Eine Garküche: Matinisch-Duccischer Klatsch

  • In der Basilika war beim Schneegestöber im germanischen Winter der Bär los. Draußen schneite es ununterbrochen, während drinnen ununterbrochen geplappert wurde. Jeder, der nicht zuhause von Frauchen bekocht wurde (weil er keine Frau oder keine Wohnung mit Küche hatte) oder dem es nach Hause zu weit (und kalt) war, aß in den Garküchen der Stadt. In der Basilika gab es davon neben den vielen Verkaufsständen für diverse Waren so einige. Unter anderem eine, die Witjon häufiger aufsuchte.


    Heute hatte er zufällig seinen Klienten Titus Matinius Pacatus draußen im Schneegestöber aufgegabelt und ihn zum Prandium, dem leichten Mittagessen eines jeden hungrigen Römers, eingeladen. "Sieh Matinius, dies ist Otmars Garküche, der unter Römern als Festus bekannt ist. Bei dem erfährst du alles, was du wissen musst." Er drängelte sich vorwärts vorbei an den Leuten, die anstanden oder bereits mit etwas zu essen herumstanden und schmatzten. Auf der Speisekarte - einem großen Schild über der Theke, auf dem täglich wechselnd zwei verschiedene Gerichte zur Auswahl genannt wurden - fanden sich erstens dicke Schwarzbrotstullen mit Schinken und Oliven als Beilage sowie zweitens dicke-Bohnen-Eintopf. "Otmar, ich nehm' die Stullen!", bestellte Witjon, woraufhin er Pacatus fragend ansah. "Und für dich?"


    Wenig später, nachdem sie ihre Bestellungen erhalten und Witjon gezahlt hatte, befanden sich Patron und Klient an einem Stehtisch und aßen. "Nun, Matiniusch", sagte Witjon mit vollem Mund. "Wie schiehtsch eingtlisch mit der Magdoudnung ausch? Kommsch voran?" Er trank einen Schluck verdünnten Wein, um den Batzen Stulle vernünftig schlucken zu können.

  • Pacatus hatte sich auch eine Ladung von Otmars Stullen besorgt und hörte sich, während er selber auf dem ersten Bissen herumkaute, das Gemurkel seines Patrons an. Er schluckte den Kram runter.


    "Ich bin noch am Sortieren. Es ist ein Haufen Zeugs. Da hab ich mir gedacht, ich definiere erst mal, was ein Markt ist, dann schreibe ich rein, welche Märkte es in der Civitas gibt. Hauptmarkt hier, Vicinalmärkte in Navaliorum, Salutaris .. und so weiter. Dann, was wo erlaubt ist und was nicht. Ich brauch aber noch ein griffiges Wort für den Handel, der auf dem Markt und in den Tabernae stattfindet. Verstehst Du, in Abgrenzung zu den größeren Handelsgeschäften, bei denen die Ware nicht vor Ort ausgelegt wird und die auch nicht auf dem Markt, sondern in Kontoren abgewickelt werden. Fällt Dir da was ein?"


    Sim-Off:

    Ja, hier geht's geplaudermäßig weiter

  • "Puh, das ist 'ne gute Frage", erwiderte Witjon ein bisschen ratlos, als Pacatus ihn direkt mal vor ein Problem stellte. Ja, wie sollte man den Unterschied zwischen Markthandel und Kontorhandel treffend bezeichnen? "Vielleicht einfach 'Markt' und in Abgrenzung dazu 'Großhandel'?", überlegte er laut. Das war tatsächlich eine schwierige Frage.


    "Aber grundsätzlich klingt deine Vorgehensweise schonmal sinnvoll. Hast du dir schon Gedanken über Detailfragen gemacht? Gebühren, Verkaufszeiten und solcherlei?"

  • Natürlich hatte sich Pacatus schon ein paar Gedanken über die Einzelheiten gemacht. Aber wie das so ist, tauchten bösartigerweise umso mehr Widersprüche auf, je detaillierter man den Kram anpackte. Er wollte das Ding aber möglichst bald fertigmachen und sei es auf Biegen oder Brechen.


