[HORTUS] Frater sororque II

  • Der herrschaftliche Garten der Flavia verbreitete heute in der Nachmittagssonne eine besonders schöne Atmosphäre und lud geradezu zu einem Spaziergang ein.

    Drei der Grazien gibt's, nur eine Venus! Die Veilchen will ich zum Strauße gereicht, aber die Rose allein.

    Einmal editiert, zuletzt von Flavia Flamma ()

  • Sogleich folgte der Jüngling seiner Schwester hinaus in die Garten, der, obschon der Frühling noch kaum seinen Einzug hatte gehalten, sorgsam gepflegt und delektierlich für einige Zeit der Muse gerichtet war. An der Seite Flammas setzte Manius Minor somit einen Fuß hinter den anderen über den präzise gerechten Schotter hinüber zu jenem Baume, auf welchem er einst den Gefährten seiner Kindertage Diarmuid hatte angetroffen.
    Einen Augenschlag sinnierend, auf welche Weise das Zwiegespräch mit seiner nymphengleichen Schwester am trefflichsten zu gestalten sei, begann er endlich mit dem Obligaten, das zu disputieren gleichsam jedem Quiriten am Herzen lag.
    "Wie geht es der Familia in Baiae?"
    Seit mehr denn einem Dezennium hatte der junge Flavius seinen Onkel Aristides nicht mehr getroffen, nachdem jener sich ins ferne Baiae, dieser hingegen zuletzt beständig sich in Roma, dann gar in nördlicheren Gefilden sich hatte aufgehalten. Dennoch inspirierte jener Recke des parthischen Krieges, der Held von Circesium, den Jüngling mehr denn je, seit er im cremonischen Exile ein Faible für das Kriegshandwerk hatte entwickelt, weshalb er gar erwog, beizeiten den retirierten Veteranen in seiner Wahlheimatstadt zu visitieren.

  • Bah! Schon wieder Baiae! Langsam hatte Flamma aber genug von dieser Stadt.
    So fiel Ihre Antwort einwenig vage aus. "Es geht Ihnen soweit gut. Titus entwickelt sich ausgezeichnet."
    Nun sah Flamma ihre Chance gekommen, endlich etwas über die flavische Familia in Rom zu erfahren. "Wie ist es euch hier in all den Jahren ergangen? Wer lebt alles in diesem Haus?"

    Drei der Grazien gibt's, nur eine Venus! Die Veilchen will ich zum Strauße gereicht, aber die Rose allein.

