• Auf dem Quirinal in der Nähe des Serapidis Tempels lag das Domus der Gens Hirtuleia. Es war kein besonders großes Gebäude wie es die meisten Frauen ihr Eigen nannten, die Lartia, die Frau des Hauses, für gewöhnlich zu sich einlud. Auch wenn das Haus nicht groß war, so war es mindestens genauso imposant eingerichtet. In jedem Raum schmückte ein kostspieliges Mosaik den Boden oder die Wand. Teure Möbel verschönerten den Anblick und kostbare Dekorationen wurden schmückend eingesetzt. Lange Zeit jedoch waren die Hausherrin und ihr Gemahl fort gewesen und erst vor Kurzem zurückgekehrt. Bei ihrem ersten Abendessen zurück in Roma, gab es folgendes Gespräch.
    "Caius, ich werde in einer Woche meine Freundinnen einladen. Wir müssen unbedingt ein Widersehen feiern."
    "Ach Lartia, du willst doch nur wieder den ganzen Abend tratschen und Freundinnen? Du suchst doch nur jemandem, mit dem du wieder alles schlecht machen kannst. Sogar deinen eigenen Mann."
    "Ach Caius, das stimmt doch gar nicht. Ihr Männer habt so viele Möglichkeiten euch zu treffen und was haben wir Frauen? Gönne mir doch diesen Abend. Du wirst sicher eine Verabredung für diesen Abend finden und gar nichts mit uns zu tun haben."
    "Ich finde da sicher Zerstreuung. Wann planst du diesen Abend?"
    "ANTE DIEM III NON AUG DCCCLX A.U.C. (3.8.2010/107 n.Chr.). Bis dahin habe ich hier alles wieder in Ordnung gebracht und man kann Besuch empfangen und du hast Zeit dich nach deiner Zerstreuung umzuschauen."
    Der Mann nickte nur und beide aßen weiter. In Gedanken verfasste Lartia schon den Brief an die Frauen, die sie einladen wollte und machte sich eine Liste, wer diesen Brief überhaupt erhalten sollte.

  • Der Sklave Vespas war durch die Stadt gelaufen um den Brief seiner Herrin schnellstmöglich zu übergeben. Nachdem er an der Porta geklopft hatte, übergab er einem Sklaven das Schreiben seiner Herrin und lief wieder zurück.




    Liebe Hirtuleia Lartia!


    Ich freue mich sehr, dass du wieder in der Stadt bist und mich sogleich zu einer Cena einlädst. Nur zu gern nehme ich deine Einladung an und versichere dir mit einigen Neuigkeiten aufwarten zu können. Natürlich wird jedwede männliche Begleitung zu Hause bleiben oder zumindestens vor der Tür.
    Wie sehr habe ich die Unterhaltungen mit dir vermisst.


    Deine


    Vespa

  • Das Atrium zeigte sich am Tage des großen Treffens von seiner besonders schönen Seite. Die Sklave hatten neue Kleidung angezogen bekommen und nur die bestaussehnsten durften den Damen die Porta öffnen oder später vorlegen. Bereits hier fanden einige Blumenkübel ihren Weg in die Räumlichkeiten. Palmen und für die Farbe Oleandersträuche. Bilder wurden falls nötig ausgetauscht. Nichts durfte dem Zufall überlassen werden. Lartia wollte doch einen guten Eindruck hinterlassen und nicht als Landpomeranze verrufen werden. Gerade bei der Gästeliste musste einfach alles stimmen.


    Zum frühen Nachmittag war das Triclinum den Gästen entsprechend hergerichtet worden. Der Raum selbst war mit detailreichen Mosaiken verziert. Große Blumenvasen in den Raumecken sowie kleinere bei den Klinen verschönerten den Raum ungemein. Hauptsächlich Rosen waren darin zu finden aber auch andere Blumen, die zu dieser Zeit noch ihre Blüten zeigten. Die Clinen waren mit weichen gelblichen Kissen gepolstert. Die Besucherinnen sollten sich doch wohl fühlen. An der Stirnseite des Raumes waren einige Sühle und kleine Tische aufgestellt. Diese würden gleich von einigen Harfenspielern und Sängern belsetzt werden. Auch hier hatte Lartia sich selbst bemüht und sämtliche Männer vorher besichtigt. Nur das Beste vom Besten für ihre Gäste. Das Spiel sollte natürlich leise und nur im Hintergrund zu hören sein ebenso der Gesang. Aber es machte dennoch einiges her so etwas dabei zu haben. Bereits die erste Besucherin sollte sich an dem Spiel erfreuen dürfen.


    Die Küche bereitete sich schon fast seit drei Tagen auf den Besuch vor. Früchte und Gemüse waren eingelegt worden, Fleisch und Fisch soweit es eine längere Vorbereitungszeit benötigte ebenfalls eingelegt oder schon zubereitet worden. In der Küche lief alles auf Hochtouren, kalte Vorspeisen hatten schon den Weg auf die Platten gefunden und die warmen Speisen kochten noch vor sich hin. Es würde eine lange Speisenfolge geben und keiner würde dieses Haus am heutigen Tage hungrig verlassen ebenso wenig durstig. Rosenwasser, stark verdünnte Weine und Säfte. Lartia war wirklich mit sich zufrieden.

