[Hortus] So ist Lyrik - Worte ohne Noten.

  • Von der Bibliotheca kommend, genauer gesagt von deren Eingang, lenkte Iduna ihre Schritte in Richtung des iulischen Hortus. Das Licht war noch gut, sodass es den beiden Sklaven noch genügend Helligkeit spenden würde.
    “Wollen wir uns dort auf eine der Bänke setzen?“
    Wollte die Rothaarige von dem furischen Maiordomus wissen und blickte fragend in Tiberios Richtung.


    “Aislin hat schon so fest geschlafen. Da wollte ich sie nicht wecken.“
    Erklärte die Germanin, wieso sie ihre Tochter nun doch nicht geholt hatte.
    “Ich freue mich schon sehr.“
    Tatsächlich wirkte die iulische Sklavin regelrecht aufgeregt und strich sich immer wieder eine ihrer roten Strähnen aus der Stirn. Was war wenn sie sich verhaspelte? Nein. Daran wollte Iduna gar nicht erst denken und so blickte sie abwartend in Tiberios Richtung. Der furische Sklave würde doch eröffnen, nicht wahr?

  • Tiberios setzte sich dicht neben Iduna - sonst konnten sie ja nicht zusammen in die Schriftrolle sehen.
    "Das nächste Mal ist deine Kleine vielleicht wach.", sagte er und deutete damit an, dass es noch ein nächstes Mal geben würde.
    "Du liest Antigone, somit wirst du beginnen...", bestimmte er.

  • Am liebsten hätte Iduna dem furischen Sklaven die Schriftrolle aus den Händen genommen. Stattdessen setzte sie sich auf die steinerne Bank. Und blickte abwartend zu dem Lockenkopf empor. Wie würde es wohl sein gemeinsam mit dem furischen Maiordomus dieses Stück vorzutragen? Oh ja. Allmählich stellte sich eine kribbelnde Aufregung in Idunas Körper ein und ihr Blick ruhte mit geröteten Wangen auf dem Schriftstück.
    “Aislin ist wirklich ein süßes Kind, und...“
    Dann jedoch verstummte die Rothaarige augenblicklich und biss sich vor Verlegenheit auf die Unterlippe. Wieso erzählte sie dies dem furischen Sklaven überhaupt? Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln verdrängte Iduna diese Gedanken und versuchte sich einzig und alleine auf die Worte der Schriftrolle zu konzentrieren. Wie nahe Tiberios neben ihr Platz genommen hatte, bemerkte die Rothaarige nicht. Als sie sich vollends auf ihre Rolle konzentrierte und ihre samtweiche Stimme erklingen ließ.


    “Gemeinsamschwesterliches! o Ismenes Haupt!
    Weißt du etwas, das nicht der Erde Vater
    Erfuhr, mit uns, die wir bis hieher leben,
    Ein Nennbares, seit Ödipus gehascht ward?
    Nicht eine traur'ge Arbeit, auch kein Irrsal,
    Und schändlich ist und ehrlos nirgend eines,
    Das ich in deinem, meinem Unglück nicht gesehn.
    Jetzt aber, ahnest du das, was der Feldherr
    Uns kundgetan, in offner Stadt, soeben?
    Hast du gehört es? oder weißt du nicht,
    Wie auf die Lieben kommet Feindesübel?“


    Einige Worte wollten dann doch nicht so kristallklar über Idunas Lippen entweichen. Und so konnte man die Rothaarige bei einigen Sätzen tatsächlich stocken hören. Dann folgte immer ein fragender Blick in Tiberios Richtung.

