Früh übt sich, wer ein Räuber werden will

  • Von der Domus Iulia begab ich mich direkt in die Subura. Um diese Zeit schien mir das am sinnvollsten zu sein, um sechs Passanten um ihre Geldbeutel zu erleichtern. Den ganzen Tag über hatte ich mir überlegt, wie ich das anstellen sollte. Dann erinnerte ich mich, was ich bereits gesehen oder gehört hatte. Wichtig war es, dass ich schnell und konzentriert vorging. Dummerweise hatte ich keine Möglichkeit mich groß darauf vorzubereiten. Das bedeutete, ich musste meine Opfer vorher beobachten, bevor ich zuschlug.


    Als ich die Subura endlich erreicht hatte, beschloss ich, zuerst eine Taberna aufzusuchen, um mir Mut anzutrinken. Wie es der Zufall wollte, setzen sich ein paar Männer an meinen Tisch, die sich munter mit mir unterhielten. Die beiden hatten vorher schon ordentlich getrunken und begannen schon bald zu lallen. Noch eine Cervisa mehr und sie bekamen nichts mehr mit. So war es dann auch. Ich nahm den beiden ihre Geldbeutel ab und verschwand unauffällig aus der Taberna.


    Über meinen ersten Erfolg beflügelt, wurde ich nun mutiger. Als ich an einer Garküche vorbei kam und ein Mann, der sich gerade etwas zu Essen geholt gekauft hatte seinen Geldbeutel wegstecken wollte, stieß ich mit ich mit ihm zusammen und raubte ihm seine Habe. Da er sich darüber aufregte, dass sein Essen zu Boden gefallen war, hatte er gar nicht bemerkt, wie ich ihn bestohlen hatte. Ich entschuldigte mich vielmals und ging weiter. Erst als ich schon längst verschwunden war, bemerkte er seinen Verlust. Auf diese Weise gelang auch der vierte und fünfte Geldbeutel in meinen Besitz.


    Bei meinem sechsten Opfer allerdings wurde ich übermütig. Wieder schlenderte ich durch eine Gasse. Diesmal stieß ich mit einem der Passanten zusammen, doch ich konnte seinen Geldbeutel nicht rechtzeitig greifen. Der Kerl, der zunächst ganz überrascht gewesen war, kam mir auf die Schliche und begann laut zu schreien. „Ein Dieb! Ein Dieb! Fasst den Dieb! Er wollte mir meinen Geldbeutel stehlen!“ Verdammt noch eins! Ich nahm meine Füße in die Hand und begann zu rennen. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass der Mann mir folgte. Ich lief und lief und lief. Ich versuchte ihn abzuhängen, indem ich die Richtung wechselte. Doch der Kerl hatte eine gute Ausdauer.
    Als ich merkte, dass mir langsam die Puste ausging, bog ich in eine andere Gasse ein und versteckte mich in einer Türnische. Der Mann blieb an der Ecke stehen. Auch er war außer Atem, doch er suchte noch immer nach mir. In dem Moment gab die Eingangstür nach. sie war wohl nicht richtig geschlossen gewesen und ich kullerte regelrecht in den Eingang eines Hauses hinein. Ein seltsamer Geruch umgab mich, während ich mich wieder aufrappelte und die Tür schloss „Hallo, ist hier jemand?“ rief ich.



    Sim-Off:

    Titel frei nach Schiller :D


    Sim-Off:

    edit: Link nachträglich eingefügt

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    Als sich die Tür zum Haus des Sehers hinter mir schloss, machte ich ein paar Schritte und blieb dann wieder stehen. Ich lehnte mich gegen die Hauswand und atmete erst ein paarmal tief durch und reflektierte dabei das eben Erlebte. Die Kühle der Nacht tat mir gut und ich fand, dass dadurch mein Kopf wieder klarer wurde. Diese seltsame Begegnung würde ich so schnell nicht wieder vergessen.


    Ich überlegte, ob ich zurück zur Domus Iulia gehen sollte. Doch dann fiel es mir wieder ein, ich hatte noch etwas zu erledigen! Es waren erst vier gestohlene Geldbeutel in meinem Besitz! Das bedeutete, ich musste noch mindestens zwei Unglückliche von ihrer Habe befreien. Und falls ich mir selbst noch eine Cervisia oder einen Met genehmigen wollte, dann waren es sogar drei!


    Einfach konzentrieren, sagte ich mir. Ich musste mich einfach auf mein Tun konzentrieren und genau beobachten. Dann klappte es auch wieder mit den Geldbeuteln! So zog ich wieder los, begab mich zu den belebteren Gassen und Plätzen der Subura und mischte mich unter die Menschen. Dabei beobachtete ich die Leute, in der Hauptsache waren es Männer. Dann suchte ich mir einen aus, der bereits leicht angetrunken war. Wieder rempelte ich ihn an und während ich mich noch für meine Unaufmerksamkeit entschuldigte, stahl ich bereits den Geldbeutel meines Opfers. Mit dieser Masche hatte ich auch zwei weitere Male Glück, so dass ich mich nun wesentlich erleichtert fühlte.


    Den letzten erbeuteten Geldbeutel wollte ich für mich behalten. Zu meiner Überraschung war er gut gefüllt. Einen Teil davon würde ich in einer der unzähligen Tabernae in ein paar Cervisiae investieren, Danach würde ich zufrieden in die Domus zurückkehren können, denn die erste Aufgabe hatte ich, zwar mit einigen Schwierigkeiten, gemeistert. So zumindest sah mein Plan aus.

  • [Blockierte Grafik: https://www.byzantinisches-rei…tlich_maennlich/got60.png| Gaius


    Angus hatte die erste Aufgabe also gemeistert und natürlich war dies nicht unbemerkt geblieben. Denn damals bei seiner Freilassung hatte Babilus dem keltischen Sklaven ein Versprechen gegeben und für gewöhnlich pflegte er diese zu halten, besonders in geschäftlichen Belangen. Angus würde vom Moment seiner Freilassung an unter ständiger Beobachtung stehen, damit man auch mitbekam, wenn er eine der Aufgaben erledigte und genauso war es auch gekommen. Die im Dienste der Krähe stehenden Banden von Straßenkindern hatten seither unentwegt ein unauffälliges Auge auf ihn gehabt. In Rom gab es viele Straßenkinder, wer achtete schon groß auf sie? Und nachts, wenn der Lärm der Straße verklungen und die Straßen und Gassen in Schwarz getaucht waren, gab es nichts besseres als einen kleinwüchsigen Leib, um sich zu verstecken und nichts leiseres als die nackten leichten Sohlen eines Kindes für leise Schritte in der Dunkelheit.