  • Für nichts in der Welt hätte Antonia es sich nehmen lassen, an diesem Tag die Casa ihrer Freundin Lartia aufzusuchen. Schließlich war es bereits Abends und ihr Sohn Minor - einziger wirklicher Grund, aus welchem sie des Öfteren öffentlichen Veranstaltungen und Festivitäten fernblieb - bereits im Bett, nicht erkrankt und auch Alpträume hatten sich in jüngerer Vergangenheit nicht manifestiert. Da männliche Begleitung an jenem Abend nicht erwünscht war, hatte Antonia auch ihren Gemahl nicht beknieen müssen, sie zu begleiten. Ein Umstand, der sicherlich beiden nicht ganz unrecht war, obgleich die Claudia sich durchaus gerne an der Seite des Gatten zeigte. Dies jedoch sollte wohl ein Frauenabend werden - es versprach also interessant zu werden.
    Verschmitzt lächelnd ob dieser Gedanken, schickte Antonia, gerade vor der Casa angekommen, mit einem Wink ihren Sklaven Pallas los, um an die Tür zu klopfen. Sie selbst blieb in ihrer Sänfte, aus der sie jedoch schon kurze Zeit später entsteigen und die Casa betreten konnte. Selbstredend nicht ohne dass eine ihrer Sklavinnen dienstbeflissen die Stoffbahnen ihrer bläulich schimmernden Palla zurechtzupfte. Die leichte, nachtblaue Tunika hingegen schwang locker um ihre Knöchel, als sie das Atrium betrat. Ausgesprochen hübsch war es hergerichtet worden, wie Antonia fand. Lartia hatte also entweder ein glückliches Händchen bei der Wahl ihres Raumaustatters gehabt, oder in Britannia doch nicht alles verlernt, was Dekoration anging. Ein dezenter Duft nach Blumen hing in der Luft, als eine lange nicht mehr gehörte Stimme an das Ohr der Patrizierin drang.
    "Antonia, meine Liebe!", erklang Hirtuleia Lartias hohe Stimme aus Richtung des Tricliniums. "Wie ich mich freue dich wiederzusehen! Sieh dich nur an, das blühende Leben."
    Flugs war sie herbeigeeilt, umarmte die Freundin leicht und hauchte zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Antonia, die sich sicher war verglichen mit ihrem letzten Zusammentreffen nicht wie das blühende Leben auszusehen, quittierte Lartias Aussage mit einem schiefen Lächeln.
    "Du hättest Politiker werden sollen, Lartia, lügst ohne rot zu werden." Ein kurzes Zwinkern nahm den Worten die Ernsthaftigkeit. "Rom hat dich sehr vermisst. Es ist schön, dass du wieder bei uns bist."
    "Ach, ja.. Britannia.. ich sage dir.. doch ich will nicht klagen, heute ist schließlich ein Tag zum Feiern. Fulva und Longina sind bereits anwesend, ich denke die anderen werden auch in den nächsten Minuten eintreffen."
    Fulva und Longina. Sieh an. Besonders durch Fulva versprach dies in der Tat ein interessanter Abend zu werden, war sie doch ein nahezu unerschöpflicher Quell an Klatsch und Tratsch. Vorfreudig schmunzelte die Claudia.

  • Ein wenig später, aber nicht zuspät, erreichte eine weitere Sänfte die Casa Hirtuleia. Die bis dahin zugezogenen nur leicht durchsichtigen Stoffe wurden an der Richtung Haustür befindlichen Seite zur Seite geschoben und eine in leuchtendes Rot gekleidete Petronilla stieg aus. Sie tastete einen Moment sanft mit ihren Fingern über ihre aufwändige Hochsteckfrisur und setzte dann das allgemeintaugliche Lächeln auf, als sie dem SKlaven, der sie bereits angekündigt hatte, ins Haus folgte.


    Es war Jahre her, dass sie dieses Haus das letzte Mal betreten hatte. Welten schienen sich seitdem verändert zu haben. Doch es freute sie ungemein, dass ihre alter Freundin so kurz nach ihr selbst ebenfalls nach Rom zurückgekehrt war. Lartia war anders, als das, was derzeit Rom unsicher machte. Kurzgesagt: besser. Eben kein junges Ding, sondern eine Frau von Petronillas Kaliber... oder zumindest ähnlichem. Daher war das Lächeln, das die Vinicierin zierte, ausnahmsweise ein nicht zur Gänze aufgesetztes.


    Als sie eintrat unterhielt sich ihre Freundin bereits einer der anderen Geladenen, wie es schien. Petronilla wartete in der Nähe einen kurzen Moment, als Lartia sie bereits entdeckte.
    "Oh, wenn man von Hades spricht! Da ist auch schon der nächste Gast." meinte Lartia dann an Antonia gewandt. Sie ging lächelnd auf Petronilla zu und umarmte sie. "Salve, meine Liebe. Wie lang ist es wohl mittlerweile her?"
    Petronilla schmunzelte: "So lange, dass das Verraten der wirklichen Dauer unserem Alter nicht schmeicheln würde."
    "Da hast du vermutlich Recht." stimmte Petronilla mit einem leichten Lachen zu. "Ich weiß nicht, ob ihr euch bereits kennt. Wenn nicht, dann ist es höchste Zeit.", meinte Lartia dann zwischen Antonia und Petronilla hin und herblickend. "Das ist Antonia von den Claudiern. Antonia, das ist eine alte Freundin von mir, Vinicia Petronilla."
    Petronilla hatte sowohl das Gesicht schonmal irgendwo gesehen, ebenso wie sie den Namen natürlich kannte. Doch so recht konnte sie sich nicht erinnern, einander schon einmal vorgestellt worden zu sein. "Es freut mich, dich kennen zu lernen." meinte sie erstmal recht unverbindlich. Sie würde erstmal herausbekommen müssen, von welchem Schlag diese Patrizierin war.

  • Nur wenige Momente später kam eine weiter Sänfte den Weg entlang. Kein Prunk zierte sie und helle Vorhänge versperrten die direkte Sicht auf den Passagier, ließen jedoch Licht hinein so dass Vespa nicht im gänzlich Dunkeln saß. Natürlich wurde sie von einigen Bewachern eskortiert, die ihr ihr Mann an die Seite gestellt hatte und mit denen sie immer das Haus verlassen musste. Ohne sie wäre ihren Ausflüge sicher weniger auffallend. Die Diskussionen mit Balbus zu diesem Thema hatten sie jedoch aufgegeben.


    Ein Sklave löste sich aus der kleinen wie eine Prozession wirkende Gruppe und klopfte an die Porta. Nur wenig später stand Vespa in einer dezent grünen Tunika gekleidet und mit einer dunkelroten Palla umgeben in der Porta. Natürlich waren die Falten tadellos gelegt und jede an Ort und Stelle. Große Bewegungen waren natürlich unmöglich und so gaben sich die großen Damen Roms wie immer sehr anmutig.


    Vespa war nicht die erste gewesen aber auch nicht unpünktlich. Man wartete immer auf die Damen von Stand. Welch Licht warf es sonst auf einen. Es würde ja glatt so wirken als hätte man es nötig jede Möglichkeit zum Klatsch zu nutzen. Auch wenn es nach innen so war. Würde man es nach außen zeigen? Nein, natürlich nicht.
    So wartete die Aelierin, die ihre Haare wie es sich gehörte hochgesteckt hatte und ein paar Blüten vom aelianischen Familienoleander in den Haaren trug. Vielleicht würde es zur Blütezeit eine Art Markenzeichen werden.


    Nachdem Lartia sich dann ihr zu wandte, erschien sofort ein freundliches Lächeln im Gesicht Vespas.


