Contio des Collegium Pontificium aus aktuellem Anlass

  • Unsägliches hatte sich ereignet, inmitten Roms, inmitten eines heiligen templum, auf den Stufen des aedes der Vesta, Schrittlängen nur entfernt vom heiligen Feuer. Nicht erloschen war dieses, doch gleichsam war die Untat nicht weniger schlimm, war doch das Leben der virgo vestalis maxima ausgelöscht worden durch Menschenhand. Vom Tempel der Vesta aus war Gracchus zurück gekehrt in die Regia, mit einem Umweg über die nächsten öffentlichen Latrinen, wo seinen Magen er hatte entleert, sich gleichsam vom ungustiösen Anblick des Leichnames zu lösen gesucht, und obgleich letztlich das abominable Bildnis nicht aus seinen Sinnen zu vertreiben war, so hatte ihm denn trotz allem zumindest die Sinne geklärt, dass die zuvor bereits halb verdauten Speisen er sich hatte noch einmal durch den Kopfe gehen lassen. Wortfetzen hatte dem ersten Pontifex, dessen er in der Regia habhaft geworden war, entgegen geschleudert, kurze Sätze ohne Objekt und Prädikat, in völlig atypischer Art und Weise, doch hatte dies gereicht, das Collegium Pontificium zu einer extraordinären Dringlichkeitssitzung einzuberufen. Während Boten auseilten, die Pontifices aus allen Ecken und Enden der Stadt herbei zu holen, saß Gracchus nur stumm im großen Saale, suchte seine Gedanken zu ordnen, Sätze in Folge zu bringen, zu konstruieren, was unsäglich schwer ihm fiel. Dass noch immer er die blutigen Spuren an seiner Toga trug, welche die Hände des Magistraten Corvinus an seiner Schulter hatten hinterlassen, dessen wurde nicht einmal er sich gewahr. Nach indifferent langer Zeit - wie Honig zerfloss sie zäh unter Gracchus' Fingern, wie der Tiber bei Hochwasser rauschte sie an seinem Geiste vorbei - waren endlich alle Pontifices, die Flamines und auch der Rex Sacrorum eingetroffen, so dass letzterer, der ehrwürdige Gnaeus Fabius Antistes, die Sitzung eröffnete.
    "Die heutige Sitzung wurde einberufen aufgrund eines schockierenden Ereignisses! Flavius Gracchus, wenn du uns bitte berichten würdest."
    Jede Spur von Zaudern war aus Gracchus gewichen, denn das Wohl des Imperium duldete kein Zaudern - und einzig dies war es, worum es ging, obgleich noch immer in seiner Stimme ein leises Zittern mitschwang, die Sonorität nicht gar so makellos war wie sonstig.
    "Nicht schockierende Ereignisse, ein Frevel ohne Vergleich, ein Sakrileg wie kaum schlimmer es geschehen könnte wurde begangen. Die Nachricht über die Ermordung einer Vestalin war es, welche mich aus der Regia hinaus über das Forum Romanum zum Tempel der Vesta trieb."
    Überall rumorten Gerüchte, einige hatte bereits die erste Kunde ob des Geschehens erreicht, doch andere sogen scharf die Luft ein, überrascht, erschrocken und empört zugleich ob dieser Missetat.
    "Doch es war nicht irgend eine der vestalischen Jungfrauen, welche auf den Stufen des Tempels in ihrem eigenen Blute lag. Collegae, an diesem Tage, welcher als einer der schwärzesten Tage des Imperium Romanum eingehen wird in die Annalen dieses Reiches, an diesem Tage wurde die virgo vestalis maxima auf schändlichste Weise durch Menschenhand ihres Lebens beraubt."
    Eine Pause entstand, Entsetzen stand im Raume, empörter Unglaube durchschnitt die Stille.
    "Unerkannt indes entkam der Mörder, undurchschaubar bleibt seine feige Tat. Doch dies ist nicht nur ein Angriff auf eine Person, nicht ein Agriff auf den State Rom, dies ist ein Affront wider die Götter, ein Angriff auf jene Werte, welche seit Beginn unseres Imperium für das Wohlergehen des Reiches Sorge tragen! Die pax deorum wurde auf ungeheuerliche Weise verletzt, und während die Stadteinheiten ausziehen, den Mörder zu fassen, muss es unsere erste Aufgabe vor allem sein, das Gleichgewicht des Equilibrium wiederherzustellen, für das Wohl des Imperium und seiner Bewohner Sorge zu tragen, denn jedes Zaudern, jedes Zögern wird unser Reich mehr noch in Gefahr bringen als dies ohnehin es bereits ist und unweigerlich den ira deorum herausfordern! Ich ersuche daher darum, dass umgehend die Aufzeichnungen überprüft werden auf einen vergangenen Frevel gleichen Ausmaßes und seine procuratio, und im Anschluss - gleich des Ergebnisses - ohne Umschweife dem Senat eine interpretatio angetragen werden wird."