    So hatte nach der Ablöse seines Kollegen zuletzt Gaius, eines der drei Vögelchen von Helvetius Archias, ein Auge auf Angus geworfen und war ihm unauffällig gefolgt. Er hatte beobachtet, wie dieser gestohlen und sich anschließend in einen Laden geflüchtet hatte. Seltsam, den kannte er noch gar nicht, war da nicht zuvor etwas anderes darin gewesen? Besser er meldete auch das weiter, damit ein paar krähische "Steuereintreiber" demnächst einmal vorbeisehen mochten. Gaius wartete längere Zeit, bis sich die Tür des Ladens endlich wieder öffnete. Doch nicht für lange, denn Angus drehte noch am Absatz um und trat wieder ins Innere. Dann verging wieder einige Zeit, ehe sich das Tor erneut öffnete und abermals Angus freigab. Als dieser die Straße hinabwanderte, verließ Gaius seinen Beobachtungsposten und heftete sich ein weiteres Mal an die Fersen des Sklaven. Nach seiner Zählung musste er jetzt vier Beutel haben. Gaius wurde Augenzeuge der letzten beiden Diebstähle, sogar ein weiterer Beutel kam noch hinzu. Damit war Aufgabe Eins also erfüllt. Gaius vergewisserte sich welchen Pfad Angus jetzt als nächstes nehmen wollte und lief dann los, eine, Seitengasse nehmend, um ihn zu überholen, und dann zurück auf der Hauptstraße ein Stück vor ihm zu warten.
    Als Angus dann unweigerlich auf Gaius traf, sah dieser zu ihm hoch. Dann griff er in seinen Mantel und holte einen blanken Krähenschädel hervor, den er Angus zeigte, quasi als Ausweis dafür wer er war und zu wem er gehörte.
    "Gib mir die Geldbeutel."

  • Zufrieden mit meinem Plan steuerte ich eine der besseren Tabernae an. Schließlich wollte ich die erfolgreiche Ernte meines ersten Raubzuges nicht in einem Drecksloch begießen. „Zum durstigen Gallier“ hieß der Schuppen, der zwei Straßen weiter lag und in der sich für gewöhnlich nicht der größte Abschaum Roms traf. Ja, dort würde ich mir ein paar Cervisiae genehmigen und vielleicht auch noch eine Kleinigkeit essen. Der Wirt, natürlich ein Gallier, war ein begnadeter Koch, so wie ich gehört hatte. Dementsprechend war sein Laden auch nicht ganz billig. Auch die Mädchen, die dort bedienten und zu gewissen anderen Diensten zur Verfügung standen, waren sauber, gesund und sollten eine wahre Augenweide sein.
    Voller Vorfreude darauf hatte ich gar nicht den Knirps beachtet, der mich, ohne dass ich es geahnt hatte, schon eine ganze Weile verfolgte. Als er sich mir plötzlich in den Weg stellte und er aus seinem Mantel einen bleichen Krähenschädel hervorzauberte, bleib ich abrupt stehen und schluckte erst einmal. Babilus´ Worte waren auf einmal wieder präsent, als hätte er sie erst gestern ausgesprochen. Mein Herz schlug auf einmal schneller. Der Knirps hatte mich die ganze Zeit im Auge behalten. Selbst dann noch, als ich im Laden des Magus verschwunden war. Er würde der Krähe auch Bericht erstatten und ihn über meine Fähigkeiten in Kenntnis setzen. Mit Sicherheit hatte er auch bemerkt, dass ich nicht nur sechs, sondern sieben Leute bestohlen hatte. Also lohnte es sich nicht, das zu verleugnen.
    Ich fackelte nicht lange, sondern kramte die sechs Geldbeutel hervor und übergab sie dem Jungen, als er mich angesprochen hatte. „Hier, sechs Geldbeutel. So wie gefordert. Der Siebte ist für mich selbst. Ich brauche schließlich auch ein bisschen Geld.“ Damit sah ich die erste Aufgabe als erledigt an und ging weiter, nachdem ich dem jungen noch einmal unauffällig zugenickt hatte. Der durstige Gallier wartete schließlich schon auf mich! Nach zwei Krug Met kehrte ich müde und weinselig zurück in die Domus.

  • Einige Abende später begab ich mich im Schutz der Dunkelheit erneut in die Subura. Die zweite Aufgabe stand an: Drei Überfälle auf Passanten mit gezogenem Dolch. Um die nötige Kaltschnäuzigkeit für diese Aufgabe zu haben, hatte ich mir im Vorfeld schon ein wenig Mut angetrunken. Jedoch nicht so viel, dass dadurch meine Sinne getrübt wurden. Denn auch dieses Mal konnte ich mir sicher sein, dass all mein Tun von den Vögelchen der Krähe überwacht wurde.


    Aufmerksam lief ich durch die Gassen und hielt dabei Ausschau nach geeigneten Opfern. Es sollten keine armen Schlucker sein. Aber auch nicht solche, die mit ihrem halben Hofstaat unterwegs waren. Zum Glück musste ich nicht lange suchen. Ich nahm einen Mann ins Visier, der gut zehn, fünfzehn Jahre älter war, als ich. Seine Aufmachung verriet mir, dass er nicht zu den Allerärmsten der Stadt gehörte. Ich verfolgte ihn eine Weile und blieb dabei stets einige Schritte hinter ihm. Die Götter schienen mir auch hold zu sein, denn plötzlich bog er ein eine stille dunkle Gasse ein, um sich an einer Hauswand zu erleichtern. Das war meine Chance und ich nutzte sie auch, ohne zu zögern. Ich zog meinen Dolch, trat von hinten an mein Opfer heran und drückte ihn mit der Masse meines Körpers unsanft gegen die Hauswand. Dabei setzte ich ihm meinen Dolch direkt unter die Kehle, so dass er die Schärfe meiner Klinge erahnen konnte. Eine falsche Bewegung und der Kerl würde in Sekundenschnelle sein Leben aushauchen.
    „Dein Geld her, sonst lasse ich dich wie ein Schwein ausbluten!“, wisperte ich ihm eiskalt in sein Ohr. Er hatte sich mächtig erschrocken und begann leise zu wimmern und zu betteln, ich möge doch sein Leben verschonen. Kurze Zeit später hielt er mir seinen gefüllten Geldbeutel entgegen. Ich nahm ihn an mich. Dann stieß ich ihn mit dem Gesicht gegen die Hauswand, um ihn so außer Gefecht zu setzen, damit er mich nicht verfolgte. Stöhnend und mit blutender Nase taumelte er schließlich zu Boden, als ich von ihm abließ und verschwand.


    Ich war richtig stolz auf mich und den geglückten ersten Überfall. Doch wenn ich eines aus meiner ersten Aufgabe gelernt hatte, dann war es, in all dem Freudentaumel nicht übermütig und dadurch unaufmerksam zu werden! So konzentrierte ich mich sofort wieder auf die Suche nach meinem zweiten Opfer.