    "Lartia, welch Freude dich zu sehen. Britannia hat dir wider Erwarten nicht geschadet. Gut siehst du aus und noch einmal Danke wegen deiner Einladung. Es freut mich sehr eine Freundin wieder zu treffen."


    Hier konnte Lartia natürlich nicht nachstehen.
    "Das Gleiche könnte ich von dir behaupten. Das Familienleben scheint dir auch nicht zu schaden. Als wir uns zu letzt gesehen haben, warst du noch gänzlich ohne Mann und jetzt. Einen guten Fang hast du gemacht."
    Darauf folgte ein kleiner Ellenbogenknuff in die die Seite der Aelierin und die Umarmung und der obligatorische Kuss.
    "Aber wo bleiben nur meine Manieren. Darf ich dir meine anderen Gäste vorstellen? Claudia Antonia und Vinicia Petronilla. Das ist Aelier Vespa."
    Vespa nickte den beiden zu und versuchte sich daran zu erinnern was ihr Mann ihr zu den Frauen gesagt hatte und ob er ihr bereits etwas gesagt hatte. Aber erinnern konnte sie sich nicht. So begrüßte sie auch diese beiden und geleitete die letzten Gäste ins Triclinum.


    Hier stand die Liegereihenfolge schnell fest. Den drei Damen, die zu letzt erschienen waren, wurde die cline in der Mitte zur Verfügung gestellt. Dies machte deutlich welche Gäste Lartia am Liebsten waren. Die Gastgeberin nahm mit ihrer Tochter auf der ihr zustehenden cline Platz und die anderen beiden Damen lagen auf der anderen zu Tisch. Auch diese begrüßte Vespa. Eine Vorstellung war unnötig da die Aelierin sie bereits kannte.


    Ehe es Zeit für die Vorspeisen wurde, gab es zu erst Getränke und natürlich die ersten wichtigen Unterhaltungen während die Sklaven Fruchtsäfte, Rosenwasser und verdünnten Wein reichten oder nachschenkten.

  • Wie nicht anders zu erwarten war dauerte es nicht lange, bis weitere Gäste eintrafen. Vinicia Petronilla kam direkt nach Antonia. Gesehen hatte die Claudia jene Dame in rot noch nie, lediglich das ein oder andere gehört. Genug, um ihr freundlich zuzulächeln. "Vinicia.", erwiderte sie auf die Begrüßung. "Sehr erfreut." Und schließlich traf auch eine Aelia ein. Die Flavier hatten geraume Zeit lang ein recht angespanntes Verhältnis zur kaiserlichen Familie gehabt, wenn es sich auch in jüngerer Vergangenheit ein wenig zu entspannen schien. Darob zögerte die Patrizierin kurz, unschlüssig ob es nun im Sinne ihres Gatten war, weiter den Versöhnungskurs zu fahren oder besser auf Abstand zu gehen. Schaden, so entschied sie letztlich, konnte eine Annäherung nicht und so schenkte sie auch Vespa ein Lächeln. "Schön dich kennen zu lernen."


    Lange sollten sie jedoch nicht verweilen, geleitete die Gastgeberin die drei Neuankömmlinge doch flugs ins Triclinium, wo die beiden bereits anwesenden Gäste warteten und den Musikern lauschten. Kurz zuckten Antonias Mundwinkel nach oben, hatte Lartia doch offenkundig weder Kosten noch Mühen gescheut, um nicht nur den Ohren sondern auch den Augen der weiblichen Gäste angenehme Zerstreuung zu sichern. Ihr Blick glitt jedoch nur kurz über die schönen Gesichter - und Körper - ehe sie sich auf der ihr zugewiesenen Kline niederließ.
    "Nun spanne uns nicht auf die Folter, Herzchen.", ließ sich Fulvia mit schelmischem Grinsen vernehmen. "Wer fehlt denn nun noch?"
    In der Tat, um alle Plätze auszufüllen waren wohl noch zwei weitere Gäste vonnöten. Aber Lartia winkte nur ab. "Du wirst sie noch früh genug sehen. Ohnehin ist glaube ich heute niemand hier, den du noch nicht kennst."
    Schade. Antonia wäre ebenfalls neugierig auf die anderen gewesen. Nun hieß es jedoch sich in Geduld zu üben.
    "Dann", schaltete Longina sich ein, "müssen wir mit den brisanten Geschichten wohl noch warten, bis alle anwesend sind?"
    "Ach, nicht doch, wer nicht zur rechten Zeit eintrifft, hat eben Pech gehabt."
    Just in diesem Moment flatterte jedoch eine recht aufgebrachte Dame mittleren Alters ins Triclinium, einen erschrockenen Sklaven im Schlepptau, der offenbar nicht fähig gewesen war, die Gastgeberin über die neue Besucherin zu informieren, ehe jene sich den Weg freikämpfen konnte.
    "Ihr glaubt nicht was geschehen ist!", keuchte die Frau, namentlich Ovia Hirpina, und drückte eine Hand in einer Geste des Unglaubens auf ihre Brust. "Es ist ungeheurlich! Ein Skandal! Schrecklich! Schreeeeeecklich!"
    Hirpina. Antonia verzog kurz das Gesicht. Sie mochte die Ovierin nicht besonders, zu laut und indiskret war ihr ihr Verhalten. Doch Lartia hatte sicher ihre Gründe, jene Person einzuladen. Lartia war es nun auch, die sich mit gerunzelter Stirn von ihrer Kline erhob und mit ausgestreckten Armen auf Hirpina zuging. "Hirpina, beruhige dich doch. Was ist denn nur geschehen?"
    "Diana!", jappste die frisch Eingetroffene. "Der heilige Hain der Diana wurde aufs Übelste geschändet!"
    Erstaunt tauschten einige der Anwesenden fragende Blicke aus, andere schienen ein wenig verstimmt ob der Tatsache, nicht selbst die Neuigkeit verkünden zu können.
    "Eine Frau soll dort mit drei Priestern wildeste Unzucht getrieben haben und anschließend einen der Liebhaber dem Pluto geopfert haben!"
    "Unsinn.", schaltete Fulvia sich ein. "Eine Patrizierin ist dort geschändet worden, von fünf ihrer Sklaven und ihr Liebhaber aus der Priesterschaft hat sich deshalb selbst getötet."
    "Also ich habe gehört", klinkte Antonia sich schließlich ein, "dass 'nur' ein Mann im Spiel gewesen sein soll. Und um den Frevel zu verschleiern habe die Frau, angeblich die Gemahlin eines Flamen, ihren Liebhaber umgebracht."
    Das war zumindest die Version der Geschichte, die ihr selbst am Glaubhaftesten schien, schließlich neigte der Pöbel dazu, jeden Skandal noch um einiges mehr aufzubauschen. Wie viele Versionen sie jedoch insgesamt schon gehört hatte wusste sie schon nicht mehr aufzuzählen. Allein in der Villa Flavia gab beinahe jeder Sklave eine andere Geschichte zum Besten.