  • Einen Augenblick drängte es Manius Minor, sich expliziter über das Befinden seines Bruders, insonderheit jedoch ebenso das seines Onkels und seines Vetters Serenus zu erkundigen, doch nahm sich Flamma in diesem Sujet augenscheinlich lieber lakonisch aus, sodass er lediglich fortschritt zu einer Frage, welche zu beantworten als kein leichtes Unterfangen sich würde erweisen, da doch die Geschehnisse in Rom selbst ohne familiare Wechselspiele sich förmlich hatten überschlagen, seitdem seine Schwester vor Jahren der Urbs den Rücken hatte gekehrt.
    Daher zäumte der Jüngling das Pferd hinterrücks auf und schritt erstlich zur Replik der zweiten Frage:
    "Derzeitig leben Vater und ich, dann die beiden Söhne des Milo, Iullus und Scato, sowie unsere Tante Domitilla hier. Im oberen Trakt residiert außerdem Onkel Furianus mit seinem Adoptivsohn Atilianus."
    Dennoch verblieb die diffizile erste Frage:
    "Uns erging es-"
    Für einen Augenschlag verweilte der junge Flavius voller Insekurität, da doch insonderheit die erste Zeit nach der Trennung von seiner Schwester eine Straße des Grauens war gewesen, bevölkert von einer Population an Schrecken, die noch immer in seinen Träumen ihn erwarteten und deren Produkte jede Stunde des Wachens an ihm zehrten. Indessen würde Flamma sich zweifelsohne grämen, sofern er jene Ereignisse in ihrer deplorablen Realität explizierte, zumal die Norm ihn nötigte, das Wahre unter der Maske des leutseligen Aristokraten zu verbergen, sodass er letztlich sich beschied, es bis auf weiteres bei einer knappen Narration der offenbaren Geschehnisse zu belassen:
    "-gut, den Umständen entsprechend. Vater und ich flohen, wie du weißt, ebenfalls aus Rom. Vater ließ mich dann in Mantua bei unserem Verwandten Aurelius Ursus, dem damaligen Kommandeur der Legio I Traiana, zurück."
    An jenem ersten Punkt der Entfremdung seines Vaters war der Jüngling aufs Neue genötigt innezuhalten und für einige Augenschläge die Bitterkeit jener Remineszenz hinabzuschlucken gleich einem rebellischen Bissen, der nach Stunden der Völlerei aus seinem Magen aufs Neue war in den Mundraum emporgekreucht, als könne er so dem Schicksal des Verdauens entrinnen. Fortunablerweise bot sich hier endlich eine Episode an, welche damalig zwar als herbe Desillusion sich hatte erwiesen, heute indessen mit dem Humor des gen Adoleszenz strebenden Jüngling mochte erwogen werden:
    "Ich war beseelt vom Wunsch meinen Dienst für Rom zu leisten und schlich mich bei Aufbruch der Legion gegen Vescularius in einen der Proviantwägen. Am ersten Tage half mir ein Soldat namens Priscus, doch am Folgetage war Fortuna mir nicht mehr hold: Aurelius Ursus ließ mich zu einem seiner Klienten nach Cremona verbringen, wo ich den Rest des Krieges verweilte. Vindex erwies sich jedoch als vortrefflicher Gastgeber, der aus einer reichen Lebenserfahrung im Dienste des Kaisers schöpfte und mir einige Geborgenheit schenkte, derer ich damals so dringlich benötigte."
    Die Explizität jener Ausführungen gestattete es Manius Minor in der Tat, in der Memorierung jener erwähnten Geborgenheit die Düsternis der vorherigen Erlebnisse zu verdrängen, sodass gar ein sublimes Lächeln sich den Weg auf seine schmalen, von Pausbacken limitierten Lippen bahnte.
    "Mutter wird dir das alles aber zweifellos berichtet haben."
    Der Gedanke an Mutter, welche sein letzter Brief, wie sich hatte erwiesen, niemals würde erreichen, trübte den Blick des Jünglings aufs Neue.
    "Nach dem Kriege kehrte ich hierher zurück und ebenso erschienen Scato und Iullus, zu welchen ich eine überaus cordiale Relation unterhalte, sowie Tante Domitilla, die während des Krieges von Hirten in den Alpes war verborgen wurden! Wie Romulus und Remus selbst!"
    Geradezu konvulsiv klammerte Manius Minor sich an jedwede heitere Episode, nötigte sich gar ein exageriertes, zweifelsohne dümmlich und aufgesetzt erscheinendes Grinsen ab, um in Autosuggestion die Tragik des Unerwähnten zu übertünchen.
    "Nach meiner Rückkehr legte ich die Bulla ab. Trotz meiner damaligen Jugend."
    Neuerlich ein eher unerfreulicher Umstand, da der damalige Knabe doch sich in keinster Weise hatte präpariert gefühlt die Bürde der Adoleszenz zu tragen, zumal sein Argwohn gegen die Intentionen Gracchus Maiors, durch die Ledigsprechung der Verantwortung für ihn ledig zu werden, sich ob der weiteren Distanz zu verifizieren schienen.
    "Seither frequentiere ich gemeinsam mit Iullus und Atilianus den Rhetor und präpariere mich für meine Zukunft."


    Sim-Off:

    Da deine Ankunft bereits geraume Zeit zurückliegt, werde ich vom Status vor dem endgültigen Zerwürfnis mit Gracchus Maior und vor der Ankunft Dexters ausgehen.

  • Flamma hörte aufmerksam zu und versuchte, die unterschwelligen Implikationen ihres Bruders zu verstehen. Wenn sie ich nicht täuschte, dann stimmte etwas zwischen ihm und ihrem Vater ganz und gar nicht. Aber um diesen Eindruck zu bestätigen oder zu widerlegen würde sie auf weitere Anzeichen warten müssen.
    Teile der Geschichte warn ihr durchaus bekannt, hatten ihre Verwandten aus Baiae doch in all den Jahren einiges erwähnt, wobei sich ihre Mutter jedoch durch ihre ausgeprägte Reserviertheit ihrer Tochter gegenüber ausgeschwiegen hatte.
    Flamma runzelte unwillkürlich die Stirn, als sie versuchte, all die Namen in eine logische Ordnung zu bringen. Die Namen Domitilla und Scato kamen ihr doch vage bekannt vor und inen Atilianus hatte sie ja gleich am Tag ihrer Ankunft kennengelernt - falls es sich hier bei um denselben handelte.
    "Ich sehe, es waren keine einfachen Zeiten und ich bin froh darüber, dass diese vorbei sind", schloss Flamma mit Bedacht vage, um keine eindeutige Stellung beziehen zu müssen. Nun lag es an Minor, Fragen zu stellen, fand Flamma und wappnete sich innerlich.