  • Tiberios hörte das Kinn in eine Hand gestützt zu, einige Male verlas sich die rothaarige Germanin beim ersten epeisodion, aber sie fing sich immer wieder und blieb im Rhythmus des lyrischen Versmaßes.
    Der junge Grieche nickte: „Wenn du dich vertust, so lies das Wort einfach noch einmal, ohne dich zu entschuldigen.“, sprach er: „Deiner lieblichen netten Stimme verzeiht man solche Kleinigkeiten.“


    Nun las Tiberios klar und deutlich den Part von Schwester Ismene:
    "Nicht kam ein Wort zu mir, Antigone, von Lieben,
    Kein liebliches und auch kein trauriges, seitdem
    Die beiden Brüder beide wir verloren;
    Die starben einen Tag von zweien Händen;
    Seit aber fort das Heer von Argos ist,
    Vergangne Nacht, weiß ich nichts weiter mehr
    Und bin nicht glücklicher und nicht betrübter.",


    und er verstummte.
    „Darf ich?“, sagte er und ohne die Antwort abzuwarten, legte er ohne große Umstände seine linke Hand auf den Halsansatz von Idunas Tunika und die rechte auf ihren Bauch, wie er es von Icarion gelernt hatte:
    „Wenn du ängstlich bist, atmest du ein wenig flach und verschluckst die Nachsilben.“, sagte er sanft: „ Du brauchst dich nicht fürchten, Iduna"

  • Ihren Blick hielt Iduna auf die Schriftrolle gerichtet und auf ihre Rolle, die sie sprechen sollte. Die Worte waren nicht leicht zu entziffern und auszusprechen. Und tatsächlich verhaspelte sich die Rothaarige bei dem einen und anderen Wort. Etwas was Iduna ganz und gar nicht gefiel. Und dem furischen Sklaven durfte dies auch missfallen, denn solche Unterbrechungen störten den Lesefluss unerheblich. Somit war es nicht verwunderlich das Idunas Blick nach der ersten Zeile, immer wieder in Tiberios Richtung wanderte. Beinahe wirkte dieser Blick so, als vergewisserte sich die Rothaarige, ob Tiberios mit ihrer Vorstellung bisher zufrieden war. Bestimmt. Denn sonst hätte er sie mit Sicherheit schon längst auf etqaige Fehler angesprochen.
    “Ich werde mich bemühen.“
    Versicherte die iulische Sklavin, lächelte kurz und konzentrierte sich erneit auf ihre angedachte Rolle. Doch zuerst musste Tiberios seinen Part sprechen und Iduna lauschte fasziniert dem Stimmenklang des Lockenkopfs.
    “Deine Stimme .. sie klingt wunderschön Tiberios.“
    Augenblicklich senkte Iduna ihren Blick und las nun ihre Rolle, mit ihrer samtweichen Stimme.


    “Das dacht ich wohl und rief dich aus dem Hoftor
    Darum, daß du's besonders hören könntest.“


    Bei diesen Worten klang Idunas Stimme tatsächlich energischer. Was zur Folge hatte das sie einige Silben und Endungen der Wörter verschluckte. Wie peinlich. Und die Sklavin senkte errötend ihr Köpfchen. Bis sie die Berührung seiner Hände spürte, wie er seine Finger gegen ihre Kehle und gegen ihren Bauch bettete.
    “Was soll ich stattdessen machen? Es ist das erste mal das ich so etwas mache.“
    Da ist die Rothaarige natürlich äußerst aufgeregt. Ohnehin wollte sie doch alles richtig machen. Schließlich fiele ihr Fehlverhalten auf die Gens Iulia zurück. Und dies wollte Iduna unter allen Umständen vermeiden.

  • „Alles gut, einfach ruhig atmen.“, sagte Tiberios freundlich, und weil die kleine Iduna so ängstlich dreinschaute, konnte er einfach nicht anders, er gab ihr einen ganz zarten Kuss auf die Stirn, gleichzeitig zog er sie an sich:
    „Du machst alles sehr gut. Wenn zwischendrin ein griechisches Wort kommt, lies es einfach. Du brauchst nicht alles zu verstehen,du musst nur die Buchstaben kennen.
    Schau!..."

    Er holte sein Schreibzeug heraus und kritzelte auf eine Tabula:



    "Dies ist dein Name in Griechisch.“, sagte er, nahm Idunas zierliche Hand und fuhr die Buchstaben entlang:
    "Iota, Delta, und diesen Laut gibt es nicht wirklich bei uns , daher Ypsilon, es folgen Ny und Alpha: Iduna
    Er reichte ihr die Tabula.
    „Für dich“
    Dann las er weiter:
    "Ismene: Was ist's, du scheinst ein rotes Wort zu färben?"