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  • Eine Notsitzung des Collegiums war einberufen worden, als Durus gerade ein Bad hatte nehmen wollen. Und bereits als seine Sänfte auf das Forum einbog, hatte er misstrauisch zum Tempel der Vesta gesehen, an dem Soldaten und Schaulustige herumgestanden hatte. Besonders die Soldaten hatten sein Misstrauen erweckt, obwohl vermutlich auch die vestalischen Jungfrauen eine Leibwache durch den Praefectus Urbi erhalten hatte...


    Als er nun jedoch den Bericht des Flaviers hörte, erstarrte er. Noch vor kurzem war Agrippina bei ihm gewesen, um für ihre Kultgemeinschaft zu werben - und jetzt?


    "Ich beantrage, den Senat zu informieren und die Entsühnung zu beantragen. Nur er kann festlegen, was zu tun ist."


    Erst wenn der Senat die Schwere des Bruches festgestellt hatte, würde es sinnvoll sein, die Quindecemviri oder Haruspices zu konsultieren...

  • Da auch die übrigen Pontifices kaum anderer Meinung waren denn dem Senat eine Entsühnung anzutragen, so war dies bald beschlossene Vorgehensweise. Die Aufzeichnungen der Pontifices waren zu prüfen, ob bereits ein Präzedenzfall für diese Tat war geschaffen worden, andernfalls würde der Senat über ein adäquate interpretatio entscheiden müssen. Der Rex Sacrorum wandte sich dem Pontifex Minor Papinius zu, welchem die Verwaltung des Archives oblag.
    "Papinius, du wirst über die Prüfung der Aufzeichnungen Aufsicht nehmen. Obgleich es äußerst unwahrscheinlich ist, dass dort ein solcher Frevel zu finden ist - würde solcherlei doch kaum je im Bewusstsein Roms verblassen - so darf nichts in diesem Falle als selbstverständlich hingenommen werden. Flavius Gracchus, du wirst hernach dem Senat unsere Empfehlung antragen. Für uns alle gleichermaßen gilt, dass Rom dieser Tage unsere Pflichterfüllung mehr braucht denn je, denn die Unsicherheit in der Bevölkerung wird groß sein. Die Sitzung ist damit geschlossen."
    Nach Ende der Sitzung wollte das Gemurmel unter den Pontifices über die Ungeheuerlichkeit der Tat kein Ende nehmen und nur widerwillig schien die Halle sich zu leeren. Noch immer vom Schock der Tat in Klauen gehalten, stierte Gracchus auf die Musterung des marmornen Bodens, unschlüssig, was für die Flavia würde zu tun sein. Nichts, so musste schlussendlich er erkennen, war doch seine Schwester längst nicht mehr Teil der Familie gewesen, hatte unter der patria potestas des Pontifex Maximus gestanden, so dass die Trauerfeierlichkeiten samt des Begräbnisses würden Angelegenheit des Staates sein, wie einer virgo vestalis maxima dies gebührte. Auch ihm selbst stand mehr nicht zu denn die Trauer eines jeden Pontifex, eines beliebigen Bürger Roms.