    "Also, wenn ich die verdammte Definitionshürde genommen hab, dann schreib ich rein, wer Handel betreiben darf und unter welchen Bedingungen. Dann kommt, wo überall Markt stattfinden darf. Im Moment bin ich grade dabei, zu überlegen, wie das in der Basilica laufen soll. Die Tabernae in den Magazinen werden da ja von der Stadt vermietet. Da kann man leicht regulieren. Aber es gibt ja auch Stände. Die müssten bei Gerichtsverhandlungen und öffentlichen Versammlungen draußen bleiben. Der Viehmarkt macht mir auch etwas Kopfschmerzen. Ich will ihn nicht aus der Stadt rausschmeißen. Und da hab ich die Idee gehabt, ihn auf den Platzteil vor dem Capitolium zu verlegen. Jupiter liebt doch das Vieh, oder?"


    Er biss nochmal kräftig in seine Stulle.

  • Witjon hörte interessiert zu, kaute und dachte nach. Pacatus hatte da ja schon so einige Probleme herauskristallisiert, die es zu überwinden galt.

    "Was die Basilika angeht, wird man wohl gleichzeitig eine Gerichtsordnung andenken müssen, um einen Kompromiss zu finden. Einmal die Woche einen Verhandlungstag einzurichten, an dem die Stände draußen bleiben, wäre jedenfalls sinnvoll. Und einen zusätzlichen Tag hält man für andere Gelegenheiten frei. Oder so. Das wäre dann schonmal ein erster Diskussionpunkt für den Ordo Decurionum."


    Witjon schmunzelte. Seit die Gesandtschaft Mogontiacum verlassen hatte, war es im Rat etwas zu still geworden. Diese Marktordnung würde hoffentlich wieder etwas Wind in die schlaffen Honoratiorensegel bringen.


    "Jawoll! Jupiter liebt das Vieh", bekräftigte Witjon den letztgenannten Ausspruch lachend. "Das würde jedenfalls dem dortigen Aedituus die Beschaffung von Opfertieren sehr erleichtern. Andererseits...wie häufig soll der denn stattfinden? Täglich? Wöchentlich? Monatlich? Denn...Dreck und Gestank sind ja ständiger Begleiter des lieben Viehs. Da müssen wir auch bedenken ob das so förderlich für Feiertage und dergleichen ist, die gewiss nicht selten auch Geschehen vor dem Capitolium beinhalten. Da müsste also ständig Mist gekehrt werden."

  • Pacatus war mit seiner Stulle zu Ende gekommen und nahm einen Schluck Wein, um der zweiten Stulle den Weg zu bereiten.


    "Ich denke daran, am Tag nach den Nundinae die Basilica für jeglichen Markt zu schließen, damit man ungestört Gerichtsverhandlungen abhalten kann. Ansonsten können die Duumviri ja jederzeit einen marktfreien Tag dort ankündigen, wenn eine Versammlung ansteht."


    Er nahm die zweite Stulle ins Visier. "Umg an den Mnundimnae if vor dem Fkapfitolimn damn Mbauernmaagd mnit Viehmaagd." Er schluckte den Brocken runter. "Ein bißchen abgesetzt vom übrigen Markt also. Für den Mist sind dann die Servi Publici zuständig oder die Kerle, die zum Opus Publicus verdonnert worden sind. Weißt Du, der Brauch, an den Nundinae Jupiter Opfer zu bringen ist ja mittlerweile nicht mehr im Trend, da gibt's voraussichtlich keine Kollisionen. Ich denke, falls unser Pontifex nicht zu altmodisch ist, können wir das machen."

  • "Der Tag nach den Nundinae...", wiederholte Witjon und schien kurz darüber nachzudenken. "Ja, das klingt vernünftig."


    Während Pacatus mit vollem Mund weiterschwatzte, hörte Witjon erstmal zu und mampfte dabei immer mal wieder nickend seine Stulle. "Was das angeht müssen wir wohl auf die Rückkehr von Pontifex Petronius Crispus warten. Aber ich denke nicht, dass er Einwände hätte." Er trank ebenfalls noch einen Schluck Wein und fügte dann hinzu: "Wirst du den Entwurf noch während deiner Amtszeit im Rat vorstellen?" Pacatus arbeitete ja nun schon eine geraume Weile daran.

  • Pacatus nahm noch einen kräftigen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken die Tropfen aus seinem spärlichen Bartgewächs.


