Fetialis

Aus Theoria Romana
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Die Fetiales sind römische Priester, die ein collegium von 20 Mitgliedern auf Lebenszeit bildeten. Sie wurden unter den vornehmen Familien kooptiert. Der Name wurde mit foedus (Bündnis, Vertrag), fides (Treue, Schutz) und ferire (schlagen, stoßen, treffen) verbunden. Auch außerhalb Roms gab es in Italien Fetiales, so bei den Latinern, in Ardea, bei den Aequiculern, den Laurentern und bei den Samniten.

Der Überlieferung nach sind die römischen Fetiales von Numa oder Tullus Hostilius oder Ancus Marcius eingesetzt und aus Ardea oder von den Faliskern oder von den Aequiculern entlehnt, deren König Fertor Resius als Erfinder des ius fetiale, das heißt des sakralen Rechtsverkehrs von Volk zu Volk, bezeichnet wird, Nachrichten, die natürlich keinen tatsächlichen historischen Wert besitzen. Jedenfalls gehören die Fetiales zu den ältesten römischen Priesterkollegien, wie auch schon die Verwendung des Steines (silex, siehe unten) bei der Tötung des Opfertiers im Fetialritus zeigt. Im Range stehen sie den großen Kollegien der pontifices, augures, XVviri s. f., septemviri epulones am nächsten. Im J. 22 n. Chr. wird der vergebliche Versuch gemacht, sie den vier erwähnten Kollegien sowie den Augustales gleichzustellen. (vgl. Tacitus Annalen) Ursprünglich mussten die Mitglieder des Kollegiums Patrizier sein und nahmen stets eine hohe Stelle ein. Auch Augustus war Fetialis, ebenso die späteren Kaiser. (vgl. Sueton)

Die Aufgabe der Fetiales ist die Wahrung des ius fetiale, d.h. der im vökerrechtlichen Verkehr in Betracht kommenden sakralen Formen. Aus dieser Aufgabe gehen verschiedene Arten ihrer Wirksamkeit hervor. Auf Befragen des Senats oder des Magistrats hat das Kollegium der Fetiales Gutachten über die beobachtenden völkerrechtlichen Formen zu erteilen, so über die Form der Kriegserklärung oder die Auslieferung eines Schuldigen. In allen übrigen Fällen tritt nicht das gesamte Kollegium in Funktion, sondern es werden zwei bis vier Mitglieder bestimmt, die als Gesandte abgeschickt werden. Sicher bezeugt ist die Zweizahl für den Abschluss eines Bündnisses: der verbenarius handelt gemeinsam mit dem pater patratus. Der verbenarius trägt die heiligen, auf der Burg (arx) gepfückten Kräuter (herba pura, verbenae, sagmina), die das Abzeichen der Sendung der Fetiales sind und sie im fremden Lande als unverletzlich kennzeichnen. Der eigentliche Bevollmächtigte und Wortführer ist der pater patratus, der aber nicht der Vorsitzende des Kollegiums ist, sondern für den einzelnen Fall bestimmt wird. Der pater trägt Priestergewand, seine Kleider, wie überhaupt die der fungierenden Fetiales, dürfen nicht von Linnen sein. Wie der Flamen hat er seinen Kopf mit einem Wollfaden umwunden. Während der verbenarius die heiligen Kräuter trägt, führt er das Zepter, bei dem der Eid (s.u.) geleistet wird, und den zum Töten des Opfertieres verwendeten Feuerstein (lapis silex), die beide im Tempel des Iuppiter Feretrius aufbewahrt werden.

Soll eine Deputation der Fetiales ihr Amt ausüben, so erbittet der als verbenarius fungierende Fetialis zunächst vom Magistrat den Auftrag zur Vornahme der erforderlichen Handlung, z.B. eines Bündnissabschlusses mit den Worten: iubesne me cum patre patrato populi <adjektivischer Name des Volkes im Genetiv, z.B. Albani wie bei Livius überliefert> foedus facere?, dann fordert er die Erlaubnis zur Übernahme der sagmina. Der Magistrat erteilt diese mit der Formel puram tollito. Nachdem der Fetialis darauf das Kraut von der Burg geholt, erbittet er die Ernennung zum Gesandten mit den Worten: facisne me tu nuntium populi Romani Quiritium vasa comitesque meos? (in den vasa wurden jedenfalls die sagmina und der silex aufbewahrt). Nachdem der Magistrat diese Bitte mit den Worten: quod sine fraude mea populique Romani Quiritium fiat, facio erfüllt hat, macht der Fetialis einen anderen Fetialis zum pater patratus, indem er mit den sagmina seinen Kopf und seine Haare berührt.