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  • Durus war zwar nicht ganz so persönlich niedergeschlagen, eher um die Reaktion der Bevölkerung besorgt, dennoch stellten sich recht bald die bohrenden Fragen ein, die ihm als Juristen kamen: Warum hatte man sie ermordet? Wer war es gewesen? Wo hatten die Stadtkohorten-Soldaten gesteckt, die jeder höhere Priester um sich hatte? Und würde man den Mörder finden?


    Darüber nachdenkend verließ er die Regia, um zu Hause ein persönliches Opfer an die Götter zu richten...die Zeiten waren schlimmer, als befürchtet!

  • Nachdem die Sitzung über die unheilvollen Zeichen beendet worden war, sorgte Durus dafür, dass das Collegium zu einer zweiten Notstandssitzung einberufen wurde und meldete dem Rex Sacrorum den Entschluss (obwohl er als Inhaber eines Ehrenplatzes im Senat ohnehin schon bescheid wissen hätte müssen). Daher wurde es auch gleich dem Tiberier übertragen, Meldung zu erstatten.


    "Verehrte Pontifices und Flamines!


    Der Senat hat beschlossen, dass Sühnemaßnahmen für den Mord an der Virgo Vestalis Maxima eingeleitet werden sollen. Die Ermittlung des Maßes wird dabei unserem Collegium zu beschließen sein. Unter Befragung der Sybillinischen Bücher!


    Aus diesem Grund beantrage ich, die Quindecemviri Sacris Faciundis zu diesem Falle hinzuzuziehen!"


    erklärte er.

  • Längst hatte die unheilvolle Nachricht sich in den Straßen Roms und darüber hinaus verbreitet und wie ein dunkles Tuch hatte das Schweigen sich über die Stadt gelegt. Wie es Brauch war, betrauerte das gesamte Imperium Romanum an diesem Tage den Tod einer Vestalin, soweit die Kunde gedrungen war. Keine Panik war ausgebrochen, keine von Wut und Zorn geleiteten Aufstände proklamiert worden, das Leben hielt nicht inne, konnte nicht inne halten. Und doch war es ein wenig leiser geworden, ein wenig vorsichtiger womöglich, mehr Kerzen als sonst brannten an den Altären der Stadt, kleine Opfergaben häuften sich zu ihren Füßen, und die Fluktuation der Betenden in den Tempeln war größer als selbst an den Tagen des Beginns des Krieges in Parthia. Niemand hatte daran Zweifel gehegt, dass der Senat eine Sühnemaßnahme würde beauftragen, so dass niemanden die Verkündigung dieser Tatsache durch den Pontifex Tiberius erstaunte. Ebenso konnte niemand in den Reihen des Collegium Pontificium sich gegen eine Befragung der sibyllinischen Bücher aussprechen, da dies noch immer das probateste Mittel war, eine Größenordnung zur durchzuführenden procuratio zu ermitteln. Zustimmung wurde daher geschlossen dem Antrag des Tiberius ausgesprochen, die Einsichtnahme der sibyllinischen Bücher durch die Quindecemviri sacris faciundis in die Wege geleitet.

