Causa Relationis pro Collegio Septemvirorum

  • Als Tiberius Durus an diesem Tag von seinem Calator einen Bericht über die aktuelle Lage des Cultus Deorum erhalten hatte, war er sehr erstaunt gewesen, was die Septemviri nun wieder vom den Pontifices wollten. Ein Gutachten über die Frage, ob Frauen Septemviri werden konnten! So etwas seltsames war ihm lange nicht mehr untergekommen!


    Und so musste das Collegium zusammengerufen werden und nach den üblichen Einstiegsopfern und Begrüßungsfloskeln das Thema angeschnitten werden:


    "Pontifices, ich habe Post erhalten vom Collegium der Septemviri. Sie erbitten eine Relatio für folgende Problemstellung:"


    Er gab dem Pontifex Minor ein Zeichen, woraufhin dieser sich erhob und mit getragener Stimme das Schreiben vorlas:


    Collegium Septemvirorum Collegio Pontificorum s. d.


    Wir, das Collegium der Epulonen, schreiben einer Fragestellung wegen, die auf Grund jüngster Ereignisse, die mit dem Tod des ehrwürdigen Septemvir Sextus Ceionius Petro einhergingen, für das Collegium an Relevanz gewonnen hat. Da wir der Meinung sind, ein eigener Beschluss in dieser Frage würde unsere Kompetenzen sprengen, erbitten wir vom Collegium Pontificorum eine Vorabentscheidung, um die rechtliche Position unseres Collegiums für diesen Fall und für Fälle in der Zukunft zu klären.


    Die Frage, um deren Antwort hiermit ersucht wird, lautet:
    Darf das Collegium Septemvirorum Frauen als Mitglieder aufnehmen?


    Relevante Hintergrundinformationen: Nach einem diesbezüglichen Vorschlag des Propertius Secundus und Nachforschungen des Flavius Piso erachten wir Cocceia Maior, Aeditua des Tempels der Ops am Kapitol, als für eine potentielle Nachfolgerin des Ceionius Petro. Sie ist die Tochter sowie die Witwe eines Senators und kann durch profundes Fachwissen überzeugen; es besteht im Prinzip kein Zweifel an ihrer Befähigung. Wir erachten , dass das einzige, was dem Gedanken, sie aufzunehmen, im Weg steht, ihr Geschlecht ist.


    Submissionen: Uns ist bewusst, dass eine solche Aufnahme mit der Tradition brechen würde, und dem Namen unseres Collegiums, der den Bestandteil „Vir“ enthält, zuwider handeln würde. Gleichzeitig aber hatte das Collegium Pontificorum mit der Aufnahme der Tiberia Claudia und der Einsetzung von weiblichen Pontifices Minores einen Präzedenzfall gesetzt, der analog auch für die anderen Collegien Roms gelten müsste. Zudem muss gesagt werden, dass der Anstieg der Anzahl weiblicher Priester in der letzten Zeit unweigerlich zur Frage führt, ob es ob dessen nicht angemessen wäre, die Möglichkeiten der Frauen, im Cultus Deorum aufzusteigen, zu erweitern.


    Wir hoffen auf eine baldige Entscheidung in dieser essentiellen Frage durch das Collegium Pontificorum und danken für die Betrachtung unserer Fragestellung. Wir bitten infolge dieser Anfrage auch darum, die rechtliche Lage bei den anderen Collegien jenseits aller Zweifel festzustellen.


    Mögen die Götter ihre schützende Hand über die Mitglieder des Collegium Pontificorum halten.


    [Hier befinden sich 9 Unterschriften – eine von jedem lebenden Septemvir]


    Durus blickte erwartungsvoll in die Runde. Natürlich hatte er bereits eine Meinung, doch wollte er zuerst die anderen zu Wort kommen lassen.


    "Gibt es Kommentare zu dieser Anfrage?"