    Diesmal war es ein jüngerer Mann, der protzig eine goldene Kette um den Hals trug. Der Kerl schien förmlich darauf aus zu sein, dass man ihn überfiel. Diesen Gefallen würde ich ihm tun, beschloss ich. Wieder beobachtete ich ihn erst eine Weile, bevor ich zuschlug. Dann wollte ich an ihm vorbeilaufen, aber rempelte ihn dabei an, so dass er zu straucheln begann. Ich blieb stehen, begann mich für meine Unaufmerksamkeit zu entschuldigen und legte meinen Arm um ihn, um ihm wieder aufzuhelfen. Womit der junge Mann in diesem Augenblick am wenigsten gerechnet hatte, war der Dolch in meiner anderen Hand, der ihn urplötzlich bedrohte.
    „Wenn dir dein Leben lieb ist, gibst du mir jetzt all deine Habe! Deinen Geldbeutel und diese alberne Kette um deinen Hals… und wehe, du schreist!“, zischte ich. Gemeinsam gingen wir ein paar Schritte weiter. Noch immer lag mein Arm um seinen Oberkörper. Irgendwann schob ich ihn in eine Häusernische, um ihn dort all seiner Habseligkeiten zu entledigen. Für die vorbeikommenden Passanten schienen wir beide wohl ein Liebespaar zu sein, die dabei waren, sich zu vergnügen. Meinem Opfer jedoch war spätestens dann der Spaß vergangen, als ich ihm mein Knie in den Unterleib rammte und er sich vor Schmerzen zusammenkrümmte. So ließ ich ihn dort zurück und verschwand schnell. Seinen Geldbeutel und die Goldkette waren bereits sicher verwahrt.


    Ich lief noch ein Stück die Gasse hinunter und verschwand dann in einer Seitengasse. Dort blieb ich stehen und schnaufte durch. Ich war über meine Dreistigkeit und Bosheit selbst erschrocken. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte ich es nicht für möglich gehalten, zu so etwas fähig zu sein. Doch diese Gedanken schob ich schnell wieder beiseite. Jetzt nur nicht einknicken, dachte ich. Ich hatte es doch schon fast geschafft! Nur noch einen Überfall und ich hatte die zweite Aufgabe auch erfüllt. Also noch einmal volle Konzentration auf mein drittes und letztes Opfer für diesen Abend!

  • Die Informantin war ausgesprochen scheu. Aus diesem Grund traf ich sie allein, und zwar im Hinterzimmer eines Perückenmachers in der Subura (lange Geschichte, das). Zwischen Holzköpfen, Haarzöpfen, Knüpfbrettern und hochaufgetürmten Kreationen – meisten rotgefärbt, das war wohl der neueste Subura-Schick – erfuhr ich ganz erstaunliche Dinge über die Spielschulden, die mein werter Mit-Tribun Tantasius angehäuft hatte: ausgerechnet der palmyrensische Gesandte war ihm, wenn auch um zwei Ecken bei der Tilgung behilflich gewesen. Ebenjener Gesandte, den wir schon lange verdächtigten, des verfluchten Shah-in-Shah Augen und Ohren hier zu sein! War Tantasius der Maulwurf? Es passte alles zusammen... fast schon zu gut. Die Informantin wollte kein Geld, gab vor aus Rache zu handeln, stets ein unzuverlässiges Motiv.
    Mir schwirrte der Kopf, als ich, in einigem Abstand zu ihr, die Werkstatt verließ. Ich erwog, Tantasius einige Informationen zuzuspielen, über ein nicht all zu wichtiges Vorhaben... vielleicht einen Geldtransport zur Unterstützung romfreundlicher Kräfte in einer der Grenzstädte... um somit zu überprüfen ob diese durch ihn an den Feind durchsickern würden... doch natürlich opferte ich ungern Agenten. Ihn jedoch zu beschuldigen ohne Beweise zu haben, das könnte wiederum mich selbst den Kopf kosten.


    Entschlossen verschob ich diese Gedanken auf den morgigen Tag, und achtete lieber auf meine unmittelbare Umgebung, denn so ganz ohne war es nicht, alleine hier unterwegs zu sein.
    Andererseits auch... befreiend, endlich mal wieder ohne Leibwächter im Schleptau. Ich war inkognito, einfach gekleidet, mit einem ungefärbten Pallium, unter dem ich den Pugio umgeschnallt trug, dazu (wie immer) verborgen unter der Tunika das Stilett. Narcissus hatte mir die Haare in der Art der Straßengockel nach hinten geölt, und den Schmiss auf meiner Wange gekonnt überschminkt. Kurzum, ich war ein sich nahtlos in das Straßenbild einfügender Passant und genoss es, auf den Spuren der Vergangenheit ein wenig durch das Viertel zu schlendern. Ich machte auch einen kleinen Abstecher in die Wassergasse, aber die Insula in der ich damals gehaust hatte war abgerissen und eine neue, die ebenso Bruchbudig aussah, an ihre Stelle gesetzt. Mit einem Anflug von Nostalgie spazierte ich an der Kneipe vorüber, wo ich damals, vor Ewigkeiten, mit Hannibal und Scintilla das skandalöse kleine Stück geschrieben hatte... keine Schlachtfeldrede hatte mich je so euphorisch gemacht wie unser unverfrorener Auftritt damals.
    Dann verweilte ich längere Zeit am Argiletum, bei den Antiquariaten, und stöberte in den Kisten mit deren Schätzen, barg daraus eine zerfledderte Schriftrolle mit Anakreonischen Versen, und ein Fragment eines Reiseberichtes ins ferne Land der Serer. Die gönnte ich mir.
    Über dem Stöbern war die Zeit vergangen, und es wurde schon dunkel, als ich mich, die Schriftrollen in der Hand, zügig auf dem Heimweg machte. Ich kam in der Nähe des Platzes vorbei, wo wir damals beim großen Rattenbeißen eine gelungene Verhaftung durchgeführt hatten, umging eine schleimige Pfütze, und erinnerte mich an den wackeren kleinen Kämpfer Ultor. Bestimmt war er längst zu seinen Ahnen gegangen.
    Oder? Wie alt wurden eigentlich Frettchen?

  • Nach den beiden geglückten Überfällen war ich irgendwie wählerischer beim Aussuchen meines nächsten Opfers geworden. Keine der Passanten die mir begegneten oder an denen ich vorbei lief, schienen mir gut genug zu sein. Denn schließlich wollte ich diese zweite Aufgabe mit Bravour meistern. Die einen kamen mir zu schmächtig vor. Manchen sah man schon von weitem an, dass sie arme Schlucker waren und bei ihnen nicht viel zu holen war. Diejenigen, die ich als „richtig“ erachtet hatte, waren fast immer in Begleitung unterwegs. So langsam wurde ich verdrießlich und ich beschloss, den nächstbesten auszuwählen, der mit über den Weg lief. Außerdem knurrte mir der Magen und gegen eine Cervisia hätte ich nichts einzuwenden gehabt.