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  • Der Senat hatte darüber entschieden, dass eine Entsühnung ob des vergangenen Frevels dringend vonnöten war, und die Einsicht der Quindecimviri sacris faciundis in die sibyllinischen Bücher beauftragt. An diesem Tage nun versammelten sich die Mitglieder des Collegium Pontificium erneut, um das Ergebnis eben dieser Einsichtnahme zu erfahren und im Anschluss daran über die Details der Durchführung der procuratio zu beratschlagen, ehedem ein Haruspex aus dem Collegium eben jener dies würde durch ein extispicium ratifizieren. Der Quindecimvir Luscius Scrofa war erschienen, um pro collegio das Gutachten des Fünfzehnmännerkollegiums vorzutragen. Nachdem alle Mitglieder des Collegium Pontificium anwesend waren, eröffnete der Rex Sacrorum Fabius Antistes die Sitzung mit einigen einleitenden Worten, um im Anschluss sogleich Luscius sprechen zu lassen. Dieser erhob sich, entrollte eine pergamentene Schrift und begann.
    "Werte Mitglieder des Collegium Pontificium, auf Weisung des Senates hin haben die Quindecimviri sacris faciundis Einsicht genommen in die heiligen Bücher der sibyllinischen Weissagung. Die Interpretation der visionären Worte war nicht einfach, doch Nachfolgendes steht für diesen Fall geschrieben: ein lustrum einzig kann die Götter versöhnen, unter Aufwendung aller Kraft, zehn Rinder in allen Farben der Götter, getragen auf den Schultern derjenigen Männer, welche Rom repräsentieren, um den heiligen Bezirk, das divine Heim herum, dargebracht dort, wo alles seinen Anfang nahm. So steht es geschrieben in den Worten der Sibylle, so soll es geschehen."
    Ohne weitere Fragen abzuwarten, nahm Luscius Scrofa Platz, denn mit Verkündung der Worte war seine Aufgabe getan. Eine Auslegung der Worte würde nun Causa des Collegium Pontificium sein.
    "Soll dies etwa bedeuten, dass wir auf eine Rückkehr des Pontifex Maximus warten müssen? Wer repräsentiert Rom, wenn nicht er?"
    "Der Augustus ist nur ein einzelner, davon abgesehen, dass die Rede von Männern ist, wird er kaum zehn Rinder um Rom herum tragen können."
    "Der Senat?"
    "So scheint es, um das pomerium herum."
    "Das pomerium? Bei allen Göttern, dies kann nicht dein Ernst sein! Hast du schon einmal das pomerium auf eigenen Füßen umrundet, Fabius? Ebenso gut kann das divine Heim auch für den kapitolinischen Hügel stehen. Die meisten unserer Götter haben immerhin dort ein Heim."
    "Zumindest steht der Opferplatz fest, denn unzweifelhaft nahm bei Romulus und Remus alles seinen Anfang, so dass das Lupercal jener Ort sein muss."

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  • Durus kam bei den 'Männern, die Rom repräsentieren' zuerst seine Amtskollegen und er - die Magistrate Roms - in den Sinn. Aber da es sich um zehn Rinder handelte, konnte das wohl kaum stimmen...daher schloss er sich gedanklich der Senatoren-Fraktion an. Das 'divine Heim' wiederum war erneut eine fragliche Angelegenheit...das Lupercal? Wie sollte man etwas um eine Höhle herumtragen?


    "Das Lupercal ist wohl kaum der heilige Bezirk. Höchstens das Opfer könnte dort vollstreckt werden. Aber sehr viel wahrscheinlicher wäre die Stadt Alba Longa. Immerhin wurden Romulus und Remus dort geboren, nicht hier im Lupercal. Wobei man dies wieder beliebig weiterführen könnte bis hin zu Venus und Mars. Und wo die geboren wurden?"


    Nein, nein - das divine Heim war wohl oder übel das Pomerium. Oder doch das Capitol?

  • "Wir können die Rinder unmöglich bis nach Alba Longa tragen"
    , ereiferte sich sogleich Cincius Privernas, seines Zeichens selbst Senator, wenn auch aus den Reihen der eher unbedeutenden pedarii.
    "Weshalb überhaupt der Anfang Roms oder des römischen Volkes? Womöglich ist auch der Anfang der Misere gemeint, dann wäre es der Tempel der Vesta, an dem das Opfer vollzogen werden sollte."
    Jener Überlegung mochte auch Gracchus, zumindest in Teilen, zustimmen.
    "Der Tempel der Vesta sollte zumindest in jenem divinen Heim inkludiert sein, denn Vesta ist es schließlich, von welcher wir am ehesten Exkulpierung müssen erbitten. Das pomerium scheint auch mir daher geeignet, zählt es doch seit jeher zu den sacra unseres Staates, zudem zeigt auch diese Grenze die Anfänge, denn es weist uns die erste Mauer Roms."
    "Das Opfer sollte dann auf dem Forum Romanum enden. Es wird immerhin ein nicht gerade kleiner Akt und dort ist genügend Raum. Wir könnten zehn Altäre aufstellen und weihen, so dass alle Rinder gleichzeitig geopfert und damit das gesamte Pantheon zugleich bedacht werden kann."
    "Das pomerium umfasst allerdings nicht den kapitolinischen Hügel. Können wir es wirklich wagen, den Tempel der göttlichen Trias aus dem lustrum auszuschließen?"