    Und lachte leise, denn er wusste schon, dass der Text für Iduna viel länger war als der seine, aber sie wollte ja lernen, nicht er.

  • Wie sollte sie bitte ruhig atmen, wenn ihr doch vor Aufregung das Herz bis zum Hals pochte?
    “Bitte entschuldige Tiberios.“
    Murmelte die Rothaarige mit leiser Stimme und blickte schließlich mit großen Augen empor, als sie die hauchzarte Lippenberührung des furischen Maiordomus spürte.
    “Ich möchte doch nur nichts falsch machen.“


    Noch immer blickte die iulische Sklavin mit großen Augen zu dem Lockenkopf empor und spürte wie ihr Herz vor Aufregung viel zu hastig in ihrer Brust pochte.
    “Ich dachte ich soll auch verstehen was ich ausspreche.“
    Dabei schmunzelte die Sklavin in Tiberios Richtung. Bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf die Tabula richtete, in die er griechische Buchstaben gekritzelt hatte. Zumindest nahm es die Germanin an das diese Buchstaben griechischer Natur sein mussten.


    Vorsichtig fuhr Iduna die Buchstaben nach die ihren Namen bildeten. Einmal. Zweimal. Dreimal. Und dann ließ Iduna ihr Stimmchen erklingen. Auch wenn sie die Buchstaben mit ihrem harten, germanischen Akzent aussprach, so verhaspelte sie sich diesmal nicht. Vielleicht lag dies aber auch daran weil sie besonders langsam und betont gesprochen hatte.


    Die Tabula mit ihrem Namen drückte die Rothaarige für einen kurzen Augenblick an ihre Brust.
    “Danke Tiberios. Ich werde besonders darauf aufpassen.“
    Schließlich konzentrierte sich auch die Cheruskerin erneut auf ihren Text.


    “Hat mit der letzten Ehre denn nicht unsre Brüder
    Kreon gekränzt, beschimpfet, wechselsweise?
    Eteokles zwar, sagt man, behandelt er
    Mit rechtem Recht, gesetzgemäß, und birgt
    Ihn in der Erd, ehrsam den Toten drunten.
    Vom andern aber, der gestorben ist armselig,
    Von Polynikes' Leibe sagen sie, man hab
    Es in der Stadt verkündet, daß man ihn
    Mit keinem Grabe berg und nicht betraure.
    Man soll ihn lassen unbeweint und grablos,
    Süß Mahl den Vögeln, die auf Fraßes Lust sehn.
    So etwas, sagt man, hat der gute Kreon dir
    Und mir, denn mich auch mein ich, kundgetan,
    Und hierher kommt er, dies Unwissenden
    Deutlich zu melden. Und die Sache sei
    Nicht, wie für nichts. Wer etwas tut dabei,
    Dem wird der Tod des Steinigens im Orte.
    So steht es dir. Und gleich wirst du beweisen,
    Ob gutgeboren, ob die Böse du der Guten?“


    Samtweich und kristallklar drang Idunas Stimme über ihre Lippen. Wobei sie Tiberios immer wieder anblickte.