  • An den heißen Tagen des beginnenden Sommers war es zumeist überaus pläsierlich, den Sitzungen des Collegium Pontificium beizuwohnen, war es doch in den Räumlichkeiten der Regia stets angenehm kühl. Wie üblich eröffnete Tiberius Durus in Vertretung des Pontifex Maximus die Sitzung, dass Gracchus im Stillen bei sich überlegte, ob der Imperator überhaupt je zu einer Sitzung war anwesend gewesen, dies jedoch weder konnte bejahen, noch verneinen, wiewohl es ihm nicht so schien, und während oftmals nur unspektakuläre oder sich im Laufe des Jahres repetierende Thematiken auf der Tagesordnung standen, legte der pro Magistro dem Collegium an diesem Tage eine überaus erstaunliche Anfrage der Epulonen vor. Bereits während der Pontifex Minor den Text verlas, keimten in Gracchus Worte der Intervention, wiewohl er nur mit undurchdringlichem Blicke auf seinem Platz saß, Argumente abwägte, deren Aussprache im Grunde er als überflüssig erachtete, glaubte er doch nicht, dass überhaupt ein Pontifex für die Akzeptanz von Frauen in den kultischen Collegien sich würde aussprechen, gleichsam hätte er dies ebenfalls nicht von den Septemviri erwartet, und dass der Name seins Vetter Piso in dies befürwortender Art und Weise in dem Brief war genannt, derangierte ihn ein wenig - wiewohl diese vermutete Affirmation schlussendlich wohl nur ein Missklang der Formulierung musste sein - , so dass als Tiberius zu Kommentaren aufrief und niemand derweil das Wort ergriff, Gracchus doch sich bemüßigt sah, ein wenig weiter auszuholen, um seine Überzeugung Kund zu tun.
    "Die Anfrage an sich ist bereits absurd, denn seit alters her bestimmt eine strikte Distinktion nach Geschle'ht die Konsistenz der stadtrömischen Collegien, und wie viele kultische Fakten, welche schon zu Zeiten der Könige wurden festgesetzt, welche niemand bis in diese Tage anzweifelt - nicht etwa nur, da sie gegeben sind, sondern da sie über Jahrhunderte hinweg als sinnreich sich gezeigt haben -, sollte auch diese Tatsa'he nicht in Frage gestellt werden - selbst dann, wenn es bereits vereinzelte Ausnahmen gegeben hat. Dabei geht es mitnichten um eine Nomenklatur - denn längst ist das Siebenmänner-Collegium nicht mehr dies, hat doch Caesar selbst die Anzahl der Epulonen erhöht ohne ihren Namen abzu..ändern -, sondern um die Idee dahinter, um römische Tradition, wiewohl nicht einzig um deren Funktion als überliefertes Brauchtum - denn es mögen durchaus einige von euch dieses als veraltet und verknöchert betra'hten -, sondern auch um unsere gegenwärtige Lebensweise, die Ideologie, die Weltsicht, welche unser Imperium bestimmt."
    Gracchus ließ eine kurze rhetorische Pause einfließen, die Bedeutung seiner Worte nachwirken zu lassen, war doch römische Weltanschauung nichts, über das allzu schnell hinweg gesprochen werden durfte.
    "Der Cultus Deorum Roms wurde errichtet als Abbild eines urrömischen Haushaltes, in welchem der Pater familias - allfällig unter..stütz durch seine Söhne - für kultische Handlungen, für Riten und Opfer Sorge trägt, um die Gunst der Götter zu erhalten, die Matrona hingegen dafür, dass die Flamme des häusli'hen Herdes nicht erlischt, jenes Feuer, welches die Hausgemeinschaft eint. Als Rom, als das Imperium wuchs und erblühte, konnten diese Aufgaben selbstredend nicht mehr durch Einzelne erfüllt werden, ob dessen die Collegien konstituiert wurden - doch die Quiddität der zu..grundeliegenden Idee blieb, und mit ihr die Trennung der Aufgaben: Pontifices, Septemviri, Augures, Quindecimviri und Haruspices tragen Sorge für kultische Handlungen, Riten und Opferungen, während die Vestalinnen Roms Lebensfeuer erhalten."
    Über diesen kleinen Exkurs der Historie und Gegenwart, lenkte Gracchus die Aufmerksamkeit der Pontifices zurück auf die eigentliche Anfrage.
    "Die Aufnahme einer Frau in die Reihen der Epulonen, wiewohl in die Reihen eines jeden der stadtrömischen Collegien exklusive der Vestalinnen, widerstrebt somit gänzlich der römischen Lebensweise - unserer Lebensweise. Indes will ich meine Einsprache nicht einzig auf historische Gegeben..heiten gründen, war doch auch der Cultus Deorum seit jeher dem Wandel unterzogen. Doch, werte Collegae, bedenkt, was der Sitz in einem Collegium fernerhin bedeutet außer trefflichem Sachverstande in Theorie und Praxis kultischer Handlung, welche nach eingehendem Studium und vielmaliger Ausübung ich wohl keiner Frau will abspre'hen. Doch Teil eines dieser Gremien zu sein, birgt in sich obendrein die Pflicht, Entscheidungen zu treffen und Urteile zu fällen bezüglich kultischer Belange, Entscheidungen, deren weitreichende Konsequenzen bisweilen nicht nur auf Rom sich auswirken, sondern auf das gesamte Imperium Romanum, allfällig gar darüber hinaus, En..tscheidungen, zu deren Beschluss umfassende kosmopolitische Kenntnisse obligatorisch sind, Kenntnisse, welche unsere Jungen bereits in ihrer Kindheit mit auf den Weg bekommen, welche in ihrer Jugend sie verfeinern und als Männer perfektionieren. Wann und wo, so frage ich euch, sollte eine Frau solcherlei Kompetenzen erworben haben, dazu befähigt zu sein, derartig weitrei'hende Entscheidungen zu treffen, woher sollte sie das dazu notwendige Wissen nehmen - von den Märkten oder aus den Thermen etwa? Sollen Fama und Klatscherei Fundament kultischer Politik und Entscheidungsfindung werden?"
    Es war Gracchus durchaus bewusst, dass seiner Sichtweise in diesen bisweilen laxen Zeiten eine gewisse Brisanz innewohnte, indes waren keine Frauen anwesend, und was Männer - ehrbare Pontifices zudem - dazu mochte bewegen, sich auf ihre Seite zu stellen, konnte er nicht nachvollziehen.
    "Nicht ohne Grund ist die kurze Zeit vorüber, in welcher Frauen der Schritt in die Curia Iulia war erlaubt - und wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen, denn was im Senat nicht fru'htet, kann auch für die kultischen Collegien nicht passend sein - es sei denn, wir wollen unsere eigene Position schmälern, uns und dem Imperium eingestehen, dass die Kompetenz kultischer Entscheidungsfindung nebenbei kann er..worben werden durch Haushaltsführung, Weben und Stickerei, bei Marktbesuchen und in Thermenbecken."
    Im Grunde wusste Gracchus nicht genau, mit welchen Tätigkeiten Frauen den lieben langen Tag ausfüllten, respektive war ihm dies stets ein Rätsel, doch dies war in etwa, was er sich vorstellte.
    "Aus diesem Grunde plädiere ich dafür, den Epulonen mitzuteilen, dass das Collegium Pontificium die Aufnahme einer Frau in das Collegium der Septemviri untersagt. Daran an..schließend sollten wir über die Art und Weise disputieren, in welcher dies für alle Collegien übergreifend schriftlich in einem Codex fixiert werden kann, wie von den Septemviri gewünscht."
    Manches Mal glaubte Gracchus, dass es wahrlich eine Kunst war, sich kurz zu fassen, und er beneidete aufrichtig jene Männer, welche in dieser waren bewandert, musste er doch stets sich eingestehen, dass er es definitiv nicht war.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Durus war ein wenig erstaunt, als ausgerechnet Flavius Gracchus als erster das Wort ergriff. Er kannte ihn sonst als eher zurückhaltenden, bedächtigen Menschen, doch jetzt schien er geradezu leidenschaftlich gegen Frauen in diesem Gremium zu sprechen! Das war so ganz anders als damals, als dieser und Durus in das Collegium gewählt worden war und zum letzten Mal eine Frau unter die Pontifices gewählt worden war. Andererseits hatte es damals auch noch Frauen im Senat gegeben und wie Gracchus schon sagte, war man davon offenbar abgekommen.