    Gesagt, getan! Es dauerte nicht allzu lange, bis ich fündig wurde. Auch wenn dieser schmierige Kerl, dessen Haare wie geleckt nach hinten geölt waren, auf den ersten Blick nicht besonders lukrativ wirkte. Dennoch beschloss ich, dass dies mein nächstes Opfer sein sollte. Der Mann mittleren Alters war einfach gekleidet. Doch mir fiel die Schriftrolle auf, die er bei sich trug. Im Gegensatz zu jenen, die Vergnügen in der Subura suchten und daher durch die Gassen schlenderten, war er mit strammen zügigen Schritten unterwegs. So als ob er zu einem bestimmten Ziel strebte. Warum auch immer redete ich mir ein, mit ihm einen guten Fang machen zu können. Also ließ ich ihn erst ein paar Schritte an mir vorbei gehen und folgte ihm dann unauffällig mit einem gewissen Abstand. Zunächst wollte ich ihn beobachten. Doch bei der nächsten Gelegenheit, die sich mir böte, würde ich zuschlagen.

  • Ein ungutes Kribbeln lief über meinen Nacken, als ich gleichbleibend Schritte hinter mir vernahm. Das war vielleicht unsinnig (ich muss zugeben, dass ich seit der heimtückischen Attacke des Sciurus, möge sein Kadaver am Grunde des Mare Nostrum die Fische fett machen, ein wenig schreckhaft geworden war), vielleicht aber auch nicht. War es doch eine Falle des Tantasius gewesen... doch warum sollte er dann so verspätet zuschlagen? Ich ging aufrecht in der Mitte der Gasse weiter, ließ mir nichts anmerken, hielt jedoch die Augen offen nach einer geeigneten Abzweigung, wo ich abbiegen und mich verbergen oder auch selbst aus dem Hinterhalt zuschlagen könnte...
    Doch was ich dann erblickte, war noch viel besser: es war ein Wirtshausschild, mit einem schnauzbärtigen Gesellen, der sich ein schäumendes Getränk in den Rachen goss. Zwei Zecher traten gerade, sich gegenseitig stützend, aus der Türe. Durch deren Öffnung fiel ein einladendes Lichtviereck auf das ranzige Pflaster, Stimmen und Musik wehten hinaus.
    Erleichtert über diesen Ausweg bog ich schnurstracks in die Caupona ein. Dabei warf ich einen Blick zurück, sah aber niemanden. Vielleicht waren es nur meine überspannten Nerven gewesen, oder vielleicht war ich gerade einer Messerstecherei entronnen. Doch wenn ich daran zurückdachte, wie viele Leichen wir hier in meiner Urbanerzeit immer aus der Gosse gefischt hatten – deprimierend war das gewesen damals, war mir auf die Dauer richtig an die Nieren gegangen – dann hielt ich es doch für das Klügste, hier ein wenig zu verweilen und mir dann irgendeinen Hausknecht mit Stecken und Laterne für den restlichen Heimweg zu mieten.


    Wider Erwarten war die Kneipe keine Kaschemme. Die Luft war zwar rauchig vom billigen Öl der Lampen und das Publikum "urig", doch es roch ganz gut nach Fleisch, Gebackenem und Gewürzen, vom Tresen her, wo eine vierschrötige Frau gerade mit einem Schöpflöffel zugange war. Über ihr hingen eine Menge Würste und Schinken von der Decke. Ich besorgte mir bei ihr einen Becher verdünnten Landwein und setzte mich in eine freie Ecke auf eine gemauerte Bank, gab mir den Anschein mich entspannt zu fläzen, hatte aber den Rücken zur Wand und dem Raum im Blick. Ein verhutzelter Pfeifer spielte auf einer Knochenflöte, und das gar nicht schlecht, und ein dürres Mädchen sang dazu in einer fremden Sprache.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Ich blieb meinem nächsten Opfer weiterhin auf den Fersen. Mit genügend Abstand, verstand sich. Nicht dass er am Ende noch Verdacht schöpfte. Als er dann ganz plötzlich in eine Seitengasse einbog, beschlich mich langsam das Gefühl, das der Kerl doch schon Lunte gerochen hatte und mir womöglich nun gleich auflauern würde. Also tastete ich mich auch vorsichtig in der Gasse voran, merkte aber dann schnell, dass er eine Taberna ansteuerte. Darüber sehr erleichtert wurden meine Schritte wieder größer und ich folgte ihm weiter.
    Ich ließ ihn eintreten und blieb kurz vor dem Gebäude stehen, welches die Taberna beherbergte. Irgendwie kam mir das alles seltsam vertraut vor. Endlich hob ich meinen Blick und erkannte das vertraute Holzschild an der Hauswand, das von einigen Laternen beleuchtet war und auf dem mit schwarzer Farbe die Umrisse eines Baumes mit voller Krone abgebildet war. Darüber stand in großen Lettern römische Lettern, deren Bedeutung aber nur jene erfassen konnten, die meiner Muttersprache mächtig waren: 'CRANN NA BEATHA" (sprich: Grann na Ba-ha). Ich stand direkt vor dem ‚Baum des Lebens‘! Denn genauso hatte mein alter Freund und Landsmann Cian seine Taberna genannt. Nachdem ich gehört hatte, dass die Cohortes ihn festgenommen hatten, weil er sich angeblich mit lichtscheuem Gesindel eingelassen hatte, glaubte ich schon, ihn nie wieder zu sehen. Doch offenbar hatte sich seine Unschuld herausgestellt und man hatte ihn wieder laufen lassen.


    Mein Herz wurde leichter, als ich eintrat. Beinahe hatte ich schon vergessen, weshalb ich überhaupt hier war. Ich zog die Kapuze meiner Paenula nach hinten und entledigte mich ihrer dann ganz.
    Da stand er auch dann hinter seinem Tresen, mein Freund Cian, und lachte. Lieblicher Gesang einer alten Weise von meiner geliebten Insel drang in mein Ohr. Die Sängerin war seine älteste Tochter, die sich in der Zwischenzeit zu einer wahren Schönheit gemausert hatte. Natürlich war auch seine Frau da, die sich um das Essen kümmerte.