  • "Du machst nichts falsch", beruhigte Tiberios Iduna: "Das war sehr, sehr gut!"
    Sie schaute ihn an wie ein verwirrtes kleines Mädchen. Der junge Grieche schüttelte den Kopf, ganz verstand er ihre Verschrecktheit nicht. Diensteifrig und demütig zu sein gehörte zu ihrem Stand, aber Iduna wirkte, als würde permanent jemand mit der Peitsche hinter ihr warten. Dann erinnerte sich Tiberios wieder daran, was sie über ihre grausame frühere Herrschaft erzählt hatte.
    Hoffentlich war Iduna nicht gebrochen worden, bevor sie erblühen konnte.
    Fast in Gedanken nahm er Idunas Hand , führte sie an seine Lippen und begann ihr schmales Handgelenk zu liebkosen. Es war spielerisch und ohne, dass er etwas erwartete. Würde es der jungen Frau gefallen?
    Leicht biss er zu und knabberte an ihrer hellen Haut, dann küsste er sie wieder.
    "Ismene
    Was aber, o du Arme, wenn es so steht?
    Soll ich es lassen oder doch zu Grab gehn?",
    sagte er ohne in die Schriftrolle zu sehen, und dann:
    "Was sagst du dazu, o meine Antigone aus dem Barbaricum? - nein, das steht nicht im Text, lass dich von mir nicht rausbringen."
    Nun nahm er ihre andere Hand und ließ ihr die gleiche Behandlung angedeihen.
    "Ich höre", sagte er, während seine Küsse zärtlicher wurden.

  • Wenn sie doch laut dem furischen Maiordomus nichts falsch machte, wieso pochte ihr Herz dann nur so unnatürlich laut in ihrer Brust? Schließlich spiegelte das Gesicht der jungen Rothaarigen pure Verzweiflung und sie wirkte wahrlich wie ein verschrecktes Kanninchen.
    “Ich.. ich bin natürlich nicht so geübt wie du Tiberios. Aber ich lerne schnell und viel und...“
    Dann verstummte Iduna auch schon und biss sich auf ihre Unterlippe. Wobei sie mit großen Augen zu dem Lockenkopf empor blickte und nicht wusste was hier gerade mit ihr und um sie herum geschah. Das der furische Sklave mit seiner Vermutung bereits äußerst nahe an der Wahrheit kratzte, ahnte die Germanin nicht. Schließlich wurde ihr diese Diensteifrigkeit und diese unnatürliche Demut mit der Peitsche eingetrichtert. Der Flavier wusste wie man die Peitsche schwang und seine Gemahlin, die Claudia wie man Angst und Furcht in den Herzen sähte. War die kleine Rothaarige aus diesem Grund so versessen darauf alles richtig zu machen? Hatte sie sich aus diesem Grund beinahe täglich dem Kelten im Beischlaf hingegeben? Unwillkürlich erzitterte die Cheruskerin mit dem so wild pochendem Herz. Als der furische Sklave dann jedoch nach ihrem zarten Handgelenk griff und seine Lippen liebkosend über ihre Haut gleiten ließ, erzitterte Iduna sichtlich. Jetzt würde er sie gleich näher ziehen, ihre Tunika empor schieben, und.... Ganz so wie es der Kelte, ihr Gefährte auch immer getan hatte und die Rothaarige hatte Angus tagtäglich gewähren lassen. Schließlich hatte es ihm doch zugestanden.


    Zum Glück rezitierte der Lockenkopf eine weitere Passage aus dem Stück und ließ Iduna zurück in die Gegenwart kehren. Auch wenn sie noch immer leicht erzitterte. So war sie doch nicht beiseite gerutscht.


    “Ob mittun du, mithelfen wollest, forsche!“


    Hauchte die Rothaarige mit äußerst leiser Stimme. Wobei sie aus großen Augen zu Tiberios empor blickte und nun auch spürte wie er ihr anderes Handgelenk mit seinen Lippen liebkoste. Abermals schluckte die iulische Sklavin hart. Während sich feinste Schweißperlen an ihrer Schläfe sammelten. Sie sollte ihm ihre Hand entziehen. Ihn von sich schieben. Und doch wirkte die Rothaarige wie gelähmt und starrte den Dunkelblonden mit großen Augen an. Bis es dann ihre Finger waren, die sie ausstreckte und sie Tiberios über die Wange streichelte. Schließlich krallte sie sich unbewusst an ihm fest, während ihre Augen tiefdunkel glühten und ihr Atem hart und panikerfüllt über ihre Lippen gepresst wurde.