Ein foedus (Bündnis) wird in Anwesenheit der Feldherren und Heere durch die patres patrati beider Völker abgeschlossen. Nachdem die Bestimmungen des Vertrags vorgelesen sind, beschwört der pater patratus, in der Hand das Zepter tragend, das Bündnis und ruft in feierlicher, feststehender Formel vetus praefatio/precatio fetialium (praefatio nach Sueton, precatio nach Livius) die Anwesenden und vor allem Iuppiter, Mars und Quirinus zu Zeugen dafür an, dass sein Volk den Vertrag halten werde: (Liv. I 24,7: audi, Iuppiter, audi, pater patrate populi Albani, audi. tu populus Albanus: ut illa palam prima postrema ex illis tabulis cerave reictata sunt sine dolo malo, utique ea hic hodie rectissime intellecta sunt, illis legibus populus Romanus prior non deficiet. - Hör zu, Iuppiter, hör zu du pater patratus des albanischen Volkes, hör zu. Du albanisches Volk: so wie jenes öffentlich von Anfang bis zum Ende von jenen Tafeln oder Wachse vorgelesen wurde, ohne böse List, und wie es hier und heute völlig richtig verstanden wurde, so wird von jenen Gesetzen das römische Volk nicht zuerst abfallen.) Darauf tötet er ein Ferkel mit dem heiligen silex, indem er die Götter beschwört, im Falle des Bruchs des Vertrags durch das römische Volk dieses zu treffen, wie er selbst das Ferkel treffe (Liv. I 24,8: si prior defexit publico consilio dolo malo, tum tu, ille Diespiter, populum Romanum sic ferito, ut ego hunc porcum hic hodie feriam, tantoque magis ferito, quanto magis potes pollesque - wenn es aber zuerst abging durch öffentlichen Beschluss in übler List, dann sollst du, Jupiter, das römische Volk so treffen, wie ich dieses Schwein hier und heute treffen werde, um so vieles kräftiger aber sollst du es treffen, um wie vieles kräftiger du es kannst und vermagst.) Nach der Tötung des Ferkels wird der Abschluss des Bündnisses als foedus ferire oder percutere bezeichnet. Nachdem das Opfer vollzogen ist, wirft der pater patratus den Stein fort indem er die Formel spricht: si sciens fallo, tum me Diespiter salva urbe arceque bonis eiciat, ut ego hunc lapidem. (Wenn ich den Eid wissentlich breche, dann soll mich Iuppiter aus der unversehrten Stadt und Burg und von den Guten fortwerfen, wie ich diesen Stein.) Die gleiche Zeremonie wird von dem pater patratus des andern Volks vollzogen. Darauf wird von den beiden Fetiales die Urkunde des Vertrags unterschrieben.

Ist den Römern von einer auswärtigen Gemeinde ein Unrecht zugefügt worden, so werden zunächst auf Senatsbeschluss die Fetiales abgesandt, um Genugtuung zu fordern (res repetere): Der pater patratus geht an die Grenze des feindlichen Volkes und spricht dort die Formel: Audi Iuppiter, audite fines - hier wird der Name des Volkes genannt - audiat fas! ego sum publicus nuntius populi Romani, iuste pieque legatus venio verbisque meis fides sit. (Höre Iuppiter, hört ihr Grenzen (des betreffenden Volkes) mich höre das fas! Ich bin ein öffentlicher Botschafter des römischen Volkes, auf eine rechte und gottgefällige Weise gesandt komme ich und meinen Worten möge Glauben geschenkt werden.) Dann bringt er seine Forderungen vor, beschwört Unheil über sich und Rom, wenn er nicht die Wahrheit spreche: si ego iniuste impieque illos homines illasque res dedier mihi exposco, tum patriae compotem me nunquam siris esse. (Wenn ich ungerechter und frevelhafter Weise jene Leute und jene Sachen an mich, den Boten des römischen Volks, ausgeliefert haben will, so mögest du mich mein Vaterland nie wieder betreten lassen!) Diese Formel wiederholt er nach Überschreitung der Grenze mit geringen Veränderungen gegenüber dem ersten, der ihm begegnet, dann am Stadttore und auf dem Markt. Werden die Schuldigen ausgeliefert, so entfernt er sich mit ihnen als Freund. Verlangen die Gegner Zeit zur Beratung, so gewährt er ihnen eine Frist von 30 Tagen mit Wiederholung der Forderung nach je zehn Tagen, nach deren Ablauf ruft er, wenn keine Genugtuung gewährt ist, die Götter zu Zeugen des begangenen Rechtsbruch an mit der Formel: audi Iuppiter et tu Iane Quirine diique omnes caelestes vosque terrestres vosque inferni audite! ego vos testor populum illum iniustum esse neque ius persolvere. Sed de istis rebus in patria maiores natu consulemus, quo pacto ius nostrum adipiscamur. (Höre, Iuppiter! Und du, Iuno, Quirinus! Und ihr himmlischen Götter alle, und ihr irdischen, und ihr unterirdischen, höret! Euch rufe ich zu Zeugen, dass jenes Volk ungerecht ist, und nicht leistet, was Rechtens ist. Doch hierüber wollen wir in der Heimat die Älteren befragen, auf welche Art und Weise wir unser Rechte erringen mögen.) Nach dieser testatio kehrt der Fetialis nach Rom zurück, auf seinen Bericht wird im Senat über die Kriegserklärung beraten. Ist der Krieg im Senat beschlossen, so begibt sich der Fetialis zur Grenze des feindlichen Gebietes und wirft in Gegenwart von mindestens drei Erwachsenen eine in Blut getauchte Lanze (hasta) in das Feindesland und spricht die Kriegserklärung aus.

Wie die Fetiales von einem fremden Volke die Auslieferung derer fordern, die sich gegen ihr Volk vergangen haben, so obliegt es ihnen auch, die Schuldigen aus dem eigenen Volke an das fremde auszuliefern.

Noch Claudius schloss als pater patratus Bündnisse mit auswärtigen Königen in Rom nach dem alten Fetialritus. Auch die Kriegserklärung oblag den Fetiales auch noch in späterer Zeit. Octavian erklärt im J. 32 nach Fetialritus den Krieg gegen Kleopatra und Marcus Antonius, Marc Aurel ebenso 178 den Markomannenkrieg, doch war der Akt zu einer symbolischen Handlung geworden, die nicht an der feindlichen Grenze sondern direkt in Rom vollzogen wurde. Zur Zeit des Tarentinerkriegs muss ein gefangener Soldat des Pyrrhus ein Stück Land beim Circus Flaminius kaufen, welches ein für alle mal als Feindesland erklärt wird. In dieses wirft der pater patratus von einer hier - beim Tempel der Bellona - errichteten Grenzsäule (columna bellica) aus die Lanze.

Literatur: Georg Wissowa (Hrsg.), Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 1978.