    Dennoch kannte der alte Tiberier auch noch gute Argumente, die für Frauen in den Collegia sprachen: Der wichtigste waren wohl die Familieninteressen, denn es bot sich durchaus an, auch Frauen in Ämter zu hieven, die der Stirps Ansehen und Respekt einbrachten, zumal die Tiberier ja scheinbar zur Frauenzeugung veranlagt waren. Andererseits waren die Worte des Flaviers sehr überzeugend und einleuchtend, weshalb er schließlich versuchte einen Mittelweg durchzubringen:


    "Ich gebe dir grundsätzlich völlig Recht, Flavius. Wie der Mann das Haupt seiner Familia ist, so sei er auch das Haupt der Res Publica. Daher ist es richtig, dass Frauen die höchsten Ämter unseres Staates verwehrt sind und sie auch keine entscheidenden Positionen besetzen. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass es durchaus auch Traditionen gibt, die Frauen den Kontakt mit den Göttern gestatten. Denken wir nur an die vestalischen Jungfrauen, die sogar Staatsopfer darbringen! Oder denken wir daran, dass es weitere Kulte gibt, in denen Priesterinnen traditionell hohes Ansehen genießen, etwa als orakelnde Sybille oder als Dienerin der Großen Mutter. Oder auch in vielen Tempeln der Artemis. Aus diesem Grunde würde ich einem grundsätzlichen Ausschluss aus allen Collegia von Frauen nicht ohne Vorbehalt zustimmen.


    Insbesondere das Amt des Pontifex Minor ist meines Erachtens nach für Frauen durchaus geeignet, denn wie die Matrona dem Pater Familias zur Seite steht, ihre Aufgaben erfüllt und ihrem Ehegatten eine Stütze ist, so sind auch die Pontifices Minores Hilfe und Stütze der Pontifices und erfüllen eigenständig die ihnen zugewiesenen Aufgaben. Ich würde es also durchaus als angemessen betrachten, diese Posten Frauen nicht grundsätzlich zu verwehren, sondern dies im Einzelfall zu prüfen. Natürlich könnte man auch weitergehen und etwa sagen, dass die Quindecimviri, die uns ja im Bereich der griechischen Kulte unterstützen, vielleicht sogar die Septemviri, die uns ja ebenfalls als Unterstützer beigegeben sind, mit einer solchen Argumentation berücksichtigt werden könnten. Allerdings möchte ich es nicht wagen, so weit zu gehen, vielmehr sollte das gesamte Collegium dies erörtern und einen gemeinsamen, einhelligen Beschluss fassen."


    Durus stützte sich auf seinen Gehstock und blickte in die Runde. Ein durchaus heikles Thema war das hier, sodass er wieder einmal kleine Schweißperlen auf seiner Stirn spürte.

  • Während der Sekretär Durus' den Brief der Epulonen verlas, rutschten meine Brauen stetig weiter hinauf, und als sie schlussendlich am Hochpunkt des Möglichen angelangt waren, stand auf meinem Gesicht nicht nur Verwunderung, sondern gleichsam Unverständnis. Eine Frau unter den Siebenmännern! Ja sollte das Gremium denn fortan Siebenleute heißen? Ich schüttelte den Kopf. Als einstiges Mitglied eben dieses Kollegs konnte ich mir kaum vorstellen, dass eine Frau in dessen Reihen gut aufgehoben war, geschweige denn etwas bewirken konnten. Und selbstredend stach besonders eine der Unterschriften dort besonders heraus. Sie stand recht weit oben, und der Mann, der sich dahinter verbarg, wurde zusätzlich noch im Brief selbst genannt: Flavius Piso. Es war mir unverständlich, wie ein Flavier, ein Mann eines ehrbaren Geschlechtes, für solch einen Vorschlag mit verantwortlich zeichnen, ja gar eine tragende Rolle darin einnehmen konnte! Zu meiner Schande ruhte ein recht anklagender Blick auf Flavius Gracchus, der soeben zu sprechen ansetzte, und als ich mir meines Starrens gewahr wurde, taxierte ich rasch die anderen pontifices, um eine neutrale Mimik aufzusetzen.