  • Petronilla nickte bei der Vorstellung auch der Aelierin freundlich zu. Sie wurde das Gefühl nicht los,dass sie an diesem Abend einige interessante Bekanntschaften machen würde. Sie schritt mit den anderen ins Triclinium und ließ sich ebenso nieder. Mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue aber ohne Kommentar beobachtete sie das Eindringen der ihr Unbekannten und das darauf folgende eifrige Spekulieren.


    Sie selbst gab wenig auf die Inhalte einzelner Gerüchte, liebte aber inbrünstig deren ungemeine Wirkung - ob nun wahr oder nicht. Daher grinste sie innerlich umso breiter, desto abstruser das Gerücht wurde. "Soweit ich es mitbekommen habe, soll es wirklich eine Patrizierin gewesen sein. Weiß man denn, um wen es sich handelt oder vielmehr handeln soll?" fragte sie dann durchaus interessiert. Schließlich war ein Gerücht immer nur so spannend, wie der Name, der sich dahinter verbarg.


    Eines war in jedem Falle klar: Die Entweihung eines Hains oder ähnliches würde Unruhe in der Stadt und allerhand Konsquenzen bedeuten. Sie hielt ja nicht viel von diesem ganzen religiösen Gehabe, aber nach außen hin musste man immer den Schein wahren.

  • Wie hatte sie diese Spekulationen nur vermisst. Es gab nichts Besseres als mit Freundinnen zusammen zusitzen und sich über alles austauschen was die Stadt so bewegte.


    Sie lag mit den beiden ihr unbekannten Damen, der Claudierin und der Vinicierin, in der Mitte der Gesellschaft. Leider musste sie sich so etwas den Hals verdrehen um die Musiker sehen zu können, die noch immer leise ihre Musik spielten.


    "Ich habe auch gehört, dass es eine Patrizierin war. Ich hätte gern meinen Mann gefragt ob er genaueres weiß. Leider ist er im Moment mehr in der Castra als zu Hause. Einen Namen habe ich auf den Straßen leider nicht verstehen können. Also es gab schon viele Namen, aber im Grunde war es eine Frau aus jeder patrizischen Gens. Man muss nur jeden fragen und hört einen anderen Namen. Wenn ich von Balbus etwas höre, lasse ich es euch nur all zu gern wissen."


    Sie lächelte ein wenig.


    Noch ehe sie mehr sagen konnte, ergriffen schon die anderen beiden das Wort. Hirpinia war noch immer nicht wieder zu atem gekommen. Es hatte sie wirklich sehr mitgenommen.
    "Oh ja, es wäre doch interessant zu wissen wer solchen Frewel begeht. So etwas kann doch keine Patrizierin von Verstand tun."
    "Eine von Verstand nicht," erwiderte Lartia und sah entschuldigend die Claudia an. "Aber wie wir alle schon feststellen durften, ist nicht jede von Verstand. Gerade die jungen Damen aus mancher Familie lässt es doch entsetzlich an den alten Tugenden und Traditionen fehlen."
    "Sittenverfall überall. Es gibt nur noch wenige Familien von denen man noch alte Werte erwarten kann." Die Longina nickte jeder Dame einzeln zu um deutlich zu machen, dass die hier vertretenen Familien natürlich ausgenommen waren.
    "Cavarina, was meinst du denn? So sag doch auch etwas." Dabei stubste Lartia ihre Tochte etwas in die Seite und sie begann zu stottern.
    "Lass doch das arme Kind. Wenn es nichts sagen will. Aber was mir noch eingefallen ist. Habt ihr neulich vom Unglück der Varisidia gehört? Varisidius Urbicus ist auf den Treppen des Senates gestürzt und hat sich dabei ein Bein gebrochen. Wenn das kein Zeichen ist." Fulvia grinte etwas und nahm einen Schluck ihres Getränkes.
    "Ja, davon habe ich auch gehört. Außerdem war er dem Potitier ein Dorn im Auge. Dieses Schicksal teilen wohl einige mit ihm. Man hört ja so einiges. Zumindestens muss dieser Potitier ihn zur Zeit nicht fürchten."
    Sofort ergriff Longina das Wort. "Ach was du nur gegen ihn hast. Er ist doch sehr nett. Ich habe nur Gutes von ihm gehört. Er ist doch auch die rechte Hand des Kaisers. Ist doch so Vespa Herzchen, oder? Du musst es doch wissen. Schließlich ist der Kaiser dein Onkel."
    Vespa nickte bestätigend und hielt ihren Komentar dazu doch sehr kurz. Ihre ehrliche Meinung war hier von gar keiner Relevanz. So ließ sie hier auch keinen Ton in ihrer Antwort zu, der ihre Bedenken verriet.


    "Ja, da hast du recht. So ist es mir auch zugetragen worden. Der Kaiser verweilt ja nicht in Roma und eine Reise nach Misenum war in letzter Zeit kein Thema für mich."



    Während die Damen also vieles zu bereden hatten, wurden die Vorspeisen aufgetragen. Brot mit Käse, Oliven, gefüllte Eier, eingelegte Fische, Salate und Muscheln machten den Großteil der Vorspeise aus. Die Sklaven reichten die Teller an und ließen die Damen zeigen was sie zu essen wünschten und taten dies auf die kleinen Teller. Danach zogen sie sich zurück um jederzeit erneut anzureichen.