    "Nein, wo denkst Du hin, Patron. Ich werd das Ding erst mal den Duumviri hinlegen, und zwar heute noch. Die sollen dann entscheiden, ob sich der Ordo damit beschäftigen soll. Wenn ich das an ihnen vorbei in den Ordo bugsiere, dann sind sie eventuell beleidigt, meinst Du nicht auch?"

  • "Da könntest du Recht haben", stimmte Witjon seinem Klienten zu hinsichtlich der möglichen Verletzbarkeit der Duumvirn. "Dann stell' ihnen das Ding mal vor, vielleicht haben sie ja noch Verbesserungsvorschläge."

    Witjon bedachte Pacatus mit einem forschenden Blick, während er seine Stulle schluckte. "Dann besteht aber dennoch die Möglichkeit, die Ordnung noch in deiner Amtszeit - oder deiner kommenden - zu verabschieden. Siehst du dich auch zukünftig in einem Amt?" Womit er indirekt natürlich die Frage stellte: Wann und zu welchem Amt wirst du bei den kommenden Wahlen kandidieren. Aber das war etwas für zwischen den Zeilen lesende Menschen.


    Da fiel ihm doch glatt noch etwas ein: "Ach, und wo wir gerade von schon länger geplanten Projekten sprechen...wie war das eigentlich mit den nassen Füßen deiner Wähler aus Navaliorum? Wo es jetzt langsam Richtung Frühjahr geht, sind dahingehend schon Schritte angedacht?" Er meinte sich erinnern zu können, dass es vor der Jahreswende eine Diskussion darüber gegeben hatte. Beschlossen worden war auch schon etwas baulicher Art. Aber wozu hatte man Klienten? Witjon konnte sich ja nicht alles merken.

  • Pacatus kratzte sich ausgiebig am Kopf. "Mmh, ja, ich will nochmal den Eselsweg einer Wahl durchwandern. Da drüber muss ich aber nochmal mit den Duumviri reden."


    Er fingerte noch ein paar Krümelchen seiner Stulle zusammen, schob sie sich in die Backe und hob die Schultern. "Ob das in der nächsten Amtszeit dann auch über die Bühne geschubst werden kann, wissen die Götter. Nachdem Petronius Crispus mit der Stadterhebung aus Roma zurück ist, stehen uns, na sagen wir, recht tumultäre Zeiten bevor."


    Und dann die nassen Füße, beim Hades, der Quaestor hatte sich bis jetzt noch kein bißchen gemuckst. "Weißt Du, Patron, das Ding ist ja beschlossene Sache, ordomäßig wenigstens. Die Decuriones haben ja den Quaestor beauftragt, die Höhe des Zolls festzusetzen, mit dem wir die Kröten für das Vorhaben zusammenkratzen wollen. Zu dumm, dass sie dem Quaestor keinen Termin hingeknallt haben. Unerfreulich, würd ich sagen. Ich hab mir anfänglich überlegt, ob ich mich für das Amt des Quaestors zur Wahl aufstellen lassen soll. Dann könnte ich ja das Ding vom Tisch kriegen, falls ich gewählt werde. Aber ich hab mich dann doch dafür entschieden, noch mal den Aedil zu machen, um mit der neuen Marktordnung die Straßen zu fegen."


    Pacatus grinste fröhlich.

  • "Tatsächlich?", reagierte Witjon auf die Ankündigung der direkten erneuten Kandidatur zu einem Stadtamt mit freudiger Überraschung. "Sehr schön. Mach das", stimmte er weiterhin Pacatus' Einschätzung ein, das Gespräch mit den Duumviri suchen zu müssen.


    "Wir werden tatsächlich einiges zu tun bekommen", pflichtete Witjon im folgenden auch Pacatus' Ahnung bei, was das steigende Arbeitspensum anging. "Der Ordo Decurionum wird einige grundsätzliche Sachen zu beschließen haben. Ich hoffe, dass wir damit schneller zu Potte kommen, als mit der Ausarbeitung der Lex selbst..." Er zuckte mit den Schultern und spülte mit seinem Wein den letzten Rest Stulle runter.