  • Tiberios legte die Schriftrolle beiseite: „So lange hat Sophokles auf uns gewartet, dann wartet er gewiss noch ein Weilchen länger.“, sprach er leichthin, aber dann merkte er, dass die junge Frau schreckensstarr war und sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn sammelten, obwohl sie doch seine Wange streichelte.
    Das verstand der junge Grieche nicht, denn für ihn war der Dienst an Venus etwas, das alle Beteiligten zur Freude gereichen sollte.
    Und so nahm er Idunas Hände in die seinen:
    „Du liest gut, Iduna. Leih dir jeden Tag eine Schriftrolle aus und lies, Tragödien und Komödien, Poesie, Theater und Sachtexte. Damit deine Stimme geschmeidig bleibt, kauf dir ab und zu ein Löffelchen Honig.
    Mein Kuss war ein freundliches Angebot an Dich, mehr nicht. Wenn du mich nicht lieben magst, so sag es frei heraus, ich bin dir weder gram noch jemand, der solch einen Dienst von dir einfordern wird.“

  • Das leise rascheln der Schriftrolle, die Tiberios beiseite legte, klang unnatürlich laut in Idunas gespitzten Ohren. Zeitgleich pochte ihr Hetz viel zu rasch in ihrer Brust und ihr Körper war zum zerreißen angespannt. Und das nur weil der furische Maiordomus sie liebkosend berührt hatte. Wie es bei Angus gewesen war.
    “Sind alle Griechen so geduldig?“
    Flüsterte die Rothaarige und versuchte ihre Verwirrung verzweifelt unter Kontrolle zu bekommen. Denn am liebsten wäre sie abgerückt und wäre geflohen.


    Diese Nähe zu dem jungen Mann lösten in der Cheruskerin gemischte Gefühle aus und Bilder ihrer Vergewaltigung stiegen vor Idunas innerem Auge auf. Auch wenn sie sich an den Gedanken klammerte, dass sie irgendwann darüber hinweg sein sollte. Schließlich zog die Rothaarige ihre schmalen Finger zurück und ballte diese zu Fäusten. Zeitgleich senkte die kleine Germanin ihren Kopf und schluckte hart.


    Und dennoch ließ sie es zu das Tiberios nach ihren Händen griff und blickte mit großen Augen zu dem Lockenkopf empor.
    “Danke Tiberios. Ich werde mich fleißig im Vortragen üben und an den Honig werde ich denken.“
    Dann jedoch rieselte ein Schauer durch ihren Körper und ein trauriger Glanz huschte durch Idunas Seelenspiegel.


    “Nein! Ich.. ich wollte dir kein negatives Gefühl übermitteln Tiberios. Ich... es ist nur.. Angus hat mich mit Taten und Worten tief verletzt.“
    Seitdem hielt sich der Kelte auch von ihr und Aislin fern.

  • Tiberios zuckte die Schultern, so ganz begriff er nicht, was seine Person mit Angus zu tun hatte. Es konnte vorkommen dass man an jemanden Fiesen geriet, gerade als Sklave, aber deshalb niemals wieder Sinnenfreuden genießen?
    Der Alexandriner zuckte die Achseln:
    „Ein höfliches Nein auf eine höfliche Anfrage ist für mich nichts Negatives.“, sprach er: „Aber willst du wirklich dein künftiges Leben wie eine Vestalin leben? Ich meine, du bist noch zu jung dafür.“
    Laut den griechischen Ärzte war es sogar gesundheitsschädlich, aber vielleicht war das bei Frauen und besonders Barbarinnen anders.


    „Ich freue mich, dass du Vorlesen üben willst. Du wirst schon merken, alles was du lernst, gehört für immer Dir, und keiner kann es dir wegnehmen. Als ich … in Gefangenschaft war, habe ich im Geiste alles rezitiert, was ich jemals auswendig gelernt habe, sonst hätte ich vielleicht den Verstand verloren. Die Worte der Großen, die vor uns gelebt haben, sind immer ein Trost, liebe Iduna, und wie der Pharus Alexandrinus ein Leuchtturm in finsterster Nacht.“
    Tiberios wusste nicht, ob die junge Frau ihn völlig verstand.