    Drei der Grazien gibt's, nur eine Venus! Die Veilchen will ich zum Strauße gereicht, aber die Rose allein.

  • "Durchaus, durchaus."
    , konfirmierte der Jüngling die Kondolenzen seiner Schwester und verharrte noch einen Augenschlag im Chaos jener Jahre, die in ihrer Tristesse doch in admirabler Velozität waren verstrichen. Doch sie waren vergangen und vor dem jungen Flavius stand eine nahezu zwangsläufig bessere Zukunft, sodass er letztlich das Vergangene passieren ließ und sich dem Werdenden zuwandte, wofür es von gewisser Necessität war, auch die Geschichte Flammas in gewissem Maße zu erfahren, um im geschwisterlichen Zwiegespräch delikate Punkte zu umschiffen und Kenntnis von Vorlieben und Degouts seiner so nahen und doch ob der langjährigen Distanz so fernen Anverwandten zu gewinnen:
    "Und wie erging es dir? Du musst ja ebenfalls eine wahre Odyssee durchlebt haben!"

  • "Gewiss", antwortete Flamma reichlich vage, denn sie hatte keinerlei Interesse daran, über ihre reichlich ungeliebte Vergangenheit zu reden. "Aber letztendlich haben wir allen Gefahren und Nöten getrotzt, nicht wahr?"
    Flamma steuerte auf eine der marmornen Bänke zu, um sich anmutig darauf niederzulassen. "Mutter sprach nicht viel über die Verhältnisse in Rom. Vielleicht wollte sie, dass ich unberührt von alldem aufwachse." Oder weil sie ihre eigene Tochter nicht sonderlich mochte.
    "Meine Erziehung folgte den traditionellen Mustern, wie es mir als ein weibliche Mitglied der altehrwürdigen Gens Flavia zustand. Ich denke, dass ich nun bereit bin, ihr zu dienen. Auf welcher Art und Weise auch immer." Vornehmlich natürlich durch eine vorteilhafte, standesgemäße Ehe, die ihr all den Luxus sichern konnte, den sie liebte und gewohnt war.

    Drei der Grazien gibt's, nur eine Venus! Die Veilchen will ich zum Strauße gereicht, aber die Rose allein.

  • Bisweilen bedachte Manius Minor die Option, fern von jenem Moloch Rom seine Jugend zu verbringen, sei in der Tat nicht die übelste, zumal das cremonesische Exil in der Retrospektive durchaus eine der glücklichsten Zeiten seines bisherigen Lebens gewesen zu sein schien. Insofern neidete der Jüngling seiner Schwester jenen Frieden, insonderheit aber ihr Privileg an der Seite seiner geliebten Mutter deren letzte Jahre verlebt zu haben.
    "Ist Mutter friedlich entschlafen?"
    , sprudelte jene drängende Frage somit geradezu aus ihm heraus, die ihn drängte, seit er von ihrem Ableben war unterrichtet worden und im Schmerz ein letztes Mal jene Einheit mit Manius Maior hatte verspürt, die einer Familie für gewöhnlich anstand.


    Jener Vater indessen war es, der nunmehr auch Flammas Schicksal aufs intensivste würde bestimmen, sodass der junge Flavius auch diesbezüglich seinen Vorwitz im Zaume zu halten außerstande war:
    "Hat Vater dir noch keinen Bräutigam erwählt?"
    Obschon die Formulierung seiner Schwester eine Negation jener Frage implizierte, so vermochte Manius Minor doch nicht zu imaginieren, dass ausgerechnet ihr jene Prädestination mochte erspart bleiben, die ihn bereits hatte betroffen, als noch die Bauklötze sein liebster Zeitvertreib waren gewesen:
    "Ich wurde bereits verlobt. Mit einer Cornelia, der Nichte des Cornelius Scapula. Nicht gerade eine Augenweide..."
    Mochte Flamma ihres Bruders seit Jahren nicht mehr ansichtig geworden sein, so verspürte der Jüngling doch den Drang, letztlich irgendjemanden ins Vertrauen zu ziehen, denn obschon Patrokolos ein probater Gesprächspartner war, so ließ die Konversation mit diesem doch ein gewisses Maß an Augenhöhe missen, welches nunmehr im Zwiegespräch mit der Schwester er sich erhoffte.

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