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  • All die Ideen und Debatte sorgten für große Nachdenklichkeit bei Durus. Zu wichtig war diese Lustratio, als dass sich das Collegium irren durfte. Im Allgemeinen glaubte der Tiberier ja eher, dass die Götter sich nicht so stark in die Welt einmischten, wie es die meisten abergläubischen Römer taten. Aber diese Zeichen waren zu deutlich gewesen!


    "Vielleicht ist das Capitol doch als Anfangs- und damit Opferort zu sehen. Immerhin steht dort die Hütte des Romulus. Da Alba Longa als zu weit weg und der Geburtsort von Mars oder Venus als unbekannt gelten müssen, wäre dort tatsächlich der passende Ort. So wäre jene wichtige Stätte auch in die lustratio inkludiert und nichts spräche gegen das Pomerium als geheiligten Bezirk."


    wandte er ein.

  • "Diesen Vorschlag kann ich nur gut heißen. Die wichtigsten Heiligtümer fänden so Beachtung und auf dem Kapitol ist ebenfalls genügend Platz, um ein großes Opfer darzubringen."
    "Dem stimme ich ebenfalls zu."
    "Die Rinder den Hügel hinauf tragen? Ich weiß nicht."
    "Es ist ein lustrum, Cincius, und ein solches bedingt nun einmal, eine Last auf sich zu nehmen, andernfalls wäre es kein Sühneopfer."
    Cincius schwieg ein wenig pikiert und ein Moment der Stille legte sich über das Collegium, ehe der Rex Sacrorum die Stimme erhob.
    "So einigen wir uns auf das pomerium als zu umgehenden Bezirk und das Capitol als Opferplatz? Spricht sich jemand gegen dieses Vorgehen aus?"
    Kurz machte es den Anschein, als wolle Cincius seine Hand heben, doch als er sah, dass niemand sonst ihm würde folgen, griff er statt dessen an sein Kinn und rieb es, um den Arm hernach zu senken. Ein Blick des Rex Sacrorum forderte den zuständigen Pontifex Minor auf, die Entscheidung zu notieren.
    "Weiters wird das lustrum ausgeführt durch die Mitglieder des Senates, wobei wir durchaus in Betracht ziehen müssen, dass einige der Senatoren nicht mehr dazu fähig sein werden. Sie werden dem Zug der Opfertiere hintenan folgen."
    Bereits seit der Quindecimvir die Worte der Sibylle hatte verlesen, störte Gracchus etwas daran, obgleich er nicht sagen konnte, was dies war. Für das extispicium war es wichtig, dass der beschlossene Ritus so detailliert wie möglich festgehalten wurde, denn Ungenauigkeiten bargen das Risiko einer Zurückweisung, welche hernach nur um so eingehender ob ihrer Gründe musste studiert werden. Als der Rex Sacrorum jedoch den Zug der Opfertiere ansprach, wurde sich Gracchus endlich jenes Punktes gewahr.
    "Wie wird die Verteilung der Couleur geregelt sein? Zehn Rinder lassen sich nur suboptimal gleichmäßig auf die drei Farben der Götter aufteilen."