  • Die Frage nach einem Namen war zweifellos eine heikle und dennoch ausgesprochen informative Sache, kristallisierten sich so doch sehr schnell die verschiedenen Lager heraus, denen die Gesprächspartner angehörten. Während die Vinicierin sich jedoch damit begnügte, allein den Stand der Frevlerin zu bekräftigen, flogen von anderer Seite schon einige Namen durch den Raum. Eine Patrizierin.. schändlich. Mit einem Ausdruck der Melancholie nickte sie zustimmend, was das Fehlen von Tugenden und Traditionen anging.
    Die Aelia indes saß zweifellos an einer recht guten Quelle, war sie doch zum einen mit dem Praetorianerpräfekten verheiratet und zum anderen mit dem Kaiser verwandt. Früher oder später würde der Name zwar sicherlich ans Licht kommen, doch war Antonia neugierig und prestigesüchtig genug, um eine der ersten sein zu wollen. Daher lächelte sie zufrieden, als Vespa anbot, jedwede Neuigkeit mit ihnen zu teilen. Da jedoch auch das Collegium Pontificium, dem ihr eigener Gemahl angehörte, diesbezüglich zugezogen werden würde, hatte sie die Hoffnung, vielleicht eine eigene, sehr ergiebige Quelle zu haben. Ein Umstand, der wohl auch Fulvia bewusst war.
    "Antonia", richtete sie das Wort an die Claudia. "Steht denn schon fest, wie die Pax Deorum wieder hergestellt werden soll? Gracchus wurde doch gewiss bereits in eine Sitzung gerufen?"
    Sie hatte keine Ahnung. Tatsächlich hatte sie ihren Gatten nicht gesehen, seit sie von jenem Frevel erfahren hatte. Doch schien es ihr besser, jenen Umstand nicht allen zu offenbaren. Eine nicht ausgesprochene Unwissenheit vermochte schließlich ebenso ein gut gehütetes Geheimnis sein, das die Neugierde anderer umso größer wachsen ließ.
    "Es ist noch nichts beschlossen.", erwiderte sie also kryptisch. "Aber du wirst verstehen, dass ich leider noch nicht mehr berichten kann, das Collegium sollte unbeeinflusst beraten können."
    Jene Antwort schien die andere Patrizierin ein wenig zu enttäuschen doch zugleich, wie Antonia gehofft hatte, glomm der Funken der Wissbegierde in ihr auf. Irgendwie würde sich das sicherlich noch nutzen lassen. Manus manum lavat, wie es so schön hieß.


    Das Thema Frevel erweiterte sich schließlich auf ein anderes Gebiet. Der Praefectus Urbi war seit er auf der Bildfläche der großen Politik erschienen war stets ein beliebtes Ziel allerlei Gerüchte gewesen. Kein Wunder, scheute er sich doch nicht davor sich überall Feinde zu machen. Auch Antonia mochte den Mann nicht besonders, sein Verhalten gegenüber den Patriziern war, gelinde gesagt, ungeheuerlich. So rümpfte die Claudia kurz die Nase, als sein Name fiel und schenkte Longina einen zweifelnden Blick.
    "Ein Zeichen, dass der Gute Varisidius besser auf seine Füße achten sollte.", kicherte Hirtuleia. "Hätte Salinator damit zu tun, sicherlich wäre sein Genick und nicht sein Bein gebrochen."
    Hierfür erntete sie einen erschrockenen Blick von Longina.
    "Hirtuleia!"
    "Ach, Longina, tu doch nicht so unschuldig. Du weißt genau, wie es in der großen bösen Welt zugeht."
    Nachdenklich studierte Antonia das Gesicht Longinas, die sich nun einen kleinen Schlagabtausch mit Hirtuleia lieferte - eine für, eine gegen Salinator. Sie selbst hütete jedoch ihre Zunge, wenn Longina so begeistert von diesem Despoten war, rannte sie am Ende nach dieser Feier zu ihrem Mann und erzählte brühwarm von angeblichem Verrat am kaiserlichen Vertreter. Dumme Gans. Doch Hirtuleia schien ihrer Freundin soweit zu vertrauen, dass sie dergleichen nicht fürchtete.
    Schweigend nutzte sie indes die Vorspeise, um die Gesichter der anderen zu mustern. Fulvia hatte sich inzwischen Hirtuleias Tochter zugewandt, während Hirpina die Diskussion verfolgte. Die beiden Frauen, mit denen sie sich die Kline teilte bedachte sie mit einem kurzen, unschuldigen Blick, ehe sie sich eine Olive erlaubte.
    "Ich sehe schon, wir werden uns nicht einig, Herzchen.", beendete Hirtuleia schließlich mit entnervter Miene die Diskussion und benetzte ihre Kehle mit einem Schluck Wein. Longina indes wirkte, als sei ihr Kopf mehrere Male gegen eine massive Wand gedonnert worden.
    "Ich muss gestehen", ließ Antonia sich vernehmen, "Salinator bislang nur aus Erzählungen zu kennen. Hatte jemand von euch denn schon das.. Vergnügen seine Bekanntschaft zu machen? Ist er tatsächlich ein so ungehobelter Mensch?"

  • Petronilla folgte dem Gespräch amüsiert und interessiert. Die Aelierin war also eine Nichte des Kaisers, wiederholte sie innerlich und speicherte diese wichtige Information damit gezielt ab um es nicht wieder zu vergessen. Dies waren Dinge, die man unbedingt behalten musste – vielleicht würde ihr das noch einmal nützlich sein.
    Als Hirtuleia auf den Genickbruch anspielte, lachte Petronilla köstlich amüsiert auf. Nicht, weil sie das Ganze für einen Scherz gehalten hätte – sie erkannte die Wahrheit hinter der Aussage durchaus – sondern vielmehr weil sie es schlichtweg genoß, sich in einem Umfeld zu befinden, indem solche Gespräche stattfinden konnten.


    Ein wenig wunderte es sie allerdings schon, dass Potitus sie hier wie dort zu verfolgen schien. Natürlich war er der derzeit mächtigste Mann in Rom und damit von unleugbarer Bedeutung, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass seit ihrer „Begegnung“ umso mehr in ihrer Gegenwart von ihm Gesprochen wurde. Von Lucianus Reaktion einmal ganz zu schweigen...
    „Nunja...“ meinte sie daher langsam und bedächtig, „ich bin ihm gerade vor ein paar Tagen erst begegnet.“ warf sie dann in die Runde und ergänzte gleich ein „Zum ersten Mal.“
    Auch mit geschlossenen Augen und zugehaltenen Ohren hätte Petronilla in diesem Moment darauf geschworen, dass sich alle Augen auf sie gerichtet hatten.
    „Wirklich?“ Hirtuleia sprach aus, was alle anderen vermutlich dachten. „Wie kommt das denn? Etwa ein Fest, das ich verpasst habe?“ fügte sie dann mit gespieltem Schock hinzu.