    Kurz ging mein Blick durch den Schankraum, auf der Suche nach meinem Mann. Der hatte sich bereits mit einem Becher römischen Fusels in eine Ecke verzogen. Dort sollte er ruhig noch eine Weile bleiben! Zuerst wollte ich meinen Freund begrüßen.
    Als Cian mich erblickte, kam er mir entgegen geeilt und umarmte mich. Wir unterhielten uns in unserer Muttersprache. Natürlich bestand er darauf, dass die Cervisia, die er mir anschließend einschenkte, aufs Haus ginge. Außerdem rief er seiner Frau zu, mir schnell einen ordentlichen Lammeintopf zuzubereiten. Ich dankte vielmals, nahm den Becher mit der Cervisia und suchte mir einen freien Platz.


    Natürlich steuerte ich jene Ecke an, in die sich mein unbekannter ‚Freund‘ verzogen hatte und setzte mich neben ihn. „Slàinte mhath!“ - auf die Gesundheit, sagte ich in seine Richtung, hob meinen Becher und genoss das dunkelbraune Gesöff. Ahh, war das gut! Das erinnerte mich an alte Zeiten, die wesentlich besser gewesen waren, wie die jetzigen. Damals, als ich noch bei den Flaviern gewesen war und als ich mit Lyciscus auf Tour gewesen war, um das süße Leben zu genießen. Wahrlich war das in einem anderen Leben gewesen!

  • Mit großem Hallo betrat ein neuer Gast die Kneipe, ein stattlicher blonder Barbar, in dem ich überrascht den Leibwächter der Iulia Graecina wiedererkannte. Überrascht, weil er hier, in dieser Umgebung, die wohl eher seinem natürlichen Habitat entsprach, ganz anders wirkte als auf der Werkschau, wo er grimmig-gequält die Blumen gehalten hatte. Hier dagegen wirkte er gutgelaunt und lässig, schwatzte mit dem Wirt in irgendeiner Barbarensprache, wahrscheinlich germanisch, es klang jedenfalls sehr urtümlich und guttural. Das Blondhaar war malerisch zerzaust und jeder Zoll an ihm sprach von animalischer Kraft und Stolz...
    Was für ein prachtvolles Geschöpf.
    Und zudem – was für ein glücklicher Zufall! Ich könnte doch einfach Iulias treuen Custos engagieren, um mich nach Hause zu geleiten. Ja, das war eine ganz vortreffliche Idee. :]


    Mit einem Becher versehen kam er auf mich zu, ich sah auf und wartete auf den Moment wo er mich erkennen würde.... doch Narcissus schien seine Sache wirklich sehr gut gemacht zu haben. Vielleicht lag's auch am ganz anderen Milieu, oder am schlechten Licht, jedenfalls setzte er sich ohne Umschweife oder Anzeichen des Erkennens. Wie kurios. Ich beschloss, mir einen kleinen Spaß mit ihm zu machen, und mich nicht sofort zu erkennen zu geben.
    "Bene te!" erwiderte ich seinen unverständlichen Trinkspruch. Mein Wein war.... mäßig, ich krauste unwillkürlich die Nase. "Was trinkst du?"

  • Mein Nachbar hob auch seinen Becher und erwiderte meinen Trinkspruch. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was er eigentlich bedeutete. Doch gute Gesundheit konnte er durchaus brauchen, wenn ich erst einmal mit ihm fertig war. Doch eines nach dem Anderen. Erst beobachtete ich ihn einmal und versuchte, dabei nicht allzu auffällig zu sein. Jedes Detail konnte später wichtig sein! Ich hatte auch schon so eine Idee, wie ich dann vorgehen wollte.
    Jetzt, da er so nah neben mir saß und ich sein Gesicht erkennen konnte, kam er mir irgendwie bekannt vor. Doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, von woher wir uns kennen sollten. Vielleicht sah er auch nur jemandem ähnlich, den ich irgendwann einmal getroffen hatte. Na ja, im Grunde war es ja auch egal. Er war dazu auserkoren, mein drittes Opfer an diesem Abend zu werden. Danach würden sich unsere Wege so schnell wieder trennen, wie sie aufeinander getroffen waren.


    „Das ist Cervisia!“, erklärte ich. „Und zwar das Beste, was es weit und breit gibt! Der Wirt braut es selbst. Hier, willst du mal probieren? Ist garantiert besser als deine saure Brühe!“ Ich hielt ihm meinen Becher hin, damit er sich davon überzeugen konnte. Er sah nicht so danach aus, dass er nicht aus den Bechern von anderen trinken würde. Zum Glück gab es auch noch normale Leute in dieser Stadt, die auf dem Boden der Tatsachen geblieben waren und sich nichts auf ihre ach so edle Herkunft einbildeten, wie so manche römischen Herrenmenschen.


    Zu guter Letzt kam dann auch noch Gwen, Cians Frau, mit einem Teller lecker duftendem Lammeintopf in der Hand, den sie vor mir auf den Tisch abstellte. Ach, wie sehr hatte ich das vermisst! Ich sog den Duft des leckeren Essens ein. Gwen hatte es verstanden, ein traditionelles Gericht unserer Heimat mit den Gewürzen aus der Gegend zu veredeln. Das Ergebnis war einfach umwerfend! „Ach Gwen, du bist einfach zu gut zu mir!“, sagte ich ihr und wirkte dabei sehr heiter.
    „Für dich nur das Beste, Angus! Lass es dir schmecken!“, gab sie lachend zurück und entfernte sich wieder vom Tisch. Ich griff sofort nach meinem Löffel und begann zu essen.

  • Irritiert blinzelte ich, als er mir seinen Becher vor die Nase hielt.
    Primum: Cervisia trank ich nie, oder so gut wie nie. Einmal hatte mein Freund Sparsus, der sich ins wilde Germanien hatte versetzen lassen, keine Kosten und Mühen gescheut, um uns ein Fässchen nach Mantua zu senden, das hatte ich mit den Kameraden gemeinsam ausgetrunken, und es war ganz in Ordnung gewesen, aber als zivilisierter Mensch war ich eben nun mal Weintrinker.
    Secundum: Mit einem Sklaven aus einem Becher trinken?
    Jetzt nur nicht aus der Rolle fallen! Schlechter als die Plörre in meinem Becher, die sie hier als Wein bezeichneten, konnte das Barbarengetränk auch nicht sein. Und der Sklave war zwar ein Sklave, aber dafür ein ungemein attraktiver.
    "Gern."
    Ich nahm einen Schluck, und wischte mir den Schaum vom Mund.
    Gewöhnungsbedürftig, aber "...gar nicht übel." Der Eintopf, der ihm vorgesetzt wurde, der duftete wunderbar. "Ich sehe, du bist öfter hier und weißt was gut ist!" stellte ich grinsend fest, winkte kurzentschlossen der Bedienung, die sich schon wieder abwenden wollte.
    "Frau Wirtin!" bestellte ich, auf Cervisia und Eintopf deutend, mich todesmutig ins kulinarische Abenteuer stürzend, "Für mich bitte das gleiche!"
    Ja, das war einer der Zauber unserer ewigen Stadt, dass man nicht tausend Meilen reisen, sondern oft nur um eine Ecke gehen musste, um mit einem Mal an solch exotischen Orten wie hier zu landen. Oft genug wünschte ich mir, den festgefügten Formen meiner bürgerlichen Existenz zu entrinnen – nun genoss ich das kleine Abenteuer, das sich hier so unversehens aufgetan hatte.
    "Von was für einem Stamm bist du denn, Angus? Und kennst du dich zufällig mit Frettchen aus? Hast du eine ungefähre Ahnung, wie alt sie eigentlich werden?"