    Gracchus' Worte waren indes ganz jene, die ich auch von ihm erwartet hätte, was mich in Bezug auf seinen tadeligen Verwandten durchaus etwas besänftigte, obschon es mich sehr wunderte, dass er den flavischen Jungspund nicht an die Kandare nahm. Während Gracchus von den Aufgaben und Kompetenzen einer Frau sprach - denen ich nur zustimmen konnte - überlegte ich mir, dass ich im Anschluss wohl ein kurzes Gespräch mit ihm beginnen sollte, in desen Verlauf ich meine Bedenken ob der Zurechnungsfähigkeit des Flavius Piso möglichst wohlwollend zum Ausdruck bringen wollte. Im Anschluss an Gracchus' durchaus gelungene Darlegung hörte man im Saal die ein oder andere Zustimmung, sah hier und dort nickende oder abschätzige Mienen, bis Durus das Wort ergriff und sich zunächst neutral gab, ehe er in die Kerbe des Piso schlug - wenn auch vorsichtig. Einige Kollegen blickten den Tiberier nun nachdenklich an, vermutlich überlegten sie, ob sie es sich leisten konnten oder sollten, gegen ihn zu votieren, sollte es zu einer Abstimmung kommen. Denn immerhin war er der vom Kaiser ernannte Stellvertreter.


    "Die Kulte, von denen du sprichst, Tiberius, die Vestalinnen, die Sybillen, der Kult der Magna Mater, der Dienst in den zahlreichen Tempeln - genügen sie nicht, den Frauen einen Platz zu bieten, an dem sie sich entfalten können? Ich möchte daran erinnern, dass die Frauen eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft sind, denn ohne sie wären auch die Kollegien nicht gefüllt, die Bänke des Senats verwaist. Sollten sie sich nicht lieber darauf konzentrieren, diese Pflicht zu erfüllen, wie wir Männer uns darauf fokussieren sollten, die unseren zu erfüllen?" fragte ich in die Runde.


    "Willst du damit an der Integrität der Vestalinnen selbst zweifeln, Aurelius?" empörte sich der flamen Quirinalis und lehnte sich vor. Ich unterdrückte ein Seufzen. "Selbstverständlich will ich das nicht. Es ist gut, dass den Frauen ein Platz zugestanden wird, der ihnen Ansehen und Würden bringt. Was wäre Rom ohne die vestalischen Jungfrauen? Doch waren ihre Kulte bisher von den unseren getrennt. Stellt euch doch einmal vor, was passieren mag, wenn Männer und Frauen gemeinsam entscheiden sollen. Streit und Neid wären vorprogrammiert, ganz abgesehen davon, dass ihnen die nötigen Kompetenzen fehlen, wie Flavius Gracchus soeben angemerkt hat." Ich nickte beim Sprechen kurz in dessen Richtung.


    "Oder gar noch schlimmer: Die Entscheidungsträger würden durch die Präsenz von Frauen abgelenkt, gar durch ihre Reize in eine Richtung gedrängt! Nein, verehrte Kollegen. Das kann nicht in unserem Ermessen liegen. Frauen als Tempeldienerinnen, Frauen in den Kulten, die ihnen obliegen, ja. Doch Frauen als Teil eines Kollegiums? Nein. ich unterstützte daher den Antrag des Flavius Gracchus." Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass das überhaupt funktionieren würde. Eine Frau unter den septemviri! Was käme als nächstes? Eine regina sacrorum? Vielleicht konnte man eine Frau als pontifex minor einsetzen, doch auch hier wäre ich vorsichtig.

  • "Es wäre natürlich auch eine Möglichkeit, die Sibyllinischen Bücher zu diesem Thema zur Rate zu ziehen, damit auch der Wille der Götter berücksichtigt wird."


    warf ein anderen Pontifex ein, während Durus sich zurückgelehnt hatte und feststellen musste, dass die Haltung gegenüber Frauen doch eher zurückhaltend, wenn nicht ablehnend war. Letztendlich hatten die Männer aber natürlich Recht: Der Tradition entsprach es nicht! Um jedoch sicher zu gehen, war der eben gebrachte Gedanke allerdings nicht dumm!


    "Ich halte es ebenfalls für sinnvoll, auch die Götter zu diesem Thema zu befragen, ehe wir Derartiges grundsätzlich ausschließen. Damit wir sicher sein können."