    „Nein, nein, meine Liebe, keine Sorge. Ich musste in geschäftlicher Sache zu ihm – eine äußerst lästige Angelegenheit aufgrund unfähiger Beamter...“ seufzte sie dann.
    „Oh, ja ja, mit sowas kenn ich mich aus.“, bestätigte Longina, die sich letztens erst mit für die Wasserleitungen verantwortlichen Beamten rumgeärgert hatte.
    „Und, wie ist er denn nun so?“ knüpfte Hirtuleia jedoch gleich wieder an Antonias Frage an.
    Petronilla würde natürlich nicht alles Preis geben, was geschehen war und welche Absichten sie verfolgte. Aber um des lieben Spaßes willen, wollte sie den Frauen auch nicht zu viel vorenthalten.
    „Oh, wie beschreibt man ihn am besten? Er ist sicher nicht der feinste Geist, aber ich fand ihn nun auch nicht unangenehm. Jedoch nicht so schlimm wie vieles von dem, was man so hört. Allerdings strahlt er etwas aus... wie sagt man es... ich glaube man kann es schwer beschreiben. Aber er ist sehr entschlossen und ich glaube es sofort, wenn man behauptet er würde über Leichen gehen.“
    Longina schnappte erneut etwas empört oder gar erschrocken auf, woraufhin Petronilla sofort einlenkte. „Aber unsereins hat nichts zu befürchten, scheint er Frauen gegenüber doch sehr nachsichtig.“ Ein Lächeln zur Entspannung des Themas folgte.
    „Aber ich bin sicher nicht die einzige, die ihm begegnet ist, oder?“
    Während sie sich in der Runde umblickte, steckte sie sich eine mit einer Mandel gefüllte grüne Olive in den Mund, auf der sie genüßlich herumkaute.

  • Wie gebannt hingen viele Damen an Petronillas Lippen. Vespa jedoch nicht. Man konnte ihn in den schillernsten Farben beschreiben, die Aelia würde ihre Abneigung nicht ablegen. Was ihr Onkel und ihr Mann ihr erzählt hatten, reichte um ihn bis ans Ende ihres Lebens zu hassen. Natürlich war es in dieser Runde anders und sie zeigte deutliches Interesse an den Erzählungen ihrer Liegennachbarin.


    "Wenn wir von ihm nichts zu befürchten haben dann sollten wir darauf trinken, dass wir Frauen sind. Auf uns."


    Sie lächelte und hob ihr Glas welches gerade wieder aufgefüllt wurde. Somit sahen die anderen Damen sich genötigt es ihr gleich zu tun. Nachdem man auf diesem Umstand getrunken hatte, quasselte man erneut durcheinander, was der Aelia ein weiteres Lächeln ins Gesicht zauberte.
    "Meine Liebe, was hattest du nur für ein Glück," ereiferte sich Fulvia und sah die Vinicia von der anderen Liege entsprechend neidisch an. "Wie gern hätte ich ihn auch mal kennen gelernt."
    "Also ich habe ihn schon einmal treffen können. Es war ein Fest auf das ich eingeladen war. ich kann mich alelrdings nicht mehr daran erinnern welches es war. Aber ja, ich habe ihn schon mal getroffen und ich kann dir nur beipflichten. Du hast ihn sehr treffend beschrieben." Hirpinia kam sich sehr wichtig vor als sie das sagen durfte und die anderen Damen sie nun ebenfalls neidisch anschauten. Vespa verstand dies nicht wirklich. Aber so war die Damenwelt und das mochte sie so sehr an diesen Runden.
    Hirtuleia dachte einen Moment nach und hatte sofort einen Plan wie sie dem Abstand, das sie vielfach Vescularius nicht kannten, abhilfe schaffen konnten. "Wir sollten unbedingt unseren Männern einreden, dass ein Essen mit den wichtigsten Männern Romas unabdingbar ist und natürlich die Frauen mit dabei sein müssen. Vielleicht ein schönes Sommerfest zum Ende des Sommers? Was meint ihr?"
    "Au ja, was für ein hervorragender Einfall. Das ist in der Tat sehr gut. Ja, das müssen wir machen."
    Es war ein gefundenes Fressen und man konnte sich einige Zeit darüber unterhalten. Die Vorspeisen waren verputzt und die Planung des Festes ging ihrem Ende zu. Über den Austragungsort hatte man sich nicht verständigen können, aber das würde sich auch noch finden. Hirtuleia ließ nun den Hauptgang auftischen. Es war mindestens genauso vielversprechend wie der erste Gang. Es gab Wildschwein an Datteln, Ferkel in Knusperteig, mit Trauben gefüllte Drosseln, Schweinefleisch in Kräutern gedünstet und Kalbfleisch in lieblicher Trockenobstsauce. Dazu wurde etwas Brot zum Stippen der Tunke gereicht.



    Ziwschendrin versuchte Vespa das Gespräch aufrecht zu erhalten. Schließlich war auch sie neugierig.


    "Hirtuleia, du hast die wahrlich übertroffen mit deinem Mahl. Es lässt in keinster Weise zu wünschen übrig. Aber sonst meine Damen. Gibt es noch anderes Neues von den wichtigsten Männern des Reiches? Ich habe das Gefühl über nichts Bescheid zu wissen."


    Ein Umstand der dringend geändert werden musste. Ein erwartungsfroher Blick ging durch die Runde.