  • Unsicher schielte sie Rothaarige zu dem Sklaven empor und bemerkte sein Schulterzucken. Wie sollte sie diese Geste werten? Dabei wollte sie ihn doch gar nicht ablehnen. Er hatte sie nur ...überrumpelt. Und wieder einmal wurde Iduna bewusst das sie ihre Vergangenheit niemals vergessen konnte. Ganz gleich wie sehr sie sich anstrengte und Angus aus ihren Gedanken verbannte. Aber dann blickte sie wieder ihre Tochter an und erkannte in Aislin den Kelten. Ein nie endend wollender Teufelskreis.


    “Ich wollte dich nicht abweisen. Es war nur so ... überraschend.“
    Dann verstummte die Rothaarige und richtete ihren Blick auf die Schriftrolle, während ihr das Herz bis zum Hals pochte.
    “Eine Vestalin? N..Nein. In erster Linie möchte ich das Aislin ein wunderschönes Leben haben kann. Auch wenn dies bedeutet das ich alleine bleiben muss. Angus wurde mir von den Flaviern als mein Gefährte zur Seite gegeben. Aber er.. hat sich von Aislin und mir .. von uns abgewandt. Und ... möchten junge Männer nicht immer jungfräuliche Gefährtinnen?“
    Dabei kicherte Iduna leise und senkte errötend ihren Kopf.


    “Wir sollten mit leuchtenden Augen zu den von uns Gegangenen empor blicken und ihnen huldigen. All' die hübschen Verse wären nie bis in die iulische Bibliothek gelangt.“
    Dabei huschte ein Lächeln über Idunas Lippen.
    “Du sprichst vom Licht in der Dunkelheit? Das ist für mich meine Tochter. Aislin ist mein Augenstern und das wichtigste in meinem Leben.“

  • Tiberios schüttelte den Kopf. Jungfräulichkeit bei einer Mitsklavin...das würde er nicht erwarten. Warum auch?
    "Ich suche keine Jungfrauen, das gibt nur Ärger.", gab er zu.


    Aber als Iduna sagte, dass Aislin ihr pharos sei, sprach er:
    "Die Lebenden sind die schlechteste Wahl. Viel schlechter als das, was in den Schriftrollen steht, da du Menschen verlieren kannst; sie können dir weggenommen werden oder Thanatos holt sie sich. Es ist mehr: Du wirst sie auf die eine oder andere Weise immer verlieren."


    Er hob den Kopf und schenkte der jungen Frau einen kühlen Blick.

  • Der Verlauf ihres Gesprächs hatte eine Wendung genommen die Iduna sichtlich irritierte. Und diese Irriration spiegelte sich auch für einen kurzen Augenblick auf ihren Gesichtszügen wieder.
    “Ich habe auch nicht dich im speziellen gemeint Tiberios. Ich habe meine Frage allgemein gehalten. Ich wollte niemanden mit meinen Worten zu nahe treten.“
    Und schon gar nicht dem furischen Sklaven der ihr das rezitieren dieser wunderschönen Verse mit ihr übte.


    Dann jedoch ließ Tiberios erneut seine Stimme erklingen und Idunas Lippen zu einem bleichen Strich zusammen pressen.
    “Meine Tochter ist mein Anker und mein Halt in dieser grausmen Welt.“
    Erwiederte die Rothaarige dann schließlich und blickte dem furischen Maiordomus direkt entgegen. Dabei ließ sie ihre Fingerspitzen unbewusst um ihr Handgelenk gleiten. Jene Stelle berührend, die von Tiberios Lippen liebkost wurde.


    “Niemand wird mir meine Tochter wegnehmen.“
    War es erneut Idunas Stimme die mit einem äußerst entschlossenen Klang erklang. Den Gedanken das der Gens Iulia einfallen könnte, ihre Tochter einfach so zu verkaufen, schob die Rothaarige weit von sich. Das würde ihr zukünftiger Dominus oder ihre zukünftige Domina nicht zulassen, wenn Iduna mit flehender Stimme darum bat. So zumindest das Wunschdenken der jungen Frau.