  • Aurelius' Ansicht, Frauen zu großen Teilen auf ihre Rolle der Niederkunft und Kindeserziehung zu reduzieren, mochte Gracchus nicht gar so strikt unterstützen, da er diesbezüglich Tiberius konnte zustimmen, dass sie ebenso dazu gereichten, ihren Männern den Rücken freizuhalten - in häuslichen Bereichen jedoch, bei Verwaltung und Administration der Güter allfällig, dazu waren sie prädestiniert, wie Gracchus aus eigner Erfahrung wusste, doch nicht in staatlichen Angelegenheiten. Gleichwohl musste ein anderes Argument Aurelius' dringlicher zurückgewiesen werden.
    "Was wir in keinem Falle tun sollten, ist die Kollegien zu öffnen, um Frauen einen Platz zuzu..gestehen, Ansehen und Würde zu erringen!"
    Selbstredend war Gracchus nicht derart naiv, nicht zu bemerken, dass der Staat von seinem Ideal weit entfernt war, es oftmals nur darum ging, persönliches Ansehen, Würde und Macht zu mehren, doch wurde es ihm derart deutlich vor Augen geführt, so echauffierte ihn dies doch überaus.
    "Dieses Gremium, wie auch die übrigen, über welche wir hier disputieren, ist kein Ort, persönli'hen Interessen zu folgen, egoistischen und egozentrischen Wünschen nach individueller Entfaltung, nach Ansehen und Würde! Der Sitz in einem dieser Collegien ist eine Ehre, unbe..zweifelt, doch allem voran eine Pflicht - eine Pflicht am Imperium Romanum, eine Pflicht am Staate und nicht zuletzt an den Göttern! So Frauen - wie Männer - einer Möglichkeit zu persönlichen Entwicklung, zur Mehrung ihres Ansehens und ihrer Würde bedürfen, sollten sie nicht Teil des Cultus Deorum werden, sondern allem voran an ihren charakterli'hen Tugenden feilen - Philosophen allerarten von Herkunft haben hierzu genügend Schriften verfasst, deren Studium ein ganzes Leben fassen kann - darunter finden unbezweifelt sich auch einige, welche auf die Besonderheiten des weiblichen Geschle'htes eingehen."
    Obgleich Gracchus dies überaus ernst war, fassten einige Pontifices seine Aussage doch als eher amüsant auf und unterdrückten nur mäßig leises Lachen. Gracchus indes ignorierte dies gänzlich und fuhr fort.
    "Und obgleich dies wohl nicht gänzli'h in deiner Absicht lag, Tiberius, bestätigen deine Worte nur die meinen nach der Notwendigkeit der Differen..zierung. Die Vestalinnen, die Sibyllen, der Kult der Magna Mater - auch diese wurden oder haben sich in jener Form etabliert, welche für sie am vorteilhaftesten sind. Sollen wir nun also fordern, dass der Pontifex Maximus unsere Jungen als Vestale aufnimmt? Sollen wir der Stimme Apollons, welche durch den Göttlichen selbst erwählt wird, diktieren, dass sie Männer in ihre Reihen aufnehmen muss? Denn dies müsste zweifelsohne weitere Folge einer Aufwei'hung der Distinktionen im Cultus Deorum sein."
    Auf die angesprochenen Aeditui ging Gracchus nicht erst ein, waren dies doch dienstleistende Ämter, in seinem Bild allfällig noch vergleichbar mit Funktionspersonal, über deren Tätigkeit in dieser Hinsicht nicht musste disputiert werden.
    "Einer Befragung der Götter stimme indes auch ich zu."
    Da diese Trennung zweifelsohne seit jeher Ratschluss der Götter war, würden auch die sibyllinischen Bücher nichts anderes verlautbaren, dessen war Gracchus sich sicher, zudem hatte bisherig niemand sich eindeutig für eine Änderung der Modalitäten ausgesprochen, so dass kaum jemand ein Vermögen würde investieren wollen, um die Interpretation fälschlich auszulegen.



    Sim-Off:

    Ein historischer Hinweis am Rande: eine regina sacrorum ist nicht nur nicht abwegig, sondern war tatsächlich existent, war dies doch Titel der Ehefrau des rex sacrorum, welcher ebenfalls einige kultische Aufgaben zufielen. Analog nannte man die Ehefrauen der flamines auch flaminicae - aus welchem Grund auch nur verheiratete Männer diese Ämter ausführen konnten und bei Tod der Ehefrau aufgeben mussten.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ob der Worte Gracchus' rutschte eine meiner Brauen hinauf. Er sprach sich so vehement aus, dass ich mich fragte, ob er meine Worte denn falsch verstanden hatte - immerhin hatte ich mich gegen Frauen in den Kollegien ausgesprochen und nicht dafür. Ich überging daher die scharfe Zurückweisung, konnte keinen rechten Bezug zu meinen Worten finden. Selbstverständlich brachte beispielsweise das Vestalinnendasein Rechte und Würden, das war nun einmal so, und daran konnte auch ein Flavier nichts ändern, obgleich ich seine Worte so auffasste. Gracchus sprach indes weiter, provozierte ein wenig und ernstete dafür meinerseits ein kurzes Schmunzeln - Jungen als Vestale! Das mochte ich mir lieber nicht vorstellen, denn diese Vorstellung war ebenso verdreht wie jene von der regina sacrorum, die ihre Rechte mit denen ihres Mannes getauscht hätte.


    "Befragen wir die Götter dazu", pflichtete ich bei und machte eine lapidare Geste in Richtung des Tiberiers. Einige andere stimmten ebenfalls zu.



    Sim-Off:

    Wahr wohl missverständlich ausgedrückt. Dass es eine regina sacrorum gab, weiß ich wohl, ich hätte es nur so formulieren sollen wie in diesem Beitrag.

  • Gracchus' Worte waren logisch und bestechend wie eh und je, auch wenn sie geradezu erschreckend klar und fordernd waren - so kannte man ihn wirklich nicht! Durus fragte sich sogar, ob sich vielleicht die Krankheit des Flaviers verschlimmert hatte, sodass er von einer weiteren Karriere absehen musste. Dies würde zumindest seine ungeschminkte Schärfe erklären (andererseits war dies wohl kaum ein Thema, mit dem man alte Senatoren entrüsten konnte).