  • Mit großem Interesse verfolgte Antonia Petronillas Erzählung und in der Tat schien im Raum während der Erfahrungsberichte andächtiges Schweigen zu herrschen. Die Claudia schenkte indes jeder Frau, die die Erzählende unterbrach, einen leicht tadelnden Blick. Da sich nun herausstellte, dass die Vinicia vom Praefectus Urbi nicht gänzlich abgestoßen war, galt es als nächstes wohl herauszufinden, ob sie beide hier einen ähnlichen Geschmack hatten, oder ob Petronilla als Plebejerin vielleicht eine geringere Hemmschwelle hatte, was flegelhaftes Benehmen anging. Antonias Vorurteile diesbezüglich hatten sich auch nach jahrelanger Bekanntschaft mit der nobilitas aus plebejischem Hause nicht recht Abbauen wollen. Zumindest die Skrupellosigkeit des Potitiers schien außer Frage zu stehen.
    Dem Trinkspruch der Aelia Folge leistend erhob Antonia schließlich mit den anderen ihr Glas und trank einen Schluck. Es folgten die Schilderungen der anderen Anwesenden, die jedoch nichts Neues brachten und Antonia daher nur ein schwaches Lächeln entlockten. Das Sommerfest indes ließ die Claudia unkommentiert, wusste sie doch, wie ungern ihr Gemahl sich auf derlei Feierlichkeiten begab. Irgendwie jedoch würde sie ihn allerdings dort hinbekommen, sollte es stattfinden. Schließlich war er heute schon dem öffentlichen Auftritt entgangen durch den Umstand, dass es eine reine Frauenrunde war. Beim folgenden Gang griff Antonia zu einem kleinen Stück Wildschwein, während Hirpina dankbar die Frage Vespas aufgriff, um nun ihrerseits mit einem Exklusivbericht auftrumpfen zu können.
    "Oh, habt ihr schon das Neueste über den Proconsul in Gallien gehört?" Ein Blick in die Runde verriet ihr, dass dem offenbar nicht so war und so gestattete sie sich ein zufriedenes Lächeln. Gestenreich und mit vielen kleinen Pausen, um die Spannung zu steigern berichtete sie also, wie der Proconsul Curtius Philo angeblich mit der Ehefrau seines Procurators in flagranti ertappt worden war - vom Procurator selbst, in dessen eigenem Hause. Sie selbst habe durch eine Tante hiervon erfahren, die mit einem der dortigen Beamten verheiratet sei. Longina indes hatte von einer Freundin in Lutetia gehört, dass nicht die Gattin des Procurators, sondern der Procurator selbst mit einer anderen erwischt worden sei. So entbrannte umgehend eine Diskussion, welche Version nun wohl der Wahrheit entsprach.
    "Ach, übrigens", meinte Longina schließlich, als sich kein rechter Konsens zu finden schien, "Wann, glaubt ihr, wird der Kaiser einmal wieder in der Stadt sein? Er ist nun schon so lange auf dem Land, er wird Rom doch nicht gänzlich vergessen haben?"

  • Auch Petronilla hatte mit den anderen Frauen das Glas erhoben und stieß mit ihnen an. Es sollte mehr solcher Gelegenheiten geben, fand sie. Sie hatte sich beim Essen zurückgehalten, galt die Aufmerksamkeit der Vinicierin doch stets in erster Linie der Pflege ihres Äußeren. Und ihren Körper auch mit fortgeschrittenem Alter in dieser Form zu halten, erfoderte zunehmends Zugeständnisse. Das jedoch, was sie kostete, war von größter Qualität. Von ihrer Freundin hatte sie allerdings auch nicht viel Anderes erwartet.


    Die Frage Longinas schien einen Nerv in den meisten der anwesenden Frauen zu treffen, entstand daraufhin doch eine ausgiebige Diskussion. "Nunja, Krankheit hin oder her, man sollte doch vom Kaiser erwarten können, dem Zentrum der Welt mehr Aufmerksamkeit zu schenken.", meinte Hirtuleia irgendwann. Sie hatte wenig Nachsicht mit dem Regenten. Letztlich natürlich auch, weil in der Stadt von Natur aus mehr los war und mehr getratscht wurde, wenn der Kaiser dort residierte.


    "Aber wenn es ihm doch wirklich so schlecht geht?" meinte Fulva etwas unsicherer. Ihre Nachricht konnte man in dem frühen Versterben ihres eigenen Ehemannes suchen, der sie auf die ein oder andere Weise für kränkelnde Männer sensibel machte. Ganz anders als Longina: "Ach, so ein Unfug. Er ist immerhin der Kaiser. Wir brauchen einen starken und gesunden Kaiser. Er ist nun einmal eine tragende Säule in unserem Reich. Wenn er ins Wanken gerät, dann tut es unser Reich auch."
    "Genau das meine ich.", stimmte Hirtuleia ihr zu.


    Petronilla folgte der Diskussion sehr interessiert. Sie kannte den Kaiser nicht persönlich, hatte jedoch bereits viel auf den Straßen von ihm reden hören. "Nunja, ich kann schwerlich beurteilen wie krank der Kaiser ist oder wann er beabsichtigt nach Roma zurückzukehren. Ich weiß nur, dass lange Abwesenheiten das Volk unwohl stimmen. Das war bei Tiberius damals schon nicht anders, als er sich auf Capri verkrochen hat und, den Gerüchten zufolge, die unanständigsten Dinge dort zu tun...", merkte Petronilla dann an.


    Sicherlich waren auch die Geschichten, die man sich heute über Tiberius erzählte, längst nicht alle wahr. Aber die Tatsache, dass es sie gab, sprachen Bände darüber, welche Konsequenzen solches Verhalten im Volk nach sich ziehen konnte.

  • Zu einem Zeitpunkt, der in keinerlei Zusammenhang zu einem Treffen der Damen der besseren Gesellschaft stand und mit Gedanken, die noch weniger mit einem solchen Treffen zu tun hatten, klopfte es eines Tages an der Tür der Casa Hirtuleia. Zwei Männer standen davor, sahen freundlich aus und begehrten Einlass.

  • Sim-Off:

    Ups, übersehen!


    Schon bald neigte meine Fragerunde sich dem Ende zu, und passenderweise zu diesem Augenblicke war es hiernun, dass das Haus, welches unser Ziel, unseren Augen allda erschloss. Cerealis war es, der klopfte, und sowie meine Neugier in messbaren Bereiche sich hielt, so unaufdringlich wollt‘ ich scheinen, war es doch Ennius, der die Erfahrung hatte und mir zeigen würde, wie vorzugehen bei der Erhebung der Wassergebühren. Obschon den Weg wir gegangen, hatte ich kaum Hoffnung, dass ich alleine zurück finden würde, war ich doch nur ein armer Provinzler, dessen Vergangenheit nicht Rom gewest.

  • Sim-Off:

    Macht nix. Die Hauserfinder überlassen uns eh das Feld.


    Nach einer angemessenen Wartezeit wurde die Türe geöffnet und ein Mann, der offensichtlich zu den bediensteten des Hauses gehörte, erkundigte sich nach den Wünschen der Herren. "Wir sind im Auftrag der Cura Aquarum unterwegs und kommen wegen des Wasseranschlusses", erklärte der nette Mann vom Kundendienst und stellte sich dann auch noch namentlich vor. "Mein Name ist Ennius Cerealis und dies ist mein Kollege Prudentius Spurinna."