    Schließlich hörte Witjon sich dann noch die Vorstellungen seines Klienten über den nächsten Wahlgang an. "Also nochmal Aedil sein ist dein Wunsch", schmunzelte er. "Straßenfeger und Füßetrockner", witzelte er weiterhin. Und etwas sachlicher: "Naja, den Quaestor kannst du ja nochmal anspitzen. Immerhin ist das dein Projekt, unabhängig vom Amt. Es geht ja auch um Wählerstimmen aus Navaliorum, die du vielleicht mal für höhere Weihen in der Stadtverwaltung brauchen könntest, nicht?" Er bedachte seinen Klienten mit einem prüfenden Blick. "Überhaupt, du bist als Aedil jetzt ja offizielles Mitglied des Ordo Decurionum. Da kannst du einbringen, was du möchtest. Sowohl die Marktordnung, als auch Beschwerden oder Anmerkungen zu baulichen Planungen." Womit er sagen wollte: Nur wer Initiative zeigt, hat auch die Chance etwas voranzubringen.

  • Pacatus hörte sich ganz versonnen den Sprech seines Patrons an. Zugegebenermaßen wurzelte seine Versonnenheit nur anfänglich in den dessen Worten, war dann aber ganz übergangslos von dem Anblick einer vorbeigehenden Mogontinerin gekapert worden. Als er gedanklich wieder zu dem Gespräch mit seinem Patron zurückgekehrt war, runzelte er die Stirn.


    "Beim Hades, wozu haben wir eigentlich die Duumviri? Meinst Du nicht auch, dass die Burschen gelegentlich mal ihre Birne anstrengen und eine Vorlage aus ihrem werktätigen Magistrat kritisch beäugen sollten? Ich weiß, ich weiß, Denken kostet Kraft und manchmal ist die grade um die Ecke. Zweitens, und auch diesmal beim Hades, ist es denn nicht die Aufgabe der Duumviri, einem Quaestor auf die Finger zu hauen, wenn er bloß rumschlenzt? Na gut, ich geh jetzt also zum Quaestor, hau ihm auf die Finger und sag ihm, dass das eigentlich dienstwegmäßig, Tschuldigung, von den Duumviri hätte kommen müssen oder sollen. Wie findest Du das?"


    "Oder ich geh in den Ordo, leg denen meinen Entwurf hin und sag, Tschuldigung, aber die Duumviri haben keine Ahnung, was da drinsteht. Ich hör jetzt schon Plutos dröhnendes Gelächter, wenn er sagt, 'seht her, das ist das Municipium von Mogontiacum, wie es leibt und lebt'."

  • "Du hast recht, sowohl erstens als auch zweitens", pflichtete Witjon der Beschwerde seines Klienten zu. Da hatte er wohl einen wunden Punkt getroffen. Sollte er als Procurator Civitatium den Duumviri vielleicht selbst mal auf die Finger hauen? "Du kannst ihn ja zumindest mal ganz kollegial daran erinnern, dass da noch gewisse Arbeiten auf ihn warten. Das fände ich jedenfalls gut." Er zwinkerte Pacatus zu.


    Zum Schluss war es dann an Witjon, die Stirn zu runzeln. "Ja, da sagst du etwas Wahres. Es macht keinen guten Eindruck, wenn selbst die Magistrate untereinander nicht über ihre Projekte kommunizieren. Und ohne gute Vorbereitung scheitert auch der beste Vorschlag im Ordo, wenn die hohen Herren sich übergangen fühlen und aus trotz dagegen stimmen. Ja, Pacatus, da wirst du wohl um die Duumviri gar nicht herum kommen!" Schade drum für Pluto, aber der hatte gewiss noch zahlreiche andere Unterhaltungsmöglichkeiten.

  • Pacatus pickte noch ein paar Krümel zusammen, die sich auf dem Gesimsvorsprung versammelt hatten und trank den letzten Rest Wein aus seinem Becher.


    "Siehst Du, Patron, manche Sachen müssen eben sein. Wenn die Duumviri sich nicht bald rühren, dann werd ich die Marktordnung allerdings selber im Ordo vorstellen. Dann gucken wir mal. Und dem Quaestor werd ich auch einen Höflichkeitsbesuch abstatten. Ach ja, da hab ich ja auch noch den Bericht von Lysander wegen der baufälligen Curia. Den muss ich mir nochmal zur Brust nehmen und dann wieder die Duumviri belästigen. Ich muss los, vale, Patron."

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