    "Dann werden wir die Götter befragen. Ich werde mich an die Quindecimviri wenden und sie um ein Gutachten aus den Sibyllinischen Büchern bitten."


    Auf eine Abstimmung konnte man wohl verzichten, denn die Tendenz war klar. Das Thema hingegen war somit vertagt.

  • Es war längere Zeit vergangen, seitdem die Septemviri um ein pontifikales Gutachten gebeten hatten, doch nun war endlich ein Ergebnis zu erkennen. Deshalb hatte Durus das Collegium wieder einberufen und auch dem Septemvir Annaeus geladen, die Ergebnisse zu erklären.

  • Nachdem er das Antwortschreiben des Pontifex pro Magistro erhalten hatte, war nun auch Modestus an diesem Tag in der Regia des Cultus Deorum anwesend. Begleitet wurde er von einem Opferdiener der Quindecemviri, der nach dem Vortrag von Modestus ein dutzend Abschriften der schriftlichen Ausfertigung unter den Pontifices verteilen sollte. Und während er darauf wartete, dass Tiberius Durus ihn ankündigte, ging er nocheinmal die wichtigesten Punkte der Interpretation durch, die gleich vorstellen würde.

  • Nach den obligatorischen Opfern und Gebeten, die stets am Anfang einer Contio des Collegium Pontificium standen, begann Durus mit der Verlesung der Anwesenheitsliste und dann endlich der Tagesordnung. Da Annaeus Modestus bereits erschienen war, beschloss er, diesen Punkt zuerst anzusprechen.


    "Pontifices, ich darf Euch den Quindecemvir Annaeus Modestus vorstellen. Er wurde von seinem Collegium beauftragt, uns heute zu berichten, was die Sibyllinischen Bücher zum Thema Frauen und Priesterämter offenbaren.


    Du hast das Wort, Annaeus!"


    Er sah zu Modestus hinüber.

  • Der Tag hatte bereits vor dem Morgen sich als unrettbar abgezeichnet, war Gracchus des Nachts doch zu weit in die Gefilde des Morpheus hin abgestiegen, hatte zu tief in seinem eigenen Reich gestochert und aufbegehrt, dass allerlei Scheusale aus ihren Höhlen waren geschlüpft, dass Bestien und Chimären sich hatten erhoben im Ansinnen den Eindringling zu hetzen, zu fassen und zu zerreißen, sich einzuverleiben, durch ihre mehrzahligen Mägen zu spülen, zu quetschen und zu zerren, um ihn letztlich wieder hervorzuwürgen und in einer Lache verbrauchten Seins zurück zu lassen. Obgleich er an die Details dieser Träume sich nicht mehr konnte entsinnen, fühlte Gracchus sich eben so - verspeist, halb verdaut und vomiert, sodass die Angelegenheit, welche an diesem Tage als erste auf die Agenda der Sitzung wurde gesetzt, mehr noch dazu gereichte, ihn zu sekkieren. Es gab nur ein einzig mögliches Resultat dieser Debatte und so die Auslegung der sibyllinischen Bücher zu einem konträren Befund war gelangt, so würde dies nurmehr ein weiteres Indiz für den Verfall römischer Werte sein, welchen Gracchus zuletzt aller Orten und Gelegenheiten mehr und mehr zu beobachten glaubte - wiewohl er sich vehement verbat, dies auf sein stets im Takte der Zeit voranschreitendes, alsbald als fortgeschritten zu bezeichnendes Alter zu schieben, in welchem schon so mancher einst von revolutionärem Gedankengut getriebene Geist dem sturen Verhaften an verstaubten, verlebten Traditionen und Sitten war anheimgefallen. Gereiztheit zumindest war nicht dem Alter vorbehalten, wiewohl Gracchus dies Sentiment wie viele andere auch hinter einer unbewegten Fassade der Ernsthaftigkeit zu verbergen wusste - zumindest so lange bis das Ergebnis des Collegiums würde verkündet sein.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Sim-Off:

    Das erste Mal, dass ich mich hierher traue. :D


    Keine Sitzung der Pontifices ohne Vestalinnen. Meistens freilich hielten sie sich bedeckt im Hintergrund und taten wenig, außer hübsch auszusehen. Dieses spezifische Thema aber interessierte vor allem Romana brennend, sodass sie, ganz konträr zu den anderen Diskussionen, wo sie sich bisher um Zurückhaltung bemüht hatte, neugierig nach vorne gebeugt saß, begierig darauf, alles zu hören, was diskutiert wurde.


    Die Relatio von den Septemviri hatte etwas sehr Interessantes, und möglicherweise konnte es eine wahre Revolution des Cultus Deorum mit sich bringen. Nicht, als ob dies relevant für sie, Romana, wäre. Aber es wäre relevant zum Beispiel für Serrana, die vielleicht irgendwann höhere Priesterämter bekleiden könnte. Septemmulier Iunia Serrana? Die Vorstellung war köstlich. Aber nur zu verwirklichen, wenn die Bücher dies so sagten – und Romana vertraute den Quindecemviri, dass sie den Willen der Götter eindeutig erkennen konnten.


    Romana lächelte zu Gracchus und zu Durus hin. Ersterer war ihr, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner schrulligen Art sympathisch. Zweiteren schätzte sie über alle Maßen – nein, sie würde nie vergessen, dass er es gewesen war, der ihr auf dem Weg zur Vestalin geholfen hatte.