    Der Bedienstete schien zu wissen, worum es genau bei dem Anschluss gehen sollte. Mit einer leicht übertriebenen Geste bat er die Männer herein. "Salve. Gut, dass ihr kommt. Dann haben wir die Sache ja wohl bald hinter uns. Das war ja aber auch ein Ärger mit dem Anschluss. Ich verstehe ja nicht, wieso das so ein Aufwand war. Bitte hier entlang. Wochen hat uns das jetzt schon beschäftigt. Ach, Monate kann man schon sagen. Müsst ihr den Anschluss überhaupt nochmal sehen? Und dann war noch dieses und dann noch jenes und wieder dieses und jenes. So, da wären wir, da ist das gute Stück."


    Über eine Treppe hatten sie den Raum erreicht, in dem der Wasseranschluss die Mauer des Hauses durchquerte.

  • Brav, des, was nun kommen mochte, harrend, verweilte ich neben meinem Collega stehend, mit der Absicht, dies auch nicht so schnell zu ändern, war das Warten auch noch so lang. Doch gerade, wie meinen Gedanken zu Ende ich geführt hatte in meinem Kopf, tat sich die Türe auf, und ein Sklave erschien im Eingange. Ich musste nichts sagen, Ennius Cerealis war jener, der das Sprechen übernahm. Tatsächlich war meine Beteiligung an der Vorstellung darauf beschränkt, kurz zu nicken, als mein Name genannt wurde.


    Und auch sonstig gab es nicht viel zu reden. Sobald wir eintraten, wurden wir schon von einem wahren Schwall von Wörtern geradezu hinweggefegt. Der Mann, der uns aufgemacht, schien des Problemes gewahr zu sein, und führte uns unaufhörlich redend zu jenem Zimmer, in welchem die Wasserzufuhr sich befand.


    Meinen Blick richtete auch augenblicklich ich auf den Bronzeflansch, der in jenem Zimmer. Oh hätt‘ ich doch die Gabe der Seher! Wüsst‘ ich doch ob der Schicksale, die die Parzen uns Menschen und deren treuesten Freunden, den Bronzeanschlüssen, zugedacht hatten. Doch weder war’s mir beschieden, Gedanken zu lesen, noch nach nur so wenig Zeit im Amt zu wissen, wes Mangels sich der Bedienstete beschwerte – den äußerlich konnte man zumindest keinen krassen Defekt einsehen. Oder waren meine Augen schon zu alt, um einen riesigen Riss durch das Metall zu sehen? Ich hoffte nicht. Überhaupt sollte Alter nichts sein, was man mit mir in Verbindung zu bringen erdreisten könnte, schließlich war man so jung, wie man sich fühlte!


    Wie beschaffen ist denn der Ärger mit dem Anschluss?


    Ich hoffte, meine Frage stellte mich nicht als dumm bloß. Denn ich hasste es, mir eine Blöße zu geben, wie ein alter Narr, der ich nicht sein wollte.

  • Der Bedienstete schien auf diese Nachfrage nur gewartet zu haben. "Wie der Ärger mit dem Anschluss beschaffen ist? Ich dachte, das wüsste inzwischen sowieso die halbe Stadt. Aber wahrscheinlich habt ihr ohnehin so häufig mit sowas zu tun, dass ihr das vergesst, sobald ihr ztur Tür raus seid. Ich wünschte, ich könnte das auch. Aber wahrscheinlich werde ich noch in Jahren daran denken. Jedes Mal wenn ich Wasser sehe", sprudelte er los, wie das Wasser aus einem Brunnen. "Alles begann damit, dass die Herrin einen Springbrunnen im Garten haben wollte. Im Frühjahr, versteht sich. Also schon sehr lange her. Also hat der Herr Arbeiter kommen lassen, die den Brunnen gebaut haben und eine Leitung dorthin. Aber der Brunnen wollte nicht so recht sprudeln wie die Herrin sich das gedacht hatte. Also wurde ein anderes Rohr gelegt, aber das hat auch nicht geholfen. Dann kam einer von euch hier aus der Cura Aquarum und hat gesagt, dass es am Wasserdruck liegt, weil der Hausanschluss zu klein ist. Da hat der Herr dann einen neuen Anschluss einbauen lassen. Diesen dort. Aber für den war das Rohr auf der anderen Seite der Wand zu klein. Also musste da auch noch ein neues Rohr gelegt werden. Aber dann hätten wir ja kein Wasser gehabt, während das neue Rohr gelegt wurde, also musste erst das alte Rohr wieder angeschlossen werden. Und als das neue dann da war, musste das alte noch entfernt werden, weil der Herr keine zwei Anschlüsse haben wollte. Und jetzt wo alles fertig ist ist der Sommer längst vorbei und die Herrin kann sich gar nicht mehr an ihrem Springbrunnen erfreuen."


    Völlig unbeeindruckt von diesem Drama hatte währenddessen Ennius Cerealis ein kleines Werkzeug aus seiner Ledertasche geholt, mit dem er den Durchmesser des Anschlusses überprüfte und mit den gemeldeten Daten für den Umbau verglich.

  • Es war zu erwarten gewesen, dass man bald über ihren Onkel herziehen würde. Die Tatsache, dass sie das nicht hinter ihrem Rücken taten, gab ihr doch zu denken. Natürlich wusste sie etwas mehr über den Gesundheitszustand als die anderen, aber sie würde das hier sicher nicht kund tun.


    "Der Kaiser ist ja nicht gänzlich aus der Welt. Er residiert in Misenum was nicht so schrecklich weit von Roma fort ist und wie oft waren Kaiser schon etwas länger fort oder gar auf Feldzügen. Sicher ist es für Roma besser wenn er direkt in der Stadt leben würde, aber so unerreichbar ist er nicht. Soweit ich weiß, gibt es einen regen Besucherverkehr zwischen Misenum und Roma. Er soll dort gesunden und das wünschen wir ihm doch alle."


    Vespa wusste, dass hier wohl keiner widersprechen würde außer er wollte als kaiserfeindlich gelten. Sie machte sich sicher mehr Sorgen um ihren Onkel als all die anderen hier. Nicht nur um die Gesundheit sondern auch um seine Unantastbarkeit als Kaiser.


    Es wurde noch viel darüber diskutiert und bald folgte das nächste Thema und passend hierzu kamen die Nachspeisen. In Honig eingelegte Früchte, Pasteten, süße gebackene Puddings. Auch der Wein wurde reihhaltig nachgeschenkt. Die Damen verlebten einen wunderbar anregenden und unterhaltsamen Abend.

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