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    Klient - Decima Lucilla

  • Ich sah belustigt zu, als sich mein neuer römischer ‚Freund‘ an das Cervisia herantraute. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich noch keinen einzigen Römer erlebt, der gerne den Gerstensaft getrunken hatte. Für die meisten von ihnen war das ein Barbarengetränk. Aber das war durchaus in Ordnung, denn so bleib mehr Cervisia für uns Barbaren übrig.


    Sein Urteil fiel dann eher auch moderat aus. Gar nicht übel… naja, wenn er meinte! Wahrscheinlich sagte er das auch nur, um mich nicht vor den Kopf zu stoßen. „Das ist das Beste, was es gibt!“ meinte ich nickend. „Früher war ich sehr oft hier. Aber dann hatte der Wirt Probleme mit den Cohortes und musste für einige Zeit schließen.“ Ja, weil er in ihrem verdammten Kerker gesessen hatte. „Aber jetzt sind anscheinend alle Unklarheiten beseitigt.“


    Mich überraschte es dann schon, als sich der Römer das Gleiche bestellte, was ich vor mir stehen hatte, nachdem Gwen mir den Eintopf serviert hatte. „Wird gemacht!“, rief sie nickend und verschwand sofort wieder.
    „Aha, du weift waf gut ist!“, stellte ich mit vollem Mund fest, denn ich hatte mich sofort über das Essen hergemacht. Dann schüttete ich gleich noch etwas Cervisia hinterher, denn der Eintopf war noch ganz schön heiß – aber lecker!


    Mein Tischnachbar wurde nun noch gesprächiger, während er auf sein Essen wartete. Aber das konnte mir nur recht sein. Auf diese Weise konnte ich ihn noch näher kennenlernen und er fasste Vertrauen zu mir, so dass ich ihn später wesentlich leichter ausnehmen konnte. „Ich komme aus Albion und mein Stamm sind die Carvetii, wenn dir das etwas sagt.“ Die meisten Römer hatten keine Ahnung von den Völkern, die sie unterjocht hatten, geschweige denn kannten sie ihre Namen. „Mein Stamm lebt im Norden eurer Provinz Britannia inferior.“ Womöglich wusste er mit dieser Information etwas mehr anzufangen. Die nächsten beiden Fragen irritierten mich etwas. Was wollte er denn plötzlich mit Frettchen? "Äh nein, tut mir leid. Mit Frettchen kenne ich mich nicht aus." Nun zermarterte ich mir plötzlich den Kopf, ob das Frettchen eventuell ein Deckname für eine weitere Verbrecherbande in der Subura war, so wie die Krähe. Ach nein! Ich sah jetzt nur Gespenster!


    „Und wie steht es mit dir? Wohnst du hier in der Nähe?“, fragte ich, um noch ein paar Informationen über mein Opfer zu erfahren.
    Dann kam Gwen nach ein paar Minuten wieder mit einem Becher schäumender Cervisia und einem Teller Lammeintopf. Sie lächelte meinem Tischnachbarn noch zu, dann stellte sie den Teller und den Becher vor ihm ab. „Magst du auch noch´n Becher, Angus?“ Das musste Gwenn nicht zweimal fragen! „Na klar! Immer her damit!“ Ich sah der Wirtin noch nach, dann schwang mein Blick wieder zu meinem neuen Freund.

  • Probleme mit den Cohortes, aha...
    Ich unterdrückte ein Grinsen, als der Barbar so fröhlich reinhaute, und so herzerfrischend unbefangen mit vollem Munde sprach. Das war die Lebensfreude eines unverbildeten Naturburschen! Beziehungsweise eines... Carvetiers. (Nie gehört.)
    "Britannien!" Und da hatte ich gedacht, er sei Germane, wegen der Cervisia. "Kämpft ihr noch immer mit Streitwägen, wie zur Zeit des großen Caesar?" erkundigte ich mich neugierig. "Ich hatte mal ne Freundin, die war auch Keltin, die war genauso blond wie du."
    Was Frettchen anging, wusste er aber auch nicht mehr als ich. Oder vielleicht hatte er das Wort nicht verstanden.
    "Früher hab ich hier in der Gegend gewohnt. Da gabs jedes Jahr das große Rattenbeißen, und ein Frettchen hat immer gewonnen." Ich zeichnete ein Frettchen in die Luft, und imitierte grimassenhaft ein frettchenhaftes Nagen, damit Angus verstand was ich meinte.
    "Jetzt wohn ich in Trans Tiberim. Ich bin im Mosaikgeschäft. Und was machst du so, Angus?" Die Sache begann mir Spaß zu machen.
    Da kam auch schon die vierschrötige Wirtin mit meiner Bestellung.
    "Danke!"
    Ich trank einen kleinen Schluck der Cervisia und griff zum Löffel. Es war ein deftiger Lammeintopf, rustikal in seiner Schlichtheit, wirklich mal etwas anderes.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Ja Britannien! Die meisten Römer, die es dorthin verschlug, zählten die Tage, bis sie unsere herrliche Insel wieder verlassen durften. Es sei oft zu nass und zu kalt, hörte man aus ihren Mündern. Und das Land sei zu unwegsam. Da fragte ich mich doch, weshalb sie sich überhaupt dorthin verirrt hatten! Aber, das war eine andere Geschichte.


    Mein Gegenüber hatte zumindest schon einmal etwas über das Essedum gehört – den Streitwagen, mit dem unsere Anführer in die Schlacht fuhren. Die Esseda waren in den letzten Jahren rar geworden, seitdem die meisten Stämme mehr oder weniger befriedet worden waren. Dennoch drangen immer mal wieder wilde Krieger aus dem Norden in die römische Provinz ein.
    Außerdem war ein solcher Streitwagen auch nicht ganz billig. Nur die Krieger der Oberschicht konnten sich ein eigenes Essedum leisten.
    „Sagen wir´s mal so, wir kämpfen nicht mehr so oft. Na ja, gelegentlich noch ein kleiner Aufstand da oder ein winziger Überfall dort. Aber das war es auch schon!“ antwortete ich grinsend. Noch immer waren wir in den Augen der Römer nichts weiter als tumbe wilde Barbaren, die sich den ganzen Tag gegen die römischen Eindringlinge auflehnten. Dass es mancherorts auch anders war, konnten sich die meisten gar nicht vorstellen.