    Dann wandte sie ihren Blick zu Annaeus. Ein nicht allzu mickriger Senator schon etwas reiferen Alters, mit einem fast schon als vierschrötig zu bezeichnendem Gesicht. Er würde die Ergebnisse vortragen. Romana konnte kaum in Worte fassen, wie gespannt sie schon war.

  • "Verehrter Pontifex pro Magistro, werte Pontifices und geschätzte Vestalinnen wie schon gesagt wurde, bin ich heute stellvertretend für das Collegium der Quindecimviri sacris faciundis hier, um euch unsere Interpretation der Sybilinischen Bücher zu der Frage, ob Frauen in die stadtrömischen Collegien aufgenommen werden sollen, darzulegen. Aufgrund der doch eher ungewöhnlichen Fragestellung für eine Interpretation der Sybilinischen Bücher waren leider längere Beratungen notwendig um zu einem übereinstimmenden Ergebnis zu kommen. Nichtsdestoweniger möchte ich euch dieses Ergebnis nun offenbaren und erläutern."


    "So gelangten wir zu der Interpretation, dass eine Aufnahme von Frauen nicht dem Willen der Götter enstpricht und möglicherweiße eine Gefahr für den Pax Deorum darstellt. Für diese Interpretationen sprechen viele Passagen der Sybilinischen Bücher, von welchen ich euch die vier wichtigsten näher bringen will."


    "Die erste Passage lässt sich in etwa als >Altes Recht ist gutes Recht, niemals wird es wirklich schlecht< übersetzen. Das Collegium stimmt überein, dass darunter zu verstehen ist, dass die Regeln und die Ordnung des Cultus Deorum, die unsere geschätzten Vorfahren vor langer Zeit aufgestellt haben, immernoch gut und richtig sind und nicht geändert werden sollten."


    "Die Übersetzung der zweiten Passage lautet >So wie der Wolf besser mit der Wölfin kann, so doch nicht die Frau mit ihrem Mann<. Wir sehen darin die Bedeutung, dass für einen Dienst an den Göttern innerhalb der Collegien die unterstützende Kraft einer Ehefrau sehr wichtig für die Collegiumsmitglieder ist. Ähnlich wie bei den Flamines. Dies spricht allerdings gegen eine Aufnahme von Frauen, da ihnen diese Unterstützung einer Ehefrau nicht zu Teil werden kann, weshalb ihr Dienst an den Göttern in den Collegien nicht den selben Wirkungsgrad erreichen kann."


    "Natürlich sind diese Sachverhalte noch stark vereinfacht von mir dargestellt. Falls soweit trotzdem Verständnisfragen gibt, werde ich sie gerne beantworten. Ansonsten werde ich mit den nächsten beiden Passagen fortfahren."

  • Natürlich nahmen auch die Vestalinnen an der Contio teil, wenn auch ohne Stimmrecht. Gerade dieses Thema war möglicherweise auch für sie interessant. Durus beobachtete ihre Reaktionen auf das Ergebnis der Quindecemvir, das er beinahe befürchtet hatte. Doch sie wirkten vorerst ebenso ruhig und gefasst wie die Pontifices.


    "Könnte die zweite Passage nicht auch dahingehend gedeutet werden, dass ein Mitglied eines Collegiums lediglich eines Ehegatten bedarf, unabhängig vom Geschlecht? Oder lässt der Originaltext diese Interpretation nicht zu?"


    Zwar waren die Sibyllinischen Bücher auf Griechisch, doch wollte Durus doch nicht auf seine eigene Rückübersetzung vertrauen, sondern die Kenner des Originals befragen.

  • "Für einen Laien im Umgang mit den Sybilinischen Büchern mag dies auf den ersten Blick sicherlich eine weitere Möglichkeit der Interpretation darstellen. Doch dem stehen verschiedene Dinge entgegen. Ersteinmal muss ich dir sagen, dass meine Worte nicht eine direkte sondern eine sinngemäße Übersetzung gemäß unterer Interpretation darstellen, um euch den grundlegenden Sinn zu veranschaulichen. Das Latein und das Griechisch der Orginale ist das unserer Vorväter und unterscheidet sich in vielen Dingen von unseren heutigen Sprachen, weshalb eine Übertragung eine difizile Angelgenheit ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Klarheit und Verständnis der Texte an sich unabhänging von der Sprache, teilweise zu wünschen übrig lässt. Daher sind die Orginale eindeutiger. Außerdem gibt es für die Interpretation der Sybilinischen Bücher eine eigene Symbolik und Regeln, die noch aus den Zeiten der römischen Könige stammen und innerhalb des Collegiums von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Und auch diese Regeln, schreiben diese Interpretation vor. Bestehen weitere Fragen? Sonst fahre ich sogleich fort."




    [SIZE=7]Edit: Die letzten beiden Sätze waren grammatikalisch Falsch.[/SIZE]

  • Allfällig würde der Tag nicht so schlecht enden wie er hatte begonnen. Als Anneus die Quintessenz der Quindecimviri bekannt gab, zuckte für einen marginalen Augenblick Gracchus' linker Mundwinkel empor, wiewohl die Anspannung sich ein wenig aus seinem Leib löste, denn die ausführlichen Erläuterungen zur Entscheidungsfindung, welche dem folgten, waren nurmehr krönendes Zierwerk, würden indes nichts mehr an der Auslegung des göttlichen Willens ändern, welchem auch die Pontifices sich nur schwerlich würden entgegenstellen können. Dennoch lag Gracchus' gesamte Konzentration auf jenen Explikationen, wiewohl er suchte, die angeführten Passagen sich zu merken, mochten jene doch auch auf künftige Causae durchaus anwendbar sein.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Durus nickte nachdenklich. Natürlich wollte er den Quindecemviri nicht in ihr Handwerk reden, denn er verfügte kaum über das Geheimwissen, das für derlei Interpretationen notwendig war. Dennoch war es letztendlich natürlich die Entscheidung der Pontifices, ob sie ein solches Urteil annahmen oder nicht.