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  • Leise - nicht, dass es jemand hörte - seufzte Durus. Die Lösung religiöser Probleme war wirklich manchmal aufs höchste komplex. Und die Interpretation der Sybillinischen Bücher war wohl die höchste der pontifikalen Künste! Manchmal sehnte er sich an seine Auguren-Zeit zurück: Die höchste Spende hatte die Zustimmung Iuppiters - schließlich verbarg sich hinter dem besten Spender auch der stärkste Wille! Und Iuppiter mochte einen starken Willen, dessen war sich Durus sicher.


    Einen Augenblick dachte er nach, dann kam ihm jedoch der Flamen Quirinalis zuvor:


    "Drei schwarze, drei rote und vier weiße Rinder sind mea opinione am sinnvollsten - immerhin überwiegen die himmlischen Gottheiten beiweitem!"


    Durus hatte als konservativer Mensch eine hohe Meinung vom Flamen Quirinalis, daher stimmte er diesem sofort zu - schon allein, um die Diskussion voranzutreiben!


    "Ich schließe mich der Meinung des ehrenwerten Flamen Quirinalis an!"

  • Einen Moment lang schien es als wolle sich Gracchus' Augenbraue ein wenig in die Höhe erheben, doch rechtzeitig wurde er jenes Reflexes sich gewahr und unterdrückte ihn. Sich auf die Schnelle eine Reihe Göttlicher ins Gedächtnis rufend, gelangten mindestens ebenso viele Götter der Unterwelt in Gracchus' Sinne als Überirdische, doch genauer darüber sinnierend, musste auch er wohl zugeben, dass die Himmlischen überwogen, obgleich ihn jenes Eingeständnis gleichsam ein wenig nachdenklich machte. Die Mehrheit der Pontifices bekundete ihr Einverständnis zu den Worten des Flamen Quirinalis, ehe auch Gracchus dieser Aufteilung zustimmte. Unbezweifelt würde dies noch zu Auseinandersetzungen im Senat führen, welche Senatoren welches Tier würden tragen dürfen.
    "Vier weißfarbene Rinder also, in Anbetracht der Wichtigkeit plädiere ich zudem für zwei Ochsen, einen Stier und eine Kuh. Ist der Haruspex bereits verfügbar?"
    Ein Pontifex minor nickte und erhob sich abwartend.
    "Er wartet draußen."
    "Bringe ihn herein. Gibt es noch Fragen, ehe wir mit dem extispicium fortfahren?"
    Der Blick des Rex Sacrorum ließ bereits erahnen, dass jede weitere Frage das sie stellende Mitglied des Collegium in leichte Ungnade würde fallen lassen. Nicht nur ob dessen schwieg Gracchus, denn weitere Fragen wollten tatsächlich ihm nicht in die Sinne gelangen.

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  • Da keinerlei weitere Fragen in den Raum wurden geworfen, wurde schließlich der Haruspex herein geführt, ein beinahe kahler Mann mit krummer Nase und stechendem Blick - der Haruspex Primus selbst, welcher die Ehre eines solch wichtigen extispicium nur allzu gerne für sich selbst beanspruchte, gleich da es bedeutete, bis zum Vollzug dessen tatenlos vor den Türen des Collegiums zu warten. Hinter ihm folgten zwei Sklaven, zwischen sich einen hölzernen Kasten schaukelnd, hinter dessen Gitterstäbe ein Karnickel mit Schreckens geweiteten Augen saß, und hinter jenen ein Sklave, welcher einen kleinen Tisch inmitten des Freiraumes zwischen den Pontifices und Flamines auf- und darauf eine große, flache Silberschale abstellte. Der Haruspex Primus drehte sich abwartend zu Fabius Antistes hin, während hinter ihm ein Sklave das Karnickel an den Ohren aus dem Kasten zog. Der Rex Sacrorum erhob sich, nahm die Mitschrift eines Pontifex minor entgegen und sprach.
    "Die Weissagung der sibyllinischen Bücher deutend, gelangte das Collegium Pontificium, beauftragt vom Senat des römischen Volkes, zu folgender Maßnahme zur Sühnung des Mordes an der Virgo vestalis maxima: Vier weißfarbene Rinder - davon zwei Ochsen, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der himmlischen Götter, dazu drei rotfarbene Rinder - davon ein Ochse, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der feurigen Götter, dazu drei schwarzfarbene Rinder - davon ein Ochse, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der unterirdischen Götter, sollen getragen werden durch die Senatoren des römischen Reiches als Vertreter des Staates um das heilige pomerium einmal herum, um sodann auf der Kuppe des kapitolinischen Hügels den Göttern zum Opfer gegeben zu werden."
    Ein Wink deutete dem Haruspex, die Divination zu beginnen. Jener packte das Karnickel in die silberne Schale, wo zwei seiner Sklaven Kopf und Füße hielten als der Haruspex Primus den Bauch des Tieres aufschlitzte. Mit geübtem, schnellen Griff, suchte die Leber des Karnickels er heraus, und begann jene umfassend zu begutachten, nach Farbe, Form und Makeln zu untersuchen, und die Zeichen etruskischer Götter, welche längst durch römische interpretatio Romana in das imperiale Pantheon waren übernommen worden, in dem Eingeweidestück zu lesen, während die Mitglieder des Collegium Pontificium - vor allem sicherlich jene, welche gleichsam dem Senat angehörten - erwartungsvoll auf sein Ergebnis warteten.