    „Dann hast du einen guten Geschmack!“, meinte ich, als er seine keltische Freundin erwähnte. Wobei eine Keltin nicht zwangsläufig eine Britannierin sein musste. Ebenso gut konnte sie aus Gallien stammen oder aus dem Noricum, oder...oder… oder.


    „Aha,“ merkte ich nur kurz an, als er über sich erzählte. Doch die Informationen, die ich über mein nächstes Opfer erfuhr, speicherte ich sofort ab: Trans Tiberim, Mosaikleger. Ein Handwerker also! Keiner der Ahnung vom Kämpfen hatte. Umso besser, dann hatte ich später leichtes Spiel mit ihm.


    „Ich bin im Personenschutz-Geschäft tätig.“ Besser konnte man es wohl kaum umschreiben. Allerdings war es nicht mein Geschäft, denn ich verdiente dadurch ja kein Geld. Ich wollte dem Kerl aber auch nicht verraten, dass ich ein Sklave war. Viele Römer reagierten ziemlich hochmütig, wenn sie merkten, dass sie es mit einem Sklaven zu tun hatten.


    Nachdem Gwen meinem neuen Freund den Lammeintopf kredenzt hatte und er davon kostete, interessierte es mich natürlich brennend, ob ihm das Essen schmeckte. Die Cervisia trank er ja noch zaghaft. Aber etwas Besseres als Gwens Lammeintopf gab es nicht in der Subura! „Und, wie schmeckt dir der Lammeintopf? Ist doch gut, oder?“

  • Ein kleiner Aufstand, ein winziger Überfall, das klang ja sehr beschaulich. Aber zu schade, dass Angus kein Streitwagen-Krieger war, es hätte mich unbändig interessiert, welche Techniken diese gewieften Wilden einsetzen, um ihre Wägen geländetauglich zu machen.
    Und wieder bewahrte ich eine mustergültig harmlos-interessierte Miene, als er mir erzählte, was er so machte: 'Personenschutz', obwohl ich mich köstlich amüsierte dabei. "Ah..." sagte ich mit einem leicht beeindruckten Unterton, "es heißt ja immer, da ist eine Menge zu holen."
    Ich nahm noch einen Löffel, und nickte anerkennend. "Interessante Kombination mit den Kapern. Könnte etwas schärfer sein, aber ja, wirklich gut! Weißt du, ich probiere gern mal was neues aus."
    Darauf einen Schluck Barbarengetränk, und noch einen. Die herrliche Freiheit meines incognito machte mich übermütig. Keine Menschenseele würde es stören, wenn ich mich hier einmal zur Abwechslung nach Herzenslust daneben benahm. Mit einem hintersinnigen Lächeln fuhr ich fort:
    "Aber es gibt auch Sachen, da werd ich einfach immer schwach!" Ich kratzte mich auffällig unauffällig mit einem Finger am Kopf und umfing das herrliche Geschöpf vor mir mit einem feurigen Blick. "Zum Beispiel so irre blonde Haare wie du sie hast, Angus." - Gleichzeitig war ich in alarmbereiter Anspannung, mich zu verteidigen, falls er jetzt beschließen würde mir eine reinzuhauen. (Barbaren waren oft so schrecklich prüde.) Ich genoß den Nervenkitzel. - "Wie gesponnenes Gold! Als hättest du die Sonne eingefangen und ihr ein Bündel ihrer Strahlen geraubt."

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  • Gwen kam mit einem weiteren Becher Cervisia an. Der wievielte war das eigentlich? Ich hatte gar nicht mitgezählt. Entweder konnte sie hellsehen und hatte durch ihre Fähigkeiten sehen können, dass der Inhalt meines Bechers gerade zur Neige gegangen war oder ich litt bereits an Aussetzern, denn ich konnte mich nicht erinnern, noch eine Cervisia bestellt zu haben. Aber egal, ich nahm sie trotzdem! Auch wenn ich nun langsam den Alkohol zu spüren begann, was nicht unbedingt von Nachteil war.


    „Na ja, es könnte besser sein!“, entgegnete ich ihm. Wahrscheinlich konnte man als freier Mann einen ordentlichen Reibach machen. Doch als unfreier Custos waren alle Mühen mehr oder weniger selbstverständlich, geschweige denn dass ich dafür bisher niemals bare Münze gesehen hatte. Aber gut, daran würde ich nichts ändern können.


    Viel mehr Spaß machte es mir hingegen zu sehen, dass ihm das Essen tatsächlich schmeckte und er auch langsam an der Cervisia Geschmack fand. Ja, Gwen hat es tatsächlich mit diesem Gericht geschafft, die traditionelle britannische Küche mit den Feinheiten der mediterranen Küche zu vereinigen. Wenn das mal nicht der Beginn der Fusionsküche war! Darauf musste ich direkt meinen Becher leeren. „Noch eine, Gwen!“, rief ich und hörte meinem Gegenüber zu, als er mir verraten wollte, wovon er immer schwach wurde. Ich glaubte natürlich zunächst, der Kerl redete vom Essen. Eigentlich hätte es mir schon auffallen müssen, als er sich so am Kopf kratzte. Blondes Haar, so wie meines, mochte er. Ich dachte mir nichts dabei, denn ich wusste inzwischen, dass manche Römer total auf blonde Haare (bevorzugt bei Frauen) abfuhren und ich assoziierte das irgendwie mit seinem Interesse an seinem Interesse an Streitwagen.


    „Aha,“ machte ich grinsend. „Viele meiner Landsleute sind blond oder rothaarig. Stell dir vor, früher in den glorreichen Zeiten, als die Stämme noch frei waren, da kämpften unsere mutigsten Krieger nackt! Lediglich blaue Farbe bedeckte ihren Körper. Mit wildem Geschrei stürzten sie sich auf ihre Feinde! “ Tja, das waren noch Zeiten! Für einen Moment sah ich das Bild noch vor meinem inneren Auge. Doch dann verblasste es wieder und etwas ganz anderes trat in den Vordergrund. Denn wenn ich so darüber nachdachte, konnte der Römer das jetzt auch ganz anders gemeint haben. Besonders seine letzten Worte verstärkten meinen Verdacht. Mein Grinsen verschwand langsam und glücklicherweise erwies sich meine Blase als Retter in der Not. Schließlich hatte ich ziemlich viel getrunken. „Ich muss mal schiffen gehen!“ Ich stand auf und ging nach draußen.