    Um dies jedoch fundiert tun zu können, musste auch - wie bei einer Gerichtsverhandlung - die Gegenseite gehört werden.


    "Gibt es denn möglicherweise andere Passagen, die in eine andere Richtung deuten?"


    Zwar war es wohl sehr unwahrscheinlich, dass die Pontifices sich nicht dem Urteil der Fünfzehnmännern anschlossen, dennoch wollte der Pontifex pro Magistro es schon genauer wissen.

  • Ja, ruhig und gefasst wirkten sie, die Vestalinnen. Nun, schließlich war es ihre Aufgabe, die Würde und Nobilität ihrer Gottheit widerzuspiegeln. Innerlich aber fühlte sich Romana ein wenig niedergeschlagen, als sie die Worte hörte. Natürlich waren Traditionen etwas äußerst Feines, aber das, was die Götter zu sagen hatten, war immer das, was man am Höhsten einstufen musste. Und die Götter schienen wohl nichts sonderlich Neues zu sagen haben. Altes Recht ist gutes Recht... Romana dachte daran, wie man, wie sie in einem Buch über die Republik gelesen hatte, früher jemanden auf offener Straße verprügeln durfte und dafür nur ein paar Asse zahlen musste. Ob das so gut war? Und was wäre Rom unter dem alten Recht, das keine Kaiser vorsah? Aber gut, sie hielt sich zurück. Die Götter mussten Recht haben. Immer.


    Auch wenn sie mit Neugierde verfolgte, wie Durus versuchte, das ganze in eine weniger altväterliche Richtung zu lenken. So liberal kannte sie den alten Tiberier ja gar nicht! Ob es andere Passagen gab, fragte sie sich auch. Neben sich hörte sie leise Lartia Restituta. “Ich Wölfin, ich“, flüsterte sie mit einem Grinsen auf den Lippen. Romana bohrte ihren Zeigefinger in ihren linken Arm. “Reiß dich am Riemen“, mahnte sie leise, konnte sich aber ein amüsiertes Lächeln auch nicht unterdrücken. Sich die von Grund auf harmlose Restituta als Wölfin vorzustellen entbehrte nicht eines gewissen Witzes. Aber nun galt es, zu sehen, was der Quindecemvir weiter von sich geben würde.

  • "Natürlich gibt es Stellen, die auch in eine andere Richtung deuten könnten. Doch wie ich schon sagte, es gibt Regeln und Bräuche bezüglich der Interpretation der Sybilinischen Bücher. Und genau diese Regeln und Bräuche haben dazu geführt, dass diverse Passagen in diesem Fall und zu dieser Zeit nicht zur Anwendung kommen. Die Interpretation, die ich euch vorstelle, wird vom Collegium einstimmig als richtig und folgerichtige anerkannt. "


    erklärte Modestus erneut und war langsam aber sicher aufgebracht, auch wenn sich die freundliche Miene auf seinem Gesicht nicht änderte. Er war lange genug im Senat um seine Gefühle nicht öffentlich zur Schau zu stellen. Schon aus Prinzip würde er dem Tiberier keine Munition liefern, um die Interpretation des Collegiums umzustoßen oder zu umgehen. Es würde die Integrität des Collegiums wie auch die seiner Mitglieder in Frage stellen und eine Demütigung bedeuten. Und wenn er hier solch eine Sache als Vertreter des Collegiums auch noch zulies, dann würde das seinen Stand innerhalb des Collegiums in Gefahr bringen. Warum hatte dieser tiberische Narr, wenn er so darauf versessen war Frauen in die stadtrömischen Collegien einzusetzen, sich nicht im Vorfeld darum gekümmert? Mit den richtigen Bestechungsgeldern und Gefallen wäre es ein Leichtes gewesen ein entsprechendes Ergebnis durchzusetzen. Und sie hatten sich einige Diskussionen sparen können. Im Gegenzug für seine eigene Erhebung zum Magister hätte er sich sogar an die Spitze dieser Bewegung gesetzt, doch der Tiberier hatte offensichtlich andere Pläne. War es seine Absicht das Collegium der Quindecimviri sacris faciundis zu demütigen? Der Brief, der an Modestus und nicht an die Magister geschickt worden war, hatte schon einiges an Aufregung verursacht. Er bemerkte dahingehend auch eine grinsende Vestalin und in seiner Rage, warf er ihr einen scharfen Blick zu. In dieser ehrwürdigen Versammlung war dies doch ein höchst unpassendes Verhalten!


    "Zumal ich noch anmerken möchte, dass diese Interpretation sich schon als außerst kompliziert erwiesen hat, da die Sybilinischen Bücher normalerweiße nicht zu solch profanen Angelgenheiten befragt werden. Daher waren wir besonders bemüht. Und davon abgesehen sind für solche Angelgenheiten Auguren und Haruspices vorhanden. Die heiligen Bücher sollten nur im Zeiten befragt werden in welchen sich der Pax Deorum und der Staat ich höchster Not befinden."

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