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  • Die Migräneanfälle wurden weniger, aber besänftigt oder gar zufrieden war Iuno noch immer keineswegs, dafür wurde ihr noch nicht genug geopfert. Aber damit wenigstens etwas weitergeht, sorgte sie dafür, dass der Priester keine Fehler findet.

  • Leise Worte murmelte der Haruspex Primus, Worte in einer alten Sprache, vermutlich so alt, dass er selbst kaum wissen konnte, was sie bedeuteten, zudem verzog er sein Gesicht in undeutbaren Mienen, allfällig missbilligend, womöglich zufrieden, eventualiter ratlos. Schlussendlich sog er die Luft im Raume durch seine Nase - so lange und tief, dass beinah es schien als wolle er jeglichen Atem unterbinden-, und wandte sich dem Rex Sacrorum zu.
    "Die Götter sind geneigt, den Ritus in solcher Weise zu akzeptieren."
    Hörbar atmeten einige der Pontifices auf, während Fabius Antistes keine Regung, weder des Erstaunens, noch des Gegenteiles, zeigte.
    "So werden wir dies an den Senat weiterleiten."
    In einer unbewussten Geste drückte Gracchus seine Schulterblätter nach hinten, so dass leise in seinen Ohren die Gelenke knackten. Es war dringend an der Zeit, den Körper ein wenig in Form zu bringen - ein großes Filetstück lag ihm oftmals bereits nach dem Mahl noch viel zu lange im Magen, doch die lustratio würde seinem Körper mit einem ungleich größeren Gewicht an Rind unweigerlich eine ungleich schwieriger Aufgabe auferlegen.

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  • Durus hatte den Rex Sacrorum gebeten, das Collegium zusammenzurufen, um die Rückkehr des Pontifex Maximus bekannt zu geben. Bereitwillig hatte Fabius Antistes den Wunsch des Tiberiers erfüllt. Daher erschienen am frühen Morgen nach den Salutationes die Herren Pontifices in der Regia.


    Fabius Antistes eröffnete die Sitzung traditionsgemäß, dann gab er recht schnell das Wort an Durus ab. Dieser erhob sich, zupfte kurz seine Toga zurecht und begann.


    "Pontifices!


    Mein Vetter Quintus Tiberius Vitamalacus, Legatus Legionis der Legio I Traiana ist nach Rom zurückgekehrt und hat die Urne des verblichenen Pontifex Maximus und Imperator Caesar Augustus mitgebracht. Er bat mich, das Collegium zu unterrichten.


    Nun stellt sich die Frage nach der Bestattung der sterblichen Überreste, sowie eine Prüfung, ob er von den unsterblichen Göttern aufgenommen wurde in den Olymp und eine göttliche Verehrung notwendig wird."