    Als sich dann jedoch Tiberios kühler Blick auf sie niederlegte, senkte die Germanin ihren Kopf.
    “Du denkst dir nun bestimmt was ich doch für ein naives Häschen bin. Richtig Tiberios?“
    Bestimmt. Denn sonst würde er sie nicht mit diesem Blick mustern, oder?

  • Tiberios merkte, dass Iduna ihn nicht verstanden hatte, und er schwieg einen Moment lang. Es gab nicht viele Menschen, die ihn wirklich verstanden; er war immer ein wenig fremd, nicht nur unter Sklaven, auch seinen domini gegenüber und sogar für die, die er liebte oder die ihn mochten.
    Als nun Iduna darauf beharrte, niemand könne ihr ihre Tochter wegnehmen, wo doch die Sklavenmärkte voller weggenommener Söhne und Töchter waren, lächelte er wissend und traurig und zog die junge Frau an sich:
    "Zume moni, pethenume moni, to endiameso fotino simio to leme zoi *", sagte er: "Wir leben allein, wir sterben allein, den hellen Punkt dazwischen nennen wir Leben, sagt man."
    Iduna wirkte so verwirrt, da fuhr Tiberios ihr mit dem Zeigefinger über ihre Lippen, leicht tat er es. Wenn sie diesmal nicht zurückschrecken würde, würde er vielleicht weitergehen, aber verängstigen oder gar drängen wollte er die cheruskische Sklavin auf keinen Fall.




    Sim-Off:

    * Ein Zitat des (neu)griechischen Dichters Nikos Kazantzakis

  • Tatsächlich sprach der furische Sklave in Rätseln. Wenn sie vielleicht bereits fortgeschrittener in ihrer Ausbildung zur lectrix wäre, dann wüsste sie vermutlich welch' Antwort der Lockenkopf erwartete. Doch so, blinzelte die Rothaarige lediglich mit großen Augen in seine Richtung. Eh' sie ihren Blick auch schon niederschlug und aus dem Augenwinkel in Richtung der Schriftrolle schielte. Für den Maiordomus war die Schriftrolle zur Nebensache geworden. Und für Iduna? Eigentlich auch. Denn ihr Blick galt einzig und alleine dem Lockenkopf. Auch wenn sein kühler Blick eine Gänsehaut auf ihrem Körper hinterlassen hatte.


    Dieses Mienenspiel schien jedoch bereits vergessen zu sein. Und so neigte die Germanin ihr Köpfchen auf die Seite, während sie Tiberios schweigend musterte. Als sie von dem Lockenkopf schließlich näher gezogen wurde, ließ sie es geschehen. Und das obwohl ihr das Herz bis zum Hals pochte. Aber vielleicht hatte Tiberios Recht. Sie könnte nicht ewig als Vestalin leben.


    Dem leisen Stimmlein in ihrem Hinterkopf, welches sie als Ehebrecherin gegenüber dem Kelten bezichtigte, legte die Rothaarige augenblicklich einen Maulkorb an. Angus hatte sie verlassen. Der Kelte wollte nichts mehr von ihr und ihrer gemeinsamen Tochter wissen.
    “Auch ich werde irgendwann sterben. In meiner Heimat. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen.“
    Oh ja. Dieser Gedanke war ein schöner Gedanke.


    Als die Rothaarige dann erneut Tiberios Finger an ihren Lippen spürte, öffnete sie kaum merklich ihre Lippen und beobachtete den furischen Sklaven mit einem sanften leuchten in ihren Augen.

  • Tiberios war ein wenig erstaunt über Idunas Betragen. Er hätte erwartet, dass sie, da sie schon Mutter war, Erfahrungen auf dem Gebiet des Eros hatte, aber sie benahm sich genau wie eine scheue Jungfrau, zögerte und war ängstlich, gab nach und zog sich wieder zurück.
    Tiberios aber mochte keine sich arglos gebenden Mädchen auf sein Lager ziehen, und es gefiel ihm auch nicht, wenn sie danach weinten und klagten über das, was sie ihm "geopfert" hätten.


