein, Imperator, von meiner Seite aus gibt es kein weiteres Anliegen zu bespre'hen."
    Vermutlich war er somit entlassen, doch da sich vor dem Kaiser niemand selbst entließ, wartete auch Gracchus auf das offizielle Ende der Audienz.

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  • Auch von Seiten des Cornelius Palma gab es kein weiteres Thema, das im Rahmen dieser Audienz noch zu besprechen war. so dass er die Verabschiedung einleitete.


    "Dann danke ich für dieses Gespräch, das mich wirklich sehr gefreut hat. Du hörst von mir, sobald die Prüfung der Angelegenheit des Collegiums abgeschlossen ist. Und sicher werden wir auch weitere Gelegenheiten finden, bei denen wir erneut miteinander sprechen können."


    Immerhin haate Cornelius Palma vor, sich regelmäßig mit ihm wichtigen und angenehmen Männern auch etwas ungezwungener bei einem Essen oder ähnlichem zu treffen und aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit war es nicht unwahrscheinlich, dass er auch Flavius Gracchus dazu laden würde. Aber noch war keine Einladungsliste geschrieben.

  • "Ich danke dir, Imperator Caesar Augustus"
    , umfasste Gracchus die Gelegenheit zur Audienz, die Freilassung des Decimus Serapio - wenn auch nicht erst auf seine Bitte hin -, die Prüfung des Pontificates, sowie den Ausblick auf weitere Gelegenheiten ganz allgemein, und verabschiedete schlussendlich sich gebührlich mit einem Gruße, welcher das Wohl des Imperators und seiner Familie im Schutze der Götter wünschte, verließ sodann das Officium des Kaisers. Bereits auf dem Weg aus dem Palast hinaus härmte er ob des Schicksals Faustus', spürte noch immer eine gewaltige Unruhe in sich - nun nicht mehr ob der Inhaftierung, sondern da er nicht wusste, wo der Decimus gegenwärtig sich aufhielt.

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