    Ein kurzer Bericht, aber heute war Durus nicht in der Stimmung, lange Reden zu schwingen.

  • Überall lauerte der Tod und strich mit seinen schattigen Klauen um die Häuser herum, liebkoste die Herzen der Lebenden und wartete auf ihr Dahinscheiden. Bis nicht der neue Imperator würde in die Stadt eingezogen sein, würde das dumpfe Tuch der Vergänglichkeit auch Rom weiter unter seiner trüben Tristesse begraben. An jeder Ecke glaubte Gracchus die umherstreifenden Manen endloser, römischer Gesichte entdecken zu können, seit der Nachricht über den Tod seiner Schwester verfolgten zudem ihn die flavischen Larven auf Schritt und Tritt, bliesen ihren eisigen Hauch ihm über den Nacken und griffen mit ihren dürren Fingern nach seinem Geiste.
    "Wir sollten nicht voreilig sein und dem designierten Imperator Caesar Augustus vorgreifen. Ein Staatsbegräbnis sollten wir nicht in seiner Absenz durchführen, wie auch die Entscheidung über die Erhebung Ulpius Iulianus' in göttliche Gefilde seinem alleinigen Gutdünken obliegt, obgleich wir meiner Ansicht nach ihm durchaus dazu können raten, immerhin war Ulpius ein durch alle Klassen des Volkes weithin beliebter Kaiser und seine Popularität kann auch seinem Nachfolger, welcher diese dem Volke zur Verehrung bietet, nur von Nutzen sein."
    Doch selbst zu diesem Schritte würde Gracchus das Eintreffen des neuen Imperator abwarten wollen, um dessen Verhältnis zu seinem Adoptivvater vorerst auszuloten. Indes wünschte er, dies Eintreffen würde in endlose Ferne sich rücken, der designierte Imperator Rom niemals erreichen, denn die Unbestimmtheit dessen Attitüde gereichte mit jedem Tage mehr dazu, Gracchus furchtsam in die Zukunft blicken zu lassen.

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  • Durus verstand Gracchus und musste ihm eigentlich zustimmen, obwohl er fand, dass der Staat sich nicht immer so auf den Imperator Caesar Augustus konzentrieren und sich von ihm abhängig machen sollte. Aber andererseits brachte dies am wenigsten Ärger und außerdem am wenigsten Ärger.


    "Die Praetorianer haben die Urne des Iulianus an sich genommen und in die Castra Praetoria gebracht. Ich bin nicht sicher, ob das der geeignete Ort ist. In Beachtung der Mos Maiorum wäre es vielleicht sinnvoll, dem Praefectus Praetorio nahezulegen, die Urne lieber in der Domus Augustana aufzubewahren*. Solange er noch nicht unter die Götter gezählt wird, sollte man ihn wohl besser im Atrium seines Hauses aufbahren, bis der Caesar eintrifft."


    In diesem Fall hatte Durus keine Ahnung, warum Crassus die Urne überhaupt an sich genommen hatte...


    Sim-Off:

    * Nach meinen Recherchen war das wohl der übliche Aufbewahrungs-Ort.

  • Als Tiberius den Praefectus Praetorio und die Castra Praetoria als derzeitige Ruhestätte der Überreste des verblichenen Imperators erwähnte, schob sich Gracchus' rechte Augenbraue in deutlicher Weise in die Höhe, auf jene Art und Weise, wie es nur Flaviern gegeben war, dies zu tun, gleichsam Indignation, moralische Entrüstung und menschliches Unverständnis zum Ausdruck bringend.
    "Ich stimme Tiberius zu, dass wir dies in resoluter Fasson dem Praefectus Praetorio sollten nahe legen. Die Castra Praetoria ist mitnichten ein geeigneter Ort, das Andenken des Ulpius zu ehren, und so es keinen zwingenden Grund für Gegenteiliges gibt, sollte nichts dagegen sprechen, dass die Praetorianer sich ihrer Pflichten entsinnen und das Domus Augustana mit der Urne darin bewachen."

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