    Und als sie ihn nun mit einem sanften Leuchten in den Augen ansah, sprach er:
    "Iduna, verliebe dich nicht in mich, denn Liebe kann ich dir nicht geben. Ich werde Roma bald verlassen und im Auftrag meiner domina auf eine längere Reise gehen. Ich kann mit dir nur Aphrodites sanften Zauber teilen."


    Er legte den Kopf schräg und erwartete Idunas Antwort.

  • Wie gut das die Rothaarige nichts von den Gedanken des Lockenkopfs ahnte. Denn dann hätte sie sich mit Sicherheit zurück gezogen und hätte womöglich irgendeine Ausrede erfunden, damit Tiberios die Domus Iulia verließ. So jedoch blieb sie regungslos und äußerst knapp vor ihm stehen und musterte ihn aus ihren leuchtenden Augen heraus. Ihre Lippen hatte die kleine Germanin noch immer leicht geöffnet, wohingegen ihr Herz viel zu hastig in ihrer Brust pochte. Dann jedoch erklang die Stimme des furischen Maiordomus und ließ Idunas Herz bis zu ihrem Hals pochen. Jedoch waren Tiberios Worte nicht unbedingt das was sich die Cheruskerin erhofft hatte und so senkte sie auch schon ihren Kopf gen Boden.


    “Du wirst Roma bald verlassen?“
    Griff Iduna lediglich die letzte Phrase seiner Worte auf und beleckte sich unwillkürlich ihre Lippen. Wie schade, dann würde es auch keine weiteren Lehrstunden geben.
    “Deine Domina scheint eine gütige Frau zu sein wenn sie dich in ihrem Namen auf eine längere Reise gehen lässt.“
    Dabei klang Idunas Stimme tatsächlich sehnsuchtsvoll und dieser Schimmer glänzte auch in ihren Augen.
    “Ich werde an dich denken und dich in die Gebete meiner Göttin einschließen, wenn du dich auf deiner Reise befindest.“
    Flüsterte die kleine Rothaarige und neigte ihren Kopf kaum merklich auf die Seite.


    Dann streckte Iduna ihre schmale Hand aus und bettete ihre Finger auf Tiberios Wange, welche sie zärtlich zu streicheln begann.
    “Wäre ich eine unter vielen der du deine Gunst schenkst Tiberios?“
    Denn bisher hatte sie lediglich mit dem Kelten das Lager geteilt und seitdem der Dunkelhaarige nichts mehr von ihr wissen wollte, flackerte Idunas Leidenschaft als kleines Flämmchen tief in ihrem innersten.

  • "Solange ich noch in Roma bin, unterrichte ich dich gern. Aber bitte frag künftig um Erlaubnis, ob ich hier sein darf. Ich würde mich wohler dabei fühlen. Und du willst doch deine neuen domini auch nicht verärgern. Immer lieber einmal zu viel fragen als zu wenig!"
    Auch Tiberios war ja schon durch Eigenmächtigkeiten in Schwierigkeiten geraten, daran dachte er ungern.
    Als Iduna seine domina eine "gütige Frau" nannte, nickte er bekräftigend:
    "Oh ja, Domina Stella ist gütig und klug. Ich hatte Glück....", sprach er:
    "Für mich ist es das erste Mal, dass ich verreise, denn diesmal werde ich an Deck sein, ein Passagier und keine Ware. Ich bin schon sehr aufgeregt. - Ich danke dir für die Gebete an deine Göttin, weil alle Göttinnen die eine Göttin sind."
    Dann streichelte Iduna seine Wange, und er fand das höchst angenehm. Einen Moment lang schloss er die Augen:
    Die nächste Bemerkung brachte ihn wieder zum Lachen:
    "Es sind nicht viele.", sagte er:
    "Ab und zu sind sie anwesend, das Verlangen und die Glückseligkeit, und wenn sie beim Anderen auch da waren, habe ich sie mit ihr oder ihm geteilt. Du sahst ängstlich aus, und ich wollte dich entspannen.
    Doch weil du mich so fragst, darf ich auch etwas fragen: Bist du etwa eine Christin?"

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