  • Nein, kein Fausthieb war die Antwort – ich entspannte mich. Stattdessen begann er seinerseits zu flirten. Ich nahm zumindest an, dass er das tat
    "Das kann ich mir lebhaft vorstellen!" rief ich wahrheitsgemäß, und sah den schönen Barbaren vor meinem inneren Auge, hochaufgerichtet auf einem Streitwagen von zwei zottigen Riesenrössern gezogen, seine Hünenstatur von blauer Kriegsbemalung apart betont.
    Leider verabschiedete er sich dann aber abrupt zur Latrine. Ich widmete mich meinem Essen, trank noch einen Schluck... und überlegte, ob ich seine Zeichen falsch gedeutet hatte, und er mir auf seine barbarisch-unbefangene Art im Grund signalisiert hatte, ihm zu folgen?


    Unschlüssig aß ich noch einen Bissen, doch dann sagte ich mir einmal wieder Fortes fortuna adiuvat, erhob mich, strich meinen Mantel zurecht, um den Pugio weiter zu verbergen, und zahlte bei der vierschrötigen Dame des Hauses am Tresen. Darauf nahm ich den Weg durch einen dunklen Hausflur zum Hinterhof, wo es deutlich nach Latrine stank.
    Fast wäre ich über eine abgetretene Stufe gestolpert. Die Mauern waren brüchig, und irgendwelches Gerümpel das da herumlag, war schemenhaft auszumachen. Den Kelten sah ich gerade nicht, und ich begann mich zu fragen, was ich hier eigentlich veranstaltete... drückte mich in schmierigen Subura-Winkeln herum, einem Sklaven nachstellend, wie die Karikatur eines pathicus...

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  • Ich war vor die Tür gegangen und hatte mir eine nette dunkle Ecke gesucht, um dort eine Stange Wasser abzulassen. Die stinkende Latrine im Hinterhof war nicht so meins. Wenn ich hier in der Subura war, dann fühlte ich mich wenigstens ein bisschen frei. Dann war ich auch so frei, mich dort zu erleichtern, wo es mir beliebte.
    Danach betrat ich wieder die Taberna, um mich zurück zu meinem neuen „Freund“ zu gesellen. Doch was war das? Er war nicht mehr da! So ein Mist, mir war gar nicht aufgefallen, dass er auch die Taberna verlassen hatte. Sofort ging ich zu Gwen hinüber, um sie zu fragen, ob ihr etwas aufgefallen war. Außerdem bezahlte bei der Gelegenheit auch meine Zeche. Die Wirtin berichtete mir dann, der Mann habe seine Rechnung bei ihr beglichen, sei aber noch nicht gegangen. Er sei nach draußen in den Hinterhof gegangen, dort wo die Latrine war. Ich bedankte mich bei ihr für die Information und ging dann auch zum Hinterhof hinaus. Schon bald kroch mir der Gestank der Latrine in die Nase. Bevor ich jedoch hinaus trat, blieb ich an der Ecke stehen und beobachtete ihn kurz. Er stand mit dem Rücken zu mir und wenn ich leise war, würde er mich nicht kommen hören. Das war die Chance, ihm hier und jetzt seinen Geldbeutel abzunehmen!
    Ich schlich mich also auf leisen Sohlen an ihn heran. Als ich direkt hinter ihm stand, drückte ich ihm von hinten meine Hand auf seinen Mund und drücktete ihm mit all meinem Gewicht gegen die nächstliegende Mauer. „Kein Mucks, mein Freund! Wenn du schön brav machst, was ich von dir verlange, wird dir nichts Schlimmes passieren!“, zischte ich ihm leise ins Ohr.
    Dummerweise bemerkte ich erst jetzt, dass ich doch glatt vergessen hatte, meinen Dolch unter meiner Tunika hervorzuholen. Also pfriemelte ich mit einer Hand am unteren Ende meiner Tunika herum, während ich ihn immer noch fest gegen die Wand drückte. „Mist, verdammter!“, fluchte ich leise und bewegte meine Hand immer hektischer dabei.

  • Mit dem Gedanken, dass ich nun wohl besser nach Hause gehen und ein Bad in wohlriechenden Essenzen zusammen mit einem ebenso wohlriechenden Libertus nehmen sollte, schob ich meinen Mantel über die Schulter, wollte mich schon zum Gehen wenden, hielt dann aber doch noch ein letztes Mal Ausschau nach dem goldenen Barbaren... und fand mich auf einmal von hinten gepackt und gegen die Mauer gepresst, wie von einer Schraubzwinge. Mein erschrockenes Japsen wurde erstickt von einer schwieligen Hand, die mir den Mund verschloss. Der Angreifer hatte mich kalt erwischt, und er war enorm stark. Zu Tode erschrocken glaubte ich tatsächlich im allerersten Moment, das mörderische Rabenaas Sciurus sei dem nassen Grab entstiegen, um sein Werk zu vollenden und mich doch noch zu erdrosseln, krallte die Hand in den mich umschlingenden Arm, um meine Kehle zu schützen und versuchte instinktiv den Mund frei zu bekommen.
    Die Stimme, die an mein Ohr drang, war aber nicht die des albtraumhaften Garotteurs, es war die des schönen Kelten... Der anscheinend nicht auf mein Leben aus war, sondern auf etwas ganz anderes. Bona Dea! Ich sollte vorsichtiger sein, mit dem was ich mir wünschte. Seine Nähe war mir ja nun beileibe nicht unwillkommen, aber solche brutalen Spiele waren nicht nach meinem Geschmack! Ungestümer Wilder!
    Als er einen Arm von mir löste, und damit begann, sich auf Touren zu bringen, sah ich meine Chance gekommen, umgriff sein Handgelenk, die Fingerspitzen genau dahin bohrend wo es weh tat, gab seinem mich umschlingenden Arm einen kleinen Dreh-Impuls und wand mich nach unten aus seiner Umklammerung heraus, tauchte zur Seite weg und rappelte mich zwei Schritt weiter wieder auf, tief einatmend – wie köstlich die stinkige Luft hier doch sein konnte!
    "Wer wird denn gleich grob werden?" Ich lachte, erleichtert nach dem ausgestandenen Schrecken, und klopfte mir eine Wolke von Mauerstaub von der Tunika. "Ein Adonis wie du, Angus..." wobei ich wieder auf ihn zutrat, und die Hand nach ihm ausstreckte, "bekommt doch auch so alles was er will." Meine Hand wanderte zu der seinen, die eben noch so hektisch auf und ab gegangen war, und umfasste sie. Ich warf einen Blick zu beiden Seiten – wir waren für den Augenblick zumindest allein in dem Hinterhof. Das war hier gerade... sehr verboten und sehr aufregend...
    "Lass mich mal." forderte ich ihn kokett auf, schob seine Hand sanft aber bestimmt beiseite, und ließ die meine unter dem Saum seiner Tunika verschwinden, in der Absicht ihm ein wenig behilflich zu sein.

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